Briefe aus dem Leben mit CED

„Lieber Herr Crohn“ – und andere Briefe aus dem Leben mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung.

Hier findest du eine Auswahl an Briefen, die ich während eines schweren Schubes angefangen habe zu schreiben. Die Adressaten sind keine Personen in dem Sinne. In den meisten Fällen ist es ein Brief an meinen Crohn, den ich mit „Lieber Herr Crohn“ personalisiert habe. Ich musste die Dinge, die mir nicht aus den Kopf gehen wollten, irgendwo und irgendwie niederschreiben.

Ursprünglich war das auch die Grundidee für mein nach wie vor angedachtes Crohn-Buch. Aus diversen Gründen wird das aber nun anders und darum wandern die damals verfassten Briefe nun peu a peu auf diese Weise in die Welt.

Und wer weiß, vielleicht landen sie ja dann auch irgendwann mal bei denen, an die ich sie ursprünglich geschrieben habe.

Briefe aus dem Leben mit CED

Öhm, … noch wer da?

Hallo …?

Räusper … hm … also, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
Bin etwas eingerostet, innerlich und äußerlich.
Was, mangels Regen, nicht an der Luftfeuchtigkeit liegt, sondern an einer sehr, sehr langen Pause. Einer immens langen Pause, in internetten Blog/Social Media-Zeiten.

Der letzte Beitrag kam Mitte November 2021. Nun haben wir die Iden des März 2022 – also den 15.03. und das sind somit … ach, rechne das mal ein anderer aus, mein Kopf mag noch keine Zahlen jonglieren.

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Cheerio Thyrio: Madame Butterfly muss gehen

My dear Lady Butterfly,

wir hatten einen Deal. Ausgehandelt damals, vor mehr als 30 Jahren, als du beschlossen hast, dich spontan aufzuplustern, wichtig zu machen und wir anschließend ein paar Jährchen gebraucht haben, um uns wieder zusammen zu raufen, damit wir uns den Platz in meinem Hals aufs Neue, ohne würgen, teilen können.
Damals, vor vielen, vielen Jahren haben wir einen guten Kompromiss vereinbart: So lange du friedlich bist, so bleibst, wie du bist, bin ich´s auch und wir teilen uns den Kragen.

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Liebes Leben, wir müssen reden.

Liebes Leben,

die letzten Wochen hatten wir so etwas wie eine on-off-Beziehung: Du bist mir unterm Arsch davon galoppiert und ich dir mühsam hinterher gehechelt. Habe ich dich eingeholt oder hast du an einer Ecke, ungeduldig zappelnd, auf mich gewartet, sind wir uns kurz begegnet, auf ein paar Minütchen, selten Stunden. Ich hechelnd, atemlos und froh, mal wieder einen Zipfel von dir zu erhaschen. Du schon wieder am Sprung wohin, wo ich dir nur in Gedanken folgen konnte.

Gerne wäre ich mitgelaufen, in dieses „wohin“. Hätte Neues entdecken, Altes belebt, dies und das mitgemacht. Aber du warst mir einfach zu schnell. Mir geht grad flotter die Puste aus, als ich „Halt, warte auf mich!“ rufen kann. Wobei das Rufen Kraft erfordern würde und die ist zur Zeit auf Urlaub. Also würde es eher ein Flüstern werden.

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Die, die nix darf.

Hallo,

Gestatten, dass ich mich vorstelle:
Ich bin die, die nix darf.

Also eigentlich darf ich eh viel, abgesehen davon, dass ich laktosefrei essen soll, auf Weizen allergisch bin und mir glutenfrei besser bekommt. Ansonsten muss ich bei ein paar Gemüse- und Obstsorten aufpassen. Aber weil das alles viel zu kompliziert ist, bin ich meist einfach die, die nix darf.

Ich weiß, dass ich damit Probleme verursache, vor allem in Restaurants, Imbissen, Gasthäusern und Hotels und mir ist bewusst, dass es für die, die alles dürfen, unangenehm ist, wenn ich auch da bin und meine Spompanadeln, was Essen und so betrifft, verkünde.

Briefe aus dem Leben mit CED

Sammelklage

Sehr wenig geehrte Virenkolonie,

Sie erhalten mit gleicher Post einen Räumungsbescheid und werden aufgefordert, meinen, von Ihnen befallenen, Körper binnen 12 Stunden zu verlassen, widrigenfalls ärztlicher und karmischer Seits drastische Maßnahmen ergriffen werden, die mit Ihrer völligen Delogierung und lebenslangen Verbannung einher gehen.

Ein Einspruch gegen diesen Entscheid ist sinnlos und wird bereits im Vorhinein rigoros abgelehnt.

Gezeichnet,

Michaela Schara

Liebes 2018,

Wir müssen reden.

Ich hatte ein paar vage Hoffnungen, ein paar hübsche Pläne und Ideen und ansonsten die besten Wünsche für dich (und mich und den Rest der Welt). Aber so, wie du dich die ersten Monate gebärdet hast, denke ich, dass mein Vertrauensvorschuss verschwendet war.

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Heilsames Getippsel

Ein Beitrag zur Blogparade auf Unruhewerk.de:
50plus-Blogger/innen – hilft euch das Schreiben? Wenn ja, wobei?

Maria Al-Mana vom Blog Unruhewerk.de hat diese Blogparade gestartet und ich bin per Zufall dieser Tage darüber gestolpert. In den Details weiter unten stand dann noch dieses:

„… und wenn auch noch Krankheiten oder Lebensumbrüche im Spiel sind, muss man fast gar nicht mehr drüber reden: Schreiben wird zur Therapie. Würde das sehr gern mal thematisieren! Wäre toll, es beteiligt sich jemand, der aus diesen Gründen schreibt!…“

Tja, nun – das muss diese „Berufung“ sein, von der man immer wieder liest 😉 Im Sinne von: Da hat wer eine Frage an mich gestellt und nur den Namen vergessen dazu zu schreiben.

Briefe aus dem Leben mit CED

Back to normal Life? Vorwärts reicht völlig.

Exakt ein Jahr ist meine „große“ Bauch-Operation nun her. Meine Bucket-List vorm Cut off habe ich damals nicht ganz geschafft. Aber das macht nichts, denn: Mir bleibt nun Zeit, alle Punkte mit Genuss nachzuholen. Und noch weitere dazu. Und zwar langsam, ohne Deadline … weil die sich durch die OP um einiges nach hinten verschoben hat.

Die Hemikolektomie, die aus der geplanten OP schlussendlich geworden ist, war hochnotwendig. Die hässliche Stenose, die sich am Übergang aufsteigender, querliegender Dickdarm breit gemacht hatte, war dermaßen massiv und entzunden … „Ein dicker, faustgroßer Knubbel“ – so hat es die wunderbare Chirurgin benannt, und: „Es war höchste Zeit, dass der entfernt wurde.

Briefe aus dem Leben mit CED, Cartoons

Bucket-Liste vorm Cut off

Lieber Colon Ascendens, 

oder willst du lieber aufsteigender Dickdarm genannt werden? oder Dickie? oder ganz anders?

Wir kennen uns zwar schon fast 49 Jahre, aber ehrlich gesagt so richtig wahrgenommen habe ich dich erst seit der liebe Herr Crohn in meinem Leben eine aktive Rolle spielt. Was traurig ist, denn an sich bist du ein feiner Kerl, der mir viel abnimmt, viel verdauen muss und eine richtige Scheißarbeit hat – um es mal deftig auszudrücken. 
Und dann kommt da so ein grauer Mistkerl daher und spielt quer, macht dir den Arbeitsalltag mies, legt dir Steine in Form von Entzündungen in den Weg und versaut deinen Arbeitsbereich. Dennoch hast du über die Jahre tapfer gekämpft, hast mich auch in schweren Zeiten nicht im Stich gelassen und in diesem Krieg, den wir gemeinsam durchstehen, so manche Narbe davon getragen. 

Briefe aus dem Leben mit CED

Bauchbilanz

Lieber Herr Crohn,

zum Jahresende macht man gerne Rückblicke und erstellt Bilanzen. Nicht nur kaufmännischer Natur, auch was das sonst Erlebte betrifft. Mal nachsehen, was sich so ereignet hat im Lauf des Jahres, an Gutem, Schlechtem, Schönem, Hässlichem … ein mentaler Kassasturz. Ob es dabei Sinn macht die guten mit den weniger guten Dingen gegenzuverrechnen bezweifle ich. Manche tun´s, ich halte es für sinnlos. Man hatte beides und ändern kann man es nicht. Für die Erinnerung macht es wenig Sinn, das eine durch´s andere aufzuwiegen – bei mir hat das nie funktioniert.

Aber das Rückblicken und Inventieren der Ereignisse finde ich gut. Es macht so ein Jahr begreifbarer. Nicht verständlicher, aber es bietet die Möglichkeit, das eine oder andere nun abzuschließen.

Briefe aus dem Leben mit CED

Psychoheiler via Dr. Google

Lieber Herr Crohn,

gestern habe ich gegoogelt. Mich so richtig durch die Szene gewühlt, einmal querbeet die Foren überflogen, auf Amazon schräg gelesen und auf den Websites selbsternannter HeilerInnen die Angebote studiert.

Alles mit dem Stichwort: Morbus Crohn.
Ergänzt durch: Alternative Heilung.

Ich sag´s dir: Cool ist das. Und wenn die alle recht haben, dann muss ich dir ernsthaft Abbitte leisten für die Anschuldigungen, mit denen ich dich unkorrekterweise überhäuft habe.

Denn Schuld an allen crohnischen Übeln bist nicht du, sondern ich. Ich allein. Mea culpa, mea maxima culpa. (Hier musst du dir ein paar Schläge mit der neunschwänzigen Katze auf meinem Rücken vorstellen.)

  • Weil ich meinen Lebensweg, der mir kosmisch zugeteilt wurde, verlassen oder noch nicht gefunden habe.
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