Briefe aus dem Leben mit CED

„Lieber Herr Crohn“ – und andere Briefe aus dem Leben mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung.

Hier findest du eine Auswahl an Briefen, die ich während eines schweren Schubes angefangen habe zu schreiben. Die Adressaten sind keine Personen in dem Sinne. In den meisten Fällen ist es ein Brief an meinen Crohn, den ich mit „Lieber Herr Crohn“ personalisiert habe. Ich musste die Dinge, die mir nicht aus den Kopf gehen wollten, irgendwo und irgendwie niederschreiben.

Ursprünglich war das auch die Grundidee für mein nach wie vor angedachtes Crohn-Buch. Aus diversen Gründen wird das aber nun anders und darum wandern die damals verfassten Briefe nun peu a peu auf diese Weise in die Welt.

Und wer weiß, vielleicht landen sie ja dann auch irgendwann mal bei denen, an die ich sie ursprünglich geschrieben habe.

Briefe aus dem Leben mit CED, Cartoons

Happy Halloween

Long time no see, wie man heute so schön sagt – lange nicht gesehen … oder gelesen, gehört, geschrieben. Tja, was soll ich sagen/schreiben – es war eine stürmische, traurige, wirbelwindige, schmerzhafte und intensive Zeit, seit meinem letzten Blogbeitrag im Dezember 2022.

Geplant war die Pause so nicht, zumindest nicht so lange. Aber am Ende der meisten Tage war einfach keine Zeit und keine Kraft mehr über für das, was nicht dem Überleben dieser Tage gegolten hat. Das Leben hat mir schlichtweg eine andere To-Do-Liste diktiert also die, die ich mir gewünscht hätte. Es gab Abschiede, Operationen, Veränderungen, Erschöpfung, Reha, neue Therapien, neue Begegnungen, weitere Veränderungen und vieles, vieles mehr.
In diesem Lebens-Chaos fanden sich weder Zeit noch Lust, noch Ideen um meinen Blog mit dem Inhalt zu füttern, der dir, geschätzte Leserin, geschätzter Leser, zumutbar und schmackhaft wäre.

Nun neigt sich das Jahr 2024 sanft Richtung Ende und es ist die Zeit von Halloween. Das hat meine Kreativität völlig spontan (und ganz klassisch nächtens) in Richtung Kürbis a la Crohn getriggert. Womit ein Strich den anderen ergab und am Ende war eine crohnische Halloween-Deko beisammen, die für alle mit CED ein realistisches Horrorszenario darstellt.

Das Zeichnen dieses Cartoons hat Spaß gemacht, so richtig Spaß, endlich wieder. Nach langer Zeit, wo der Griff zum Stift nur ein „Warum“, aber keine Ergebnisse geliefert hat. Ich hab mich bei diesem Cartoon wie früher im Zeichnen verloren, neu gefunden, Freude und Trost, Antworten und Erkenntnisse entdeckt. Klingt nach schwerem esoterischen Tiefengesulze, ist aber genauso gemeint.

Mag sein, dass der Grund dafür das neue Zeichenprogramm war, in das ich vor Wochen regelrecht hinein gekippt bin, das mich zum Skribbeln, Krakeln und Kritzeln motiviert hat. Was unerwartet die Freude an diesen Dingen wachgeküsst hat.

Mag sein, dass es der Besuch meiner Freundin Angelika war, die mich im Sommer mit ihrem Freiraumbus beehrt und mit tiefen, wundervollen Gesprächen regelrecht beglückt hat. Sie war auf Lesereise in Österreich, hat als Freiraumfrau ihr neues Buch vorgestellt, und wir haben die Gelegenheit genutzt, unsere primär online verlaufende Freundschaft mit erfrischenden offline-Tagen zu feiern. Angelika ist Künstlerin, Muse, Innenarchitektin, Motivatorin, Coachin und noch vieles mehr – und sie zeichnet schon viel länger, intensiver und dauerhafter als ich. Und vielleicht hat mich das getriggert und vielleicht war das der Grund, warum ich das neue Programm (siehe oben), das sie schon Jahre benutzt, selber ausprobieren wollte.

Mag sein, dass sich im Universum neue Ideen gefunden haben, die eine Empfängerin gesucht haben und dabei über mich gestolpert sind. Ideen, in der Mehrzahl – denn neben der Halloween-Deko aus dem Crohniversum sind da noch andere Funken aufgeploppt, die sich vielleicht demnächst im Blog finden werden.

Mag sein, dass es einfach Zeit war, wieder aktiv zu werden, nachdem diese Zeit des Trauerns, der Schmerzen, der inneren und äußeren Wirbelwinde und was da noch alles war … vorbei ist und eine andere, neue Zeit heraufdämmert.

Halloween ist eines der Feste im Jahr, die ich wirklich liebe. Ich mag es, wenn die Kinder verkleidet von Haus zu Haus ziehen. Ich mag das Orange der Kürbisse, liebe Orange in allen Versionen und Interpretationen und der Herbst heuer beglückt mich mit diesen Farben grad ganz besonders. Ich liebe auch den Nebel, liebe Spaziergänge im Nebel, wenn er mich wie Watte umwickelt und mir eine gänzlich andere Welt zeigt, in der alles neu und anders ist.

Halloween ist für mich die Kombination aus gemütlich und kreativ, aus Nebel und Orange eben. Ein alter Zyklus endet, ein neuer beginnt – auch das ist Halloween. Im Kalender unserer Vorvorvorfahren hat das Jahr mit diesem Fest begonnen. In gewisser Weise tut es das auch bei uns noch. Also ist das auch ein guter Zeitpunkt, um ein Lebenszeichen auszuschicken, mit herzliche Grüßen und der Hoffnung, dass es dir, liebe Leserin, lieber Leser, gut ergangen ist in der Zeit, als mein Blog einen intensiv verlängerten Winterschlaf gehalten hat.

Ich wünsch dir jedenfalls ein echt Happy Halloween und dass die Horrorszenarien aus dem Cartoon im echten Leben einen großen Bogen um dich machen!
Und ich denke, dass bis zum nächsten Blogbeitrag keine zwei Jahre vergehen werden 😉 In meinem Ideen-Ordner hat sich einiges angesammelt, das ich mitteilen mag. Unter anderem die Kombination aus Crohn und Wechsel (Menopause) – und welche Lösungen ich für mich gefunden habe, um dieser Beziehung die Brisanz zu nehmen. Dann gilt es noch am Therapie und OP-Sektor einen Kassasturz zum machen: Welche sind neu hinzugekommen, welche hätte ich mir rückblickend ersparen können?

Auch nach vielen Crohn-Jahren hat der alte Mistkerl noch immer einige Special Effects auf Lager, mit denen er mich zum Staunen (und Fluchen) bringt und vielleicht helfen dir meine Erfahrungen, besser mit den deinen umzugehen.

Aber nun heißt es erstmal Happy Halloween!
(Und ich freu mich, wenn du mich wissen lässt, wie es dir in den letzten beiden Jahren ergangen ist :))

Briefe aus dem Leben mit CED

Öhm, … noch wer da?

Hallo …?

Räusper … hm … also, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
Bin etwas eingerostet, innerlich und äußerlich.
Was, mangels Regen, nicht an der Luftfeuchtigkeit liegt, sondern an einer sehr, sehr langen Pause. Einer immens langen Pause, in internetten Blog/Social Media-Zeiten.

Der letzte Beitrag kam Mitte November 2021. Nun haben wir die Iden des März 2022 – also den 15.03. und das sind somit … ach, rechne das mal ein anderer aus, mein Kopf mag noch keine Zahlen jonglieren.

Jedenfalls isses megalange her, dass ich ein Lebenszeichen via Blogbeitrag ausgeschickt habe und es ist viel passiert in dieser Zeit. Andererseits auch wieder nicht so viel, verglichen mit dem, was in diesem wundervollen Habitat geschieht, das man Planet Erde nennt und auf der eine Spezies namens Mensch gerade ihre Spezien-Pubertät auslebt. Was bei manchen Exemplaren dieser Spezies zu sehr verrückten Zügen führt, was wiederum andere Exemplare dieser Spezies in arge Not, Angst und Bedrängnis bringt und in Folge dann zu anderen Verrücktheiten motiviert.
Aus Notwehr oder aus Berechnung, je nachdem.
Womit eine grausige Kettenreaktion an Ereignissen entsteht, die dafür sorgt, dass sich die Mehrheit dieser Spezies täglich beim Wachwerden fragt, ob die Welt noch steht und ob man es wagen kann, die Augen zu öffnen.

Also ich frag mich das zumindest aktuell tagtäglich. Und nicht immer hab ich das Gefühl, dass es gut war, dem Morgen ins Gesicht zu blicken. Speziell dann, wenn der zweite Blick Richtung Nachrichten geht. Was ich mittlerweile großteils vermeide, womit der zweite Blick in den Tag deutlich an Qualität gewonnen hat.

Wenn es mir gelingt die Katastrophen der menschlichen Spezies aus meinem Gesichtsfeld auszublenden, ist es eigentlich ganz ok. Also mir geht´s eigentlich ganz ok. Womit sich ein egozentrisches, fragiles, aber nichts desto trotz auch wieder sehr schönes, weil heiles, individuelles Weltbild ergibt. Meistens.

Ok, nicht meistens. Aber immerhin doch recht oft und das ist an sich schön.

Eigentlich.

Weil: Darf ich sagen, dass es mir … gut geht? 
Oder darf man das nicht mehr, weil es so vielen schlecht und schlechter geht?

Darf ich mich zart, still und leise darüber freuen, dass meine Kraft zart, still und leise wieder am Wachsen ist? Und die unliebsamen WeggefährtInnen meinereiner, die ich im Lauf eines (in den letzten Jahren ziemlich kranken) Lebens aufgegabelt habe, gerade eine chillige Pause einlegen bzw. relativ friedlich geworden sind?

Darf es mir gut gehen, wenn die Welt täglich aufs Neue droht zu zerbrechen?

Darf ich sagen, dass es mir gut geht, obwohl ich dennoch krank bin und es bis an mein Leben sein werde, weil die obigen, unliebsamen WeggefährtInnen fiese Kackbratzen sind und sich so fix-fest eingenistet haben, dass man sie als chrohnisch und unheilbar tituliert?

Geht es mir überhaupt objektiv gesehen gut, so lange ich Medikamente nehme … nehmen muss? Weil es ohne nicht lang gut geht und ich trotz geht-gut auch hin und wieder Schmerzhämmerchen* brauche? Und weil es mir nur deshalb gut und besser geht, weil ich mit Therapien und TherapeutInnen und diversen Lebensfreude-Motivationen tagtäglich darum kämpfe, dass es mir grundsätzlich gut geht?
Auch an Tagen, wo es mir nicht gut geht? Weil die gibts ja auch noch zur Genüge und auch darum weiß ich nicht ob ich mit Fug und Recht sagen kann, dass es mir gut geht, wenn es mir doch nicht immer gut geht?

Ist es denn dann überhaupt ein Gut-Gehen, wenn es nicht von selbst gut ist oder gut geworden ist?

Und darf man heute überhaupt noch mit solchen Dingen die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen in Anspruch nehmen, darüber schreiben, sich dazu äußern? Weil es ja wahrlich genug anderes gibt, was furchtbarer ist und dessentwegen mehr Aufmerksamkeit braucht?

Interessiert es noch jemand? Weil an der Phrase „Und, wie geht´s dir so?“ kann man das ja nicht aufhängen und ich bin sehr froh, dass man darauf keine ehrliche Antwort geben muss, keine ehrliche Antwort erwartet wird, denn ich wüsste nicht, was ich ehrlich darauf sagen soll.

Außer, dass es mir heute besser geht als noch vor ein paar Monaten. Und vielleicht gehts mir in ein paar Wochen noch besser, wenn mir nicht das Schicksal der Menschheit in mein Leben hineinkrätscht oder sich mein Karma hinterrücks zu irgendwas Konspirativem entschieden hat, was meiner wackeligen Lebensplanung einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Jedenfalls:

Ich lebe noch und die meiste Zeit bin ich heute glücklicher darüber, als noch vor nicht allzu langer Zeit, wo mich Madame Migraine die Hälfte der Tage mit ihrer Anwesenheit gequält hat und dem Wort „Todessehnsucht“ eine gewisse Schönheit verliehen hat.
Wer schon mal Migräne hatte, wird verstehen, warum das so ist. Wer Migräne nicht kennt, kann hier reinlesen. Vielleicht kommt das sowas wie Verständnis auf.

Ich habe mich nach meiner geplanten Doppel-Op im November genussvoll in die Ruhe und Stille plumpsen lassen. Sehr unelegant und mit einem grunzenden, leicht röhrenden Seufzer aus tiefster Kehle – um es metaphorisch auszudrücken. Meine Chirurgen hatten mir 4 Wochen Ruhe verordnet, dann war Weihnachten und dann … war keine Ausrede mehr da nix zu tun, außer das durch das vorherige Nixtun keine Kraft mehr da war, um etwas tun zu wollen oder können. Als ob jemand den Stecker gezogen oder auf Reset gedrückt hätte und damit all das, was ich über den Sommer an Konditiönchen** aufgebaut habe, gelöscht hat. Ich würde gerne „fies gelöscht“ sagen, aber das wäre eine Wortwiederholung und ich will meine ehemaligen DeutschlehrerInnen nicht aufwecken. Aber es war fies.

Denn das Fiese daran ist, dass es unvermeidlich war. Ich hatte 2021 drei Operationen, eine im März und eine Doppel-OP im November, mit insgesamt zwei Vollnarkosen. Ich bin keine 27 mehr, sondern 54 und da sind solche Abenteuer am Op-Tisch eine ziemliche Strapaze, vor allem wenn das zugehörige Körperchen schon einiges an Erlebnissen in der Vita stehen hat. Meine gesammelten 54 Jahre standen nach Weihnachten vor mir und haben die Rechnung präsentiert – KO.

Müde, ausgelaugt, keine Kraft mehr für irgendwas.
Keine Motivation für was auch immer.
Keine Lust auf alles.

Ich würde mich bei der mentalen Müdigkeit nun gern auf den putinösen Kolchosen-Mafiosi ausreden, der gerade die Welt in Atem hält. Aber der hat damals noch im Geheimen seine bösen Pläne geschmiedet und wir waren alle mit dem großen C und seinen pandämlichen Folgen beschäftigt. Immerhin kann ich einen Teil meiner inneren, lahmen Lust- und Freudlosigkeit diesem blöden Ding ins Portfolio schieben – Danke Corona, für nichts! Hast mich zwar nicht infiziert, aber dank deinereiner sind wir alle traumatisiert und mental matschmüde.

Tja …

So sah es aus und darum war hier Ruhe im Talon.
Als ich bei einer hausärztlichen Kontrolle mal zart auf meine Matschmüdigkeit hinwies und wissen wollte, ob es dafür vielleicht einen medizinischen Grund gäbe oder zumindest einen guten Rat, der mir den Weg zu einer Leiter aus diesem Loch weisen könnte, erhielt ich den nonchalanten Tipp, dass ich dazu einfach nur rausgehen müsste, an die frische Luft, am besten täglich.

Unser Hundemädchen, das täglich mehrmals erfolgreich dazu auffordert genau das zu tun, freuen solche Hinweise. Sie hofft dann auf eine Verdopplung ihrer Spazierzeit. Denn ich ging und gehe jeden Tag mit ihr raus, tagtäglich, in der frischen Luft, bei wirklich jedem Wetter. Egal ob ich fit bin oder mich münchhausentechnisch am Schopf selbst durch die Landschaft hinter ihr herziehe.

Die tagtäglichen Hunderunden im matschmüden Zustand haben aber weder die Laune noch die Matschmüdigkeit selbst zu beheben vermocht. Ehrlich gesagt kam ich mir bei dem sicher gut gemeinten Rat meines Arztes sehr verar***t vor. Was ich so nicht gesagt, sondern lediglich nett umschrieben habe mit „Mach ich schon, hab Hund und Garten, muss also raus, ob ich will oder nicht. Was kann ich noch tun?
Aber mehr an Rat kam nicht.

Und das tat weh.
Irgendwie.
Es schmerzte tief im Inneren, wo ich sowas wie Hoffnung auf Unterstützung von klassischer Seite gehegt habe. Um zu erkennen, dass man mit kleinen Problemen in Zeiten, wo die Welt größere hat und Menschen mit Problemen immer mehr werden, irgendwie alleine ist, wenn man sich den eigenen kleinen Problemen stellen will.

Und dann kam die Wut, was vielleicht nicht nett, aber hilfreich war. Wut auf alles und jeden, weil mir alles und jeder iwie … na ja, du weißt schon, es gibt so Momente, da könnte man …
Aber man tut´s nicht und weiß auch, dass man nichts tun wird. Aber man denkt, man könnte, wenn man wirklich wollte.

Meine Wut hat mir den Ar***tritt verpasst, der mich aus dem Münchhausigen-Schopf-Schlurf-Sumpf gekickt hat und der Flug endete, dem Glück sei Dank, auf einem Pfad, der mich zu dem brachte, was mir gefehlt hatte.

Soll bitte keiner mehr was über die Vorsehung schimpfen, Madame Zufall hat´s noch drauf und kann, wenn sie will!

Bei mir waren es meine lahmen Latschen, die mich auf den richtigen Weg gebracht haben, der mich aus diesem matschmüden Tief herausgeholt hat. Meine beiden Hallux taten weh, ich ging zum Orthopäden und lernte dort die Mehrzahl von Hallux (Hallucis) und eine nette Therapeutin kennen und erfuhr zum anderen, dass man hierorts sog. Vitalinfusionen anbot, die für meinen Zustand maßgeschneidert waren.

Manchmal kann die Lösung so einfach und nah sein. Durch die OPs, die lange Ruhe/Rekonvaleszenz in den dunklen Wintermonaten, die langen, oftmaligen Migräneanfälle und meinen crohnisch geschädigten Darm habe ich mir einen Vitamin- und Nährstoffmangel eingehandelt, der mich in Kombi mit dem chronischen Schmerz unserer verrückten Welt körperlich und mental ko geschrumpft hat. 10 Infusionen, von denen ich die Hälfe schon intus habe, und eine Physiotherapie, die mich liebevoll und streng auf Schiene schubste, haben mich zumindest soweit wieder hergestellt, dass ich das Gefühl habe, in Bälde kleine Bäume ausreißen zu können. Was ich nicht tun würde, weil ich liebe Bäume. Aber ich könnte, wenn ich wollte, und das ist ein schönes Gefühl.

Und nun ist Mitte März und ich dachte, ich melde mich mal mit einem Blogbeitrag.
Und dann waren da diese Gedanken, siehe oben.
Und tja, ich hab keine Entschuldigung für die lange Pause.
Vor allem weil ich denke, dass man sich für das, was das Leben einem ungefragt schenkt und zumutet, nicht entschuldigen kann oder muss.

Aber leid tut es mir dennoch, denn: Ich habe euch vermisst, liebe LeserInnen, liebe BlogabonnentInnen, liebe Alle, die hier dann und wann reinschauen. Ich habe mich sehr über die Mails gefreut, die in den letzten Wochen dann und wann eingetroffen sind, und über die kurzen Nachrichten via Instagram, Facebook & Co. Und über die vielen schönen Rückmeldungen zu meinem Buch „Shitstorm im Darm„, die direkt oder über andere an mich gekommen sind. Und über ein paar Anfragen und Kooperationen, die in dieser Zeit eingetrudelt sind.

All das waren und sind wunderbare Sternchen, die einen in matschmüder Dunkelheit Mut machen und Freude. Das ist mindestens so aktivierend wie die erfrischenden Vitalinfusionen und die Hunderunden mit der Wuff-Mamsell und ihren (fallweise anstrengenden) Frühlingsgefühlen.

Also:

Ich trau mich jetzt es zu verkünden, egal ob es gut ist oder nicht: Es geht mir meistens gut und gerade täglich besser. Ich bin wieder da und vielleicht kommen nun wieder öfter Beiträge, denn zu berichten gäbe es einiges und es kommt euch einiges, was vielleicht berichtenswert ist.

Ich freu mich, wenn ihr hier wieder mitlesen wollt und hoffe ansonsten, dass es euch auch zumindest gut und im besten Fall täglich besser und grundsätzlich wunderbar geht.

Das wünsche ich euch, allerherzlichst!

P.S.:

Für eine Zeichnung, einen neuen Cartoon, hat es diesmal noch nicht gereicht.
Aber beim nächsten Mal, hoffentlich 🙂

*Schmerzhämmerchen ist kein Rechtschreibfehler. Es ist meine Kreation für die Medikamente, die dem Schmerz bei seinem liederlichen Auftreten eins überbraten, damit er sich flugs zurückzieht. Zum erfolgreichen Überbraten ist ein Hammer ein ganz formidables Werkzeug. Darum hämmern meine Schmerzhemmer mit Umlaut-A.

**Konditiönchen: Sowas ähnliches wie Kondition, nur in klein und gerade soweit ausreichend, dass man glaubt, man würde bald eine richtige Kondition haben, in stabil und kraftvoll. 

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Cheerio Thyrio: Madame Butterfly muss gehen

My dear Lady Butterfly,

wir hatten einen Deal. Ausgehandelt damals, vor mehr als 30 Jahren, als du beschlossen hast, dich spontan aufzuplustern, wichtig zu machen und wir anschließend ein paar Jährchen gebraucht haben, um uns wieder zusammen zu raufen, damit wir uns den Platz in meinem Hals aufs Neue, ohne würgen, teilen können.
Damals, vor vielen, vielen Jahren haben wir einen guten Kompromiss vereinbart: So lange du friedlich bist, so bleibst, wie du bist, bin ich´s auch und wir teilen uns den Kragen.

Das hat fast 30 Jahre lang gehalten und zwischendurch hab ich lange Zeit überhaupt vergessen, dass es dich gibt und da mal „etwas“ war: Das Würgen im Hals, das einen die Augen leicht rausdrückt. Das Gefühl, als wär da ein enger Kragen, ohne das ein Kragen da ist. Die wackeligen Laborwerte und das Gemurmel der ÄrztInnen a la „relative Op Indikation“, „heiße Knoten“, „vergrößert“, „zystisch“ … etc.
Ich gestehe: da waren in weiterer Folge ein paar andere Haudegen, die meine geistige und körperliche Präsenz vereinahmt haben, sehr rüppelig und komplett kompromissslos. Und wir beide hatten ja diesen Deal: Du hältst den Status Quo und ich lass dich bleiben. Hat geklappt.

Und nun?

Was war´s? Hm? Der Wunsch nach Veränderung in Zeiten, die sich so rasch ändern, dass das Update von Mitternacht um kurz nach 0 Uhr schon wieder uuuuralt ist?
Mieses Timing, kann ich nur sagen.
Andererseits gibt es für manche Dinge kein perfektes Timing. Manch ein Zeitpunkt ist immer schlecht gewählt und insofern ist dieser vielleicht besser als ein anderer. Also schreiten wir beide zum Trennungsamt, aka Krankenhaus/Abteilung Chirurgie, und beenden eine mehr als 53jährige Gemeinschaft, die mir in unemotionaler Hinsicht den Hals hat schwellen lassen.

Letztes Jahr im Herbst hast du spontan beschlossen, dich mal wieder zu melden. Mit wackeligen Blutwerten und einer neuen, minimalen Raumforderung. Nix Gefährliches, alles cool bzw. heiß bzw. leer und harmlos in diesem Fall und daher: Nur eine zarte Veränderung in einer Sache, die seit 30 Jahren eisern stabil war. Nix Tragisches, nicht mal medikamentös behandlungswürdig, einfach nur ein „Schlenkerer“ im stabilen Sein und aus.
Aber der Wink mit diesem Zaunpfahl war eindeutig: Der Waffenstillstand ist beendet, du hast möglicherweise andere Zukunftspläne und der Zeitpunkt ist gekommen, sich mit dieser Sache auseinanderzusetzen. Müsste ich vielleicht nicht, will ich aber.

Zu warten, bis du massiver wirst, in deinem Drängen nach Wahrnehmung, ist nicht meins. Es zu erledigen, solange die Werte und mein Zustand stabil sind, vermeidet möglicherweise einen Akut-Zustand, der für alle Beteiligten unhübsch werden könnte und wo das Timing deutlich mieser ist. Besser wird es nicht mehr, aber möglicherweise schnell mühsam und „mühsam“ ist etwas, was ich momentan wirklich sehr vermeiden will.

Also lass uns Abschied nehmen.

Zumindest teilweise.

Vielleicht war dieses Würgen im Hals damals ja der Beginn deiner Verpuppung, am Weg von der Raupe Nimmersatt zum Schmetterling Tausendschön?

Vielleicht gehörst du ja zu den Noblen, die mit Zurückhaltung warten, bis Zeit und Ort besser für ihren Auftritt passen, damit die Aufmerksamkeit ganz dir gehört und die Bühne frei von Störungen ist?

Vielleicht ist es nun an der Zeit loszulassen, nicht nur dich, sondern auch noch ein paar andere Handicaps, die mit deinem wackeligen Zustand möglicherweise, unter Umständen, vermuteterweise verbunden sein könnten?

Drei Vielleichts, viele Vermutungen und einige Ängste. Aber alles ganz normal und im Rahmen. Jedenfalls: Der Termin steht fest und wenn dieser Online-Brief ins Netz flattert, bist du bereits frei gesetzt und ich lerne gerade, mich auf mein Leben mit ohne dir bzw. mit dem Rest von dir einzustellen.

Liebe Schilddrüse, werte Madame Butterfly,

ich wünsche dir das Allerbeste auf deinem weiteren Weg! Keine Ahnung wohin dich der führen wird. Aber solltest du dort den Teil meines Dickdarms sehen, der vor 5 Jahren ausgewandert wurde, dann lass ihn herzlich grüßen. Mir geht es seither viel, viel besser und das Gleiche wünsch ich ihm.

Möglicherweise findest du ja auch meine Mandeln da drüben, die sich schon als Kind von mir verabschiedet haben,. Dann könnt ihr eine Dicker-Hals-Revival-Party feiern und so richtig die Sau rauslassen. Es wird mir nimmer weh tun, wenn ihr grölt und krächzt bis in die Puppen.

Mag sein, dass wir uns irgendwann, früher oder später, wiedersehen und ich dann den Prozess durchmache, den jede durchmachen muss, um im Jenseits wieder mit all den Dingen vereint zu werden, die ihm und ihr im Lauf des Lebens chirurgisch oder so abhanden gekommen sind. Eine Vorstellung, bei der ich immer Unmengen christlicher Heilige durch die Welt hirschen sehe, auf der Suche nach ihren Fingerknöchelchen, Gebeinen, Schädeldecken und sonstigen Reliquien. Was mich jedesmal sehr erheitert, ich gebs zu.

Möglicherweise oder vielleicht sogar ziemlich sicher irre ich mich und es ist vollkommen wurscht, wie komplett man sich auf die andere Seite beamt. Schlussendlich geht es ja final darum, das Stoffliche hinter sich zu lassen und frei für Neues zu sein.

Nun denn, um den makabren Teil abzuschließen: Ich wünsche dir, wie gesagt, das Allerbeste. Und ich hoffe, du findest den Himmel frei zum Fliegen und hast auch mit nur einem Flügel ordentlich Spaß dabei, der Sonne die Nase zu kitzeln.

Ich werde mich mit dem Rest von dir arrangieren und versuchen meine irdischen Höhenflüge in Zukunft einflügelig zu meistern. Da ich ohnehin lieber mit zwei Beinen am Boden stehe, wird das schon gut klappen und wenn mich die Sonne an der Nase kitzelt und zum Niesen bringt, weiß ich, dass du mir einen zarten Gruß geschickt hast. Hatschi, same same!

In Zukunft weiß ich dann auch, dass ein Würgen im Hals kein Zaunpfahlwink von dir ist, sondern mir der Hals aus anderen, möglicherweise wut-zentrierte Gründen schwillt. Und wie man gegen diese Probleme ankämpft, weiß ich gut: Mit Löwengebrüll und irrem Blick.
Rein theoretisch natürlich.

Mit den leicht abgewandelten Worten von Georg Christoph Lichtenberg beschließe ich meinen Abschiedsbrief an dich, liebe Madame Butterfly:

Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn du weg bist.
Aber es muss anders werden, damit es nicht schlechter wird und vielleicht besser werden kann.

Cheerio Thyrio und guten Flug,

herzlichst

MiA

Ergänzung & Nachtrag

  • Die Schilddrüse (SD)hat die Form eines Schmetterlings, daher meine Assoziation mit „Madame Butterfly“
  • Thyroid ist die lateinische Bezeichnung für Schilddrüse
  • SD-Erkrankungen sind relativ häufig, vor allem in den Alpenländern.
  • Die Schilddrüse kann in vielerlei Hinsicht erkranken. So kennt man Über- und Unterfunktion der Schilddrüse, eine Autoimmunerkrankung namens Hashimoto, eine andere Namens Morbus Basedow, Schilddrüsenentzündung und (selten aber doch) Schilddrüsenkrebs.
  • Fallweise entstehen in der SD Knoten, die man in heiß/warm und kalt unterscheidet.
  • Heiße Knoten in der SD sind sog. „Akkordarbeiter“, die intensiv SD Hormone produzieren
  • Kalte Knoten in der SD produzieren hingegen keine Hormone und gelten als gefährlicher als heiße Knoten
  • Die Schilddrüsenhormone spielen bei einer große Anzahl an Vorgängen im Körper eine extrem wichtige Rolle. Sie sind quasi die Herrinnen und Masterminds über das endokrine System. Womit Probleme in diesem Bereich zu einer Vielzahl an Problemen im ganzen Körper führen können, die man oft nicht mal ansatzweise mit der kleinen, zarten Schilddrüse in Verbindung bringen würde.

Weitere Infos dazu gibt es zum Beispiel hier:

Allgemein, Briefe aus dem Leben mit CED

Liebes Leben, wir müssen reden.

Liebes Leben,

die letzten Wochen hatten wir so etwas wie eine on-off-Beziehung: Du bist mir unterm Arsch davon galoppiert und ich dir mühsam hinterher gehechelt. Habe ich dich eingeholt oder hast du an einer Ecke, ungeduldig zappelnd, auf mich gewartet, sind wir uns kurz begegnet, auf ein paar Minütchen, selten Stunden. Ich hechelnd, atemlos und froh, mal wieder einen Zipfel von dir zu erhaschen. Du schon wieder am Sprung wohin, wo ich dir nur in Gedanken folgen konnte.

Gerne wäre ich mitgelaufen, in dieses „wohin“. Hätte Neues entdecken, Altes belebt, dies und das mitgemacht. Aber du warst mir einfach zu schnell. Mir geht grad flotter die Puste aus, als ich „Halt, warte auf mich!“ rufen kann. Wobei das Rufen Kraft erfordern würde und die ist zur Zeit auf Urlaub. Also würde es eher ein Flüstern werden.

So habe ich versucht, dir aus der Ferne zuzusehen. Aus meinen vier Wänden heraus, fallweise vom Garten, über den Zaun spickend. Selten, sehr selten im Geschehen außerhalb dieser geschützten Werkstätte, wie ich meine heimelige Komfortzone auch betiteln könnte.
Ein wenig habe ich dann und wann auch via Internet bei dir vorbei geschaut. Ok, war fallweise mehr als nur ein wenig und eher öfter täglich, als dann und wann. Zumindest an den Tagen, wo mein Kopf kein migränegrantiges Veto eingelegt hat und meine Kraft nicht schon vorher für anderes drauf gegangen ist. So oft, wie mir die in den letzten Wochen flöten ging, hätte ich eigentlich schon ein mehrstimmiges Konzert mit vollem Orchester geben können.

Zum Spuren hinterlassen oder selber mitzwitschern, instagrummeln oder fazebucken hat es nicht gereicht. Im Gegenteil: Allein der Gedanke, was zu posten oder zu kommentieren, war absurd weit weg – K. e. i. n. e. Kraft dafür.
Nur das riesengroße Bedürfnisse, mir eine dunkle Höhle zu suchen, um drei Jahre Winterschlaf auf einmal nachzuholen. Leider gibts kaum noch Bären, also auch keine entsprechenden Höhlen, die nun, im Frühling, für so eine Aktion frei geworden wären. Abgesehen davon sind wir Menschen keine Winterschlafianer. Leider. Würde viele Probleme gar nicht erst entstehen lassen.

Madame Fatigue war das alles herzlich wurscht. Die hat sich ohne Höhle, ohne Einladung und ohne Scham bei mir ausgebreitet und es gar nicht gern gesehen, wenn ich mit dir geliebäugelt habe.
Eifersüchtige Trutschn.
Habe ich mich einmal unter ihrer Fuchtel wegstehlen können, hat sie mir die Folgetage gemeinsam mit Mrs. Migraine zur Hölle gemacht. Das war keine Szene mehr, dass war ein 72 Stunden-Blockbuster, mit Zugaben.
Diese migränige Bissgurn hat ja nicht alle Tassen im Schrank, mit Verlaub. So hysterisch, besitzergreifend und mit derart lang anhaltendem Kopfgezetter, wie diese Funsen sich die letzten Monate ausgetobt hat ! Einfach unpackbar, kein Benehmen, nicht mal Ansätze von Contenance und nur mit massiven Hämmern in den Griff zu bekommen. Uff.

Aber ich komme schon wieder ins Sudern*. Dabei will ich dir doch nur sagen, dass ich es schön fände, wenn wir wieder mal was gemeinsam machen würden. Eisessen, Kino gehen, Kulturelles beäugen, Nasenbohren oder eine Runde wandern. Nicht alles auf einmal, nicht unbedingt allein (außer dem Nasenbohren), mit ausreichend Erholzeit davor, dazwischen und danach.

Aber irgendwie bist du einfach zu schnell für mich. Kaum habe ich den Gedanken einer Idee, was ich mit dir gerne zusammen machen würde, bist du schon wieder drei Tage weiter oder hast mir zwischen Tür und Angel eine Rede im Schnellsprech dagelassen, die ich mir erst noch fertig anhören muss, ehe ich mich daran machen kann, ihren Inhalt zu verstehen. Bis ich eine Antwort darauf gefunden habe, ist die Sache verjährt. Sofern ich es zwischendurch nicht wieder vergesse.

Das liegt nicht an mir, sondern am Dings, dem … du weißt schon was … liegt mir auf der Zunge … warte, gleich hab ichs … ja, so zappel doch nicht rum! Und Augen verdrehen hilft auch nix, da fällt mir das Dings ja nie ein! Ah, jetzt hab ichs, schnell raus damit: Wortfindungsstörung. So nennt man das. Ist aber auch ein schweres Dings. Also Wort.

Ausgelöst vom berüchtigten Brainfog: Nebel im Oberstübchen, durch Fatigue, chronische Erschöpfung, Überlastung, Crohn, Sjögren, Eisenmangel, Migräne, Medikamente, was-auch-immer-Dings hervor gelockt.
Der Nebelzwerg hockt zwischen den Ganglien und zieht hämisch kichernd die Synapsenstecker, wodurch es mir mitten im Satz den Strom abdreht und ich nur noch „Dings“ stottern kann oder PunktPunktPunkt. Immerhin gut, dass es das Dingswort gibt. Müsste man sonst erfinden. Stress und zappelnde Gegenüber machen das Dings größer und wer dann noch versucht,  mir mit Worten auszuhelfen, der drückt damit auf die „delete anything“-Taste.

Ja, so schauts aus.
Aber was wollt ich dir eigentlich sagen?
Also schreiben? …?

Ah, ja, genau: Ich sitz an der Ecke, wo du vor drei Tagen vorbeigekommen bist, als du auf dem Weg zum Tanz in den Mai warst, und ich nur mal kurz noch aufs Klo wollte-musste, aber du schon weg warst, als ich Stunden später wieder rauskam. Ich hab dann auch nicht gleich nachkommen können. Musste erst noch zu einem Kopfdoktor nach Wien, was auch Sidney oder der Mann im Mond hätte sein können, weil: Weltreise.

Dem hab ich dann das Dings, also die Migräne, auf die Couch gelegt, damit er mit ihr ein ernstes Wort spricht. Hat er dann aber mehr mit mir getan, weil die olle Trulla nicht zuhören wollte und stattdessen Stepptanz in meiner Stirnhöhle trainiert hat.
Jedenfalls haben der Herr Doktor und ich mal gründlich alle Fakten auf den Tisch gelegt und diskutiert, was es – außer Rübe ab – für Möglichkeiten gibt, mir die Oberhoheit über Hirn, Kopf und Synapsen wieder zurück zu erobern.
Der langen Rede kurzer Dings: nicht viele. Eigentlich nur zwei.
Und die eine davon hab ich mir nun auf die Stirn geklebt. Ein elektronisches Dings, dass die Oberstübchennerven mittels Strom daran erinnert, dass es noch andere Schönheiten gibt, abseits der migränischen Funsen, auf die sie hören könnten.

Klingt ein bisserl nach elektrischem Stuhl und Folter, nur am oberen Ende des Körpers. Tut aber gar nicht mal sehr weh, nur ein bisschen und das eher von der guten Sorte. Schaut dafür sehr spacig aus und ich hoffe, ich vergesse nicht es regelmäßig nach der Behandlung abzunehmen. Denn wenn ich damit auf die Straße gehe oder dem Postboten so die Tür öffne, könnte eine kleine Massenpanik im Sinne von „SIE sind unter uns! Die Aliens! Die Androiden! Die Körperfresser! Die Steuereintreiber!“ ausbrechen.
Oder jemand versucht das Dings zu hacken und übernimmt meinen Kopf mittels Fernsteuerung. Was in manchen Momenten vielleicht gar nicht so schlecht wäre.

Egal.

Jedenfalls: ich britzel mir also nun meine Trigeminusnerven auf Vorderfrau und versuche so die Migränische aus dem Kopf zu vertreiben. Weil das immer noch besser ist als die zweite Methode, die der Hirn & Nervenprofessor in Wien vorgeschlagen hat.

HerreSjoegren 219x300 - Liebes Leben, wir müssen reden.Und darum schreib ich dir, damit du weißt, dass ich noch immer daran interessiert bin, mit dir zusammen zu sein. Zwar werde ich auch ohne Kopfgewitter nicht mehr die Flotteste werden und auf Dauer nur schwer bis selten mit dir Schritt halten können. Zuviel Gedöns, Trubel, Hektik und mehr Menschen, als Finger an meinen Händen, sind nicht mehr so mein Dings. Da hüpft schnell die Panik ins Nervenkostüm und bettelt schnappatmig darum abgeholt zu werden.
Dazu hab ich einfach zu viel anderes im Rucksack, wie den lieben Herrn Crohn und den alten Schweden Herre Sjögren. Aber wenn du ein bisserl langsamer rennst und ich an manchen Tagen ein bisserl schneller unterwegs bin, dann könnten wir uns ja mal treffen und gemeinsam was machen. Was meinst du, liebes Leben, wäre das eine Idee?

Ich warte dann mal weiter an der Ecke von vor drei Tagen und wandere langsam hinter dir her. Zwischen den Britzeltherapien, mit meinen ungeliebten BegleitgenossInnen und dem schweren Rucksack. Vielleicht sehen wir uns bald mal wieder und bis dahin: habs gut und vergiss mich nicht!

Alles Liebe liebes Leben,
MiA

P. S.: Falls du vor hast umzukehren und mich an der Ecke abholen willst, gib bitte Bescheid. Denn falls ich am Weg eine leere Bärenhöhle finde, probiere ich die Idee von oben aus und versuch den Winterschlaf ins Menschendasein hinein zu evolutionieren.

*Sudern: Klassisches Ostösterreichisch für raunzen, jammern, mieselgranteln. Nur mit mehr Geknautsche.

Allgemein, Briefe aus dem Leben mit CED

Die, die nix darf.

Hallo,

Gestatten, dass ich mich vorstelle:
Ich bin die, die nix darf.

Also eigentlich darf ich eh viel, abgesehen davon, dass ich laktosefrei essen soll, auf Weizen allergisch bin und mir glutenfrei besser bekommt. Ansonsten muss ich bei ein paar Gemüse- und Obstsorten aufpassen. Aber weil das alles viel zu kompliziert ist, bin ich meist einfach die, die nix darf.

Ich weiß, dass ich damit Probleme verursache, vor allem in Restaurants, Imbissen, Gasthäusern und Hotels und mir ist bewusst, dass es für die, die alles dürfen, unangenehm ist, wenn ich auch da bin und meine Spompanadeln, was Essen und so betrifft, verkünde.

Besonders unangenehm ist es natürlich für Köche/Köchinnen, die ich mit meinen unverschämten Fragen, was denn in der Suppe und anderen Speisen so alles drin ist, belästige. Ich weiß, das tut man nicht, das fällt unter Betriebsgeheimnis und überhaupt:
Gegessen wird das, was auf den Tisch kommt.

Habe ich verstanden.

Ich verspreche daher, dass ich mich soweit als möglich zurücknehme und bringe mir mein Brot selber mit – alles ok, da muss man sich keine Gedanken machen. Ich versuche auch, die herausgepulten Salatgurken, die sich dann doch am Teller finden (… ist ja nur Deko, kannst ja wegschieben …) und den Paprika (… das ist schon vorgerichtet, da kann ich nichts mehr ändern …) so unauffällig wie möglich unter der Serviette zu verstecken. Will ja niemanden vor den Kopf stoßen damit. Meine Nachspeise nehm ich mir gerne selber mit und esse das komische Zeug dann verschämt in einer Ecke. Sicherheitshalber allein, damit sich niemand davor ekeln muss.

Wenn mir dann übel wird, weil da dann doch Mehl oder Knoblauch oder sonstwas von meinen „Spompanadeln“ in der Suppe war, dann ist das allein meine Vergnügen und ich verstecke es unter krampfhaftem Grinsen. Das Nouvelle Cuisine Geschmackserlebnis geht über alles, da haben solche Fisimatenten keinen Platz.

Ich bin auch gern bereit, demütig die Lacher und Bonmonts auf meine Kosten zu übernehmen und es mit einem gesenkten Haupt zu gutieren, dass man sich über mich, bzw. meinen „Ernährungsspleen“, lustig macht. Es sind ja nur Flachsereien, nix Böses, muss man schon verstehen.

Natürlich ist es auch vollkommen ok, wenn mir wer, der mich gerade mal vor 5 Minuten kennen gelernt hat, langatmig erklärt, was an dem, wie ich lebe und esse falsch, dumm, nicht in Ordnung ist. Völlig klar – meine über 50 jährige Kenntnis meinereiner und meine gut 15 Jahre Erfahrung mit meiner Erkrankung und den damit einhergehenden Einschränkungen sind NICHTS im Vergleich zu der umfassenden Lebensweisheit eines mir völlig unbekannten Menschen, der mir nur einen Blick zuwerfen muss, damit er/sie mir sagen kann, was ich bisher alles falsch gemacht habe.

Aus lauter Rührung über diese Erkenntnis verstumme ich dann nur leider immer wieder und kann die übermittelten Infos, a la …

  • „Da kann ich dir genau sagen, was du tun musst, …“
    oder
  • Ich hab auch was hinter mir. Da kenne ich wen, der legt dir die Hand auf …“
    oder
  • „… na, dein Arzt ist aber sehr streng mit dir. Solltest wechseln.
    usw. usf.

… nicht so wertschätzend bedanken, wie sie sicher gemeint sind.

Bitte es mir dann nachzusehen, wenn ich ob dieser unfassbar neuen Erkenntnisse und Tipps schweigend meinen Rückzug antrete. Ich muss diese Infos dann vermeditieren, um mein Glück über die nun endlich erfolgte Erlösung aus meinem unverständlichen Leiden verarbeiten zu können.

Ich bedanke mich auch innig sehr über die wohlgemeinten Schulterklopfer, in Form von …

  • „Jetzt schau aber mal dazu, dass du den Scheiß los wirst!
    oder
  • „Na hoffentlich wird das endlich besser bei dir!“
    und
  • „Ist ja auch kein Leben“
    usw. usf.

Die muntern mich immer ganz dolle auf.

Ich bedanke mich also, lächle lieb, wie ichs vorm Spiegel geübt habe, und sage auch nur noch ganz, ganz selten, dass es mir vor nicht allzu langer Zeit verdammt und sehr beschissen arg viel schlechter gegangen ist.
Das ich ein paarmal dem alten Hoppser gerade noch von der Schaufel gesprungen bin und nichts gegen ein vorzeitiges Eingraben gehabt hätte (weils mir so dreckig ging, dass ein paar Schaufeln Erde über mir eine wundervolle Erlösung gewesen wären)
Oder das ich unheimlich stolz bin, aus diesem tiefen Loch mental und physisch wieder heraussen zu sein.
Oder das diese Essens-Einschränkungen und das Auf-mich-selber-Rücksicht-nehmen für mich keinen Behinderung, sondern Selbstfürsorge ist.

Sag´ ich alles nicht.
Oder nur ganz selten.
Zum Beispiel wenn es mir gerade nicht so gut geht. Weil das Essen, dass man mir, die ich ja nix darf, netterweise zusammengebraut hat, ein wenig im Magen liegt. Weil doch nicht alles so verträglich war, wie es lasch angekündigt wurde. Dann kanns sein, dass meine Synapsen gerade ein wenig behindert sind, weil ihnen der Schädel brummt, und dann rutschen mitunter so Aussagen raus.

Für die ich mich hiermit entschuldige.
Meine Schuld.

Hätte mir ja ein anderes Karma suchen können.
Oder nicht überall „hier“ schreien sollen. Weil das hab ich sicher, so oft wie man es mir schon gesagt hat. Die Mehrheit hat sicher recht, geht nicht anders.
Habe ich ja auch schon von Ärzten gehört.
Muss also stimmen.

Danke auch für die immer wieder belehrenden Infos, dass meine „Diät“ so nicht stimmt.
Weil: Wenn wer angeblich keine Laktose verträgt, aber dennoch Butter und Schlagobers und harten Käse isst – dann kann das ja wohl nur eine Farce sein, weil das wird ja auch aus Milch gemacht, nicht wahr?!1!!

Dass diese Milchproduke so gut wie keine Laktose mehr enthalten, auch kaum mehr ein Protein drin ist, sie an sich nur noch aus Fett bestehen … geh´ bitte, wer will denn da so kleinlich sein. Das sind Korinthenkackereien und geschwafeltes Wissenschaftsgewäsch. Man weiß doch, dass Milch von Kühen kommt und daher nicht vegan ist. Also muss sich die Laktoseunverträglichkeit auf alle Milchprodukte ausweiten. Vollkommen logisch.

Wenn ich dann versuche anzumerken, dass ich weder Veganerin noch Vegetarierin bin, und diese faszinierende, unheimlich logische Schlussfolgerung leider nicht nachvollziehen kann (bin sichtlich zu blöd dafür) oder gar anmerke, dass auch ErnährungsberaterInnen und entsprechende ÄrztInnen der Meinung sind, dass Butter, Sahne und harter Käse bei Laktoseunverträglichkeit annehmbar sind … dann ist es absolut ok, wenn man mich verbal niederbügelt, lächerlich macht und die einmal erstellte Meinung um keinen Punkt zurücknimmt.

Als ob man mir zutrauen könne, dass ich weiß, was gut für mich ist!
Hah!
So verkrankt wie ich nun mal bin, so mit Diagnosen überschüttet, von denen man die Hälfte nicht kennt und den Rest nicht weiß, wie mans aussprechen soll – also so wie ich bin, kann ich doch gar nicht wissen, was mit mir los ist und was mir wirklich gut tut.

Kurkuma* zu Beispiel.
Oder Weihrauch**.
Oder Yoga *** .
Oder ordentlich Knoblauch ****.
Weil der putzt durch und wirkt reinigend.
Oder so Zeug halt, von dem man volksmedizinisch weiß, dass es den Tod und alles andere besiegen kann.

Ich muss halt einfach aufgeschlossener werden, diesen Alternativen gegenüber, und mir endlich zugestehen, dass meine schloddrigen Vorleben an allem Schuld sind. Weil ich sicher mehrmals verflucht wurde und nichts habe anbrennen lassen, in meinen früheren Existenzen. Dieses Dasein hier ist nun die Strafe dafür und es geschieht mir vollkommen recht.

Es tut mir auch sehr leid, dass ich immer, egal wohin ich komme, mehr Klopapier als andere verbrauche. Ich habe zwar meist eine Ersatzrolle mit und, sofern ein entsprechendes Geschäft in der Nähe ist, kaufe ich auch selbst welches nach. Aber erwarte dummerweise immer noch, dass der Beherbergungsbetrieb für das Nachfüllen der WC-Papierbestände zuständig ist. Auch der höherer Wasserverbrauch tut mir leid – wer öfter muss, verpritschelt leider auch mehr vom kostbaren Nass. Sorry.

Ich verstehe auch, dass man Schmarotzern, die solche Papiermengen verschwenden, einen Riegel vorschieben muss und deshalb nur WC-Papier der Marke „Fichte sägerauh“ verwendet. Vollkommen klar: Wenns am Po ordentlich raspelt, dann nimmt man weniger und verkneift sich das Geschäft.

Wenn man das noch kann, das Kneifen.
Ich kanns leider nimmer und muss sofort, wenns Müssen ansteht. Wurscht wo ich gerade bin.

Aber ich bin ja auch ein besonders mühsamer Fall, uneinsichtig und zu kompliziert, aus eigener Schuld.

Ach ja, fast hätt´ ichs vergessen: Das ich mir das alles nur einbilde, diesen komischen Morbus, mit dem Crohn und dem Sjögren, und was da sonst noch so auf meinem Sündenregister steht, ist sicher richtig. Denn das weiß man ja, dass solche Dinge von den Pharmafirmen erfunden wurden und psychisch instabile Persönlichkeiten auf sowas abfahren. Hypochonder wohin man schaut und überhaupt:
Ich sollte viel mehr froh sein, dass ich keinen Krebs habe.
Weil – Hallo!? – denen gehts ja WIRKLICH dreckig, elend und schlecht. Das sollte mich glücklich machen.
Obwohl die Krebstypen ja auch nur das Falsche essen und einfach nur positiver denken sollten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Also was ich sagen wollte:
Es tut mir leid für die Umstände, die ich immer mache, wenn ich es wage, woanders als zu Hause zu essen, zu schlafen, zu sein.

Ich entschuldige mich sehr herzlich und fast aufrichtig dafür.

Und ich erzähle euch im Gegenzug nicht, wie oft ich jemanden gern die Pest, Ruhr und Cholera an den Hals wünschen würde, für diese Ignoranz und Überheblichkeit.

Oder wieviele Löcher ich anderen schon in die Aura geflucht habe (was ich nieeee tun würde! Herz aufs Hand!).

Oder wie sehr mir solche Aussagen und Übergriffe weh tun … und wie viel Überwindung es mich danach kostet, mich nicht dauerhaft in meiner Höhle zu verkriechen, sondern trotzdem immer wieder raus zu gehen, woanders zu sein, auf Reisen zu gehen.

Ich lächle einfach nur müde, unterdrücke den Impuls zu schreien, lasse es, so gut es geht, an mir abprallen und wundere mich nicht mehr, dass ich dadurch immer wieder blaue Flecken habe.

Danke daher hier nochmal für die ganzen wunderbaren Tipps und Infos und die zumindest angedachte Rücksichnahme auf meine absonderlichen Befindlichkeiten.
Ich verspreche: Im nächsten Leben mach ichs besser.

Herzlichst (fast ehrlich gemeint, ich bemühe mich wirklich),

Michaela

*Kurkuma mag ich an sich sehr, vertrags auch gut. Nehme es gern als Gewürz und da so, wie man Gewürze nehmen soll: In Maßen. Nicht eimerweise.

**Weihrauch habe ich schon zur Genüge ausprobiert – als Kapseln, als Harz, gegessen, geräuchert … letzteres gerne nach wie vor hin und wieder.

***Yoga mache ich so gut wie täglich.  Ausser mir gehts so besch***, dass ich nicht mal aufstehen kann. Anders würde ich den Alltag (und die meisten meiner Mitmenschen) nicht überstehen.

****Knoblauch ist leider der absoluten Obergrausehammer – vermutlich bin ich ein Vampir oder so. Ich liebe diese Knolle, aber sie hasst mich. Das er durch putzt stimmt übrigens: Der räumt mich von innen heraus weg.

Briefe aus dem Leben mit CED

Sammelklage

Sehr wenig geehrte Virenkolonie,

Sie erhalten mit gleicher Post einen Räumungsbescheid und werden aufgefordert, meinen, von Ihnen befallenen, Körper binnen 12 Stunden zu verlassen, widrigenfalls ärztlicher und karmischer Seits drastische Maßnahmen ergriffen werden, die mit Ihrer völligen Delogierung und lebenslangen Verbannung einher gehen.

Ein Einspruch gegen diesen Entscheid ist sinnlos und wird bereits im Vorhinein rigoros abgelehnt.

Gezeichnet,

Michaela Schara

Liebes 2018,

Wir müssen reden.

Ich hatte ein paar vage Hoffnungen, ein paar hübsche Pläne und Ideen und ansonsten die besten Wünsche für dich (und mich und den Rest der Welt). Aber so, wie du dich die ersten Monate gebärdet hast, denke ich, dass mein Vertrauensvorschuss verschwendet war.

Nach dem novembrigen Jännerblues, einem Mini-Shitstorm auf meinem KKP-Blog, einem, durch einen blöden Sprung, Band-beleidigtem Knie, einem beidseitigen Golferellbogen, einem neuerlich aufgeflammten Karpaltunnelsyndrom (kombiniert mit einer kleinen Athrose im Daumengelenk, yeah.), haben nun diese grässlichen Hust-Schnupf-Bauchweh-Viren bei mir Einzug gehalten.
Eine selten dämliche Krankheitskombi, bei der man das Nießen und Husten unbedingt am WC erledigen sollte.
Damit mir dazwischen nicht fad wird, hat Mrs. Migraine ihr hässliches Haupt aus dem Magnesium-Koma erhoben, in das ich sie verbannt habe. Aber durch den Stress der letzten Wochen und der daraus resultierenden zusätzlichen Bewegungssparsamkeit, ist das Mistvieh nun wieder öfter als erhofft zu Besuch. Der liebe Herr Crohn kichert sich eins derweil und wartet auf eine Lücke im System, um sich wieder in Szene zu setzen.

Lass es mich so sagen: Es reicht.

Ich habs versucht mit Humor zu nehmen. Habe Reime geschmiedet, um den Einfall der Virenplage zumindest verbal zu verarbeiten …

Husten, Schnupfen, Heiserkeit
Machen mir ka Freude heit
Krächzestimme, triefend Auge
Ich mich heute kaum raus traue

Minus Grade, extratief
Meine Nase: Doppelschnief
Immerhin die Sonne lacht
Was die Augen blind mir macht

Mimimi und Dauergsuder
Das Leben ist mir heut ein Luder
Gut, sag ich, so gehts nicht weiter
Frust ist ja nicht wirklich heiter

Hustenzuckerl, Thymiansaft,
Kräutertee – da kommt die Kraft
Dicke Socken, Taschentuch
Warme Couch, ein gutes Buch

Und mit Stift am iPad kreisen
Mit Humor den Frust enteisen
Worte schnell zu Reimen schmiede
Virenviecher kriegen Hiebe

Sich das Leben schön zu saufen
Geht nicht wenn man kann kaum laufen
Besser herzhaft drüber lachen
So werdens klein, die bösen Sachen ?

Weise Worte, schwer zu tun
Mein Spiegelbild: wie Popsch vom Huhn
Wurscht, was solls, eh nix zu machen
Ich geh und such im Keller´s Lachen.

… und habe davor schon die beiden hilfreichen Ellbogenspangen mit hübschen Namen versehen und die Lesergemeinschaft zum kreativen Brainstorming aufgefordert, inklusive Buchverlosung.

Das gänzlich anders, als erwartete, Ergebnis:
Mal wieder eine unhübsche Anzahl ungebetener Heil- und Therapietipps, inklusive einmal mehr die Unterstellung, dass meine Ärzte Deppen inkompetent sind, weil sie das Ganze falsch diagnostiziert haben.
Aber im Gegenzug kaum Behübschungstipps und null Kommentare für die braven Genossen Ivan und Igor, wie es eigentlich erhofft war (trotz dem ausgelobten, hübschen Buch zur Belohnung, das nun eben auf andere Weise in die Welt wandern wird).

Das einem zu den beiden nichts einfällt, kann ich ja noch verstehen (geht mir genauso). Aber warum fühlen sich manche immer wieder zum Heilmittelpredigen berufen? Ich denke, dass ich das mehr als genug oft und intensiv geäußert habe, dass mir das am Ar…. auf den Nerv geht, ich das bittebitte NICHT will und noch weniger brauche.

Beim x-ten ungebetenen Rat-Umsich-Schlag war mein Langmut dann KO und die einsetzende Rage musste anders verbal verarbeitet werden. Damit zumindest mein Unmut eine ansprechende Form erhält, wenn schon Ivan und Igor unbehübscht mit mir rumwandern müssen. Der Text war jedoch so grantig böse, dass ich es schlussendlich nicht übers Herz gebracht habe, ihn zu veröffentlichen.

Woran dieser Holperstart in ein hoffnungsschönes Jahr liegt, weiß ich nicht – korrigiere: Wusste ich nicht. Denn ich vermute mittlerweile, dass du einfach ein ausgschamtes und boshaftes Gfrastsackl bist, das seinen Spaß darin hat, meine Pläne und Ideen ins Gegenteil zu verdrehen.

Wobei es ja nicht nur meine Pläne sind, die da im Haufen über selbigen geworfen werden. Da hängen ja auch noch andere mit drin und die sind gleichfalls krampensauer auf dich.

Ok, Freundchen, so geht es nicht weiter. Da draußen liegt noch eisig kalter Schnee und du hast schon jetzt meine Petersilie verhagelt – so geht das nicht. Reiß dich am Riemen! Es erwartet mittlerweile zwar keiner mehr ein Wunderjährchen, aber willst du wirklich im Dezember mit den Worten „Danke, dass es vorbei ist“ in die Tonne getreten werden?

Das mag vielleicht nach erstrebenswertem Anti-Ruhm klingen, frei nach dem Motto: Wenn man nicht bei den besten dabei sein kann, dann probiert man es eben am anderen Ende der Skala.
Aber da sich da schon ein paar um den letzten Platz prügeln, fürchte ich, dass diese Kalkulation nach hinten losgeht und du bei den miesen Jahren unter „ferner liefen“ gereiht wirst, sofern noch Platz im Abspann ist.

Also:

Der März hat eben begonnen. Laut Kalender auch der Frühling und im Grund genommen ist der März ja ein netter Geselle (das mit den Iden, die dem ollen Cäsar nicht so bekommen sind, lassen wir außen vor, ok?). Wenn du dich ab nun zusammen nimmst, das Quer-Funken einstellst, dann kann noch was schönes aus dir werden. Ganz im Hollywood-Sinn, also mit Happy End. Dann köpfen wir gerne am letzten Tag gemeinsam eine Extraflasche Sprudelgesöff und singen mit Sprühkerzen in den Händen voller Inbrunst „For Auld Lang Syne“ – versprochen. Du hast noch alle Chancen, dir und uns gute Erinnerungen zu schaffen. Dann vergisst man die miesen ersten Wochen vielleicht und speichert sie als abhärtende Mental-Kneippkur ab.

Ich bin sicher, dass du im Grunde deiner Bestimmung konsensbereit bist und baue auf deine Einsicht beim weiteren Ausbau deiner positiven Potentiale, zu unser aller Wohlgefallen und Erbauung.

Zwecks Einstimmung noch ein kleines Liedchen für den weiteren Weg.

Das wär in etwa das Gefühl, dass beim Öffnen des Sprudelwassers am Ende des Jahres dann bitte da sein soll.

Und nun: lass uns die Scherben wegräumen und den März als Monat der Umkehr zum Positiven beginnen!

Hauruck und herzlichst,

Michaela

Allgemein, Briefe aus dem Leben mit CED

Heilsames Getippsel

Ein Beitrag zur Blogparade auf Unruhewerk.de:
50plus-Blogger/innen – hilft euch das Schreiben? Wenn ja, wobei?

Maria Al-Mana vom Blog Unruhewerk.de hat diese Blogparade gestartet und ich bin per Zufall dieser Tage darüber gestolpert. In den Details weiter unten stand dann noch dieses:

„… und wenn auch noch Krankheiten oder Lebensumbrüche im Spiel sind, muss man fast gar nicht mehr drüber reden: Schreiben wird zur Therapie. Würde das sehr gern mal thematisieren! Wäre toll, es beteiligt sich jemand, der aus diesen Gründen schreibt!…“

Tja, nun – das muss diese „Berufung“ sein, von der man immer wieder liest 😉 Im Sinne von: Da hat wer eine Frage an mich gestellt und nur den Namen vergessen dazu zu schreiben.

Und dann tauchten auch noch diese Twittermessage in meinem Stream auf:

Der Satz „Take your broken heart, make it into art“ hat mich schon berührt, als ich ihn das erste Mal gehört/gelesen habe.
Auch wenn es nicht immer das Herz ist, das leidet. In meinem Fall ist es rein physisch ein Stück tiefer, meistens. Dann und wann wandert der Schmerz dann aber auch ins Psychische. Einfach weil es auch in der Seele immer wieder weh tut, wenn der Körper nicht so mitmacht bei dem, was man sich so fürs Leben erhofft hat.

In diesen Momenten hilft mir Schreiben.

Die krausen, dunklen, müden Gedanken aus dem Kopf ziehen, in einen Satz gießen, den nächsten dran hängen, einen nach dem anderen. Bis das Gewusel in Herz und Hirn leichter wird und aus dem Buchstabensalat ein Hoffnungslachen herausgrinst.

Das ist so, als wäre der Grundhumor unter einer dichten Decke an „warum, wieso,weshalb„, „immer ich, immer auf die Kleinen, immer dann wenns grad am wenigsten passt“ und „f* the system, rutscht mir alle den Buckel runter, keiner versteht mich…“ vergraben.

Mit jedem Wort, das ich in so einer Situation schreibe, wird die Decke leichter, der Druck vom Dreck geringer und meist merke ich erst beim Schreiben selbst, was mich da so niederdrückt, mir die Seele dunkelt, so richtig auf den metaphorischen A… geht…, pardon, die Nerven belastet.

Geschrieben habe ich immer schon gerne und meist mehr, als ich sollte. Mir geht es da wie weiland dem alten Goethe: Ich kann lange Briefe leichter schreiben als kurze.

Wenn es um konkrete Infos geht, schaffe ich es mittlerweile flott auf den Punkt zu kommen (denk ich und danke da der guten Gitte Härter für ihr Konzipieren-Coaching ;). Das hilft auch bei angefragten Beiträgen, wo man exakt auf bestimmte Zeichenzahlen hintippen muss.
Aber das ist „normales“ Schreiben.

Schreiben aus Spaß` an der Freud´, um zu entlasten, um Trauer oder Freude zu verarbeiten … funktioniert anders. Das fließt aus dem Herz in die Tasten, das Hirn steht nur beobachtend daneben und die Seele hat Zeit, den Gedanken und Emotionen den Raum zu geben, die sie brauchen, um verarbeitet zu werden.

Eines meiner bevorzugten „Therapiegeschreibseln“ sind Briefe. Und zwar von der Art, wie man sie selten bis nie abschickt. So habe ich vor ein paar Jahren angefangen meinen Crohn geistig zu bearbeiten.

Bearbeiten: Das ist kein Vertipper, sondern eine Mischung aus „verarbeiten“, „aufarbeiten“ und „mal ordentlich die Meinung reingeigen“.

Ich saß viele, all zu viele Tage allein daheim, darauf wartend, dass mein Körper den Kampf gegen den crohnischen Angriff gewinnt. Darauf wartend, dass die Medikamente das tun, wofür sie gedacht sind. Darauf wartend, dass die Schmerzen endlich nachlassen und das Leben wieder einen guten Wert bekommt. Familie und Umfeld waren zwar hilfreich, aber die meiste Zeit mit Arbeit und dem Rest rundum beschäftigt.

Das Alleinsein widerum sorgte irgendwann für sehr mühsame Gedanken – da waren so viele Dinge, die ich aussprechen, sagen, loswerden wollte. Aber keiner da, dem ich sie sagen konnte … oder wollte. Denn das, was da so drückte, war nichts, was mein Umfeld betraf. Der Frust, der da um mich herumkroch, hatte keinen Urheber oder gar Schuldigen. Er war eine Nebenwirkung der Umstände dieses crohnischen Lebens.

So begann ich eines Tages meinem Crohn, meiner Grunderkrankung, einen Brief zu schreiben. Wie es sich gehört, begann der Brief mit einer Grußformel: Lieber Herr Crohn …
Weiter ging es dann eher weniger lieb, meist sehr sarkastisch, fallweise drollig und dann und wann auch sehr dusterdunkel bis krachwütend. Einmal begonnen, begannen die Worte zu fließen und das Dunkel innen drinnen wurde lichter.

Neben dem lieben Herrn Crohn, der schlussendlich dann meinem Blog hier auch den Namen gegeben hat, schrieb ich auch noch an andere, die es physisch so nicht gibt, denen ich aber unbedingt endlich mal ein paar Worte widmen wollte:

  • Meinem Frühstückstoast, der mich in guten und in schlechten Zeiten immer begleitet, der aber in besonders schlechten Zeiten, wenn die Antibiotika den Appettit wegradieren, kaum Ansprache fand.
  • Der Hoffnung, die dann und wann sehr zart auftauchte und der ich, bevor sie sich wieder verflüchtete, einfach ein paar Worte zuflüstern wollte.
  • Der Angst, die man hat, wenn man Mutter ist, krank ist und Kinder hat und eben das befürchtet, was jede Mutter mit einer genetischen Erkrankung fürchtet.
  • Den mehr oder weniger guten meinenden RatschlägerInnen, die zwar selbst ihr Leben kaum auf die Reihe brachten, aber mir detailliert erklären konnten (und noch immer können), woher meine Erkrankung kommt und was ich zu tun habe, um sie loszuwerden. Ohne im Detail überhaupt zu wissen, was das ist, dieses Morbus Crohn, oder was ich schon alles selbst versucht habe und tue und weiß.

So entstanden über 50 Briefe. Einige davon habe ich schon in meinem Blog veröffentlicht und werde immer wieder einen rausrücken. Einige habe ich sofort wieder gelöscht, denn die waren so dunkeldüstergarstigböse, dass sie besser gleich im Abgrund des Papierkorbs verschwanden.
Einige wurden ins englische übersetzt und sorgten so unter anderem in einem Pharmaunternehmen dafür, dass deren MitarbeiterInnen einen emotionalen Einblick in das Leben mit einer Erkrankung bekommen, die nicht nur den Körper, sondern auch das Umfeld intensiv betrifft.
Zwei habe ich im Rahmen der Veranstaltung „Der lange Tag des Darms“ vorgelesen.
Ein paar habe ich auch anderen zum Lesen gegeben und da tauchte dann auch die Idee auf, diese Briefsammlung als Buch herauszubringen. Weil es ja auch vielen anderen so geht, wie es mir erging, und das Thema somit etwas mehr ins Licht gerückt wird.

LieberHerrCrohnBuch 300x225 - Heilsames GetippselDiese Idee hat sich mittlerweile gewandelt. Einerseits, weil es keinen Verlag gibt (zumindest habe ich noch keinen gefunden, aber auch nicht sehr intensiv gesucht), wo dieses Thema ins Portfolio passt und selbst publizieren für mich aus diversen Gründen kein Thema ist.
Andererseits hab ich im Lauf der Zeit mehr und mehr das Gefühl, dass es eher ein Ratgeber-Buch rund um das Leben mit Morbus Crohn braucht und die Briefe im Blog besser aufgehoben sind.

Beim Briefe Schreiben selbst habe ich weder an eine mögliche Veröffentlichung gedacht, noch ob sie auch anderen nützlich sein könnten. Ich habe einfach zu schreiben begonnen und solange getippt, bis ich das Gefühl hatte, dieses Thema im wahrsten Sinn des Wortes „abgeschrieben“ zu haben. Dann war mir leichter.

Wenn ich heute schreibe, dann unterscheide ich intuitiv, ob es sich um einen „informativen“ Beitrag handelt, wo ich über etwas berichten will, ein Thema abhandle oder eine Info weitergebe – wie zum Beispiel in meinem anderen Blog kultkraftplatz.com.
Oder ob es darum geht, ein Thema zu verarbeiten, das mich emotional berührt, egal in welcher Beziehung. Letzteres ist dann mehr das sog. therapeutische Schreiben. Fallweise verschwimmen die Grenzen, das eine fließt ins andere über, beim Schreiben entwickelt sich ein Flow und am Ende bin ich dann selbst erstaunt, was da so alles steht.

Meine Sprache ist die Schrift – habe ich einmal gesagt. In geschriebenen Worten kann ich das ausdrücken, was auszusprechen nicht immer einfach ist. Ich denke zwar, dass ich mich eloquent ausdrücken kann und auch rhetorisch nicht auf den Mund gefallen bin. Aber es ist dennoch ein großer Unterschied, etwas zu sagen oder es aufzuschreiben. Reden ist mehr im Augenblick und entwickelt sich in Interaktion mit denen, die zuhören. Schreiben geht tiefer in das persönliche Empfinden, sorgt für einen Dialog mit sich selbst, gibt einem die Zeit, um Worte und persönliche Gefühle zu verbinden und dadurch eine neue Perspektive zu erfahren.

LookFeel 1000 300x225 - Heilsames Getippsel
Look & Feel

Als mir beim crohnischen Briefeschreiben die Worte und Themen ausgingen, habe ich begonnen, Cartoons zu zeichnen. Da wurden dann die nicht aussprechbaren Dinge, die man auch mit den besten Worten nicht beschreiben kann, abgegearbeitet. Denn irgendwann stößt man an die Grenze der beschreibbaren Welt und dann ist es gut, wenn man noch ein paar Bilder im Talon hat.
Aber das ist eine andere Geschichte 😉

Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in die Hintergründe meiner Buchstabenwelt geben und freue mich, dass ich die Blogparade vom Unruhewerk noch rechtzeitig vor Ende entdeckt habe.

Schaut euch doch auch die anderen Beiträge dort an, ist alles sehr spannend! Die Blogparade geht noch bis Mitternacht des 23. Februar 2018. Alle Infos dazu findet ihr hier.

Liebe Maria Al-Mana,

Vielen Dank für deine Idee! Finde ich ganz grandios und ich hoffe, mein Beitrag ist von der Art, wie du sie dir gewünscht hast.

Ganz herzliche Grüße,

Michaela

Briefe aus dem Leben mit CED

Back to normal Life? Vorwärts reicht völlig.

Exakt ein Jahr ist meine „große“ Bauch-Operation nun her. Meine Bucket-List vorm Cut off habe ich damals nicht ganz geschafft. Aber das macht nichts, denn: Mir bleibt nun Zeit, alle Punkte mit Genuss nachzuholen. Und noch weitere dazu. Und zwar langsam, ohne Deadline … weil die sich durch die OP um einiges nach hinten verschoben hat.

Die Hemikolektomie, die aus der geplanten OP schlussendlich geworden ist, war hochnotwendig. Die hässliche Stenose, die sich am Übergang aufsteigender, querliegender Dickdarm breit gemacht hatte, war dermaßen massiv und entzunden … „Ein dicker, faustgroßer Knubbel“ – so hat es die wunderbare Chirurgin benannt, und: „Es war höchste Zeit, dass der entfernt wurde.

Fazit

Ca. 25 cm Dickdarm, plus ca. 10 cm vom dünnen weniger, einige umfassende Umbauarbeiten im Bauchraum, eine – gemessen an der OP – winzige Narbe im Bauchnabel und ein unmessbarer Gewinn an Lebensqualität und -verlängerung.

Alles ist gut

Fast exakt ein Jahr danach geht es nun zur geplanten Kontrolle ins Spital. Eine weitere Koloskopie und mein Gefühl sagt mir: „Nothing to worry about – alles ist gut.
Das war auch mein Mantra, mit dem ich mich vor der Op in Trance gechantet habe. „Allesistgut – Allesistgut – Allesistgut – …“, in einem fort, immer wieder. Jedesmal, wenn das Angstgefühl an die Herzenstür gepumpert hat.

Und es hat gewirkt.
Zumindest Großteils und gemessen an dem, was vorher nicht gut war.

„Wie geht es dir?…“

… fragen mich Freunde, Bekannte, Unbekannte …

Gut – wenn ich meinen Maßstab nehme und Vergleiche zu der Zeit vor 1-2 Jahren ziehe. Meine Blutwerte sind wonnig, abgesehen von anämischen Aussetzern dann und wann und im Vergleich zu früheren Werten. Mein Glück, dass ich die Eiseninfusionen vertrage und das Übel so ausgeglichen werden kann.
Gut – wenn ich mir überlege, wie es aussehen würde, wenn ich diese OP nicht gemacht hätte. Korrigiere: verglichen damit, gehts mir ausgezeichnet, weil es mir die Möglichkeit gegeben hat, überhaupt noch Vergleiche anstellen zu können.
Gut – weil ich das Gefühl habe, dass ich nun wieder einen längeren Zeithorizont vor mir habe. So dramatisch das klingt: Gegen dieses Gefühl kommt medizinische Logik nicht an.

Nehme ich meinen Maßstab her und setze ich mich in den Mittelpunkt des Daseins, dass ich nun lebe, so geht es mir gut und ich bin dankbar, froh und demütig glücklich darüber.
Nehme ich mich allerdings raus aus meinem Glashaus und setze mich und mein jetziges Leben in den Vergleichskampf mit anderen, „normalen“, gesunden Menschen, dann … äh, tja, das geht nicht. Ich kann es einfach nicht. Weil es nicht fair ist und nie fair sein wird.

Das ist, als würde man einen Frosch und ein Nilpferd, auf Grund ihrer Fähigkeit Springen zu können, miteinander vergleichen wollen.

Ich bin in diesem Fall das Nilpferd. Die Frösche hopsen fröhlich, mit Speed und Pirouetten, um mich herum und ich bin froh, wenn ich mit meinen vier ungelenken Füßen einen halbwegs geraden Gang zusammenbringe. Große Sprünge gehen nicht, das kann ein Nilpferd nun mal nicht.
Aber wie erklärt man das einem Frosch?

Ich bin langsamer als früher, viel langsamer. Auch wenn ich brav täglich trainiere, mit der Wuffmadame durch die Wälder und Hügel streife, meine Physioübungen zähneknirschend und imho tapfer absolviere … ich werde nicht schneller und damit meine ich nicht die Geschwindigkeit beim Gehen. Es ist das Innere, was länger braucht, um mit mir wo anzukommen.

Ich werde schneller müde als früher und brauche mehr Pausen. Nicht nur im physischen Sinn, auch mental und psychisch. Reizüberflutung kostet immens viel Kraft, ich bin nicht mehr so belastbar, muss genauer haushalten mit dem, was ich an Energie habe. Ob das allein an der OP liegt, bezweifle ich. Es wird eine Mischung aus vielem sein – die Medikamente, die Jahre davor, die Narben im Inneren, außen und in mir drin … das nicht nur crohnische Leben, das seine Spuren hinterlassen hat.

Ich brauche Ruhe, Frieden und Ordnung um mich – das gibt mir Sicherheit und damit tue ich mir leichter. Hektik und Trubel, Chaos und schnelle Diskussionen … machen Stress und – siehe oben – dann drehen meine Sicherungen durch, ich verliere unverhältnismäßig viel Energie und spüre, wie die Verzweiflung, nicht Schritt halten zu können, mich lähmt.

Aber wenn ich in meinem gemütlichen Nilpferdtrab durch den Tag trotte, mir die Zeit gebe, bei den Blumen am Wegesrand stehen zu bleiben und nicht darauf beharre, mit den Fröschen Schritt halten zu müssen, dann geht es eigentlich ganz gut.

Gelegentliche Ausrutscher inklusive – wie zu Weihnachten, als die unheilige Dreifaltigkeit, bestehend aus dem Herrn Crohn, Madame Fatigue und Mrs. Migraine (siehe oben) meinte, sich ohne Einladung zu den Feiertagen einbringen zu müssen. In Kombination mit dem üblichen, weihnachtlichen Tohuwabohu, einer Mal-wieder-Anämie und den, am Jahresende wieder hochkommende Erinnerungsemotionen, war das dann ein Cocktail, den man seinem besten Feind nicht wünscht.
Mein persönliches Erfolgserlebnis: Ich habs überwunden, irgendwie. Mit Hilfe, mit Zeit, irr viel Kraft, Unterstützung meiner Familie, mit Medikamenten und mit viel Geduld. Aber überwunden und damit den drei Intimfeinden den mentalen Stinkefinger präsentieren können.

Man sieht es noch immer nicht

lookfeel 300x225 - Back to normal Life? Vorwärts reicht völlig.Den Crohn, die Kämpfe, die Müdigkeit, die Schmerzen. Man sieht sie nicht, aber manchmal kann man es erahnen. Die Blässe, die Ringe unter den Augen, die Verspannungen in den Schultern und die immer wieder ineinander verkrampften Hände, wenn ich nach Halt suche, weil die Wellen drohen, über mir zusammen zu schlagen.

Ein normales Leben zu leben ist schwieriger, als man glaubt. Vor allem, wenn man nicht weiß, was normal ist, oder es verlernt hat, weil anderes, was sich ein „Normaler“ nicht mal ansatzweise vorstellen kann, zum täglichen Alltag geworden ist.

Ich lerne, täglich, und ich glaube, langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, was „normal“ für mich sein kann. Und ich wünsche mir, dass es mir gelingt, diesen so individuellen Normalzustand möglichst lange aufrecht zu erhalten.

Dazwischen beantworte ich Fragen.
Zum Beispiel:

„Und kannst du nun wieder alles essen?“

Das ist die mit Abstand häufigste Frage, die mir Bekannte und Freunde stellen, wenn sie wissen wollen, wie es mir nach der OP und allem drum und dran geht. Und ich bin immer wieder erstaunt, denn das ist ehrlich gesagt das letzte, was mich interessiert.

Ich lebe seit über 10 Jahren mit meinen diversen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, meinen Allergien und dem, was ich mir nahrungstechnisch auf Grund meines eingeschränkten Verdauungssystems zumuten kann. Ich schwöre: Die Momente, wo ich mich darüber gräme, dass andere augenscheinlich mehr und anderes essen können, als ich, sind kaum noch vorhanden. Ich habe mich daran gewöhnt und es ist im Laufe der letzten Jahre auch organisatorisch wesentlich leichter geworden. Eine Weizenallergie oder Laktoseunverträglichkeit ist mittlerweile nichts exotisches mehr. Im Gegenteil: Viele legen sich eine entsprechende Abstinenz freiwillig zu, ohne medizinischem Grund.

Aber wenn es darum geht, das ein Außenstehender die Einschränkungen einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung für sich auf ein verständliches Niveau runterbrechen möchte, dann bleiben die Einschränkungen im Bereich der Nahrungsaufnahme als größtes Missgeschick hängen.
Und ich wundere mich immer wieder, wie hoch dieser Bereich, der bei mir mittlerweile bei „ferner liefen“ liegt, als Gradmesser für den Erfolg einer OP und den Verlauf einer schweren Erkrankung dient.

Aber weil ich nicht so bin, bleib ich nett und erkläre nimmermüde, dass ich mir nun zwar ein wenig leichter mit dem Verdauen tue, aber gewisse Einschränkungen nun mal da sind und voraussichtlich auch bleiben werden. Aber das ist ok für mich und gemessen an den anderen Dingen, die sich verändert haben bzw. beachtet werden müssen, nicht so schlimm.
Was dennoch nicht wirklich ankommt – weil Essen mit Einschränkungen als Minuspunkt für Gesunde leichter begreifbar ist, als eine komplizierte Erkrankung und ebensolche OP und sich daraus ergebende Umstände. Obs an der Maslowschen Bedürfnispyramide liegt?

Immerhin: Mittlerweile ist es mir egal.
Sowohl das mit dem eingeschränkten Essen, aber auch die ewigen Fragen danach.
Und dieses „Egal-sein“ sehe ich als große Fortschritt im persönlichen, mentalen Reifungsprozess. Weil ich mich von meinen nahrungstechnischen Restriktionen früher tatsächlich massiv eingeschränkt gefühlt habe, weil es ja auch eine reale und umfassende Einschränkung war. Aber eben nicht mehr ist. Irgendeinen Vorteil muss dieses älter und reifer werden ja auch haben.
Über manche Frustrationen wächst man hinaus und dann hat man Platz für schönere Dinge.

Eine wesentlich seltenere Frage, die mir fallweise gestellt wird:

„Und was machst du jetzt?“

Die ist aber auch einiges schwieriger zu beantworten. Weil „versuchen, wieder leben zu lernen“ versteht eben nicht jeder. Auch „den Tag so nehmen, wie er kommt und das beste daraus machen“ gilt gemeinhin nicht als Tätigkeit.
Es braucht auch hier Fakten, die auf „normales“ Niveau gebrochen werden müssen.
Also:

  • Ich bin in Berufsunfähigkeits-Pension, mit gutem Grund. Weil ich eben nicht mehr mithalten kann im täglichen Roboter-Alltag, 9-to-5 für mich der Wahnsinn ist und ich genug zu tun habe, mich und meine Krankheit zu managen.
  • Ich brauche nach wie vor Medikamente, damit der Herr Crohn in Schach gehalten wird. Einige nehme ich täglich, andere bekomme ich in regelmäßigen Abständen als Infusion. Das sind die, wo ich dann 1-2 Tage Sonderpause brauche, weil die richtig Kraft kosten. Andere, wie das erwähnte Eisen, kommen im Bedarfsfall auf die Liste.
  • Ich schaffe es, mich und meinen Haushalt, im Griff zu haben – wenn ich den Griff locker halte, dann und wann fünf gerade sein lasse und brav weiter am Abbau meines Perfektionsdranges arbeite.
  • Ich bin wieder mehr unterwegs – und zu meiner Freude nicht nur aus Krankheitsgründen. Dieses viele Unterwegs sein können ist einerseits Geschenk und als solches nehme ich es sehr dankbar an. Andererseits empfinde ich es als Training. Ich übe mich in Flexibilität und Minimalismus. Das war noch nie so meine Stärke, aber ich merke, dass ich genau das nun brauche. Mit kleinem Gepäck zu reisen ist um vieles einfacher, als jedesmal den gesamten Haushalt mitzuschleppen. Allein: Ich schaffe es noch nicht in dem Ausmaß, wie ich es mir wünschen würde.
    Nicht jede Reise dient der Erholung. Zum Beispiel zweimal eine Woche im schönen Bad Mitterndorf. Das war im Zuge einer intensiven Therapieeinheit, was mich zum nächsten Punkt meiner aktuellen Tätigkeiten bringt:
  • Ich bin im Renovierungs-Modus – wie bei einer romanischen Kirche haben sich im Laufe der Zeit einige Schäden an der baulichen Substanz ergeben. Zum Beispiel mein Kreuz mit dem Kreuz, was die gesamte Wirbelsäule betrifft. Die ist von Haus aus sehr wackelig, drei Auffahrunfälle (=zur falschen Zeit am falschen Ort gestanden) haben es nicht besser gemacht. Rheumatoide und crohnischen Gelenksschmerzen, die lange Zeit der körperlichen Schwachzustände, diverse Zerstörungen, die der Herr Crohn in seinem irren Wüten vollbracht hat … das ist in Summe wie der saure Regen, Erbeben und gut gemeinte, aber falsch ausgeführte Restaurierungsmaßnahmen bei einem ohnehin schon nicht so optimalen Fundament.
    Die ewigen Kreuzschmerzen sind mit Schuld am Vorhandensein der Mrs. Migraine und drum steht diese Sanierungsmaßnahme nun an erster Stelle meiner Prioritätenliste. Neuraltherapie ist das Stichwort und das ist absolut mehrdeutig gemeint: die funktioniert mittels Spritzen. Sehr viele kleine Injektionen dahin, wo es teilweise so richtig weh tut. Damit sich das Weh schleicht und in weiterer Folge normale Bewegung, Stabilität und Schmerzfreiheit erreicht wird. Als medizinische Großbaustelle geht das bei mir nicht mit einmal. Aber es hilft – auch wenns dauert und anstrengend ist. Was mich sehr demütig macht und der Grund ist, warum ich die schmerzhafte Prozedur gerne weiter auf mich nehme.
    Eine erste große Belohnung war der Tag, als ich zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder auf Skiern stand – inmitten der traumhaften Bergkulisse, im Sonnenschein, auf einer frischen, weißen Piste.
    Und es ist mir überhaupt nicht peinlich wenn ich gestehe, dass ich da ein paar Salzwassertropfen geheult habe. Weils einfach schön ist, wenn man sich bewegt, ohne Angst haben zu müssen, dann drei Tage mit Schmerzen zu liegen.
    Die weiteren Maßnahmen stehen auch schon am Kalender:
  • Mich auf die nächste Operation vorbereiten – das Wüten des Herrn Crohn hat, wie gesagt, einige böse Spuren hinterlassen. Manches konnte damals nur schnell und provisorisch repariert werden, ein Kompromiss. Aber einer, der zunehmend nervt und weitere Probleme verursacht. Kleine, lästige, nervende, schmerzende Probleme. Darum nun das, was ich flapsig als „kosmetische OP am anderen Ende der Fahnenstange“ bezeichne: Die Fistel-Drainage und deren Umgebung müssen saniert werden.
    Leider nicht in der endgültigen Version. Ein weiterer, aber besserer Kompromiss ist vorab nötig. So ganz trauen meine Chirurgin und ich dem crohnischen Frieden noch nicht über den Weg, also wird der Rückbau in mehreren Schritten erfolgen, sicher ist sicher.
    Die Zeit zwischen den oben genannten Dingen verbringe ich mit
  • Bloggen, Schreiben, Zeichnen und Nähen – weil meine Kreativität ein Ventil braucht und mich das vom zu viel Grübeln abhält. So langsam wächst das Manuskript rund um meine Briefe aus dem Leben mit CED. Das Warten und Reifen haben dem Buch und mir gut getan. Der Aufbau ist nun endlich klar und ganz anders, als ursprünglich angedacht. Nebenbei wächst auch ein zweites Buch wieder, denn das ist eines von den Projekten, das ich seit der Zeit vor diesem elend langen Schub begonnen habe. Nun hat auch das wieder Raum in meinem Leben und die Ideen wandern langsam in die Tasten. Das Zeichnen erfolgt immer wieder zwischendurch, meist schubweise – offenbar habe ich mir da doch etwas vom Herrn Crohn abgeschaut 😉
    Dafür ist eine alte Leidenschaft neu aufgeflammt: Nähen. Nach einigen exzessiven Ausflügen zum Stricken und Häkeln ist nun das Sticheln an der Nähmaschine dran. Ich kann-muss-brauche Textiles zwischen meinen Fingern, immer wieder. Damit bin ich aufgewachsen, das habe ich ja ursprünglich mal gelernt und auch beruflich ausgeübt und nun sorgt diese alte Leidenschaft dafür, dass ich meine Arzt- und Therapietermine in bunter, fröhlicher Kleidung, so individuell wie ich mich eben gern sehe, absolviere. Großer Vorteil: ich kann mir die bunten Shirts so schneidern, dass man locker eine Infusionsnadel darunter verstecken kann. Das ist wichtiger als viele glauben.
    Neben Shirts, Röcken, Kleidern und Hosen bastel ich mir außerdem aus den Resten der bunten BW-Jerseystoffe Frau Marlas. Superbequem, superbunt, Supersache – Was man von außen nicht sieht, aber ich weiß es und das macht das Dasein dann bei jedem Weg zum Thron, in die Therapie oder zum Arzt um ein kleines bisschen lustiger 😉

Leben lernen, stetig vorwärts.

Das ist das, was ich zur Zeit tue. Stolpern dürfen, individuelle Pausen und situative Richtungsänderungen inklusive. Garniert mit neuen Horizonten, Begegnungen mit alten und neuen Freund*innen, Daseins-Grenzerfahrungen und viel Dankbarkeit, weil ich in meinem Tempo leben üben darf.

Back to normal? – Das wäre, glaube ich, ein Rückschritt.
Vorwärts schaut es aber ganz interessant aus, also geh ich dann mal in diese Richtung und vertraue darauf, dass meine Füße und mein Bauch wissen, was gut für mich ist. Der Kopf wandert langsam mit und lässt sich tragen. Das ist was Neues und tut gut.

Und der Rest?

Wird sich finden.
Irgendwie.
Da bin mir zwar nicht so ganz sicher, aber doch zumindest sehr.

Briefe aus dem Leben mit CED, Cartoons

Bucket-Liste vorm Cut off

Lieber Colon Ascendens, 

oder willst du lieber aufsteigender Dickdarm genannt werden? oder Dickie? oder ganz anders?

Wir kennen uns zwar schon fast 49 Jahre, aber ehrlich gesagt so richtig wahrgenommen habe ich dich erst seit der liebe Herr Crohn in meinem Leben eine aktive Rolle spielt. Was traurig ist, denn an sich bist du ein feiner Kerl, der mir viel abnimmt, viel verdauen muss und eine richtige Scheißarbeit hat – um es mal deftig auszudrücken. 
Und dann kommt da so ein grauer Mistkerl daher und spielt quer, macht dir den Arbeitsalltag mies, legt dir Steine in Form von Entzündungen in den Weg und versaut deinen Arbeitsbereich. Dennoch hast du über die Jahre tapfer gekämpft, hast mich auch in schweren Zeiten nicht im Stich gelassen und in diesem Krieg, den wir gemeinsam durchstehen, so manche Narbe davon getragen. 

Nun aber wird ein neues Kapitel aufgeschlagen und ich bin traurig, sehr traurig.
Wir haben eine Schlacht verloren, du und ich, und das Ergebnis davon: Ich muss mich von einem Teil von dir verabschieden. 

Herr Crohn hat sich zwar durch den geballten Einsatz von Medikamenten und meinem Willen (gestärkt durch den meiner wunderbaren Ärztinnen und Ärzte) aus weiten Teilen meiner selbst zurückgezogen und ist in Teilremission, also auf Urlaub. Aber gerade in deinem Revier, lieber Colon Ascendens, hat er sich guerilliamäßig verbarrikadiert und weigert sich standhaft das Terrain frei zu geben. 

Blöderweise hat er über die Jahre auch eine Barrikade errichtet, eine sog. Stenose – eine Engstelle. Narbig ist die, hässlich blutrot, entzündet und mit zahlreichen Polypen geschmückt. Mag sein, dass es ein faszinierendes Verteidigungsbollwerk ist. Aber sowas will man nicht in seinem Darm haben, das macht nur Probleme. Einmal hat er es fast schon geschafft den Durchgang komplett zu verschließen. Das waren ein paar sehr unangenehme Tage und mir tut noch heute alles weh, wenn ich daran denke, wie das damals geschmerzt hat.

Das alleine ist schon ein Grund um über drastische Maßnahmen nachzudenken. Doch auch die möglichen Spätfolgen sind wenig wonnig. Die hilfreichen, heftigen Medikamente, mein noch nicht biblisches Alter, die Dauer dieses Schubes und die blöden Statistiken, wo auf die erhöhte Krebsrate bei Crohn-PatientInnen mit so einer Konstellation hingewiesen wird, sind in Summe eine Angst machende Minusrechnung, bei der ich nur verlieren kann. Und ein Dauerschlachtfeld in dieser Form ist für den Rest von mir eine ständige Herausforderung, die das Leben mühsam gestaltet.

Verdammt. Nun tropft mir doch tatsächlich Salzwasser auf meine neue Tastatur. Hoffentlich ist die wasserfest, sonst wird sie bei mir nicht alt. Immerhin wird der Brief an dich nicht durchweicht. Bis zum Bildschirm hinauf kommen meine Tränen nicht.

Lieber kleiner Dickie, wir haben es mehr als redlich versucht. Aber nun ist es soweit und die Scheidung wird in ein paar Tagen vollzogen. Noch ist nicht ganz raus wieviel Terrain ich dauerhaft abtreten muss. Das wird sich erst bei der operativen Verhandlung zeigen. Meine tapfere Anwältin ist eine herzhaft gute Chirurgin. Ihr zur Seite meine wunderbare Gastroenterologin und ein ganzes Team, das sich um die Vorbereitung, Nachsorge und Währenddesssen-Unterstützung kümmern wird.
Ich weiß, ich bin in guten Händen und ich weiß, alles wird gut gehen. Ich vertraue „meinem“ Team und die Strategie der Chirurgin, den Eingriff so minimal-invasiv wie möglich halten zu wollen, um jeden Millimeter zu kämpfen, weiß ich sehr zu schätzen. 

Aber traurig bin ich dennoch. Ich wäre gern noch ein paar Jahre mit dir durch die Gegend gezogen. Da gibt es noch so viel, was ich dir und mir zeigen wollte. Nun bleiben uns nur noch ein paar gemeinsame Tage. Wie verabschiedet man sich von einem Teil seiner selbst? Gibt es da bewährte Strategien?
Und wohin geht dieser Teil dann? Was passiert mit dem, was einem die Chirurgen entfernen? Wird das entsorgt, verbrannt oder beerdigt? Und muss ich dann am jüngsten Tag wie die zerstückelten christlichen Heiligen auf diversen Deponien nach meinen Körperteilen suchen? Oder zählt das große Ganze?

Ich habe noch keine Antworten auf meine Fragen gefunden. Also wieder einmal zur Selbsthilfe gegriffen, um zumindest den Teil mit dem Abschied-Zelebrieren zu organisieren. Ich habe eine Liste aufgestellt, mit den Dingen, die ich noch unbedingt machen und mit dir erleben will. Eine Darm-OP-Bucketlist sozusagen. Und wie es in der Natur der Sache liegt, sind da die meisten Dinge eher kulinarisch inspiriert. Das ist nun mal etwas, was wir gemeinsam teilen können – ich genieße das Essen und du hast dann (hoffentlich) im Abgang auch was davon. Zwar sind das Dinge, die sich rein ernährungstechnisch nicht unbedingt als leichte Vollkost darstellen. Aber scheiß drauf – Wortspiel! – ich werde uns deine letzten Tage nicht mit Reissschleim und Apfelmus vergällen. 

Statt dessen gibt es Sushi bis zum Abwinken, Steak mit dreierlei Soßen und deftigen Wedges, Pizza mit besonders krossem Rand, Eisgenuss im Sonnenschein, einen zünftigen Heurigenbesuch, Popcorn zu einem trashigen Movie und dazwischen Schoki, Chips und Süßes, wonach uns gerade der Sinn steht. 

Natürlich nicht alles auf einmal, das halten weder du noch ich durch. Alles im gemäßigten Rahmen und in entsprechend sinnvoller Menge. Es soll sich ja auch nach dem oralem Genuss noch gut anfühlen.

Außerdem will ich noch ein paar besonders schöne Plätze mit dir in mir besuchen – nein, keine superstylischen Toiletten, sondern draußen in der Natur sein. Unter einem Baum sitzen und dem Hundemädel beim Rumtoben zuschauen. Auf den Berg hinauf und von oben herab alle Probleme im Tal ganz klein sehen. Mit einer Freundin lachen bis der Bauch weh tut und dann tiefphilosophische Themen auf leichtem Niveau wälzen. Shoppen und der Wirtschaft durch Konsum aktiv unter die Arme greifen. Ein paar Briefe schreiben und ein bisschen Ordnung schaffen, damit das erwartete Chaos danach eine freie Bühne hat. Den Garten beim Aufblühen erleben. Den Kirschbaum Blütenschnee regnen sehen.

Ich weiß, dass kann und werde ich auch danach irgendwann wieder machen können. Alles, auch das Essen, da bin ich mir sicher.
Aber es wird etwas entschieden anders sein – du bist nicht mehr da

Ich hatte früher den vielleicht spleenigen, aber sicher nicht unrealistischen Drang, mein Dasein so komplett wie möglich zu durchleben – körperlich gesehen. Ich wollte mit allem, was ich von Natur aus mitbekommen habe, den Weg von Geburt bis Endlagerung abschreiten. 
Abzüglich dessen, was man im Lauf des Lebens auf normalem Weg so verliert (Haare, Fingernägel, Zähne, Pickel …). 

Nun hadere ich mit mir, weil mein Plan nicht gelingt, schon gescheitert ist, auch vor deinem erzwungenen Abschied. Da gab es schon ein paar kleinere Operationen, bei denen mir das eine oder andere nottechnisch entfernt wurde. Aber es waren Kleinigkeiten, hauptsächlich nach Unfällen und im Fall meines Kreuzbandes, dass einer Skipiste zum Opfer fiel, wurde das Manko mit körpereigenen Ersatzteilen wieder ausgeglichen. 

Bei dir ist das etwas anderes. Du gehst und kannst durch nichts ersetzt werden. 

Man kann heute Nieren transplantieren, Herzen und sogar die Leber austauschen, Blut ersetzen und Hautteile neu einsetzen. Aber Darm und Gehirn sind einzigartig und unersetzbar. 
Was spannend ist, denn man braucht beide gleichermaßen zum Leben, ohne gehts nicht (obwohl beim Gehirn manche auf die Nutzung verzichten und dennoch überleben, aber das ist was anderes.). Wir wissen ja heute auch, das Bauch und Kopf miteinander kommunizieren, das Bauchhirn sogar größer als das im Oberstübchen ist. (Und wenn dann ein Teil vom Darmhirn fehlt? Wie geht der Rest damit um? Übernimmt der die Denk- und Fühlaufgaben? Braucht es dafür eine Schulung? Denk und fühl ich dann anders?)

Fazit: Bauch und Kopf sind zum Überleben notwendig und wenn es in den Bereichen zu einschneidenden Veränderungen kommt, dann wirds mitunter haarig. 

Ich weiß natürlich, dass ich nicht die erste und einzige bin und sein werde, der man Teile des Darms entfernt. Manche mussten sich schon vom ganzen Dickdarm verabschieden, andere von Teilen des Dünndarms und nicht mal so wenige haben Baustellen in beiden Bereichen und noch ein paar mehr. Man kann auch mit Teilen dieses wunderbaren Bauchmotors noch (über)leben, wenngleich mit Einschränkungen. Und ich weiß ja: 70% aller CrohnpatientInnen haben im Lauf ihres Lebens eine Operation am Darm. 

Insofern ist es bei mir Jammern auf hohem Niveau. Dennoch: du bist mir wichtig und für mich ist es die erste derartige Operation, weshalb ich entsprechend emotional und fallweise auch sehr ängstlich werde.
Meine nostalgische Vorstellung, dereinst in weit entfernter Zeit, körperlich komplett in die Grube zu hüpfen, muss ich nun auch endgültig sausen lassen. 

Als ich das einem lieben Freund vorjammerte meinte der nur lakonisch: „Die Würmer haben auch so genug zu futtern, musst sie ja nicht fetter als notwendig machen.“ Das hat mich dann flott geerdet und meine romantischen Illusionen haben sich in Feenstaub aufgelöst, weil: wo er recht hat, hat er recht. 

Was trotzdem nichts an meiner Angst vor der kommenden Scheidung ändert und auch die Trauer um den mir bevorstehenden Verlust wenig mindert. Nostalgische Spleens sind das eine, brutale Realität das andere. Ich werde vor der OP einschlafen in der Hoffnung, dass man dir und mir nur einen kleinen Teil nimmt, im Idealfall nur die Stenose. Was mich nach dem Aufwachen erwartet, weiß ich nicht. Im schlimmsten Fall bist du ganz weg und ich um ein Viertel meines Dickdarms ärmer, eventuell erweitert durch ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang. Auch damit kann man gut leben, ich weiß. Man überlebt viel, wenn es sein muss, und man gewöhnt sich an noch mehr. Aber Wunschtraum ist es definitiv keiner.

Man sagt, die gesamte Darmoberfläche ist so groß wie ein Fußballfeld. Wie spielt man darauf weiter, wenn einem ein Eck abhanden kommt? Ich habe ja ohnehin schon weniger Leute im Feld als andere, wenn ich meine Darmbakterien als Spieler auf diesem Platz betrachte. 

„Angst essen Seele auf“, habe ich mal wo gelesen und weiß: das stimmt. Es macht uns die verblieben Tage also nicht unbedingt besser, wenn ich mich von solchen Gedanken zermürben lasse – da schwimmt mir ja das Sushi davon und das Steak sucht sich eine andere Weide. Abgesehen davon schmeckt Angst sauer und tranig, macht Magendrücken und liegt speziell in der Nacht schwer wie ein Wackerstein im Bauch.

Also Schluss mit dem trauerphilosophischen Gedankenspiel, lass uns noch mal ordentlich auf den Putz hauen! Denn immerhin wissen wir beide wenigstens exakt den Tag, ab wann das dann für einen (Teil) von uns nie wieder und für die andere länger nicht möglich sein wird. 

Wir haben vielleicht diese Schlacht verloren und zumindest ein Teil von dir muss auf sein, per Geburt erhaltenes, Platzrecht verzichten. Aber der Krieg ist noch nicht zu Ende. Wir haben tapfer gekämpft, nun lass uns das feiern und wertschätzen. Das ist die beste Strategie für  kommende Bauchkampf- und -krampfzeiten.

Let´s Party und Mahlzeit, lass es dir schmecken,

deine 

Michaela

 

Briefe aus dem Leben mit CED

Bauchbilanz

Lieber Herr Crohn,

zum Jahresende macht man gerne Rückblicke und erstellt Bilanzen. Nicht nur kaufmännischer Natur, auch was das sonst Erlebte betrifft. Mal nachsehen, was sich so ereignet hat im Lauf des Jahres, an Gutem, Schlechtem, Schönem, Hässlichem … ein mentaler Kassasturz. Ob es dabei Sinn macht die guten mit den weniger guten Dingen gegenzuverrechnen bezweifle ich. Manche tun´s, ich halte es für sinnlos. Man hatte beides und ändern kann man es nicht. Für die Erinnerung macht es wenig Sinn, das eine durch´s andere aufzuwiegen – bei mir hat das nie funktioniert.

Aber das Rückblicken und Inventieren der Ereignisse finde ich gut. Es macht so ein Jahr begreifbarer. Nicht verständlicher, aber es bietet die Möglichkeit, das eine oder andere nun abzuschließen.

Vorhin habe ich meinen Bauch einer Bilanz unterzogen. Rein optisch schaut er gut aus, ich kann mich damit sehen lassen. Helle Haut, aber nicht zu bleich, flach, kaum fett, ansatzweise sogar so etwas wie Bauchmuskeln (inniger Dank an meine Physio-Therapeutin und meine Antara-Trainerin!). Seitlich rechts sind ein paar helle, seidenweiße Streifen. Die stammen noch von den Schwangerschaften, das kann man gut und gern als Ehrennarben zeigen und stolz drauf sein. Darunter eine so gut wie verblasste Blinddarmnarbe, auch schon bald 30 Jahre her diese Geschichte, nichts besonders.

Der Nabel ist rundum ein wenig dünkler, ein Überbleibsel vom Ausschlag, den ich dem vorletzten Crohn-Medikament verdanke. Diese Nebenwirkung scheint geblieben zu sein, das Ekzem versucht immer wieder ans Licht zu kommen. Aber heute war alles ok und gut.

Sonst gibt es nichts zu sehen. Nichts außergewöhnliches, der ganz normale Bauch einer nicht mehr ganz jungen, noch nicht sehr alten, schlanken Frau, die nicht oft in der Sonne liegt.

Die Narben unter der Bauchdecke sieht man außen nicht. Auch die Fistel-Drainage und alle damit zusammenhängenden Erscheinungen sind unsichtbar – zumindest im Bauchbereich. Da wo man was sehen könnte, schaut keiner hin, hat keiner was zu suchen, außer mir und meinen eingeweihten, zugelassenen Ärzten.

Man kann dich nicht sehen. Nach wie vor nicht. Du versteckst dich tief in mir.

Weißt du, woran man erkennt, ob das Tier, dessen Leder man vor sich hat, in Freilandhaltung großgeworden ist? Es sind die Narben, die einem das erzählen. Narbiges Rindsleder bedeutet, die Kuh hat auf einer Weide gelebt und da vermutlich auch einiges erlebt.

Was das betrifft kann ich mich bauchnarbentechnisch als sanftes Weiderind ausgeben.

Dreht man die Haut aber nach außen, vermarketet sie von innen her, schaut es aus als wäre ich der rabiate Bulle von der Alm, der sich mit allem anlegt, was größer als ein Gänseblümchen ist.

Ich habe Bilder, die das schön zeigen. Wobei “schön” hier nicht den Gegenstand der Motive bezeichnet.

Wo bei anderen zartrosa und fleischfarben von dunkel bis hell dominiert, schreien bei mir hellrote, gelbe, schwarzrote und leicht graubeige Flecken ihr wildes Dasein hinaus. Narben, Entzündungen, Pseudopolypen zeichnen ein Bild von einer wilden, ausgeuferten, zerstörerischen Party. Fast erwartet man irgendwo, hinter der nächsten Biegung, ein paar zerscherbte Flaschen zu sehen. Aber stattdessen ist da eine hässliche Engstelle, die den fotografierenden Kolloskopierer jedesmal vor eine Herausforderung stellt. Bis jetzt hat er sie immer gemeistert und das beudeutet im Fachsprech, dass sie, weil passierbar, noch nicht zum Operieren ist. “Narbige Stenose” nennt man diesen Engpass am Weg. Und da sie narbig ist, geht sie von alleine nimmer weg. Durch die vielen Entzündungen hat sich hier hartes, frustrierend zähes Gewebe angesammelt. Wenn man sich immer wieder an der gleichen Stelle aufschürft schaut das ähnlich aus. Nur am Knie, am Ellbogen oder sonstwo außen stört das nur die Optik. Innen drinnen, wo der Platz ohnehin schon begrenzt ist, wird es irgendwann eng. Wird es irgendwann zu eng, muss sie weg, die Engstelle. Sonst wird eine Blockade draus und dann wird’s hochgradig unlustig.

Aber noch ist sie da und darum ist außen nichts da – keine OP Narbe. Insofern ist die Jahresbilanz heuer optisch ok.

Inhaltlich weniger.

Während meiner Reha im Mai habe ich auch ein Bauchbild gemalt. Eines wo man sieht, wie ich mich innen sehe, also wie ich dich sehe. Ich konnte es nach Fertigstellung tagelang nicht anschauen und kann es heute noch nicht wirklich. Hässlich trifft es nicht ganz. Beängstigend, brennend duster, grausam wild, eine Katastrophenlandschaft die an Dantes Inferno, einen ausbrechenden Vulkan oder die Marsoberfläche bei Nacht erinnert.

Halte ich die Bilder der heurigen Kolloskopien daneben, wird aus dem Ganzen eine harmonische Bilderschau inneren Grauens. Ob ich eine Vernissage daraus machen sollte?

Außen ist alles hübsch, glatt, normal, flach, hell. Drin herrscht Wahnsinn, Blut und Anarchie.

“Außen hui, innen pfui” ist so ein alter Spruch, den ich als Kind oft von Großmüttern und älteren Tanten gehört habe. Damit wollte man mich dazu bringen, nicht nur das Zimmer optisch zu reinigen, sondern auch die Kästen und Schubladen aufzuräumen.

Damals war es mir egal.

Heute seh ich das anders. Aber die Tanten und Omas sind nicht mehr da, damit ich ihnen sagen kann, dass ich die Lektion gelernt habe, mir aber die Mittel und Wege fehlen, sie in mir anzuwenden.

Lieber Herr Crohn, kannst du bitte mal deinen Saustall da unten aufräumen? Die Wände glätten, neu streichen, den Müll rausbringen und ein bisschen mehr zartes Rosa statt dem agressiven Rot als Deko verwenden? Wirst sehen, dass sich das dann auch positiv auf deine Laune auswirken wird. Eine hübsche Umgebung macht einfach mehr Freude. Ich bin mir zwar sicher, dass unser beider Begriff von “hübsch” sehr unterschiedlich ist. Aber es ist auf jedenfall mal einen Versuch wert.

Weil, lieber Herr Crohn, ich möchte auch nächstes Jahr so eine Bauchbilanz machen und da wäre es echt fein, wenn ich außenoptisch das gleiche sehe wie heuer – keine OP Narbe. Und guten Gewissens sagen kann: “Außen hübsch, innen fesch!”

Nicht weil ich eitel bin. Sondern weil ich gerne weiter zu den 30% gehören möchte, die es schaffen keine crohnbedingte Darmoperation zu haben.

Das wäre echt fein, wenn wir das zusammenbringen würden. Ich bin lederoptisch einfach lieber ein sanftes Weiderind, mit kaum sichtbaren Narben, als ein wilder Stier, mit unbewältigtem Aggressionspotential.

LieberHerrCrohnBuch 300x225 - BauchbilanzMit hoffnungsvollen Vorsätzen, Neujahrswünschen und Grüßen,

Michaela

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