Kuscheltiere 1 - Schräge G´schichten: Spaziergang der Kuscheltiere
Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Spaziergang der Kuscheltiere

Geschichte Nr. 9 im Rahmen der Zeichen-Challenge #30SkizzenimNovember und somit die aktuell vorletzte meiner schrägen Geschichten, ist eine Hommage an wichtige Begleiter im Krankenhausalltag – es geht um Kuscheltiere.

Alle schrägen Geschichten sind hier zu finden: … ABER DAS IST EINE ANDERE GESCHICHTE
Es ist mein Betrag zur Zeichen-Challenge der Freiraumfrau. Mein selbstgewähltes Thema ist diesmal jeweils 2 Zeichnungen und eine Geschichte zu „malen“ – weil man ja auch mit Worten Bilder entstehen lassen kann. In Summe sind das dann (hoffentlich) 10 Geschichten bis Ende November.
Alle Skizzen, von anderen und von mir, findet ihr auch auf Instagram, Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #30SkizzenimNovember, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 9:

Spaziergang der Kuscheltiere

„So ein liebes Mietzekatzi!“
Ich stehe am Gang, nahe meinem Zimmer, und habe eben versucht das Atmen mit meinem, ein wenig außer Kontrolle geratenen, Herzschlag zu koordinieren. Und habe ich das Gefühl im falschen Film zu sein.

Hier ist weit und breit kein Mietzekatzi.
Leider.

Ich wollt schon heut in der Früh was sagen, aber da habens gar ned gut ausgschaut. Jetzt hab ich Sie ansprechen müssen. Sooooo ein liebes Mietzekatzi da auf Ihrem T-Shirt! Wie putzig das dreinschaut!

Der Groschen (0,0714 Cent, ca. 10 Pfennig) fällt scheppernd in den Blechnapf, mein Hirn erinnert sich an seine vom Schicksal vorgesehene Funktion (Denken und Erinnern) und liefert mir das fehlende Puzzleteil: Ich habe heut morgen mein Katzenshirt angezogen.
Es war Notwehr, der Tag hat ziemlich herangegraut und für solche Fälle braucht es Gegenmaßnahmen. Der riesige Katzenkopf nimmt fast das ganze Shirt ein. Überlebensgroß, so nennt man das, und ich denke, es ist gut, dass es diese Katze nicht in echt gibt. Sie hätte die Weltherrschaft inne.

Es ist ein selbstgenähtes Shirt und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe den Stoff gesehen, einen tiefen Blick in die Augen der Mietze geworfen und gewusst: Wir sind für einander bestimmt.
Dieser Blick – unbeschreiblich! Eine leicht kranke Mischung aus sophisticated und komplett durchgeknallt. Leicht nach schräg oben gerichtet und man sieht ihr an, was sie denkt: Soll ich schnurren oder ausrasten? Hat sie mich gerade „putzig“ genannt?
Ideale Kleidung für graue Tage im kranken Haus.

Sichtlich hat meine Mietze einen weiteren Fan gefunden. Vor mir steht eine kleine, ältere Frau. Wobei ich nur vermute, dass sie älter ist (als ich). Wer länger hier ist, bei dem Verschwimmen die Jahresringe und man weiß nicht mehr, ist es das Alter oder die Umgebung. Sie ist schon fast 4 Wochen hier und bleibt noch ein paar. Ein ausgebleichte, ursprünglich buntere Hose, ein beige-braunes Shirt mit irgendwelchen Ethnoaufdrucken. Graue, gekräuselte Haare, eine lustige Brille und eine Bauchtasche mit zwei Kuscheltieren.
Bis auf die Bauchtasche eine ganz normale Erscheinung. Wobei die Bauchtasche das Outfit perfekt ergänzt und auch die Kuscheltiere, ein Bärchen und ein Häschen, zum Rest passen.

Alles im Rahmen, schließlich sind wir hier im Krankenhaus und wo kann man seine Spleens besser ausleben, wenn nicht hier? Wobei die Intensität des Auslebens mitunter von diversen bunten Pillen gesteuert wird, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Zu intensiv sollte man den inneren Hippie also auch hier nicht raushängen lassen. Es könnte sonst zu einem Flug übers Kuckucksnest führen.

Die Bauchtaschen-Lady ist noch im Rahmen, hat sich gut im Griff und schwärmt mir noch immer von der Begegnung mit meiner T-Shirt-Katze vor. Es dürfte das spirituelle Erlebnis des heutigen Tages für sie sein.

Ich merke, dass meine T-Shirt-Mietze zwischen Schnurren und Fauchen hin- und herüberlegt und bevor sie eine Entscheidung für mich trifft, deute ich auf die beiden Plüschis in der Bauchtasche und sage, leicht verkrampft lächelnd: „Die sind aber auch lieb, die zwei.
Ja, das sind meine Kinder, die trag ich gern mit mir herum.“
Ich nicke verständnisvoll.
Der Spleen, die Tabletten, die Umgebug.
Alles gut.

Also eigentlich sind es ja die alten Kuscheltiere meiner Buben. Die sind schon groß, Enkel hab ich auch schon. Aber ich seh sie alle so selten. Die leben weit weg, der eine sogar im Ausland. Also hab ich den Bärli vom Franz und das Haserl vom Georg, damit ich wenigstens so ein bisschen Kontakt zu ihnen halte. Und mir isses wurscht, wenn man mich für durchgeknallt hält, ich steh dazu.

Ich nicke wieder, nun auch innerlich und betroffen.
(Und in einem fernen Winkel meines Inneren schäme ich mich ein bisschen über das, was ich davor zu denken begonnen habe).

Ich trag sie halt gern mit mir herum, die zwei. Damit sie auch mal rauskommen aus dem Zimmer. Ich weiß, klingt schräg und jeder schaut mich an, als ob ich mir zuviel von den Pillen eingeworfen habe. Aber mir hilfts, mir geht es besser, wenn ich meine Babys bei mir habe. Dann erinner ich mich wieder an die schönen Zeiten, als die Kinder noch klein waren, als alles gut war. Das gibt mir Ruhe, damit ertrag ich den Rest von diesem Wahnsinn einfach besser.

Ich blicke auf die beiden Babys, Kopf gesenkt, damit man meine Tränen in den Augen nicht sieht. Aktuell bin ich etwas nah am Wasser gebaut und ja, die Lady hat mich an meinem schwachen Punkt erwischt. Ich bin gerührt, betroffen und habe einen sentimentalen Schub.
Leider habe ich auch Herzrhythmusstöruungen und Schwindel und meine Knie meinen, dass es mal wieder Zeit wäre, sich auszuklinken. Bevor ich wieder Richtung Boden abbiege (das hat man hier nicht ganz so gern, da wird die Pflegemannschaft immer ganz hektisch), murmel ich was von „isjaurlieb, gudeidee, sorry, mussinsbett, schwindlig“ und wanke wieder in mein Zimmer. Meine Katzenfrau am Shirt hält den Kopf für mich hoch, die Bauchtaschen-Lady winkt mir lustig nach und wandert weiter.

In meinem Zimmer lasse ich mich auf mein Bett fallen. Gerade noch rechtzeitig, die Knie machen Pause. Die Katzenlady ist wieder im Ruhezustand, ihr Auftrag ist erfüllt.

Kuscheltiere 2 - Schräge G´schichten: Spaziergang der Kuscheltiere

Am Galgen baumelt Berndi-Bär und winkt mir lustig zu. Da wird er immer hingehängt, wenn ich meinen Platz im Krankenzimmer einnehme. Er war schon in vielen Spitälern, genauso wie meine Maus Hartmann. Die aber nun schon so mürbe ist, dass ich ihr die Reisen nicht mehr zumuten will. Berndi-Bär ist der amtierende Talismann und mein Galgenschmuck, er kennt meine guten und meine schlechten Zeiten. Vor allem letztere erlebt er meist aus der Vogelperspektive, denn diese spielen sich eher im Krankenhaus ab.
Ich habe ihn beim Liegen immer im Blick und das hilft, den Fokus weg von der nicht unbedingt heimeligen Umgebung zu zentrieren. Mit Berndi-Bär vor der Pupille sieht auch ein Krankenzimmer nett und lustig aus. Berndi-Bär am Morgen vertreibt zwar keine Sorgen, aber er hilft dabei, sie auf später zu verschieben. Und Berndi-Bär am Abend sorgt dafür, dass der Sandmann seine Alpträume woanders abliefert (zumindest hoffe ich, dass der kleine Teddy dann seine Höhlenbär-Gene auspackt und fiese Sandmann-Attacken urgeschichtlich erledigt)

Doch wenn ich am Gang herumgehe, hängt er weiter da, allein am Galgen, im Wartemodus. Irgendwie ist das ungerecht, wird mir nun klar. Die Bauchtaschen-Lady hat recht: man muss auch seinen Kuscheltieren und Talismännern dann und wann einen Gesichtsfeldwechsel zugestehen. Ich denke, die kommende Tage werde ich mir den Bären umbinden. Mit einer Schnur, um den Hals. Da kann er dann mal woanders abhängen und in Anbetracht der Lage ist es auch schon egal, was der Rest der Leute hier von mir denkt.

Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich habe das Gefühl, er freut sich darauf die Umgebung zu verunsichern und mal rauszukommen.

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