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Das Leben neu lernen

Im vorigen Beitrag habe ich von meiner Kopf-Op erzählt. Lang, breit und ausführlich 😉 Im „Abspann“ habe ich dann angekündigt, im nächsten Beitrag „… über alles weitere, wie es mir nun geht, warum es hier so still ist und wie es im Blog vielleicht weitergeht, …“ zu berichten.

Körperlich gesehen geht es mir gut – so gut, wie es schon sehr lange nicht mehr der Fall war.  An sich wäre also genug Grund zum Jubeln, Feiern, Tanzen und Party machen da.
Theoretisch.

Praktisch ist es … kompliziert. Der schwierigste Punkt aktuell, nach meinem kopfernevigen Großumbau, ist dem Leben neuen Mut und Hoffnung entgegen zu bringen und so nebenbei die Kraft zu finden, die letzten Jahre abzuschließen und hinter mir zu lassen. Zwar habe ich mir nach der OP im November ausreichend Zeit und Ruhe gegönnt und mich, wie verordnet, physisch geschont. Sogar länger, als verordnet. Im Februar dachte ich, dass ich nun endlich wieder was tun muss, quasi „back to business“ und wieder aktiv sein im Blog, auf Social Media & Co. Ich versuchte es, aber es fühlte sich an, als würde ich durch dicken Teer stapfen. Alles war ein „Muss“, ohne Freude und Spirit. Der Ton, der sich im Verlauf der Pandemie auf den sozialen Netzwerken etabliert hat, tat mir weh. Doch das war es nicht nur, was es mühsam machte. Fakt ist: Ich habe mich fast 10 Jahre nur mit meinen Erkrankungen auseinandergesetzt, habe gekämpft, geweint, geflucht. Habe viele Niederlagen und Rückschläge einstecken und überleben müssen. Habe meinen Beruf verloren und damit so gut wie mein gesamtes soziales Umfeld, bis auf meine Familie. Ich habe Familienmitglieder und Freunde am letzen Weg begleitet und bin noch immer nicht fertig mit der damit verbundenen Trauer.
Ich bin an all dem mit Sicherheit auch gewachsen, eine andere geworden, habe neue Freunde gefunden, eine neue Berufung und es sogar geschafft, aus meinem crohnischen Abenteuer ein Thema zu machen, dass ich mittels Blog und seit 2020 mit meinem Buch „Shitstorm im Darm“ anderen Crohnies als Mutmachmittel auf ihrem Weg mitgeben kann. Ich müsste nun unendlich dankbar sein, dass ich nun, nach dieser 10jährigen Achterbahnfahrt, nn in eine Phase komme, wo ich durchatmen kann, ohne Angst vor einem Migräneanfall, Schmerzen oder einem Schub zu haben.

Aber es fühlt sich nicht nach Freude und Glück an und es hat gedauert, mir das einzugestehen und den Grund zu finden, warum das so ist: Ich habe über lange Zeit einfach nur irgendwie durchgehalten habe, mich von Hoffnung zu Hoffnung geschleppt und in den letzten 10 Jahren nicht nur mehrere, teils schwere, OPs er- und überlebt, sondern auch mental viel aushalten musste.

Die nächste OP steht zudem auch schon am Terminplan. Zur Abwechslung etwas Kleines und relativ „normales“: Karpaltunnelsyndrom links. Das muss dringend saniert werden, wenn ich das Gefühl in meinen Fingern und deren Funktion erhalten will. Damit ist dann auch wieder 6-8 Wochen Pausen mit Pfotenarbeit in jeder Hinsicht. Es spricht vielleicht Bände, dass mich diese Zwischendurch-Op gerade mal zu einem mentalen Achselzucken motiviert. Nicht weil ich sie nicht ernst nehme, sondern weil man irgendwann innerlich abstumpft.

Chronisch krank zu sein, mit mehreren Erkrankungen gleichzeitig und dann noch das „normale“ Leben mit seinen anderen Abenteuern zu handeln – das erfordert viel Biss und Kraft. Seltsamerweise war beides meistens da oder in Reichweite. Jetzt, ca. 6-7 Monate nach meiner erfolgreichen Arnold-OP, merke ich, dass ich noch immer Erholung brauche und ein intensives Bedürfnis nach Ruhe und Null-Verpflichtungen habe. Der Frühling, so schön er gerade ist, stresst mich heuer. Denn innerlich habe ich Sehnsucht nach Winterschlaf. 

Gegen die körperliche Erschöpfung habe ich mir Vital-Infusionen verordnen lassen. Gegen die seelische Müdigkeit und das mentale Winterschlafbedürfnis hilft nur Ruhe geben, sich diese Zeit gönnen und still akzeptieren, dass die Seele und das innere Kind jetzt eine Zeit zum Heilen und gesund Wachsen brauchen. Irgendwie habe ich das normale Leben verlernt, bin rausgeflogen, war in einem wirren Dasein unterwegs, das zum Alltag wurde.

Corona & Co. machen es auch nicht leichter. Meinem Gefühl nach hängen wir als Gesellschaft gesammelt in einer leichten bis mittleren Erschöpfungs-Depression. Und kaum war an der Pandemie-Front „Luft“, kamen der Ukraine-Krieg, globale Katastrophen, wirtschaftliche Umbrüche und die Angst- und Sorgen-Spirale dreht sich munter weiter. Das macht es mir gerade auch nicht leichter.

Nach dem Erkennen, was mir „fehlt“, kam dann der nächste, nicht so einfache Schritt: Zu akzeptieren, dass ich einfach noch nicht soweit bin. Ich weiß ja noch nicht mal, wofür ich wo, wie oder was sein soll und was dieses „soweit“ überhaupt ist. Das braucht einfach Zeit und draußen darf der Frühling einstweilen tun, was auch immer er tun will und muss. Ich erlaube mir und dem Garten ein wildes Wachsen. Ich im Kleinen und mehr im Inneren. Der Garten im Großen und Ganzen.

Wie es mit dem Blog hier weitergeht weiß ich jetzt noch nicht. Meine jahrelange „Therapie“, mir den Frust, die Angst und die Schmerzen von der Seele zu schreiben, die dann in diesen Blog und mein Buch geführt haben, ist nun in dem Stadium, wo ich mir eine neue Ordnung und vielleicht einen neuen Fokus zugestehen muss und will.
Fakt ist aber auch: Den Crohn werd ich nimmer los, aber dank Medikamenten ist er im Ruhemodus (Remission). Die Migräne habe ich nun soweit im Griff, dass ich das Leben auch als solches auffassen kann und nicht nur „am Leben bin“. Der alte Schwede (Morbus Sjögren) ist mal mehr, mal weniger laut, aber im Großen und Ganzen erträglich. Der Rest meiner Leiden hat sich auf ein Niveau eingeschwungen, wo ich es mit „altersbedingten“ Verschleißerscheinungen betiteln kann, ohne mich älter zu machen, als ich bin. Nun bekommen meine Seele und meine mentale Kraft ihre Version der Heilzeit und dürfen sich meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit wünschen. Wer weiß, was sich daraus ergibt und wohin mich dieser Heilweg führt. Was mir Mut macht: Kreative Ideen sind in Hülle und Fülle da. Auch in gänzlich anderen Richtungen und das ist sehr erfrischend.

Es ist kein depressiver Schub und auch kein Burn Out, sondern einfach „nur“ eine geistige Erschöpfung, wie sie nach einer sehr langen Zeit der intensiven Anspannung natürlich ist. Ruhe und die Möglichkeit den Tag kreativ und neugierig in meinem Tempo zu leben, sich spontan zu einer Unternehmung aufzumachen oder welche zu planen … und ebenso spontan einfach nix zu tun … etwas Neues ausprobieren, meine gestalterischen Fähigkeiten testen, etwas Neues ausprobieren … all das sind Dinge, die ich jetzt neu und anders erlebe – eigentlich überhaupt seit langem wieder bewusst erlebe. Mal mit Freude, mal mit Angst und aktuell mit noch sehr unsicheren, wackeligen Schritten. Begleitet von zarter Hoffnung und nicht immer stabilem Mut, im aktiven Bewusstsein, dass ich mit ein paar chronischen Sidekicks dauerhaft verbunden bin und darum sehr darauf bedacht, meinen körperlichen Grenzen achtsam zu begegnen.

Ich glaube, dass nennt man Leben lernen und ich bin dankbar, dass ich das mit über 50 (neu) entdecken darf. Still, leise und Schritt für Schritt, mit mir am Weg zu mir. 

Danke, dass du bis hierher gelesen hast …

… und Danke, wenn du trotz meiner anhaltenden Ruhezeit dann und wann im Blog vorbeischaust oder weiter im Newsletterverteiler bleibst! Mag gut sein, dass die Blogpause eine kurze wird, dass spontan neue Beiträge ins Netz hüpfen oder sich etwas ergibt, was ich unbedingt mit dir teilen will. Ich wünsche dir jedenfalls eine gute, erholsame, friedliche und vor allem freudvolle Zeit, bis wir uns wieder lesen oder sehen!

Und denk immer daran:

Du machst das großartig!

Lass dir von niemand etwas anderes erzählen und wenn die das dennoch tun, dann nutze die Macht des Mittelfingers und zeig den Grenzüberschreitern, dass du weißt, wie man ihn erhebt 😉

Briefe aus dem Leben mit CED

Öhm, … noch wer da?

Hallo …?

Räusper … hm … also, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
Bin etwas eingerostet, innerlich und äußerlich.
Was, mangels Regen, nicht an der Luftfeuchtigkeit liegt, sondern an einer sehr, sehr langen Pause. Einer immens langen Pause, in internetten Blog/Social Media-Zeiten.

Der letzte Beitrag kam Mitte November 2021. Nun haben wir die Iden des März 2022 – also den 15.03. und das sind somit … ach, rechne das mal ein anderer aus, mein Kopf mag noch keine Zahlen jonglieren.

Jedenfalls isses megalange her, dass ich ein Lebenszeichen via Blogbeitrag ausgeschickt habe und es ist viel passiert in dieser Zeit. Andererseits auch wieder nicht so viel, verglichen mit dem, was in diesem wundervollen Habitat geschieht, das man Planet Erde nennt und auf der eine Spezies namens Mensch gerade ihre Spezien-Pubertät auslebt. Was bei manchen Exemplaren dieser Spezies zu sehr verrückten Zügen führt, was wiederum andere Exemplare dieser Spezies in arge Not, Angst und Bedrängnis bringt und in Folge dann zu anderen Verrücktheiten motiviert.
Aus Notwehr oder aus Berechnung, je nachdem.
Womit eine grausige Kettenreaktion an Ereignissen entsteht, die dafür sorgt, dass sich die Mehrheit dieser Spezies täglich beim Wachwerden fragt, ob die Welt noch steht und ob man es wagen kann, die Augen zu öffnen.

Also ich frag mich das zumindest aktuell tagtäglich. Und nicht immer hab ich das Gefühl, dass es gut war, dem Morgen ins Gesicht zu blicken. Speziell dann, wenn der zweite Blick Richtung Nachrichten geht. Was ich mittlerweile großteils vermeide, womit der zweite Blick in den Tag deutlich an Qualität gewonnen hat.

Wenn es mir gelingt die Katastrophen der menschlichen Spezies aus meinem Gesichtsfeld auszublenden, ist es eigentlich ganz ok. Also mir geht´s eigentlich ganz ok. Womit sich ein egozentrisches, fragiles, aber nichts desto trotz auch wieder sehr schönes, weil heiles, individuelles Weltbild ergibt. Meistens.

Ok, nicht meistens. Aber immerhin doch recht oft und das ist an sich schön.

Eigentlich.

Weil: Darf ich sagen, dass es mir … gut geht? 
Oder darf man das nicht mehr, weil es so vielen schlecht und schlechter geht?

Darf ich mich zart, still und leise darüber freuen, dass meine Kraft zart, still und leise wieder am Wachsen ist? Und die unliebsamen WeggefährtInnen meinereiner, die ich im Lauf eines (in den letzten Jahren ziemlich kranken) Lebens aufgegabelt habe, gerade eine chillige Pause einlegen bzw. relativ friedlich geworden sind?

Darf es mir gut gehen, wenn die Welt täglich aufs Neue droht zu zerbrechen?

Darf ich sagen, dass es mir gut geht, obwohl ich dennoch krank bin und es bis an mein Leben sein werde, weil die obigen, unliebsamen WeggefährtInnen fiese Kackbratzen sind und sich so fix-fest eingenistet haben, dass man sie als chrohnisch und unheilbar tituliert?

Geht es mir überhaupt objektiv gesehen gut, so lange ich Medikamente nehme … nehmen muss? Weil es ohne nicht lang gut geht und ich trotz geht-gut auch hin und wieder Schmerzhämmerchen* brauche? Und weil es mir nur deshalb gut und besser geht, weil ich mit Therapien und TherapeutInnen und diversen Lebensfreude-Motivationen tagtäglich darum kämpfe, dass es mir grundsätzlich gut geht?
Auch an Tagen, wo es mir nicht gut geht? Weil die gibts ja auch noch zur Genüge und auch darum weiß ich nicht ob ich mit Fug und Recht sagen kann, dass es mir gut geht, wenn es mir doch nicht immer gut geht?

Ist es denn dann überhaupt ein Gut-Gehen, wenn es nicht von selbst gut ist oder gut geworden ist?

Und darf man heute überhaupt noch mit solchen Dingen die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen in Anspruch nehmen, darüber schreiben, sich dazu äußern? Weil es ja wahrlich genug anderes gibt, was furchtbarer ist und dessentwegen mehr Aufmerksamkeit braucht?

Interessiert es noch jemand? Weil an der Phrase „Und, wie geht´s dir so?“ kann man das ja nicht aufhängen und ich bin sehr froh, dass man darauf keine ehrliche Antwort geben muss, keine ehrliche Antwort erwartet wird, denn ich wüsste nicht, was ich ehrlich darauf sagen soll.

Außer, dass es mir heute besser geht als noch vor ein paar Monaten. Und vielleicht gehts mir in ein paar Wochen noch besser, wenn mir nicht das Schicksal der Menschheit in mein Leben hineinkrätscht oder sich mein Karma hinterrücks zu irgendwas Konspirativem entschieden hat, was meiner wackeligen Lebensplanung einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Jedenfalls:

Ich lebe noch und die meiste Zeit bin ich heute glücklicher darüber, als noch vor nicht allzu langer Zeit, wo mich Madame Migraine die Hälfte der Tage mit ihrer Anwesenheit gequält hat und dem Wort „Todessehnsucht“ eine gewisse Schönheit verliehen hat.
Wer schon mal Migräne hatte, wird verstehen, warum das so ist. Wer Migräne nicht kennt, kann hier reinlesen. Vielleicht kommt das sowas wie Verständnis auf.

Ich habe mich nach meiner geplanten Doppel-Op im November genussvoll in die Ruhe und Stille plumpsen lassen. Sehr unelegant und mit einem grunzenden, leicht röhrenden Seufzer aus tiefster Kehle – um es metaphorisch auszudrücken. Meine Chirurgen hatten mir 4 Wochen Ruhe verordnet, dann war Weihnachten und dann … war keine Ausrede mehr da nix zu tun, außer das durch das vorherige Nixtun keine Kraft mehr da war, um etwas tun zu wollen oder können. Als ob jemand den Stecker gezogen oder auf Reset gedrückt hätte und damit all das, was ich über den Sommer an Konditiönchen** aufgebaut habe, gelöscht hat. Ich würde gerne „fies gelöscht“ sagen, aber das wäre eine Wortwiederholung und ich will meine ehemaligen DeutschlehrerInnen nicht aufwecken. Aber es war fies.

Denn das Fiese daran ist, dass es unvermeidlich war. Ich hatte 2021 drei Operationen, eine im März und eine Doppel-OP im November, mit insgesamt zwei Vollnarkosen. Ich bin keine 27 mehr, sondern 54 und da sind solche Abenteuer am Op-Tisch eine ziemliche Strapaze, vor allem wenn das zugehörige Körperchen schon einiges an Erlebnissen in der Vita stehen hat. Meine gesammelten 54 Jahre standen nach Weihnachten vor mir und haben die Rechnung präsentiert – KO.

Müde, ausgelaugt, keine Kraft mehr für irgendwas.
Keine Motivation für was auch immer.
Keine Lust auf alles.

Ich würde mich bei der mentalen Müdigkeit nun gern auf den putinösen Kolchosen-Mafiosi ausreden, der gerade die Welt in Atem hält. Aber der hat damals noch im Geheimen seine bösen Pläne geschmiedet und wir waren alle mit dem großen C und seinen pandämlichen Folgen beschäftigt. Immerhin kann ich einen Teil meiner inneren, lahmen Lust- und Freudlosigkeit diesem blöden Ding ins Portfolio schieben – Danke Corona, für nichts! Hast mich zwar nicht infiziert, aber dank deinereiner sind wir alle traumatisiert und mental matschmüde.

Tja …

So sah es aus und darum war hier Ruhe im Talon.
Als ich bei einer hausärztlichen Kontrolle mal zart auf meine Matschmüdigkeit hinwies und wissen wollte, ob es dafür vielleicht einen medizinischen Grund gäbe oder zumindest einen guten Rat, der mir den Weg zu einer Leiter aus diesem Loch weisen könnte, erhielt ich den nonchalanten Tipp, dass ich dazu einfach nur rausgehen müsste, an die frische Luft, am besten täglich.

Unser Hundemädchen, das täglich mehrmals erfolgreich dazu auffordert genau das zu tun, freuen solche Hinweise. Sie hofft dann auf eine Verdopplung ihrer Spazierzeit. Denn ich ging und gehe jeden Tag mit ihr raus, tagtäglich, in der frischen Luft, bei wirklich jedem Wetter. Egal ob ich fit bin oder mich münchhausentechnisch am Schopf selbst durch die Landschaft hinter ihr herziehe.

Die tagtäglichen Hunderunden im matschmüden Zustand haben aber weder die Laune noch die Matschmüdigkeit selbst zu beheben vermocht. Ehrlich gesagt kam ich mir bei dem sicher gut gemeinten Rat meines Arztes sehr verar***t vor. Was ich so nicht gesagt, sondern lediglich nett umschrieben habe mit „Mach ich schon, hab Hund und Garten, muss also raus, ob ich will oder nicht. Was kann ich noch tun?
Aber mehr an Rat kam nicht.

Und das tat weh.
Irgendwie.
Es schmerzte tief im Inneren, wo ich sowas wie Hoffnung auf Unterstützung von klassischer Seite gehegt habe. Um zu erkennen, dass man mit kleinen Problemen in Zeiten, wo die Welt größere hat und Menschen mit Problemen immer mehr werden, irgendwie alleine ist, wenn man sich den eigenen kleinen Problemen stellen will.

Und dann kam die Wut, was vielleicht nicht nett, aber hilfreich war. Wut auf alles und jeden, weil mir alles und jeder iwie … na ja, du weißt schon, es gibt so Momente, da könnte man …
Aber man tut´s nicht und weiß auch, dass man nichts tun wird. Aber man denkt, man könnte, wenn man wirklich wollte.

Meine Wut hat mir den Ar***tritt verpasst, der mich aus dem Münchhausigen-Schopf-Schlurf-Sumpf gekickt hat und der Flug endete, dem Glück sei Dank, auf einem Pfad, der mich zu dem brachte, was mir gefehlt hatte.

Soll bitte keiner mehr was über die Vorsehung schimpfen, Madame Zufall hat´s noch drauf und kann, wenn sie will!

Bei mir waren es meine lahmen Latschen, die mich auf den richtigen Weg gebracht haben, der mich aus diesem matschmüden Tief herausgeholt hat. Meine beiden Hallux taten weh, ich ging zum Orthopäden und lernte dort die Mehrzahl von Hallux (Hallucis) und eine nette Therapeutin kennen und erfuhr zum anderen, dass man hierorts sog. Vitalinfusionen anbot, die für meinen Zustand maßgeschneidert waren.

Manchmal kann die Lösung so einfach und nah sein. Durch die OPs, die lange Ruhe/Rekonvaleszenz in den dunklen Wintermonaten, die langen, oftmaligen Migräneanfälle und meinen crohnisch geschädigten Darm habe ich mir einen Vitamin- und Nährstoffmangel eingehandelt, der mich in Kombi mit dem chronischen Schmerz unserer verrückten Welt körperlich und mental ko geschrumpft hat. 10 Infusionen, von denen ich die Hälfe schon intus habe, und eine Physiotherapie, die mich liebevoll und streng auf Schiene schubste, haben mich zumindest soweit wieder hergestellt, dass ich das Gefühl habe, in Bälde kleine Bäume ausreißen zu können. Was ich nicht tun würde, weil ich liebe Bäume. Aber ich könnte, wenn ich wollte, und das ist ein schönes Gefühl.

Und nun ist Mitte März und ich dachte, ich melde mich mal mit einem Blogbeitrag.
Und dann waren da diese Gedanken, siehe oben.
Und tja, ich hab keine Entschuldigung für die lange Pause.
Vor allem weil ich denke, dass man sich für das, was das Leben einem ungefragt schenkt und zumutet, nicht entschuldigen kann oder muss.

Aber leid tut es mir dennoch, denn: Ich habe euch vermisst, liebe LeserInnen, liebe BlogabonnentInnen, liebe Alle, die hier dann und wann reinschauen. Ich habe mich sehr über die Mails gefreut, die in den letzten Wochen dann und wann eingetroffen sind, und über die kurzen Nachrichten via Instagram, Facebook & Co. Und über die vielen schönen Rückmeldungen zu meinem Buch „Shitstorm im Darm„, die direkt oder über andere an mich gekommen sind. Und über ein paar Anfragen und Kooperationen, die in dieser Zeit eingetrudelt sind.

All das waren und sind wunderbare Sternchen, die einen in matschmüder Dunkelheit Mut machen und Freude. Das ist mindestens so aktivierend wie die erfrischenden Vitalinfusionen und die Hunderunden mit der Wuff-Mamsell und ihren (fallweise anstrengenden) Frühlingsgefühlen.

Also:

Ich trau mich jetzt es zu verkünden, egal ob es gut ist oder nicht: Es geht mir meistens gut und gerade täglich besser. Ich bin wieder da und vielleicht kommen nun wieder öfter Beiträge, denn zu berichten gäbe es einiges und es kommt euch einiges, was vielleicht berichtenswert ist.

Ich freu mich, wenn ihr hier wieder mitlesen wollt und hoffe ansonsten, dass es euch auch zumindest gut und im besten Fall täglich besser und grundsätzlich wunderbar geht.

Das wünsche ich euch, allerherzlichst!

P.S.:

Für eine Zeichnung, einen neuen Cartoon, hat es diesmal noch nicht gereicht.
Aber beim nächsten Mal, hoffentlich 🙂

*Schmerzhämmerchen ist kein Rechtschreibfehler. Es ist meine Kreation für die Medikamente, die dem Schmerz bei seinem liederlichen Auftreten eins überbraten, damit er sich flugs zurückzieht. Zum erfolgreichen Überbraten ist ein Hammer ein ganz formidables Werkzeug. Darum hämmern meine Schmerzhemmer mit Umlaut-A.

**Konditiönchen: Sowas ähnliches wie Kondition, nur in klein und gerade soweit ausreichend, dass man glaubt, man würde bald eine richtige Kondition haben, in stabil und kraftvoll. 

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Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

Jedes Jahr am 19.05. wird der Welt CED Tag gefeiert. Einer der Gedenktage, die man nur kennt, wenn man aktiv oder passiv davon betroffen ist. In diesem Fall von CED – Chronisch entzündlicher Darmerkrankung, wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Das sind auf der aktiven Seite in Österreich mindestens 80.000 Menschen. Passiv, also in Form von Angehörigen, Zugehörigen, Freunde und Kollegen sind es viel, viel mehr. Denn chronische Erkrankungen betreffen immer auch das Umfeld der Erkrankten.

Also wird gefeiert. Damit auch die, die dieses „CED“ nicht kennen, etwas darüber wissen und mehr erfahren.
Was die wenigsten wollen.
Weil den meisten Menschen Erkankungen, die sie nicht betreffen, naturgemäß (…PARDON…) am Arsch vorbei gehen. Was in Bezug auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen auch wieder etwas philosophisch Heiteres hat.

InfografikCED MyTherapyBRD 300x193 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus CrohnDie lieben Leute von MyTherapieApp.com haben mir übrigens die nette Grafik oben und links zur Verfügung gestellt.
Darum ein Disclaimerchen: Es könnte sich um Werbung handeln, wenn man es so sehen will. Ist jedenfalls unbeauftragt und auch unbezahlt. Inhaltlich aber dennoch wichtig.
Nochmal, in Worten:

ACHTZIG.TAUSEND ÖSTERREICHERINNEN leben mit dem lieben Herrn Crohn oder seiner hässlichen Schwester Colitis Ulcerosa.
Ungewollt, unbeauftragt, unbestellt und bis an ihr Lebensende.

In Deutschland sind es um die 440.000.
In Worten:
VIER.HUNDERT.VIERZIG.TAUSEND Menschen.

Damit bekommt ein Gedenktag für dieses Darmgedöns ein ziemliches Gewicht.
Und es ist irre wichtig darüber zu reden.
Es ist wichtig, Bescheid zu wissen, dass es DAS gibt.
Es ist wichtig, weil es Leben retten kann – denn die Diagnose braucht oft noch immer länger, als für die Betroffenen gut ist.
Es ist auch wichtig, um Verständnis aufzubauen – beim Umfeld, bei den Dienstgebern, in der Gesellschaft und nicht zuletzt bei den Behörden und Medizinern. Denn die Wartezeiten für wichtige Untersuchungen sind noch immer viel zu lang (außer man leistet sich das privat), die Zugänge zu Therapien, Reha und Kur brauchen noch immer viel zu viel Papierkram, Zeit, Kraft und nicht zuletzt Geld. Alles Dinge, die man als chronisch Kranker nicht in dem Ausmaß zur Verfügung hat, wie es nötig wäre.

Es reicht, wenn die Krankheit selbst Kraft kostet und man mit dem Wissen leben muss, dass man sie bis an sein Lebensende nimmer los wird, sie immer wieder aufflammen kann. Das ist eine Belastung, die man erst als solche vollends realisiert, wenn man ein paar Schübe und Jährchen mit dem Bauchschmerzdings verbracht hat.

Weil es noch immer soooo viel Unwissen und Mythen über CED gibt, gibt es anlässlich des Welt-CED-Tages nachstehend ein paar Fakten speziell über den lieben Herrn Crohn, die einen kleinen, wichtigen Einblick geben sollen – für alle, die es nicht zu einer Infoveranstaltung schaffen.
Die Aufzählung ist naturgemäß unvollständig und subjektiv. Denn um alle Fakten aufzuzählen, braucht man ein oder mehrere Bücher. Wovon eines, nämlich meines ;-), by the way, im Jänner 2020 erscheinen soll. Siehe: Der liebe Herr Buch.

40 Fakten über Morbus Crohn

  1. Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED), die den gesamten Verdauungstrakt betreffen kann.
  2. Der Verdauungstrakt beginnt im Mund und endet da, wo der Südpol seinen Ausgang hat. Der Darm, Dünn- und Dickdarm, ist ein wichtiger Teil des Verdauungstraktes und als am häufigsten vom Crohn betroffen.
  3. Der Darm ist der Motor unseres Körpers und unter anderem zuständig für die Verdauung der Nahrung. Auch damit wir mit den Vitaminen und Nährstoffen, die wir zu uns nehmen, gut versorgt werden. Speziell der Dünndarm ist immens wichtig. Ohne Dickdarm kann man leben, zum Beispiel mit einem Stoma. Aber ohne Dünndarm geht gar nix. Leider ist bei Crohn besonders der Dünndarm häufiger betroffen.
  4. Morbus Crohn verläuft in Schüben. Die Dauer und Schwere dieser Schübe ist bei jedem anders. Der Grund, wann und warum sie auftreten, variiert bzw. ist er meistens komplett unbekannt.
    Manche haben einen Schub und den Rest ihres Lebens Ruhe. Andere crohnen immer wieder, mal mehr, mal weniger.
    Und dann gibt es die, die im wahrsten Sinne die Arschkarte gezogen und einen Dauerschub haben.
  5. Die Zeit zwischen den Schüben nennt man Remission. Das bedeutet, dass der Crohn „schläft“, keine Probleme macht und kaum bis gar nicht im Blut oder histologisch nachweisbar ist. Von vielen New-Crohnies und noch öfter von „Ich-hab-von-wem-gehört“-Tippgebern wird dieser Zustand dann als „geheilt“ bezeichnet.
    Sorry Leute, das zu glauben ist der größte Fehler, denn man machen und das Dümmste, was man verbreiten kann (speziell mit null Ahnung vom Thema). Der „Geheilte“ hat eine stabile Remission und das bedeutet: der Crohn gibt Ruhe, ist aber nicht weg – und ich wünsche allen und am meisten mir selbst, dass diese stabile Remission bis ans Ende aller Tage anhält.
    In diesem Sinne: Viva la Remission!
    VivaLaRemission 997x1024 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

    Das T-Shirt ist übrigens vom Verein Chronisch glücklich e.V und man bekommt es aktuell gegen eine Spende. Ich war schockverliebt in das Teil und will es nimmer ausziehen. Auch damit der liebe Herr Crohn sich davon beeindrucken lässt.
    Ach ja, Disclaimerchen mal wieder, weil möglicherweise Werbung und so. Ist aber selbst gespendet/bezahlt und unbeauftragt.

  6. Morbus Crohn ist mit heutigen Mitteln nicht heilbar. Die Therapie geht dahin, dass man versucht die Symptome in den Griff zu bekommen.
  7. Morbus Crohn ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet und falsch bzw. überreagiert.
  8. Die Ursachen und Auslöser von Morbus Crohn sind, bis auf eine, nach wie vor unbekannt.
  9. Diese eine, bekannte Crohn-Ursache liegt in den Genen und geht vermutlich auf den Neandertaler zurück (kein Scherz). Homo Sapiens und Homo neanderthaliensis hatten erwiesenermaßen mehr als nur beiläufigen Kontakt. Sehr selten kam es zu Nachwuchs aus den beiden Menschen-Arten Diese paar haben dafür aber einen sehr nachhaltigen Gen-Print hinterlassen, der gute und schlechte Seiten hat. Eine der weniger guten wird mit der Entstehung von Morbus Crohn in Zusammenhang gebracht. Eine andere begünstigt Diabetes. Auch nicht lustig.
    Die guten Dinge betreffen unter anderem Sachen wie helle Haut (damit man die wenige Sonne im Norden der Halbkugel besser aufnehmen kann, Stichwort Vitamin D), robustere Knochen und mehr Haarwuchs – was in kälteren Klimazonen durchaus von Vorteil ist.
  10. Die Symptome von Morbus Crohn sind sehr unterschiedlich, jeder hat quasi seinen eigenen, spezifischen Crohn. Auch was die Diagnose und Behandlung betrifft. Klassisch gilt anhaltender Durchfall, mit 10 bis 30 und mehr Stuhlgängen pro Tag, als eines der häufigsten und bekanntesten Symptome.
    Es gibt aber auch Crohnies, die kaum bis keinen Durchfall haben und dennoch einen akuten Schub. Andere Symptome sind Bauchkrämpfe bzw. -koliken, Unwohlsein, ungewollte Gewichtsabnahme, chronische Müdigkeit bis hin zu heftiger Fatigue, Appetitmangel, Entzündungen im Mund, Rachenraum, Magen oder Speiseröhre, Eisenmangelanämie und Vitaminmangel, heftige und schmerzhafte Blähungen, Übelkeit bis hin zum Erbrechen …
  11. Laut Statistik haben 70-75% aller Morbus Crohn Erkrankten mindestens eine crohnbedingte OP zu erwarten. Ich habe mittlerweile sechs hinter mir (und vielleicht einigen anderen, noch nicht Operierten, ihre statistische Bürde abgenommen. You are welcome 😉 Jede einzelne war immens wichtig bzw. lebensrettend, besonders die Hemikolektomie, und ich bin froh, sie gemacht zu haben. Auch wenn ich bis kurz davor gehofft hatte, zu den 25-30% zu gehören.
  12. Der Grund für Crohn-OPs sind Komplikationen, die sich durch Entzündungen und durch den Crohn ausgelöste, akute Situationen ergeben. Das sind zum Beispiel Abszesse, Fistel („falsche“ Gänge zwischen Organen, zum Beispiel Darm und Hautoberfläche, oder zwischen zwei Darmschlingen oder zwischen Darm und Vagina oder Blase), Stenosen (Engstellen im Darm, können heftige Schmerzen bis hin zum akuten Darmverschluss auslösen), heftige, großflächige Entzündungen, die sich nicht so schnell medikamentös behandeln lassen, um ihre Ausbreitung und Wirkung zu verhindern … und andere Unschönheiten, die weh tun und rasch entfernt werden müssen.
  13. Man operiert heute so wenig wie möglich, so schonend als möglich und so, dass man nur das entfernt, was unbedingt entfernt werden muss.
  14. Auch die beste Operation kann den Crohn nicht heilen, nur die Symptome einschränken und mit Glück für eine stabiles Remission sorgen.
  15. Der Darm wächst nicht nach und man kann ihn auch (noch) nicht transplantieren. Dieses immens wichtige System des Körpers ist so komplex und sensibel und in vielen Teilen noch viel zu wenig erforscht.
  16. Es gibt eine direkte Verbindung vom Darm ins Gehirn: der Vagus-Nerv und die Verbindung von unten nach oben ist intensiver, als die von oben nach unten. Der Darm hat zudem mehr Nervenzellen als das gesamte periphere Nervensystem zusammen und die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm (die hilfreichen Bakterien) ist laut neuester Forschung auch zum größten Teil für unsere Emotionen verantwortlich. Mit anderen Worten: Das Hirn denkt, der Darm lenkt.
  17. Mit CED im Bauch hat man weniger Darmbakterien als gesunde Menschen. Was das für Ursachen und Auswirkungen hat und wie man das für Therapien nutzen kann, ist nach wie vor Forschungsgegenstand.
  18. Neben den klassichen Crohnsymptomen hat man auch eine unschöne Tendenz zu crohnbedingten Nebenerkrankungen, wie
    • Gelenkschmerzen (rheumatoide Beschwerden)
    • Augenentzündungen (Entzündung der Lederhaut, Regenbogenhautentzünding, …)
    • Hautproblemen (Fissuren im Rektum, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, trockene/athopische Haut …)
    • Leber-, Nieren- und Gallenprobleme
    • erhöhtes Risiko für Osteoporose
    • Entwicklung von Inkontinenz …
      Diese Zusatzfeatures können im Schub und während einer Remission auftreten. Beachte bitte den Konjunktiv: es ist möglich, aber muss nicht passieren.
  19. Die Diagnose von Morbus Crohn erfordert einen Spezialisten. Meist einen Gastroenterologen – das ist ein Internist, der sich auf den Bauchbereich spezialisiert hat – oder einen Chirurgen, der auf den gastrointestinalen Bereich spezialisiert ist und sich auch mit CED auskennt.
  20. Als Crohn-Diagnosemittel werden Blutabnahmen, Stuhlproben, das Abtasten des Bauches, die Aufnahme aller aktuellen Symptome, Ultraschall, MRTs und CTs gemacht. Aber am wichtigsten ist nach wie vor die Koloskopie, die Darmspiegelung, und das Enteroklysma, ein spezielles MRT oder CT des Dünndarms.
  21. Die Koloskopie ist eine Untersuchung, auf die man als Crohnie Zeit seines Lebens ein Dauerabo abgeschlossen hat, weil sie außer zur Diagnose auch zur Bewertung des Therapieverlaufs gemacht wird und eine wichtige Kontrolluntersuchung während einer Remission ist.
  22. Mit einer Koloskopie kann nur der Dickdarm untersucht werden. Mit viel Glück gelangt man bis an sein Ende (die Bauhin´sche Klappe oder Ileozäkalklappe) und kann noch einen Blick in den unteren Dünndarm werfen, das sog. terminale Illeum –  laut Statistik der bevorzugte Rückzugsort von Morbus Crohn.
  23. Eine Koloskopie ist keine Therapie – man wirft nur einen Blick in den Darm, den Ort des crohnischen Geschehens, damit man weiß, ob es Crohn oder Colitis Ulcerosa ist. Außerdem werden Gewebeproben entnommen, die dann histologisch ausgewertet werden und die fachliche Diagnose des koloskopierenden Arztes ergänzen bzw. bestätigen. Dieser Arzt muss ein CED-Fachmann sein, was nicht jeder Arzt ist, der Koloskopien anbietet. Weswegen es immens wichtig ist, dass man sich für diese Untersuchung in die richtigen Hände begibt.
  24. Die Schlafspritze, die man zu Beginn der Koloskopie bekommt, ist meiner Meinung nach das Schönste an dieser nicht zu vermeidenden Untersuchung.
  25. Die zwingend notwendige Darmreinigung gehört zu den Dingen, für die ich mir persönlich eine Spritze wünsche – damit ich sie nicht miterleben muss. Das geht aber nicht, denn man muss fit und wach bleiben, damit man rechtzeitig aufs Klo sausen kann.
  26. Darmreinigung und Schlafmittel vertragen sich nicht. Nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil man eventuell so tief schläft, dass man den Ruf des Darmes überhört und dann … ihrwisstschonwas.
  27. Bei einem Enteroklysma wird der Dünndarm untersucht. Dazu muss man Kontrastmittel in den Dünndarm bringen – entweder mittels Schlauch via Nase, Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm, Dünndarm.
    Oder indem man das Zeug trinkt.
    Beides bietet wenig Aussicht auf Frohsinn, aber darum geht es bei dieser Untersuchung auch nicht.
  28. Man bekommt beim Enteroklysma keine Schlafspritze. Braucht aber dafür auch keine Darmreinigung. Die man meist im Anschluss an die Untersuchung dennoch gratis dazu bekommt, denn das Kontrastmittel wirkt leicht abführend. Womit sich Inkontinenzhöschen zu einem unverzichtbaren Utensil während und nach der Untersuchung sehr bewährt haben.
  29. Die Therapie von Morbus Crohn setzt bei den Symptomen an und versucht zusätzlich das Überschießen des Immunsystems in den Griff zu bekommen.
  30. Klassisches „Einstiegsmittel“ ist nach wie vor Cortison, dicht gefolgt von Immunsuppressiva – Medikamente, die das Immunssystem schwächen, was im Crohn/Colitisfall falsch und überreagiert.
  31. Die nächste Therapiestufe, fallweise auch in Kombination mit anderen Medikamten, sind sog. Biologika, die ursprünglich für andere, häufigere Erkrankungen entwickelt wurden, sich aber bei der CED-Therapie bewährt haben.
  32. Es gibt mittlerweile auch darmspezifische Biologika, die gezielt für CED entwickelt wurden.
  33. Biologika haben nichts mit Bio oder Öko zu tun. Es sind biotechnologisch hergestellte Medikamente. Man bekommt sie als Infusion oder Spritze und muss sie regelmäßig, alle paar Wochen, über einen langen Zeitraum nehmen.
  34. Eine kontroverse Therapieform sind Stuhl-Infusionen: Man leitet also den Darminhalt von gesunden Menschen in den von darmkranken Menschen ein. Diese Therapie zeigt sehr interessante Effekte, ist aber noch in der Studienphase und naturgemäß auch umstritten. Bei denen, die sich der Prozedur unterzogen haben, hat man zum Teil spontane Verbesserungen gesehen – aber auch leichte Veränderungen in der Persönlichkeit und im Stoffwechsel.
  35. Bei der Crohn/Colitis-Therapie unterscheidet man zwischen Akut- und Kurzzeittherapie und Langzeittherapie. Cortison ist ein Akut/Kurzzeitmedikament, wirkt sehr schnell, wenn es wirkt, wie es wirken soll, und sollte nicht zu lange genommen werden.
    Immunsuppressiva und Biologika sind hingegen Langzeittherapien und erfordern Geduld, denn sie wirken erst nach ein paar Wochen bzw. Monaten.
  36. Morbus Crohn sieht man als Laie nicht von außen – was zu Meldungen wie „… aber man sieht es dir nicht an!“ führt.
    Bedenkt bitte: Man sieht einem anderen auch nicht an, ob er dumm ist. Darum bitte nicht vorschnell urteilen. Man kann auch krank und behindert sein, ohne das man auf Krücken geht, Verbände hat oder im Rollstuhl sitzt.
    LookFeel 1000 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn
  37. Mit Morbus Crohn hat man Anspruch auf den Schlüssel zur Behindertentoilette. Und das ist ein Ding, was man neben Reserveunterwäsche, weichen Taschentüchern und anderen Toiletteartikeln immer bei sich haben sollte.
    Man kann auch einen Behindertenpass beantragen, was ein paar finanzielle Vergünstigungen bringt. Aber keinen Anspruch auf einen Behindertenparkplatz.
  38. Das Tragen von Inkontinezhöschen sollte weniger stigmatisiert sein. Ebenso wäre es gut, wenn man offener über Bauchprobleme, wie Blähungen, imperativer Stuhldrang und anderes Down-Under-Gedöns reden könnte. Ist nicht sexy, aber verhindert Missverständnisse und Peinlichkeiten.
    Als Crohnie verliert man diesbezüglich ohnehin schnell alle falsche Scham und lernt flott, fachlich kompetenten Scheiß über seinen Scheiß zu erzählen. Denn genau das ist ein Teil, der bei Diagnose, Therapie und Verlauf immer wieder besprochen werden muss.
  39. Neben dem körperlichen Bereich hat Morbus Crohn, wie jede chronische Erkrankung, massive Auswirkungen auf das Umfeld, in dem man lebt.
    Abgesehen von den psychische Belastungen, wie zum Beispiel Trauer, Depression, Burn out, Erschöpfungszustände, Brainfog … dringt der Crohn auch in die Beziehung ein und fordert Familie und Freunde auf, sich mit ihm auseinanderzusetzen, weil die Person, die man liebt, es alleine nur schwer schafft.
    Hinzu kommen Einschränkungen der Arbeits- und Leistungsfähigkeit, finanzielle Engpässe, bürokratische Irrwege  (die schon für Gesunde kaum zu durchblicken sind), ein leicht zu weckendes schlechtes Gewissen (was nichts bringt, aber sag das dem Biest mal) und endlose, unerwünschte Tipps und Ratschläge von Menschen, die keine Ahnung von CED haben, aber immer wissen, was man gerade falsch gemacht hat und wie man „das“ heilt. Womit aus diesen „Ratschlägen“ schmerzhafte Hiebe werden, die man auch noch mit einem Lächeln entgegenzunehmen hat. Auch wenn man am liebsten den Zaunpfahl oder volle Höschen als Antwort schleudern möchte.
  40. Für diese Probleme gibt es keine Medikamente – man muss auf Verständnis hoffen, es fallweise klar einfordern, Grenzen setzen, andere nimmermüd aufklären, Mut haben und ihn auch in dunklen Zeiten immer wieder finden. Lächeln hilft, fällt aber oft schwer.
    Außerdem muss man lernen, sich durchzusetzen, die Kraftreserven gut einzuteilen, Schwächen einzugestehen und Stress zu vermeiden, konstruktive Hilfe zu erbitten und sie annehmen lernen.
    Womit aus einer chronischen Darmerkrankung eine Lebensaufgabe wird.

Darum braucht es den Welt-CED-Tag.

Kommt. Alle. Bitte.
Zum Beispiel zu einer von diesen Veranstaltungen anlässlich des Wolrd IBD Day / Welt-CED-Tag 2019.

WorldIBDDay 1000 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

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Allgemein

Ernährung bei Morbus Crohn – Teil 4: Ernährungsberatung via Internet

Nach einer längeren (Sommer-, Aus- und Reisezeit)Pause gibt es nun endlich den vierten Teil meiner Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn: einen persönlichen Erfahrungsbericht über Fern-Ernährungsberatung via Internet.

Hier gehts zum 1. Teil der Serie gibts hier, hier zu Teil 2 hier  und hier zu Teil 3.
Alle Beiträge rund um das Thema Ernährung sind in dieser Kategorie zu finden: Ernährung

Ich hatte in meinem Crohn-Dasein zahlreiche Ernährungsberatungen, Diät-Gespräche und Austestungen, mit verschiedensten Methoden. Die meisten in Spitälern und auf Reha, einige bei niedergelassenene BeraterInnen, also privat zu bezahlen, ohne Aussicht auf Refundierung von der Krankenkasse.

Die meisten dieser Beratungen waren anlassbezogen und eher nüchtern. Da ging es zum Beispiel um den Menüplan für einen aktuellen Spitals- oder Rehaaufenthalt.
Einige Beratungen, fast alle der privat zu zahlenden, waren kaum bis wenig hilfreich und ein paar richtig schlecht.
Im Sinne von: schädlich, falsch, Schmerzen verursachend, nicht hilfreich, kaum in den Alltag integrierbar.
Rückblickend waren es in über zehn Jahren gerade mal zwei Beratungen, die ich für ich als gut und längerfristig hilfreich empfunden habe.
Im Sinne von: die Einschätzung hat gepasst, die Beratung war kompetent, die Tipps gut umsetzbar, die Empfehlungen hörten nicht bei den Verboten auf, ich bekam ausreichend Hilfe das Ganze umzusetzen und im Leben zu integrieren.

Nun kommt eine dritte Beratung hinzu, die ich testen durfte, und die ich für mich als gut und hilfreich befunden habe – und diese lief via Internet, also online ab.

Im Frühjahr 2018 kam eine Mail mit der Frage, ob ich Lust hätte, eine Online-Ernährungsberatung auszuprobieren.
Ich hatte nicht.
Also Lust.

Einerseits weil ich, was Ernährungsberatungen betrifft, ein gebranntes Kind bin – siehe oben: Weit mehr schlechte als gute Erfahrungen prägen einen dann doch irgendwann und man schmeißt alle ähnlichen Angebote in einen Topf.
Andererseits war mir die Version via online, also internetbasierend, höchst suspekt. Ich mag direkte Gespräche, will mein Gegenüber nicht über einen Bildschirm sehen, sondern live.

Ich formulierte eine nette Antwort, sagte nicht direkt nein, aber auch nicht ja und beschloss, die Entscheidung dem Schicksal zu überlassen. Dieses wiederum meinte, dass man schlechte Erfahrungen am besten mit guten überschreibt und ich zumindest probieren sollte, worüber ich schon im vorhinein den Stab brechen wollte.

Also sagte ich zu das System zu testen und meine Erfahrung und Eindrücke in einem Beitrag festzuhalten.

Ich erhielt die Chance, die Beratung für mich kostenfrei auszuprobieren – dies ist also, wenn man so will, ein gesponserter Beitrag. Ich wurde aber nicht um eine Werbeeinschaltung gebeten, sondern darum, die Beratung aus Sicht einer Crohn-Erkrankten zu beurteilen und auch die Schwächen aufzuzeigen.
Der Beitrag ist meine persönliche, unbezahlte Meinung und wurde nicht vom Unternehmen beeinflusst oder vorgegeben.

Online-Ernährungsberatung bei Cara Care/Reizdarm.one

Ich hasse Videotalks.
Damit bin ich unter den Internet-People vermutlich ein Alien. Vor allem weil ich beruflich hauptsächlich im WWW aktiv war und als Bloggerin nach wie vor bin. Die Methode, sich via Bildschirm mit jemanden zu unterhalten, der meilenweit weg ist, mag für andere eine nette Möglichkeit sein, in Kontakt zu treten. Mir ist das zuwider.

Und das schrieb ich auch den netten Leuten von Cara Care, die mich via Reizdarm.one zum Test ihres Programmes eingeladen hatten.

„Alles kein Problem, wir können das gerne auch per Telefon machen!“

Damit war schon mal ein großer Stolperstein aus dem Weg geräumt. Telefongespräche empfinde ich zwar auch als stressig, aber wenn ich mich zeitgerecht darauf einstellen kann, geht es.

Beginn und Vorbereitung

Auf www.reizdarm.one kann man sich einen ersten Eindruck über das Angebot und die Idee dahinter verschaffen und auch einen ersten Termin vereinbaren.

Wichtig zu wissen:
Es stehen Mediziner und ausgebildete, zertifizierte ErnährungsberaterInnen dahinter. Das Projekt wurde von André Sommer (Arzt) und Jesaja Brinkmann (Medizinstudent) ins Leben gerufen.
Die Idee dahinter: Menschen mit Reizdarmsyndrom oder einer chronischen Darmerkrankung eine fundierte Beratung zu bieten, die sie auch von zu Hause aus in Anspruch nehmen können. Wer ein „Darmproblem“ hat weiß wie mühsam es mitunter sein kann, wenn man sich mit Bauchweh zu einem Termin schleppen muss.
Damit dennoch ein guter persönlicher Kontakt zustande kommt und man eine direkte, für einen persönlich zuständige Ansprechperson vor Augen hat, läuft eine Cara Care Beratung meist in Form von Videotalks ab.

Bevor es dazu kommt, gibt es ein Erstgespräch, wo der Ablauf vorgestellt und auch erklärt wird, wo das Programm helfen kann bzw. was nicht möglich ist. Auch werden da die „kaufmännischen Facts“ besprochen: Höhe der Kosten und mögliche Verrechnung via Krankenkasse.

Die Kosten betragen insgesamt 246 Euro. In Deutschland übernimmt die Krankenkasse bei dieser Beratung ca. 60% davon. Der Eigenanteil beträgt maximal 82Euro, je nach Entscheidung der Kasse.
In Österreich können wir davon nur träumen.

Für PatientInnen aus Deutschland erfolgt die Abrechnung mit der deutschen Krankenkasse direkt via Cara Care. Das heißt, dass man im Anschluss an die Beratung nur den Betrag bezahlt, der nicht von der Kasse übernommen wird.

Für PatientInnen aus Österreich fällt das leider weg und da schon normale Ernährungsberatungen in Österreich kaum bis nie von der Kasse übernommen werden, stehen die Chancen, dass die einer deutschen Online-Beratung irgendwann mal in das Portfolio der österreichischen Kassenleistung übernommen wird, sehr gering.

Beim kostenlosen Erstkontakt wird noch nichts Therapeutisches besprochen. Es geht nur um die Info, wie das Ganze abläuft und was man im Vorfeld zu tun hat.
Zum Beispiel den sehr ausführlichen Ananmnesebogen ausfüllen, die Cara Care App herunterladen und mit dieser bis zum Ersttermin ein Ernährungs- und Befindlichkeits-Tagebuch führen. Und natürlich wird der erste Termin für die Beratung vereinbart.

Anamnesebogen

Der ist richtig umfangreich und lang. Was meiner Meinung nach gut ist.
Mir war es dennoch zu wenig, denn ich hatte nicht ausreichend Platz für alle meine Diagnosen. Was grundsätzlich immer und überall der Fall ist, weil ich einfach eine verdammt lange Liste an „Special Effects“ habe. Das ist auch offline, beim Aufnahmebogen im Spital oder bei einem neuen Arzt immer ein Problem und sprengt jeden Rahmen.

Das Ausfüllen dauert ca. 20-30 Minuten. Hilfreich ist es, vorab seine Befunde parat zu haben. Man kann die Befunde und Allergieauswertungen auch direkt in das System von Cara Care hochladen. Ich hab dass nur mit einem gemacht, die anderen hatte ich gerade nicht parat.
Wem das suspekt ist, also das man solche doch eher sehr sensiblen Daten ins Netz lädt: Es ist nicht zwingend notwendig. Es geht nur darum, dass sich die zugeteilte Betreuerin ein gutes Bild vorweg machen und sich auf allfällige Unverträglichkeiten einstellen kann.

Was mir hier gefehlt hat:
Ein leeres Feld, in das man anstelle des Hochladens seine Infos eintragen kann. Das wäre ideal für alle jene gut, die nicht hochladen können (oder wollen) und dennoch ein paar wichtige Befunddaten hinterlassen möchten.

Ich habe das dann so gelöst, dass ich mir eine Notiz gemacht habe, um das, was ich noch als wichtig für die Beratung erachtet hätte, im Erstgespräch zu klären.

Das Österreich-Handicap

Zwei Problemchen sind mir aufgrund meiner Herkunft passiert. Das eine war meine Telefonnummer – ich habe eine mit österreichischer Vorwahl. Die dürfte beim Anmelden aber irgendwie verschwunden sein. Denn als es Zeit für den Anruf war, kam nix. Fünf Minuten später dann eine Mail, ob die Nummer stimmt und als ich das geklärt hatte, klingelte es gleich darauf bei mir. Problem solved und los ging es mit dem Gespräch.

Wer das Ganze via Videotalk am PC/Tablet absolviert hat dieses Problem vermutlich nicht 😉

Der zweite Stolperstein war beim Ausfüllen des Online-Anamnesebogens:
Das System wollte von mir unbedingt eine Info betreffend der Krankenkasse, die für mich zuständig ist. Aber die österreichischen sind nicht drin und keine auszuwählen ging auch nicht. Eine kurze Nachfrage per Mail brachte flott Hilfe: Ich solle einfach irgendeine nehmen. Da ich im Fall des Falles ohnehin keinen Anspruch auf Kassenrefundierung hätte, also den Gesamtpreis zahlen müsste, würde das dann intern abgeklärt werden.

Sehr positiv ist mir jedenfalls aufgefallen, dass die Hilfestellung und Antworten sehr flott, zeitnah und lösungsorientiert erfolgten. Es gehen also nicht x Mails im Ping Pong Modus hin und her und man hängt auch nicht endlos in Hotline-Warteschleifen.

Cara Care App

Die ist ein wichtiger Punkt für die Beratung und da hilft nix: Da muss man durch, die muss sein.

Was für mich persönlich ein weiterer wenig geliebter Part ist – wo aber die guten Leute von reizdarm.one nix für können: Ich bin kein App-Ianer. Ich mag dieses Dauertracken von Fitness, Futter und anderen Dingen überhaupt nicht. Vor allem wenn es regelmäßig und über einen längeren Zeitraum sein soll.

Wobei es einem die Cara Care App wirklich leicht macht. Man kann bspw. auch nur ein Foto seiner Mahlzeit hochladen, wenn man keine Lust hat, alle Zutaten aufzuschreiben.

Dieses Tracken (Aufzeichnen) der Mahlzeiten ist insofern wichtig, weil die zugeteilte Beraterin hier direkt nachschauen kann und man somit beim nächsten Gespräch schon wieder um einiges schneller beim Klären von allfälligen Nahrungsproblemen ist. Abgesehen davon ist es auch für einen selbst sehr hilfreich, wenn man mal für einige Zeit genau mitschreibt, was man sich und seinem Körper so zuführt

Da man auch das Befinden notiert, also wie es einem an dem Tag geht, wie der Stuhl war (Art und Häufigkeit) und welche anderen Probleme man hatte (Stress, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, …). Wenn man das einige Zeit macht erkennt man eventuelle Nahrungs-Trigger (Auslöser), die möglicherweise für die aufgetretenen Probleme zuständig sind.

Mir ist in dem Zusammenhang zum Beispiel erstmals klar geworden, dass mir Steinobst so gar nicht gut tut. Das war leider zu Marillenzeit (Aprikosen) und ich mag die Dinger. Aber ich hab es doch lieber, wenn ich bauch- und kopftechnisch keine Probleme habe und damit sind die süßen, gelben Köstlichkeiten nun zu einem sehr seltenen Punkt auf meiner Speisekarte mutiert.

 

Die App ist sehr üppig, erinnert einen auch daran, sein Essen zu notieren, bietet viele Trackingmöglichkeiten (auch für die täglichen Medikamente) und hat auch etwas Spielerisches: man kann Punkte und Trophäen sammeln. Je mehr und länger man in sein Tagebuch hier einträgt, desto mehr Punkte bekommt man. Das soll ein Anreiz sein dran zu bleiben.

 

Leider bin ich zu all meinen anderen Übeln (Videotalkverweigerin, Anti-App-Ianerin) auch noch keine Spielerin. Ich mache mir nichts aus gesammelten Punkten und möglichen virtuellen Trophäen. Ich spiele weder am PC noch online – ich spiel ja nicht mal offline gerne. Insofern war das für mich persönlich kein Anreiz.

Die App wirkte auf mich auf den ersten Blick ein wenig vollgeräumt, dicht gedrängt und eher eng, teilweise auch schlecht anwählbar. Das lag aber in dem Fall auch an meinem Handy. Ich hab ein zartes, kleines iPhone SE und der Bildschirm ist da im Vergleich mit den aktuell verbreiteten Bildschirmgrößen sehr klein. Mir reicht das normalerweise, aber bei solchen Apps merkt man dann doch das größer mehr wäre.
Zu spät fiel mir dann ein, dass ich das ganze ja auch bequem am Tablet hätte ausfüllen können. Da würde das wahrscheinlich deutlich gemütlicher vonstatten gehen.

Am iPhone besteht auch die Möglichkeit, die Cara Care App mit der iPhone-eigenen Health-App zu verbinden. Das habe ich nicht gemacht. Da ich mein Handy nicht permanent bei mir trage, auch nicht alles health-mäßige so ausführlich tracke und zusätzlich nicht gar so gern so viel von mir preisgebe, hätte es in meinem Fall wenig Sinn gehabt.

Ein paar Stolpersteine in der App sind mir auch noch aufgefallen – Kinderkrankheiten, die vielleicht schon bereinigt sind. Wie etwa die deutsch – englische Sprachenmischung, z.B. bei den Medikamenteneingaben. Oder das bei den Einheiten die „Infusion“ fehlt (zumindest habe ich es nicht gefunden).
Ein bisschen verwirrend war auch der unterschiedliche Eingabemodus bei den Nahrungsmitteln im Vergleich zu den Medikamenten. Da habe ich mich einige Male vertippt.

Wenn man sich aber mal daran gewöhnt hat, geht das Eingeben (Tracken) der Mahlzeiten, Befindlichkeiten und Mediks recht flott.

Ich habe das meist so gemacht, dass ich tagsüber jeweils ein Foto meines Essens gemacht habe, fallweise auch von den Zutaten bzw. dem Rezept. Abends habe ich dann geblockt alles eingetragen. Damit habe ich mir das immer-wieder-zwischendurch-Tippen erspart.

Die Cara Care Beratung

Relativ rasch nach dem ersten Gespräch hatte ich meine „richtige“ Beratung. Kora, meine Cara Cara Beraterin, rief mich an – auch diesmal wollte mein Spleen, dass das Ganze per Telefon abläuft und nicht via Videotalk.

Kora war mir sofort sympathisch und wir hatten ein gutes, langes Gespräch. Die Tonqualität war ok, ein bisschen hat es gehallt (Headset-Klassiker), aber wir haben einander gut verstanden. Ich nehme an, dass das bei Videotalks noch besser ist.

Nach dem gegenseitigen Vorstellen ging es zuerst darum, meine Erwartungen an die Beratung zu klären und welche Fragen ich hätte bzw. was ich mir an Infos erhoffen würde.

Meine Wünsche:

  • Tipps zur Optimierung meines aktuellen Ernährungsplans
  • Was und wie esse ich unterwegs?
  • Was kann ich mir als Seelennahrung für zwischendurch gönnen?

Wichtig war Kora auch festzuhalten, woran ich die Beratung als erfolgreich betrachten würde.

In dem ca. 50 Minuten dauernden Gespräch schafften wir es nicht alles zu beantworten, aber doch genug. Ich hatte ein paar Monate zuvor eine (gute, selbst bezahlte) Ernährungsberatung, auf deren Basis ich mein Ernährungsverhalten komplett umgestellt hatte. Das war schon ein guter Schritt in die richtige Richtung und mir gut getan. Insofern hatte ich mir bei meinem Beratungsgespräch mit Cara Care eher nur interessante Nebeninfos erwartet – ich war ja schon gut unterwegs. Dachte ich zumindest.

Was mir besonders gefiel war, dass die Beratung nicht als Belehrung rüber kam. Kein erhobener Zeigefinger (den ich eh nicht gesehen hätte, aber ihr wisst was ich meine ;), keine strikten dogmatischen „Das ist absolut verboten, das besonders, das geht gar nicht!„-Dingens und auch sonst war der Ton ausgesprochen angenehm. Aber doch so, dass ich die Tipps und Infos gut annehmen konnte und auch die Hintergründe für mich nachvollziehbar waren.

Für mich ist das genau die richtige Art, wie so eine Beratung abzulaufen hat. Denn mit Dogmen und Sekten-Striktness kommen die wenigsten zurecht. Das fördert nur Frust, macht Stress und miese Laune.

Kora ließ sich auch von meinen bislang wenig guten Ernährungsberatungserfahrungen nicht einschüchtern. Und auch nicht davon, dass ich erst kurz vor dem Kontakt mit reizdarm.one eine gute und ausführliche Beratung woanders gehabt hatte. Sie hörte sich meine Geschichte an, hatte sich vorab schon in meinem Anamnesebogen informiert und auch meine Eintragungen in der Cara Care App durchgesehen.

Besonders positiv fiel mir auch auf, dass sie von sich aus sagte (und wusste), dass Crohnies individuelle Nahrungspläne und -vorgaben bräuchten. Weil jeder Crohn anders ist und es eben keine gleiche, für alle passende Crohn-Diät gibt.

Koras Tipps und Resüme: Ich sei schon sehr gut unterwegs, vor allem was das regelmäßige Essen betraf, auch was und wie ich kochte und mir meine Lebensmittel organisierte. Da ich eine ganze Reihe von Unverträglichkeiten habe, empfahl sie mir mal gezielt auf sog. FODMAPS zu achten.

Ein Begriff den ich – ich gestehs – zum ersten Mal hörte und mir auch gleich fachgerecht erklären ließ. Es gibt übrigens ein Video indem Kora das umfassend beschreibt, auch worauf man achten soll: Was sind FODMAPS?

Sie empfahl mir einige Zeit darauf zu achten weniger von diesen Fodmaps zu essen und zu notieren, wie sich das auf meine diversen Befindlichkeiten auswirken würde.

Außerdem war es ihre Idee, dass ich mir das Aufzeichnen mit der Cara Care App erleichtern könne, indem ich nur ein Foto einstelle. Sie sähe auch so genug von dem, was drin ist und ich erspare mir das detaillierte Beschreiben.

Ein weiterer sehr positiver Punkt: Ich bekam einen ganzen Schwung an Tipps, wo ich weitere Infos finden könnte und vor allem wo es Rezepte gäbe, die schnell und einfach zuzubereiten sind – alltagstauglich eben.

Ein Punkt, der mir auch wichtig war: Ich habe ein Problem mit dem Wort Diät. Das empfinde ich immer als Restriktion, also Begrenzung und mit sowas kann ich gar nicht. Erfreulich war daher, dass Kora sofort darauf einstieg und wir dieses „böse“ Wort während des weiteren Gesprächs elegant vermieden haben 😉

Generell hatte ich nie das Gefühl, dass es darum ging, mir einen strikten Diätplan zu verpassen. Sondern gemeinsam mit mir eine für mich passende, individuelle und vor allem leicht lebbare Ernährungsrichtlinie zu erstellen, die für mich im Alltag und unterwegs gut praktizierbar ist und mir hilft meinen Gesundheitszustand zu erhalten ohne den Crohn zu reizen.

Selbst die „Verbote“ kamen so rüber, dass ich sie nicht als Beschränkung empfand, sondern auch innerlich nachvollziehen konnte, dass es einfach besser ist auf manche Dinge zu verzichten – und vor allem nun auch den Grund wusste, warum mir zum Beispiel Gurken, Paprika und Steinobst nicht gut tun.

Das man auch dann immer wieder Schmerzen und Bauchweh hat, wenn man sehr sorgsam all das vermeidet, was einem nicht gut tut oder nicht gut tun könnte, war auch ein Thema – was für mich ein weiterer positiver Punkt ist. Man hat nicht versucht mir das Ganze als das allseits hilfreiche, ultimative Heilsprogramm zu verkaufen.

Ich kann mich gut an mehrere (teure) Beratungen erinnern, wo das anders war und ich mich „nur“ an den strengen Plan zu halten hätte, um von allem Übel befreit zu werden. Falls die in Aussicht gestellte Heilung nicht in absehbaren Zeit der Fall sein sollte, lag der Fehler an mir und meinem nicht komplett darauf Einlassen-Wollen in diese Heilslehre.

Es war erfrischend zu erleben, dass die Cara Care Beratung nicht in diese Kerbe schlug.

Weiters angenehm war auch, dass bezüglich meiner, von mir selbst herausgefundenen, Nahrungssensibilitäten keine Skepis kam. Wenn ich bei den Diätologen-Gesprächen im Spital oder auf Reha erwähnte, dass ich bitte lieber glutenfrei essen will, weil ich weiß, dass mir das besser tut, musste ich mich in gut 50% der Fälle rechtfertigen und um entsprechende Berücksichtigung kämpfen (oder mich auf eigene Kosten entsprechend versorgen).

Der Hintergrund ist da meist die finanzielle Seite, aber man bekommt auch immer wieder „serviert“, dass der Wunsch nach glutenfrei – sofern nicht medizinisch nachweisbar – ein persönlicher Spleen ist, um den man sich hier nicht annehmen könne.

Mittlerweile ist das zum Glück in den meisten Spitälern etwas anders. Man weiß mittlerweile, dass es eine Glutensensitivität gibt, die besonders bei Menschen mit einem empfindlichen, kranken Darm oder vielen Allergien für heftige Probleme sorgen kann. Blöde Bemerkungen und Augenrollen erntet man dennoch immer wieder.

Nicht so bei Kora, für die das nachvollziehen konnte und als sinnvoll weiterhin empfahl.

Die Zeit für unser Gespräch war schnell um. Ein Folgetermin wurde vereinbart, aber den musste ich aus persönlichen Gründen stornieren.

Kora mailte mir die in Aussicht gestellten Infos (Rezepte, Links und Low-FODMAP-Infos) sehr bald nach dem Gespräch, damit ich den Schwung gleich weiter nutzen und meinen Ernährungsplan weiter optimieren konnte.

Ich widerum freute mich, dass meine anfängliche Skepsis und Aversion gegen diese Form von Beratung sich in Luft aufgelöst hatte und ich wirklich gute, umsetzbare Tipps bekommen habe. Und Spaß hat es auch gemacht 🙂

Abschluss

Üblicherweise gibt es nach dem ersten Beratungsgespräch noch vier weitere, wo die Erfahrungen besprochen und die Umsetzung weiter optimiert wird.

Während der gesamten Zeit ist es sinnvoll die Cara Care App, also das Ernährungstagebuch zu führen. Da man da auch Statistiken abrufen kann, profitiert man auch selbst sehr davon. Zum Beispiel wenn man nach dem Genuss von etwas Bestimmten immer wieder die gleichen Symptome bekommt.

 

Unmittelbar nach dem Gespräch wird man via Mail um Feedback gebeten. Die Abrechnung selbst erfolgt sehr zeitnah nach der Beratung. Da im Fall des Falles das gleich mit der Kasse abgerechnet wird, hat man selbst wenig bürokratisches Gedöns zu erledigen.

Fazit

Kurzversion: 
Ich kann diese Berarung rundum empfehlen.

Langversion:
Ich war sehr skeptisch und wurde sehr positiv eines Besseren belehrt. Die Cara Care Beratung ist im Kern wirklich gut und empfehlenswert. Die paar Stolpersteinchen, die ich erlebt habe, sind eigentlich nicht der Rede wert und wurden nach kurzer Rücksprache rasch, unbürokratisch und restlos aus dem Weg geräumt. Die App wird sich sicher noch entwickeln

Die Beratung selbst war gut und hilfreich. Meine Beraterin war mir sofort sympathisch, was bei jeder Beratung wichtig ist. Meine Spleens, meine Befindlichkeiten und meine Geschichte wurden rundum ernst genommen und die Tipps, die ich erhielt, waren hilfreich und sinnvoll, ohne aufdringlich oder grenzüberschreitend zu sein.

Insofern ist diese Beratungsversion meiner Meinung nach sowohl für Newbies als auch für alle geeignet, die schon einiges selbst herausgefunden haben oder wie ich andere, weniger hilfreiche Beratungen erlebt haben.

Das in Deutschland die Kasse hier etwas dazu zahlt, ist natürlich toll und auch ein gutes Argument.
Als ÖsterreicherInnen haben wir da leider einen finanziellen Mehraufwand. Verglichen mit den ortsüblichen Preisen für diese Beratungen ist der aber meiner Meinung nach vertretbar. Man steigt im Schnitt dennoch deutlich günstiger aus und hat ein Service, wie ich es in der Form noch bei keiner Beratung erlebt hat.

Die Anamnese, das online Ernährungstagebuch und die Vorabinfos sind sehr umfassend und natürlich gewöhnungsbedürftig. Aber genau das ist einer der Vorteile dieser Beratung. Denn so bleibt der Draht zwischen BeraterIn und KlientIn aufrecht und man muss beim nächsten Gespräch nicht kostbare Zeit mit dem „was bisher geschah“ verbringen.

Herzlichen Dank an Reizdarm.one und Cara Care, besonders aber an Jesaja Brinkmann, für die Möglichkeit diese Beratung zu testen, und an Kora, für die guten Tipps und das supernette Gespräch!

Im fünften Teil meiner Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn gibt es Bücher und Linktipps und einen kleinen Einblick in meinen eigenen Ernährungsplan.

Allgemein

Ernährung bei Morbus Crohn – Teil 3

Im dritten Teil meiner Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn geht es um Ernährungsberatung und wie man herausfindet, was einem gut tut und was man besser meidet.
Teil 1 der Serie findet ihr hier, Teil 2 hier.
Alle Beiträge rund um das Thema Ernährung sind in dieser Kategorie zu finden: Ernährung

6.
Jeder muss für sich selbst herausfinden, was gut tut und was schlecht ist.

Das ist mühsam und läuft erwiesenermaßen nur mittels Trial and Error – also Schritt für Schritt ausprobieren.

Meist beginnt man dabei wirklich bei Null. Bei mir hat es sich nach einem sehr heftigen Schub von selbst angeboten. Über Wochen hinweg habe ich keine Nahrung mehr vertragen, auch keine breiige Schonkost – es lief sprichwörtlich durch mich hindurch. Man hat dann versucht mich mittels Venenfutter und sog. Astronautenkost zu versorgen.
Das ist nicht angenehm, schmeckt nicht besonders, aber es hält einem am Leben.

Mein körperlicher Tiefstand schlug sich damals mit knapp 45kg auf die Waage.
Heute habe ich um die 60kg, bei 1,61cm Körpergröße.

Als die Therapie endlich griff, kam auch der Appetit und ich begann wieder echtes Essen zu mir zu nehmen. Da habe ich dann ausprobiert was mir bekommt und gut tut. Begonnen habe ich mit dem, was allgemein als gut verträglich gilt (Reis, Karotten …) und mich langsam durch die Nahrungspalette gefuttert. Wenn etwas dabei war, was mir nicht gut getan hat, habe ich das sehr schnell gemerkt und dann versucht in Zukunft zu meiden. Was ich vorher nicht vertragen habe blieb auf der No-Go-Liste: Salatgurken, Knoblauch, größere Mengen Paprika …
Die darmreinigenden Klassiker, wie z.B. Sauerkraut, ließ ich aus verständlichen Gründen auch aus 😉
Vollkornprodukte mit ganzen Körnern, auch geschrotet, taten und tun mir gleichfalls nix Gutes – das ist so schwer verdaulich, dass mein Bäuchlein w/o gibt und mit beleidigtem Aufblähen reagiert. Es fühlte sich an wie Streusplit der über die Darmwand raspelt.
Vor meiner großen Darm-OP, als ich noch eine massive Stenose im Dickdarm hatte, wären Vollkorn-Produkte, Maiskörner, Trauben(kerne) & Co zusätzlich ein zu großes Risiko gewesen. Die können bei einer Stenose zu einem Darmversschluss kommen.

Das tut richtig.scheiße.weh.
Das ist lebensgefährlich.
Das will man nicht.

Auch ohne Stenose sind schwer verdauliche Nahrungsmittel keine sinnvolle Kost für Menschen mit einem empfindlichen Darm. Das es auch hier Ausnahmen gibt, muss ich, hoffe ich, nicht mehr erwähnen.

7.
Was Gesunden schadet, hilft auch Kranken nicht.

Junkfood, Unmengen Zucker, unregelmäßiges Essen, Schokoladen-Overload, extrem Fettes, Frittiertes, dunkel Gegrilltes (=Kohle) … tut einem Gesunden schon nicht gut. Wer eine Erkrankung hat, speziell im Verdauungstrakt, der/die tut sich mit dieser Nahrung aber erst recht nichts Gutes.

Das sagt einem an sich die Logik. Aber seit es den Hausverstand im Supermarkt an der Kasse, als Pappfigur, gibt, fehlt er im Alltag halt immer wieder.

Wie bei allem macht auch hier die Dosis das Gift. Wer hin und wieder, also wirklich selten, beim goldenen Doppelbogen einfällt, sich dann und wann (=selten) einen Schokoschock schenkt oder beim alljährlichen Familientreffen (=selten) Omis berühmten, deftigen Schweinsbraten inhaliert, der nimmt Seelennahrung zu sich. Denn der Verzicht auf dieses einmalige (=seltene) Vergnügen schadet mehr, als die Verträglichkeit der Nahrung.

Schlussendlich ist Essen ein gesellschaftliches Ereignis und wer davon ausgeschlossen ist oder durch eine besondere Diät gehandicapt, der hat schnell ein emotionales und soziales Problem. Wenn alle nach einer anstrengenden Bergwanderung in der urigen Hütte leckeren Kaiserschmarrn mampfen, dann wird die mitgebrachte Reiswaffel zu einem Würgeteil, das man auch mit viel Schnapps und gutem Zureden nicht in den Magen bekommt.

Jeder muss hier selbst wissen und spüren lernen, wo die gerade noch verträgliche Grenze liegt und wann es sich lohnt, sie zu überschreiten, weil man die Konsequenzen angesichts des Vergnügens in Kauf nimmt.

Ausnahmezeiten, wo ein Festhalten am Plan keinen Sinn macht, sind zum Beispiel wenn die Tage und Wochen länger bauchtechnisch mühsam sind, der Crohn im irren Freak-Modus unterwegs ist und man einfach nicht mehr weiß, was den Wahnsinn stoppen kann.
Wenn man hinterrücks nur noch auf der weißen Schüssel hängt und dazwischen den Kopf darüber hält, weil die Mediks einen gerade das letzte Futzelchen an Nahrung herauskotzen lassen, dann ist eine strikte, einschränkende Diät das letzte, was einem hilft. Im Gegenteil, da bringt es meiner Erfahrung nach mehr, wenn man sich bewusst etwas gönnt, wonach einem der Gusto steht, was die Lebensgeister und den Appetit hervorlockt.

Ich hatte so eine Phase unter anderem bei einer heftigen Antibiotikatherapie im Spital, wo ich unmittelbar nach dem Anhängen der täglichen Infusion zuerst in einen unangenehm bedöselten Halbkoma-Zustand versank und sofort danach jedes Tröpfchen Mageninhalt in eine Schüssel gespuckt habe, bis ich meiner Galle „Guten Tag“ zukrächzen konnte.

Als Konsequenz habe ich tags darauf, beim Frühstück, meinem traurigen, glutenfreien Brotersatz die Freiheit geschenkt und mir eine resche Kaisersemmel gegönnt, mit viel Nougataufstrich und extra Marmelade. Volle Kanne.

Im Wissen, dass mich diese Genusskombi kurz darauf unverdaut wieder am gleichen Weg verlassen würde, wie sie in mich gewandert war.

Aber ich hatte zumindest kurz ein paar geschmacksverursachte Glücksgefühle, einen Hauch Normalität und das gibt manchmal mehr Kraft, als es Kalorien vermögen.

8.
Ernährungsberatung KANN helfen.

Oder alles schlimmer machen.

Ich hatte in meinem crohnischen Dasein viele Ernährungsberatungen. Die meisten waren schlecht, ein paar sogar schädlich, eine zusätzlich besonders schmerzhaft. Doch die meisten waren hauptsächlich frustrierend, lebenseinschränkend und einige sogar komplett falsch.

Und ich hatte ein paar wirklich gute Ernährungsberatungen, von denen ich bis heute profitiere und die mir sehr geholfen haben.

Hier ein paar Tipps für alle, die wissen wollen, woran man eine gute Ernährungsberatung erkennen kann:

  • Gute ErnährungsberaterInnen erkennt man daran, dass sie wissen, dass es keine allgemein gültige Crohn-Diät gibt.
  • Sehr gute ErnährungsberaterInnen fragen vorweg nach den bereits gemachten Erfahrungen. Also ob man schon weiß, was einem gut und was einem nicht gut tut und bewerten das nicht. Und sie fragen nach Befunden, die sie lesen und auch verstehen.
  • Super gute ErnährungsberaterInnen lassen einen im Anschluss an die Beratung nicht mit dem Endergebnis dastehen, sondern geben Tipps und Hilfestellung, wie man diese spezielle Diät, die man gemeinsam erarbeitet hat, im Alltag – im echten Leben – simple umsetzt und wie dran bleibt.Zum Beispiel:
  • Wie man sich auch an miesen Tagen gut versorgt.
  • Wie man sich während eines Schubs ernährt.
  • Wie man sich unterwegs, auf Reisen, im Berufsalltag gut ernährt.
  • Wie und wo man Rezepte findet, bei denen man keine Nouvelle Cuisine Kocherfahrung braucht oder den halben Biomarkt leerkaufen muss.
  • Welche Lebensmittel man wo gut und günstig findet, ohne dass man einen Kleinkredit aufnehmen muss, um sich all die supertollen Nahrungsergänzungsmittel, die man un.be.din.gt. braucht, leisten zu können.
  • Wie man sich das crohnische Kochen erleichtert, so dass es nicht den halben Tag dauert, sondern ruck zuck fertig und gut ist.

Wenn es ihnen dann noch gelingt, dass das Ganze auch Spaß macht und man sich wirklich freut, die Rezepte auszuprobieren UND diese Freude dann auch ein paar Wochen später noch da ist, dann hat mein seine persönliche, hilfreiche ErnährungsberaterIn gefunden.

Das muss auch nicht unbedingt hochpreisig sein. Wie bei vielen Dingen ist auch hier „teuer“ nicht mit „gut“ gleichzusetzen. Man kann auch auf Kassenkosten so jemanden finden. Glück gehört natürlich auch dazu und fallweise helfen die Erfahrungen von anderen.

Daher hier auch noch ein paar Tipps, wie man schlechte ErnährungsberaterInnen erkennt, um die man besser einen Bogen machen sollte:

Schlechte ErnährungsberaterInnen wissen alles, haben aber keine Ahnung, was Morbus Crohn ist.
Wen ich wem meine Erkrankung erst mal erklären muss, dann kann mir der nicht sagen, was mir da hilft, weil er/sie schlichtweg keinen blassen Dunst von dem hat, was in mir vorgeht.

Schlechte ErnährungsberaterInnen haben die ultimative Methode ge/erfunden, mit der man allen (also wirklich ALLEN) helfen kann, weil alle die gleichen Fehler machen.
Das sind dann keine ErnährungsberaterInnen, sondern Gurus, die einen bekehren wollen.

Schlechte ErnährungsberaterInnen wollen einem etwas verkaufen.
Natürlich immer zum Selbstkostenpreis, als Sonderangebot und das ist reeeiner Zufall, dass man gerade heute das bewusste Wunderprodukt im Haus hat und es einem gleich mitgeben kann … und man kann das gaaanz einfach im Web bestellen, muss nur den Beratercode dazu angeben, kommt alles frei ins Haus … usw. usf.

Finger weg
– speziell, wenn hinter den superigen, tollen, einmaligen Produkten Firmen stehen, die ihre Waren nur mittels Empfehlungsmarketing/Pyramidensystem verkaufen. Das sind dann eher Sekten und die BeraterInnen gläubige, bekehrungssüchtige JüngerInnen.

Schlechte ErnährungsberaterInnen haben eine ganz besonders tolle Methode, mit der sie Unverträglichkeiten und Allergien austesten können.
Man muss da gar nichts mehr selber wissen, das Gerät macht das ganz von alleine.

Ich glaube schon, dass man mit Hilfe von Pendel, Tensor und Muten herausfinden könnte, ob einem etwas gut tut, oder nicht – weil einem das ja schon das eigene Körpergefühl/Unterbewusstsein sagt. Pendel und Tensor sind in dem Fall dann Zeigerinstrumente. Wir haben in Dingen, die uns persönlich betreffen, aber nicht immer die Ruhe um uns selbst gut „zuhören“ zu können und vertrauen diesen Infos dann auch nicht so, als wenn ein Fremder sie uns mitteilt.
Daher diese Sehnsucht nach Hilfe, wo dann ein/eine anderer das Pendel schwingt oder über eine Wundermaschine „abfragt“.

ABER:
Das ist kein medizinischer Test und das Ergebnis muss IMMER schlüssig hinterfragt und geprüft werden. Auch wenn das Wundergerät noch so toll ist und mit x-fachen Zertifikaten beklebt (von denen man noch nie was gehört hat), wird es nicht richtiger, wahrer oder besser.
Es steht immer ein Mensch hinter der Handhabung und die Geräte, die zum Einsatz kommen, sind nichts anderes als Zeiger, die das anzeigen, was der/diejenigen, der/die die Maschine bedient, spürt – heute, jetzt, in diesem Augenblick.

Besondere Vorsicht ist bei größeren „Massenaustestungen“ geboten, wo in einer Sitzung hunderte Substanzen „abgefragt“ werden.

Ganz besonders spannend wird es, wenn man als Ergebnis einen vorgedruckten Standard-Zettel in die Hand gedrückt bekommt, wo diese vielen, hundert unterschiedlichen Substanzen, die man in Zukunft meiden soll, schlussendlich auf eine Handvoll reduziert wurden.

Wenn sich unter den ab nun verbotenen Substanzen die unheiligen Klassiker Weizen, Gluten, weißer Zucker, Fructose, Histamin, Schweinefleisch, Ascorbinsäure & Co befinden, dann war der vorherige, teure Test schlicht für die Katz`: Das Verdammen dieser „Ernährungsgifte“ ist mittlerweile Standard in der energetischen Ernährungsberatungsszene und wird jedem aufs Aug´ gedrückt. Egal ob bei einem eingewachsenen Zehennagel oder Krebs im Endstadium.

Wer nun argumentiert, dass sich durch das Weglassen der unheiligen Mehrfaltigkeit der Zustand gebessert hat:
Wer weniger Weizen, Zucker, Schweinefleisch & Co. isst, tut seinem Körper ganz sicher Gutes. Weil wir westlichen Menschen einfach viele zu zuviel davon in uns hineinstopfen.
Das sagt aber ABSOLUT NICHTS über Allergien und Unverträglichkeiten aus und ist auch keine individuelle, krankheitsbezogene Diät, sondern schlichtweg Schonkost.

Ganz sicher wird man davon auch nicht geheilt, egal was man hat. Wenn der Körper solcherart auf Diät gesetzt wird, geht es ihm besser, er kann sich erholen und das sorgt für Wohlbefinden. Den Crohn (und andere schwere, chronische Krankheitszustände) bringt man damit aber nicht weg.

Das Geld dafür kann man sich sparen und besser auf das Wissen unserer Mütter und Großmütter vertrauen, die einem an kranken Tagen mit Süppchen und sanftem Brei genau das Richtige ans Bett geliefert haben – ohne vorheriges Abfragen mittels teurem Wundergerät.

Man braucht übrigens auch keine supertollen, neumodernen Küchengeräte, Heilsymbole oder Wundermagnete, die einem für ein mehrstelliges Sümmchen überlassen werden und dann auf gar mystische Weise für rundum wonnige Zeiten und Komfort sorgen.
Wer das haben will, dem sei es unbenommen. Aber „brauchen“ tuts niemand und helfen, also im heilsamen Sinne, tuts auch nicht.

Habt ihr noch Ergänzungen zu meiner obigen Liste betreff ErnährungsberaterInnen oder worauf man achten sollte? Dann her damit, ich freu ich über Tipps und auch über eure diesbezüglichen Erfahrungen!

Im vierten Teil meiner Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn gibt es einen persönlichen Erfahrungsbericht über Fern-Ernährungsberatung via Internet.

Allgemein

Ernährung bei Morbus Crohn – Teil 2

Im zweiten Teil meiner kleinen Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn geht es um das richtige oder falsche Essen im Schub, ob „falsches“ Essen einen Schub auslösen kann und warum es bis heute keine allgemeine, für alle gleich gute Crohn-Diät gibt.

Den ersten Teil der Serie über Essen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen findet ihr hier.

3.
Essen im Schub und Essen während einer Remission sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Das Essen im crohnischen Schub muss immer sehr sensibel abgestimmt werden und ist deutlich sanfter, weicher, breiiger, kurz: viel spezieller. Hier ist es immens wichtig, sich sensibel und sehr intensiv auf das aktuelle Befinden einzustellen. Das kann jeden Tag anders sein.

Essen während einer Remission hingegen kann fast „normal“ sein. Man verträgt deutlich mehr und oft auch ganz andere Dinge, als im Schub. Selbst deftiges, schweres, intensives Futtermaterial macht da mitunter wenig bis kaum Probleme – je nachdem, wie arg der Darm und das Körperchen schon vorbelastet sind. Speziell Operationen sorgen für eine sehr veränderte Nahrungsverträglichkeit und -aufnahme.

Permanent ausgenommen sind allerdings die Lebensmittel und deren Aggregatszustände, die sich auf Grund der (eigenen!) Erfahrung als unverträglich herausgestellt haben oder auf die man allergisch reagiert.

Was das „Sündigen“ betrifft:
Je stabiler die Remission und je besser man sich fühlt, desto eher verkraftet man Ausnahmen, die man ansonsten weniger gut verträgt.
Je mieser es einem geht, desto heftiger schmerzen Fehltritte.

Bei Allergien auf bestimmte Lebensmittel wird auch immer wieder empfohlen, zu testen ob sie noch stimmen, denn das KANN sich verändern – Konjunktiv, wohlgemerkt. Wer von Haus aus eine schwere Lebensmittelallergie auf Meeresfrüchte, Nüsse und dergleichen hat, wird auch durch eine große, umfassende Remission eher NICHT davon befreit.

Ich habe für mich festgestellt, dass es mir besser geht, wenn ich meine vorhandenen Allergien, Sensibilitäten und Unverträglichkeiten, so umfassend wie möglich berücksichtige. Ausrutscher, aus emotionalen Gründen oder wenn ich das Gefühl habe, dass mir ein Ablehnen/Weglassen emotional mehr Schaden würde, gehen während einer stabilen Phase hin und wieder.
Auf Dauer geht es mir aber nicht gut damit und das lohnt sich dann einfach nicht.

Unverträglichkeiten und Allergien

… sind übrigens zwei unterschiedliche Dinge.

Eine echte Unverträglichkeit, wie z.B. auf Laktose oder Gluten (=Zöliakie), ist nach heutigem Wissensstand NICHT reversibel. Das Feststellen einer solchen Unverträglichkeit ist auch schwieriger, weil im klassichen Bluttest nicht nachweisbar. Es braucht andere Tests und Untersuchungsmethoden.

Eine Allergie hingegen kann man mittels diverser Standardtests oft gut feststellen und sie kann sich auch verändern, also besser oder schlechter werden.

Zum Vergleich:

Ich habe eine Laktoseunverträglichkeit, die mittels einem Atemtest festgestellt wurde.

Bei diesem Atemtest süffelt man auf nüchternen Magen eine mit Milchzucker versetzte Flüssigkeit (würg). Wenn man den Milchzucker nicht verträgt, weil das entsprechende Enzym im Darm fehlt, kann der Bauch das nicht verarbeiten. Es kommt also kein Zucker ins Blut und der Darm versucht das unverträgliche Gschloder (=grausliche Zeug) mittels Rausschwemmen (=Durchfall) loszuwerden.

Man misst während des Tests immer wieder den Blutzucker – wenn der in einem bestimmten Ausmaß steigt, dann kann man Laktose verarbeiten. Wenn der Blutzucker hingegen weitgehend gleich bleibt, wird der Milchzucker nicht verarbeitet und somit nicht vertragen.
Zugleich wird die Atemluft getestet. Denn wenn man die Laktose nicht verarbeiten kann, wird sie zu einem Teil über die Atemluft ausgeschieden.

Ich vertrage seit gut 15 Jahren keine Milch und laktosehältige Milchprodukte mehr. Als Kind habe ich meinen Grießbrei geliebt, Pudding und Joghurt sowieso, Topfenpalatschinken & Co. natürlich auch. Irgendwann ist die Lust auf diese Nahrungsmittel verschwunden. Nach einem sehr heftigen Schub, der 2004 begann und 2005 zu meiner Diagnose Morbus Crohn führte, war der Appetit auf Milchprodukte komplett weg.

Habe ich dennoch etwas davon gegessen, ging es mir sehr rasch sehr elend. Zusätzlich zum Schub und dessen crohnischen Problemen.
Den oben erwähnten Laktoseintoleranz-Test habe ich erst 2012 gemacht, als mir eine Ernährungsberaterin auf einer Reha diese selbst festgestellte Unverträglichkeit nicht abnahm und quasi auf einer Austestung bestand.
Ich hasse sie noch heute dafür.

Das Ergebnis stand nach 5 Minuten fest: Schwere Laktoseunverträglichkeit, nix davon im Blut, viel zu viel davon im Atem und zwei Tage stechendes Bauchweh, Durchfall, Kopfschmerzen, Übelkeit … Hurra.

Seither werde ich aggressiv, wenn mir solcherart gestrickte BeraterInnen mit diesbezüglichen Fragen kommen.

Meine zahlreichen Allergien haben sich bei mir ad hoc gezeigt, ohne speziellem Test. Ich habe sehr viele Medikamentenallergien, meist auf Schmerzmittel und Antibiotika. Die Allergiesymptome traten hier immer nach einer Einnahme auf. Sehr typisch war auch, dass es bei einigen Medikamenten erst beim zweiten oder auch dritten Mal passiert ist, dass ich mit Hautausschlag, Juckreiz auf Hand- und Fußflächen und ähnlich wonnigen Symptomen reagiert habe.

Meine aktuell letzte Antibiotikaallergie zeigte sich erst am Ende der Einnahme, da hatte ich das Zeug schon eine Woche genommen. Die Folgen waren hier intensiv und so heftig wie noch nie: Der ganze Körper krebsrot, das Gesicht komplett geschwollen, Lippen doppelt so groß und Augen fast zu.
War optisch crazy und gefühlt grauenhaft.

Ich hab damals auch ein paar Bilder gemacht, die ich bei entsprechenden Fragen, ob diese oder eine andere Allergie denn auch „wirklich festgestellt“ wurde, herzeige. Das reicht dann als Antwort.

Meine anderen Allergien wurden hingegen teilweise durch die klassischen Austestungen in Labors festgestellt. Zum Beispiel Weizen und Birke.

Birkenpollen waren eine zeitlang das absolute Grauen im Frühjahr. Ohne Asthmaspray ging ich nicht aus dem Haus, die Augen waren albino-rot. Heute entlockt mir der Staub vielleicht dann und wann ein Nießen oder leichtes Augenbrennen. Es wird also nicht alles schlechter, wenn die Jahre ins Land ziehen 😉

Weizenprodukte würden mich genusstechnisch schon hin und wieder sehr reizen – der Geruch in einer Bäckerei, köstliche Kuchen bei einer Geburtstagsfeier, Schnitzel im Gasthof, eine frische Waffel … alles mit Weizenmehl, alles sehr verlockend, alles verboten.

Das sind die Momente, wo es fallweise wirklich hart ist, „Nein, Danke“ zu sagen. Es dürfte also auch vom Feeling her anders sein, der Unterschied zwischen Allergie und Unverträglichkeit: Bei einem frischen Hefekuchen, in einer Konditorei mit köstlichen Torten & Co, in einer Bäckerei … schreit mein inneres Kind gerne gierig und intensiv: „Scheiß drauf! Gibs mir!
(Und wenn ich dem nachgebe, dann ergibt sich das dann auch genauso, wortwörtlich. Also das mit dem subito-Stoffwechsel).

Bei einem Glas Milch & Co hingegen zeigt mein kleines Ich den mentalen Stinkefinger und winkt angewidert ab.

Ich hatte als Kind übrigens absolut keine wie auch immer geartete Allergie oder Unverträglichkeit. Heute muss ich eine Liste bei mir tragen, weil ich sie mir gar nicht mehr alle merke.

4.
Falsches Essen löst keinen Schub aus.

Aber mit falschem Essen kann man sich darmtechnisch sehr schaden und weh tun: Der Körper wird großem Stress ausgesetzt, der Bauch hat mehr zu kämpfen und diese heftige Situation KANN einen aktuell guten Zustand in einen deutlich schlechteren Zustand versetzen.

Fazit:
Wenn ich etwas esse, dass mir nicht bekommt, dann lasse ich das in Zukunft weg.
Mache ich das nicht, futtere ich weiter – because YOLO – dann kippt mein „System“ schneller, die Mediks können das nicht mehr abfangen, mein Körper gerät in heftigen Stress und ich riskiere eine drastische Verschlechterung, das ein Aufflammen eines neuen Schubes ermöglichen kann.

So ist es bei mir und bei allen Crohnies, die ich kenne: Nahrungsmittel, die wir erwiesenermaßen und auf Grund unserer Erfahrung nicht vertragen, verschlimmern die crohnischen Beschwerden.

Dieses Nahrungsmittel wegzulassen ist Selbstfürsorge.

Es hilft übrigens nicht, wenn man sich nach einer Fressorgie mit Zeug, dass einem nicht gut tut, ein „Cortisönchen einwirft„, um das „Böse“ abzufangen.
Das ist masochistisch und als drastisch dumm einzustufen.

Wer nun auf Nummer sicher gehen will und einfach alles, was anderen nicht gut tut und was die gerade allgemeine Meinung rundum als „böse“ klassifiziert, weglässt, der tut sich dennoch nichts Gutes. Denn eine zu restriktive, ultrastrenge Diät wird schnell einseitig.
Da Crohnies & Co. meist ohnehin mit Malabsorption – also einer schlechteren Nahrungsaufnahme – zu kämpfen haben, umgekehrt aber durchaus oft mehr an bestimmten Spurenelementen brauchen, schneidet man sich mit einer zu strikten Diät ins eigene Fleisch: Es hilft weit weniger, als es mitunter massiv schadet.

Darum am besten immer nur das weglassen, von dem man weiß, dass es einem selbst wirklich nicht bekommt. Auch wenn andere hier kein Bauchflattern haben – es zählt hier IMMER nur das eigene, persönliche Empfinden und Erleben.

5.
Jeder verträgt etwas anderes nicht oder besser als andere.

Wir sind alle unterschiedlich, Crohnies und Gesunde.

Auch wenn viel über die klassischen Bösewichter (Weizen, Gluten, Zucker, Laktose, Fructose, …) im Netz zu finden ist, bedeutet das nicht, dass ein ultimativer Verzicht die perfekte Grundlage für einen beschwerdefreien Zustand bringt.

Ich persönlich habe, wie oben beschrieben, eine Weizenallergie und Laktoseunverträglichkeit. Abgesehen davon habe ich FÜR MICH festgestellt, dass mir glutenfreie Ernährung besser bekommt. Ich esse aber dennoch hin und wieder Dinkel – der übrigens mehr Gluten enthält als Weizen – und Roggen, der auch nicht glutenfrei ist. Auch mein geliebter Porridge, ist nicht glutenfrei – weil auch im Hafer Gluten drin ist.
Aber Gluten ist nicht gleich Gluten, der im Hafer ist ein anderer als der im Weizen. Und ich habe für mich herausgefunden, was und welche Mengen ich vertragen kann.

Trotz heftiger Laktoseintoleranz vertrage und esse ich Butter, Schlagobers (Sahne) und fallweise harten Käse. Der Laktosegehalt in diesen Produkten ist so gering, dass man das als laktosearm bezeichnet und es weitgehend verträglich ist.

Laktosefreie Milch hingegen bringt mir subito das große Reihern (oben und unten) und andere Unannehmlichkeiten. Das liegt vermutlich daran, dass diese Milch nicht wirklich laktosefrei ist, sondern mit laktoseabbauender Laktase versetzt ist. Es ist auch noch jede Menge Milcheiweiß drin vorhanden, auf das ich vermutlich nicht gut reagiere. In Butter und der Sahne ist hingegen nur noch das Fett drin und mit dem habe ich keine Probleme.

Milch, Topfen, Joghurt, Sauerrahm (saure Sahne), weicher Käse usw. sind somit seit vielen, vielen Jahre tabu und ich habe auch nicht da Bedürfnis danach. Landen aber kleine Mengen in Backwaren oder werden mitgekocht (stark erhitzt), kann es mein Körper tolerieren. Topfenstrudel geht dennoch nicht (mehr), das ist einfach zuviel.

Eine liebe crohnische Freundin von mir kann hingegen in Milch baden – innerlich 😉 . Sie darf all das essen, was ich milchtechnisch nicht runterbringe. Aber sie muss einen Riesenbogen um Fruktose machen. Die löst bei ihr das aus, was die Milch bei mir erledigt.

Andere widerum haben täglich ihr geliebtes Weizensemmerl und andere Backwaren, die nicht glutenfrei sind, und vertragen das problemlos. Sie meiden dafür andere Nahrungsmittel, bei denen ich null Probleme habe.

Manche haben eine wechselnde Mischform, manche leben vegetarisch oder vegan, andere (wie ich) brauchen regelmäßig Fleisch, damit sie genug Eisen und Eiweiß haben. Manche leben nach der Low-Fod-Map Diät, machen Low-Carb, Low-wasweißich usw.

Ich denke, es gibt so viele Crohn-Diäten, wie es Crohn-PatientInnen gibt. Damit wird auch klar, warum es bis heute keine absolute, allgemein gültige Crohn-Diät gibt, die für alle gleich gut und verträglich ist.
Wer das verstanden hat, hat 75% des crohnischen Alltags-Dramas kapiert.

Im dritten Teil meiner Serie rund um Ernährung bei Morbus Crohn geht es um Ernährungsberatung und wie man herausfindet, was einem gut tut und was man besser meidet.

Allgemein

Ernährung bei Morbus Crohn – Teil 1

Fremder, der du eintrittst in das Reich der crohnisch Heimgesuchten: Lass alle Erfahrung zurück und wisse, es ist kompliziert.

Besonders wenn man „was“ am Darm hat.
Darum beachte, dass du niemand am A**** gehst.
Denn das tut weh.

Nahrungsaufnahme ist etwas, dass man in unserer Zeit meist beiläufig erledigt. Man hat seine geliebten Teilchen, die man sich inniger gönnt, als anderes. Dann hat man das Futter, dass man so reinstopft um sich zu ernähren und dann gibt es das Zeug, um das man lieber einen Bogen macht.

So leben die meisten Menschen, meiner Schätzung nach 90%.
Und sie leben gut damit.

Wer bewusster durchs Dasein wandelt, hat sich vielleicht schon mit dem auseinandergesetzt, was als gut-gesund-essentiell gilt und sich für eine aktuelle Stil- bzw Glaubensrichtung entschieden.
Diese Mitmenschen werden immer mehr, speziell wenn sie ein bestimmtes Alter erreichen oder anfangen, sich mit dem Zustand der Umwelt auseinanderzusetzen.
Auch sie leben gut damit, mehr oder weniger.

Und dann gibt es die, die lieber zur ersten Kategorie gehören wollen, aber auf Grund gesundheitlicher Umstände in der zweiten gelandet sind und sich mit dem, was sie sich nahrungstechnisch zuführen, intensiv auseinandersetzen müssen.
Zu dieser Gruppe zählen jene, die mit einer chronischen Erkrankung herumwanken. Speziell die, bei denen sich diese Erkrankung im Verdauungstrakt abspielt.

Weil Essen aber etwas is(s)t, das alle tun, weils ohne eben nicht geht, fühlen sich viele zu Experten berufen. Was ok ist, solange sich dieses Expertentum aufs eigene Futtermilieu bezieht.
Mühsam wird es dann, wenn man beginnt die eigenen Ernährungsglaubenssätze und -zustände den anderen ungefragt aufs Aug´ zu drücken.

Kommen dann noch Halbwissen und Hörensagen hinzu, gepaart mit fundamentalistischem Heilungstrieb, wird es richtig gefährlich. Besonders dann, wenn das zu überzeugende Menschlein von einer Krankheit „besessen“ ist, speziell wenn es sich um Bauchgedöns handelt. Sowas wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Reizdarm-Syndrom, Zöliakie … oder ähnliches in dieser Richtung.

Bekäme ich für jeden ungefragten Ernährungstipp einen Euro, könnt ich mir viele leckere (und für mich bekömmliche) Mampfteilchen kaufen.
Bekäme ich dazu das Geld retour, dass ich bereits in Ernährungsberatungen und daraus folgende Spezialnahrungsmittel gesteckt habe – Leute, ich wäre reich.

Seit 2005 lebe ich mit der Diagnose Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Was das ist, warum, wieso, weshalb, woher und alles andere kann man hier nachlesen.

In dieser Beitragsserie rund um Ernährung bei Morbus Crohn bzw. Ernährung bei chronisch entzündlicher Darmerkrankung geht es um meine persönlichen, bisherigen Erfahrungen im Bereich crohngerechter Nahrungsaufnahme.

WICHTIG:
Dies ist KEIN medizinischer Therapieplan, keine Ernährungsempfehlung für andere und ABSOLUT KEIN ultimativer Diätplan für Crohnies und andere BauchpatientInnen!

Spoiler: Weil es so einen Plan bei CED (=chronisch entzündliche Darmerkrankungen) schlichtweg NICHT gibt.

Womit wir schon beim ersten, sehr wichtigen Punkt sind, den wir bitte alle im Chor wiederholen und gaaaanz tief verinnerlichen:

1.
Es gibt keine Crohn-Diät, die für alle Crohn-PatientInnen gleich gut ist und für jeden passt.

Denn:

Jeder Crohnie (und das gilt auch für andere CEDler) ist anders, jeder Crohn ist anders, jeder Schub ist anders und in der Remission, wenn der Crohn schläft, ist erst recht wieder alles anders.

Bei allem, was ihr über Ernährung bei CED hört, lest, serviert bekommt, betet dies als Mantra vor, immer wieder – bis es sich bis zum den letzten, verbohrten Ernährungsapostel herumgesprochen hat.

2.
Morbus Crohn ist auch mit der besten, tollsten, verträglichsten Diät NICHT heilbar.

Weil Morbus Crohn an sich nicht heilbar ist, laut heutigem Stand.

Das beste, was wir erreichen können, ist eine sog. Remission: Der Crohn „schläft“, man hat keine auf ihm basierenden Beschwerden, das Leben ist das, was man „normal“ nennen könnte.
Weg ist der Mistkerl leider nicht, aber zumindest im Koma.Wie lange diese Remission dauert, weiß NIEMAND.

Es gibt Crohnies, die einmal im Leben einen Schub hatten und dann nie wieder. Ich gratuliere und wünsche ihnen, dass dieser Zustand bis an ihr glückliches Lebensende anhält. Sie als „geheilt“ zu betiteln, auch wenn sie es selbst tun, auch wenn es ihre Umgebung so predigt, auch wenn es irgendwer, irgendwo aufgeschrieben hat, ist falsch und macht denen, die einen Crohn haben, der sich nicht an so einen Deal hält, unmögliche Hoffnungen, gepaart mit Stress und Schmerz.

Es gibt Crohnies, die haben hin und wieder einen kleineren oder größeren Schub. Wenn es ihnen schlechter geht, gibt es „Anlassmedikamente“, die sie einige Zeit nehmen und dann wieder absetzen.

Es gibt Crohnies, die haben einen Dauerschub, der mit Dauermedikamenten unter Kontrolle gehalten werden muss.

Und es gibt ganz viele dazwischen, die mal in dieser, mal in jener Kategorie sind.

Wovon es abhängt, in welcher Gruppe man landet, ist keine Frage des Karmas oder der Ernährung oder der Lebenseinstellung oder oder oder …
Man weiß auch bei Erhalten der Diagnose nicht, wie es sich entwickeln wird.

Für jeden ist der Verlauf anders. Das macht die Diagnose, das Leben und die Medikation so schwierig. Gute CED-MedizinerInnen und Therapeuten wissen das und sie wissen auch, dass man Crohnies & Co. nicht in, von der Krankenkasse veranschlagten, 3 Minuten Gesprächen „abhandeln“ kann.

Leben mit Morbus Crohn ist ein lebenslanges Roulettespiel, mit lauter unbekannten Faktoren. Egal worauf man setzt: es kann der Jackpot sein oder ein deftiger Verlust. Und in der nächsten Runde kann es sein, dass einer die Würfel und die Spielregeln geändert hat, ohne das man es weiß.

Die richtige Ernährung bei Morbus Crohn ist dennoch ein enorm wichtiger Faktor. Denn wenn man das isst, was man gut verträgt und das weglässt, was einem nicht bekommt, hat man ein paar Schmerzfaktoren und Stressoren ausgeschaltet und den Körper, den Darm, das Seelchen von ein paar unötigen Belastungen befreit.

Und da zählt dann wirklich jedes Gramm.

In Teil 2 geht es um Essen im Schub und während einer Remission, ob „falsches“ Essen einen Schub auslösen kann und um Allergien und Unverträglichkeiten.

Allgemein

Misanthrope Frustritis? Die Arschkarte hilft

Es gibt Situationen im Leben, die bringen einen an Grenzen, auf die man gerne verzichten möchte. Dann und wann sorgt das dann für zwischenmenschliche Situationen, die im unmittelbaren Umfeld für heftige athmosphärische Störungen sorgen.
Zum Beispiel …

  • … das Warten auf eine gefürchtete Diagnose.
  • … miese Tage, die schon am Abend zuvor begonnen haben.
  • … Gemütsgewitter mit heftigem Tränenfall, wenn einem mal wieder alles zuviel wird.
  • … Gewohnheitsschmerzen, an die man sich nicht gewöhnen will oder kann.
  • … dunkle Launewolken mit Beziehungsblitzen, weil das Dasein mit einer Behinderung, Erkrankung, Beeinträchtigung nicht so locker flockig vom Stapel läuft.

… und vieles mehr.

Alles Zutaten, die in nullkommanix eine misanthrope Frustritis auslösen können. Noch nie davon gehört? Aber sicher schon mal erlebt:

„Ich weiß ja, dass er unter Stress steht, wir warten seit einer Woche auf die Diagnose und er hat Schmerzen und Angst und ist innerlich panisch … aber deswegen bin ich auch nicht sein Blitzableiter! Ich bin auch nur ein Mensch und kann nichts dafür, dass ich gesund bin und er krank ist!“

„… und wenn ich dann frage, was sie hat, kommt dieses NICHTS und ich muss mich sehr beherrschen, nicht wütend zu werden, denn in diesem NICHTS steckt irgendwie alles … und wie soll ich ihr helfen, wenn sie NICHTS sagt?“

„Schon klar, dass man fallweise Scheiß drauf ist und ich versteh das ja wirklich! Aber wenn dann wieder der Haussegen schief hängt, weil die Schuhe nicht im Regal stehen oder das Geschirr falsch verräumt wurde … so sehr ich sie entlasten will, aber ich bin halt auch mal überfordert und mach Fehler …“

„Es tut weh, ihm nicht so helfen zu können, dass es ihm besser geht und mitzuerleben, wie die Schmerzen einen anderen aus ihm machen … gemacht haben. Das ist, glaub ich schlimmer als alles andere: Das er nicht mehr der ist, der er war, bevor das alles angefangen hat.“

„Gereizt trifft es nicht ganz, weil das wäre untertrieben. Auf Dauerexplosionsgefahr, das passt, weil es einfach immer und überall zu einem Wutausbruch oder einem Heulkrampf kommen kann … und das macht mich fertig.“

All das sind Aussagen, die so oder so ähnlich von Menschen kommen, die eine*n kranke*n Partner*in haben.

Und ich gestehe: Ich habe selbst für einiger solcher Aussagen Modell gestanden bzw. sie so oder so ähnlich ausgelöst.

Man ist nicht automatisch ein*e Heilige*r, nur weil man eine schwere, chronische, schmerzhafte Erkrankung hat.

Man wird nicht mit der Diagnose zum ausgeglichenen Wunderwuzzi, der mit buddhistischem Gleichmut alle Mühsalen weglächelt und seiner Umwelt ein lehrreiches Beispiel gibt.

Man wird leider viel öfter in einen Ausnahmezustand geschubbst, wo man aus emotionaler Platzangst heraus überreagiert und die, die einem nahe stehen und helfen wollen, verletzt, beleidigt, kränkt und überfordert.

Ich hätte statt misanthroper Frustritis auch kranke Ar***locheritis schreiben können: Man ist krank und wird zum Ar*** und schaut sich selbst dabei zu, wie man die Umwelt terrorisiert und foltert. Und man hasst es.
Falsch, nicht „es“, sondern „sich“: Man hasst sich dafür.

Aber man kommt nur schwer raus aus dieser Spirale.

Liebe Leute, die ihr mit kranken Lieben „gesegnet“ seid,

Liebe Umwelt, die ihr nur helfen wollt,

ich bitte euch im Namen aller Kranker, die dann und wann an misanthroper Ar***locheritis Frustritis leiden, um Verzeihung. Ich möchte mich entschuldigen, für mich und für alle anderen, die im Ausnahmefall so oder so ähnlich handeln oder handelten.

Ich habe nur leider wenige Entschuldigungsgründe anzubieten. Dass wir krank sind wisst ihr. Dass das nicht immer wonnig und leicht ist, wisst ihr auch. Dass manche Mediks und manche Erkrankungen, speziell wenn sie schwer sind und länger dauern, die Psyche belasten – wem erzähl ich das?

Dass einem das irgendwann zuviel ist – auch klar.

Aber all das entschuldigt nicht, dass man sich Blitzableiter im engen Umfeld sucht und einen Beziehungs-Tornado auslöst.

Wir wissen ja, dass uns das nicht hilft – aber in dem Moment, wo es kracht, wo man loslegt, sich die Angst von der Seele schreit und dazu sein Gegenüber als Spiegel benutzt … in dem Moment macht es ZISCH, wie beim Überdruckventil vom Dampfkochtopf. Der Druck veringert sich ein wenig, man hat diese unerträgliche Belastung auf einen anderen gewälzt … und erkennt in der Sekunde, dass die Last damit nicht leichter wird, sondern man nun auch noch das schlechte Gewissen hat, jemandem, den man liebt, weh getan zu haben.

Ein verdammter, beschissener, erzmieser Teufelkreis.

Und der Ausweg?

Hilfe? Alternativen? Leitsätze?

Himmel hilf, ich weiß es nicht. Ehrlich nicht.
Weil jeder anderes ist.
Weil jede Situation anders ist.
Weil es sch***kompliziert ist.

Was helfen kann:

  • REDEN. Es ansprechen, klar und wenn irgend möglich: Ohne Schuldzuweisung, mit der berühmten „ich“-Botschaft.
  • Auf Abstand gehen, zum Durchatmen (für beide hilfreich) und sich dann wieder auf neutralem Boden treffen und alles bereden und bereinigen.
  • Einen Brief schreiben und das, was man nicht sagen kann, in geschriebene Worte fassen, weil damit eine andere Tiefe erreicht werden kann und auf der ist manchmal eine Verständigung möglich.
  • Nicht aufgeben, sondern weiterl(i)eben.

Wer da schreit, tobt und Geschirr zerdeppert ist im Inneren noch immer der+die, der sie+er vorher war – aber nun steht er+sie an einer Grenze und hat einen irren Tunnelblick und  Überreaktionen, die auf keiner logischen Ebene erfassbar sind. Aus eigener Erfahrung: Man sitzt in einem Irrenhaus und hofft, mit Rundumschlägen die Mauern einreißen zu können.

Bei manchen aber sind es auch schlicht immer schon vorhandene schlechte Eigenschaften, die sich nun einen größeren Raum nehmen, durchbrechen und ausweiten. Das ist dann wahrlich die Ar***karte und ich fürchte, da gibt es nicht viel außer dem Trost, dass es auch ohne schwere Erkrankung irgendwann so gekommen wäre.

Liebe kranke Mitpatient*innen,

Liebe leidende Auszucker*innen,

Ich sag euch nicht, dass wir uns zusammenreißen müssen – weil das wäre idiotisch und ich weiß aus Erfahrung, dass man sich beim Zusammenreißen auseinanderreißt. Das geht nur kurz, wenn überhaupt, und dann gehts nach hinten los (da könnt ihr nun jedewede Metapher dranhängen, die das Wortspiel in eurer Phantasie hervorruft).

Ich kann euch auch kein Rezept anbieten, mit dem man sich und seine Lieben vor solchen Anfällen schützt – weder Alkohol noch Drogen würden helfen, auch die lieben Glückspillen aus der Psychoecken haben keine Chance.

Ihr (und ich) müsst da euren eigenen Weg finden und den dann konsequent gehen. Mir hilft Distanz und zwar physisch, also weg vom Ort des Geschehens. Ein Spaziergang im Wald, ein paar Schritte im Garten, den Raum wechseln, in den Zug steigen und wegfahren, ein paar Tage Auszeit buchen (am besten schon Wochen vorher, damit man im Fall des Falles einen Gedankenanker hat, an dem man sich kurzfristig aus dem Schlamassel ziehen kann).

Andere drehen sich wortlos um, gehen zur gut bekannten Klomuschel, brüllen da laut rein, Deckel zu, spülen, und die Athmosphäre hat sich geklärt.

Manche fallen in eine heulsame (=kein Rechtschreibfehler) Meditationsstarre, zünden Räucherstäbchen an, verbrennen Misteln, zerfetzten Zeitungen, zertrümmern ein paar Tellerchen, auf die man ohnehin verzichten kann (immer einen Vorrat parat halten!), haben einen Sandsack zum drauf Rumtreten und Prügeln, fauchen ihr Spiegelbild an, trinken ein Glas kaltes Wasser, würgen einen Polster, treten einen Ball …

Was auch immer euch spontan hilft, was greifbar ist und wo ihr das Gefühl habt, Spannungen abbauen zu können, ohne euch oder anderen Schaden zuzufügen: Tut es.

Das Crux daran ist aber, dass man erstmal erkennen muss, dass es wieder mal soweit ist und man Gefahr läuft das Limit an gesellschaftlicher, kameradschaftlicher, freundschaftlicher, partnerschaftlicher Toleranz zu überschreiten.

Das ist das Schwierigste und ich sags wie es ist: Daran werden wir immer wieder scheitern, das schaffen wir nicht allein.

Dafür brauchen wir die Hilfe eben derer, auf die wir hinfauchen und die uns so nah sind, dass wir es uns erlauben, dass zu dürfen.

Denn so krank das klingt: Es ist ein Zeichen von Liebe. Das tun wir nur denen an, von denen wir hoffen und glauben, dass sie uns das verzeihen.

Und genau darum müssen wir die, die wir lieben, darum bitten uns zu sagen, wenn wir mal wieder Gefahr laufen die Grenze des noch Zumutbarem zu überschreiten. Damit kein Kollateralschaden entsteht. Damit wir weiterhin jemandem haben, bei dem wir uns gehen lassen können, wenn wir uns selbst nicht mehr ertragen und unter der kranken Bürde drohen zusammenzubrechen.

Bittet eure Lieben euch dann die Arschkarte zu zeigen – die mit dem Herz und der liebevollen Info, dass es wieder mal Zeit wäre durchzuatmen, einen Ball zu treten, die Klomuschel zu beleidigen, eine Friedenspfeifchen zu rauchen oder einen Spaziergang zu machen. Gerne auch in Begleitung. Es sind sicher genug Teller da, damit alle einen zerdeppern können.

Und danach setzen wir uns in einen Sesselkreis, singen dreimal Ohm oder trinken ein Glas auf all das, was wir lieben und worauf wir pfeiffen. Da dürfen dann auch Tränen fließen, Flüche gebrüllt oder Hände gehalten werden.

Liebe Alle,

gibmirgeduld 300x225 - Misanthrope Frustritis? Die Arschkarte hilftDas einzige was uns in so einem Fall weiterbringt ist: Geduld.

Mit sich selbst, mit dem*der anderen, mit der Welt und all dem, was man so Leben nennt.

Dieses „Geduld“ ist nur leider sooo unendlich schwer zu lernen, kaufen kann man es auch nicht und – FUCK – sie kommt unendlich langsam, speziell wenn man sie besonders dringend braucht.

Arschkarte solo 192x300 - Misanthrope Frustritis? Die Arschkarte hilftDennoch: Nicht aufgeben.
Es lohnt sich.
Irgenwann.

Danke fürs Lesen.

(Die Arschkarte darf gern ausgedruckt, gegebenenfalls adaptiert und für Notfälle parat gehalten werden)

Allgemein

Buchtipp: Krebs ist, wenn man trotzdem lacht – Sabine Dinkel

Ich muss gleich mal den Titel korrigieren, denn das ist kein Buchtipp, sondern eine hyperdringendsupernotwendige Leseempfehlung!

Ich kenne Sabine Dinkel schon ein paar Jährchen. Sie ist eine meiner wenigen internetten Freundinnen, die ich live noch nie gesehen hab, mit der ich aber dennoch dauerhaft in Kontakt bin und via Tastatur oder am Handy lachen, weinen, reden, philosophieren kann.
Ihr erstes Buch „Hochsensibel durch den Tag“ hat mir sehr gut gefallen (hier gehts zur Rezension). Via Facebook habe ich dann ihren Lifetime-Comic „Arschbombe in die Untiefen des Lebens“ mit einem lachenden und weinenden Auge verfolgt – ich sach´ ma´ so: Den Mut, die Herzensliebe und die Seelenstärke, sich diesem wahrlich beschissenem Thema so zu nähern … ach, ich will ja gar kein Scheibchen davon, ein Krümmel täte mir schon reichen.

Das neue BuchKrebs ist wenn man trotzdem lacht durfte ich beim Entstehen mitverfolgen und ich war zwischendurch auch eine der ersten Probeleserinnen (worüber ich mich noch immer irr freue). Nun ist das Werk fertig und ich hab es noch vor Erscheinen zum Lesen bekommen (doppelirrfreugeehrtbin!).

Inhalt & Thema

Das Thema „Krebs“ ist heftig und hilfreiche Literatur gibt es zuhauf. Aber die ist teilweise arg trantütig, mühsam überesoterisch, unangenehm hochwissenschaftlich oder es handelt sich um faszinierende Autobiographien, die zwar interessant sind, aber eben nur einen einzelnen Weg zeigen.
Ein Buch, das die Schwere des Themas aufgreift, harte Fakten so erklärt, dass man sie versteht UND akzeptieren kann, aber auch gleichzeitig sanft und liebevoll Tipps und Hilfestellung gibt, ohne den Zeigefinger mahnend zu heben – das hat bis jetzt gefehlt.
Nun gibt es eines: Krebs ist, wenn man trotzdem lacht – ein Motto, das zum Programm wird. Denn Lachen ist eine Medizin, die immer hilft, nur positive Nebenwirkungen hat und wie das Licht einer Kerze geteilt werden kann, ohne weniger zu werden.

Im Detail

Es ist ein Querlesebuch – man kann irgendwo einsteigen, es von vorne nach hinten oder umgekehrt lesen, je nachdem was man gerade braucht und wissen will. Die Kapitel sind in sich abgeschlossen und rund, man findet sich leicht zurecht, was ja gerade in einer solchen Situation wichtig ist.

Es macht nicht nur Mut – es erdet, gibt Kraft und spricht einem aus der Seele. Man kann lachen, darf weinen, wird angeregt Blödsinn zu machen und bekommt hilfreiche, mutmachende Übungen, Infos und Tipps.

Es ist herrlich weit weg von Jammerei, medizinischem Hochgeschwafel oder esoterischem Schlagmichglücklich-Schmafu: Sabine berichtet aus ihrem Leben mit Krebs (sorry: Schnieptröte), von der Diagnose, über die ersten Stolperstufen, dem Umgang mit der Chemo, den Ängsten die immer wieder hochkommen können, der Reha, bis hin zu den Fragen, um die man sonst gern einen gesellschaftlichen Bogen macht, weil man „darüber“ nicht spricht. Sie schreibt darüber und man kann es lesen, ohne sich gleich nach einem Holzpyjama umsehen zu wollen. Im Gegenteil: man findet hilfreiche Unterstützung.

Die Wortakrobatik ist gelungen – wenngleich man als alpenländisch-deutsch sprechende Leser*in hier eventuell andere Begriffe braucht 😉
Egal, denn man wird motiviert sein eigenes Vokabular zu entwickeln und da wird dann aus der Schnieptröte vielleicht die Bauchtrutschn. Diese Technik hab ich ja auch genutzt, als ich aus meiner Diagnose Morbus Crohn den Lieben Herrn Crohn gemacht habe. Damit wird das ganze an- und begreifbar, der Schrecken schrumpft, bekommt eine Form und man kann leichter damit umgehen.

Die Zeichnungen!!! <3 hoch 10!!! Ehrlich: HUT AB! Ich knie nieder, Kotau und wasweißichnoch: die kleinen Comics sind einfach super. Punktgenau getroffen, in der richtigen Anzahl und so, dass man mit einem Blick erkennt, was Sache ist. Es gibt zusätzlich auch Postkarten, die zwecks Marketing entwickelt wurden und die aktuell viral gehen – ich sag nur: Bullshit-Krebs-Bingo (das im Buch auf Seite 64 zu finden ist).

Man muss nicht Krebs haben, um es zu lesen und davon zu profitieren – es hilft einem auch bei anderen kranken Grausigkeiten, die man sich nicht bestellt, aber dennoch bekommen hat. Und es hilft den Angehörigen, die haben sogar ein eigenes Kapitel bekommen haben.

Einziger Minuspunkt – ich vermisse ein wenig die Adressen mit den Tipps für Österreich und die Schweiz. Da würd ich mir eine Ösi/Schwyz-Ergänzungsbeilage wünschen, ginge ja auch in virtueller Form 😉

Fazit

Der Stil und Sabines Heransgehensweise an dieses undankbare Thema gefallen und imponieren mir immens. Es geht NIE darum tough, cool und „WirSchaffenDasMitVerve“ zu sein. Man wird ermutigt, bestärkt, begleitet, getröstet und bekommt erprobte, handfeste Tipps, die wirklich was bringen.

Sabine zeigt klar und deutlich, dass einen das Leben mit einer solchen Erkrankung durchaus an Grenzen führt, man fallweise scheißdrauf, aber dennoch lebendig sein kann und wie man sich profanen wie auch existentiellen Fragen stellt, auf die sie Antworten aus ihrem Erfahrungsspektrum anbietet, ohne zu belehren (Klugscheißfaktor kleiner gleich Null).

Und sie macht das so liebevoll, sensibel, mit irr viel Charme, Witz und Zartheit – genau daraus entsteht dann diese unheimlich tolle Kraft, die beim Lesen Mut macht und einem die Lefzen zum Grinsen verzieht, auch wenn das Leben aktuell vielleicht gerade zum Heulen ist.

Liebe Sabine, ich fühl mich tief geehrt, dass du mich unter deine Vorbilder gereiht hast! – Danke auch für die Zitate, die du übernommen hast (machtmichehgarnienichtverlegen) … das hat mich sehr berührt und gefreut.
In Wahrheit ist es aber umgekehrt: Im Lauf dieser Buchbegleitung, an der ich an deinem Wegrand stehen durfte, bist du mir zu einem großen  Mutmach-Vorbild geworden. Ich bin sehr froh, dich in den Weiten des internetten Netzes gefunden zu haben.
Auf noch ganz viele fröhliche Jahre und ich bestehe drauf irgendwann, so jenseits der 80, mit dir kichernd und Sekt schlürfend unseren Hunden beim Blödsinn machen zuzusehen: Slainté!

Fakten und weitere Infos

Sabine Dinkel
Krebs ist, wenn man trotzdem lacht
Wie ich von heute auf morgen Krebs hatte und wieder zu neuem Lebensmut fand
ISBN 978-3-86910-412-6
Humboldt Verlag

q? encoding=UTF8&MarketPlace=DE&ASIN=3869104120&ServiceVersion=20070822&ID=AsinImage&WS=1&Format= SL250 &tag=midesign 21 - Buchtipp: Krebs ist, wenn man trotzdem lacht - Sabine Dinkelir?t=midesign 21&l=am2&o=3&a=3869104120 - Buchtipp: Krebs ist, wenn man trotzdem lacht - Sabine Dinkel
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Klappentext:
Krebs. Von heute auf morgen verändert sich das Leben von Businesscoach und Buchautorin Sabine Dinkel („Hochsensibel durch den Tag“) radikal. Schnell wird klar: Das Ratgeber-Angebot ist für Sabine Dinkel zu sachlich, medizinisch, betroffenheitsduselig. Kurzerhand beschließt sie, selbst etwas zu schreiben. „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“ ist ein tröstlicher roter Faden durch diese schwere Zeit. Er ist lesefreundlich in Häppchen geschrieben, damit er auch in Phasen verminderter Aufmerksamkeit („Chemobrain“) und prima während Wartezeiten beim Arzt gelesen werden kann: Zur Orientierung, zur Bewältigung, zum spielerischen Umgang und zum Wiedergewinn der eigenen Souveränität.

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Der Amazon-Link ist als Info gedacht bzw. wenn wer über diesen Link bestellt, erhalte ich eine kleine Provision. Wenn ihr die Bücher im Buchhandel kauft, dann freut sich der über eure Unterstützung und das ist auch sehr fein. Die Kosten sind die gleichen und man unterstützt den lokalen Handel. Viele der Bücher sind auch direkt beim jeweiligen Verlag erhältlich und manche nur noch antiquarisch.

Allgemein, Cartoons

Therapeutisches Rumschlunzen

Bevor man sich zu sehr zerspragelt und damit den Tag verschwurbelt, ist es gut sich ein wenig oder mehr dem therapeutischen Rumschlunzen hinzugeben.

Nein, ich hab kein halluzinogenes Kraut geraucht und bin auch nicht gegen eine Wand gedonnert (oder habe mir das Köpfchen woanders innerlich geschädigt).

Therapeutisches Rumschlunzen hingegen ist meine Eigenkreation. Es ist heilend, inhaltlich gediegen und rundum hilfreich, wenn man gerne dann und wann über die Grenzen dessen geht, was gut für einen ist.

Das therapeutische Rumschlunzen  ist dem Prokrastinieren irgendwie ähnlich. Von der Wirkung her aber ist es völlig konträr. Während die akademische Aufschieberitis nur den inneren Schweinehund füttert, ist das therapeutische Rumschlunzen eine Kur für Körper, Geist und Seele. Die Kleidung spielt dabei schon auch eine gewisse Rolle. Denn sie darf durchaus sauber, muss aber möglichst bequem und bekömmlich sein – Wohlfühl-G`wand.

Wichtige Kernpunkte

  • Fünf gerade sein lassen und damit dem Perfektionsdrang ein Schnippchen schlagen.
  • Die To-Do-Liste den Göttern opfern und statt dessen auf situative Anlassplanung umsteigen (=das machen, was leicht geht und was man jetzt gut tun kann UND will).
  • Den aktiven Zeiten des Tages im gleichen oder gar größeren Maße höchst passive gegenüberstellen und trotzdem kein schlechtes Gewissen haben*
  • Statt konzentriert auf Bildschirme starren und krampfhaft kluge Satzgebilde zusammendrechseln wollen-sollen-müssen, lieber auf der Bank vorm Haus sitzen (besser: Knotzen) und ohne Fokus in die grüne Leere glotzen.
  • Statt Stress beim Abarbeiten von therapeutischen, physikalischen, bikinifigurformierenden Körperübungen zu haben, lieber gemütlich, wie ein „stinkertes Gsöchts“, in der Hängematte abchillen und befinden, dass die seelischen Bauchmuskeln anrecht auf ein gutes Training haben und es nur so erhalten.

Der wichtigste Punkt beim Therapeutischen Rumschlunzen: sich selbst den Druck nehmen, uuunbeeediiingt was tun wollenmuessenmöchtensollen. Und sich dabei auch von anderen nicht aus dem Tritt bringen lassen.

Therapeutisches Rumschlunzen hilft

  • Nach Situationen mit längerem, deutlich erhöhten Stressaufkommen
  • Bei innerer Orientierungslosigkeit, aus welchem Grund auch immer
  • Nach längerem, erfolglosen Sackgassen-Denken (Sackgassendenken ist immer erfolglos. Aber manchmal braucht man länger, um es einzusehen)
  • Bei mentaler Müdigkeit, die sich aus Punkt 1 und anderen Stressoren ergibt
  • An Sonntagnachmittagen und Feierabenden, damit man die abgearbeitete Anstrengung abbaut und Kraft für die kommende tankt; im Urlaub, zwischendurch, immer wieder für längere oder kürzere Zeit. Aber nicht auf Dauer, denn dann wäre es ja nicht mehr hilfreich.

Der Unterschied zum Prokrastinieren ist von Außen schwer zu erkennen. Man selbst aber spürt es und weiß, wann Zeit ist für das therapeutische Rumschlunzen.

  • … wenn man trotz aller motivierender Maßnahmen und/oder nach stressiger Phase, nichts G`scheites auf die Reihe bringt, dauermüde ist und Motivation nicht mal buchstabieren kann …
  • … wenn man sich dauerhaft vom Dasein überfordert fühlt, der Körper Müdigkeitssignale ohne Grund sendet und man sich im Hochsommer innerlich wie im Winter fühlt …
  • … wenn man das Gefühl hat, den 30jährigen Krieg gerade noch lebend überstanden zu haben, aber kein Siegesgefühl aufkommen will, weil der Anblick der verbrannten Erde im Inneren die Mutlosigkeit füttert und der Fokus kein Ziel finden kann …

In all diesen und vielen anderen, ähnlichen Fällen, ist es dann Zeit sich gezielt, bewusst und freudig dem therapeutischen Rumschlunzen hinzugeben:

  • Wohlfühlkleidung an – bunt oder einfarbig, bequem und luftig
  • Terminkalender aus – und auf situative Planung, frei nach Lust und Laune umschalten
  • Der Jahreszeit zum Trotz auf Winterschlaf umschalten
  • Handy auf lautlos, Lieblingsmusik auf  Genuss-Lautstärke und dazwischen dem Vogelgezwitscher und dem Wind lauschen, denn da steckt viel Weisheit drin
  • Die innere und äußere Hängematte aufspannen, die Seele in die eine, den Körper in die andere platzieren und dafür sorgen, dass beide im gleichen Takt schwingen.
  • Die Begegnung mit „interessanten“ Menschen meiden und sich statt dessen ausschließlich mit handverlesenen Lieblingsmenschen umgeben, die auch tierischen Ursprungs sein dürfen
  • Seichte Buchlektüre oder Filme mit einfacher Handlung – die Bildung darf mal Pause machen und sich mit Trivialliteratur beschäftigen

… ich könnte noch ewig weiterschreiben, aber ich denke, ihr habt es.

Therapeutisches Rumschlunzen ist etwas, dass man sich bewusst schenken muss. Dann – und nur dann!!! – wirkt es. Die Dauer ist abhängig von Grad und Umstand der Gründe. Das muss jeder für sich selbst bestimmen. Manchmal reichen ein paar Stunden, manchmal braucht es Tage oder gar Wochen dafür.

Hilfreich ist es, wenn man seine Umgebung davon informiert, dass man sich gerade in einem – außen nicht gleich erkennbaren – Regenerations-Umbauzustand befindet. Dann können die die unsichtbare Grenzen dieser Reha-Maßnahme entsprechend wahrnehmen und poltern mit Glück nicht hinein.

Woran man erkennt, wenn es genug ist?

Wenn die Fantasie sich Richtung Kreativität begibt und diese wieder nach konstruktiven Umsetzungsmaßnahmen lechzt. Dann wird es Zeit, sich die Kleckse aus der Wohlfühlkleidung zu waschen, die Hängematte dankend abzuhängen und sich wieder sanft – oh gaaanz langsam und sanft! – in den Strom der Mitmenschen einzugliedern.

In uralten, urgeschichtlichen Zeiten, war es noch üblich, dass jemand, der krank ist oder sich nicht wohlfühlt, für einige Zeit einen umsorgten Platz am gemeinsamen Feuer einnehmen konnte. Er*sie durfte liegen, ruhen, rasten und wurde von der Gemeinschaft vorurteilslos, liebevoll und hilfsbereit versorgt. So lange, bis es wieder besser ging.

Unser gewerkschaftlich erkämpfter Krankenstand und die Versorgung durch Krankenkasse und Pensionssystem sind ein Tropfen auf dem heißen Stein dagegen.

Denn das wichtigste an dieser uralten, immens effektiven Therapie: Das man es sich selbst zu- und eingesteht, sie zu brauchen, es zuzulassen, anzunehmen und zu genießen. Ohne schlechtes Gewissen, ohne missbilligende Blicke (von anderen oder von einem selbst, im Spiegel), ohne Ablaufdatum am Krankenstandsdatenblatt.

Also:

Ich bin dann bis auf Weiteres, zwischendurch und immer wieder, am therapeutischen Rumschlunzen.
Weil ich es gerade brauche und mir schenke.

Danke fürs Wahrnehmen!

*ok, daran arbeite ich noch, am Abbau des schlechten Gewissens. Aber es wird.

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