Schlagwort: migräne

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Migräne-Operation, Motto: Freiheit für Arnold!

„WTF – Du hast dich wegen Kopfweh operieren lassen??!!“
Ja, ich habe mich wegen „Kopfweh“ operieren lassen.

Auch wenn ich und meine ÄrztInnen es nicht als „Kopfweh“ bezeichnen, weil das weder dem Schmerz noch der Ursache gerecht wird. Man nennt es Migräne und was das bedeutet, habe ich in meiner Migräne-Serie ausführlich erklärt. Dieser Beitrag ist der darin angekündigte fünfte Teil, das sog „Sequel“, ein kleiner, persönlicher Nachtrag.
Meine Chirurgin war beim Terminus noch genauer. Sie diagnostizierte die Schmerzursache als chronische Okzipital-Neuralgie, verursacht durch drei Autounfälle mit Peitschenschlag und einer hypermobilen Wirbelsäule. Man kann es aber auch als Okzipital-Migräne bezeichnen.

Für Außenstehende und Nicht-Migräne-Informierte sind es hingegen „nur“ Kopfschmerzen, fallweise Nackenschmerzen, je nachdem wo es mehr weh tut. Das manche mit Verwunderung darauf reagieren, wenn sich jemand wegen „sowas“ unters Messer zu legt, verstehe ich am Rande. Die meisten Reaktionen waren dankenswerterweise positiver und motivierend.

Unter denen, die es nicht nachvollziehen konnten, befanden sich allerdinigs auch welche, die medizinisch einschlägig unterwegs sind und ihre Konsternierung nur schwer verbergen konnten. Weswegen ich in Folge das übliche ABC des „Hast du das schon probiert“ abgefragt wurde. Meist von Menschen, die mich kaum kennen. Darum gerne für alle, die meinen, dass ich noch nicht genug externen Senf abbekommen habe und mein Leben, meine Handlungen eindeutig mehr ratschlägige Würze, vulgo oktroyierte Weisheit, braucht: Ich habe alles andere probiert. Medizinisch, alternativ, komplementär, spirituell, energetisch, physikalisch, … what ever: You name it, I did it. Von klassischen Schmerzmitteln bis zu den speziellen. Von Homöopathie bis Triptane. Von Cefaly bis Cranio. Usw. usf

Ich kann die Frage nach dem Warum aber auch nachvollziehen. Denn eine OP ist immer ein Risiko und das ganze während Lockdown und Covid-Pandemie zu vollziehen, ist eine besondere Herausforderung. Und für manche mag es ja auch ein hilfreicher Hinweis sein, denn diese Methode ist in der Migränebehandlung ein Novum. Also erzähle ich hier meine Geschichte, warum ich meinem Arnold die Freiheit geschenkt habe, wer dieser Arnold überhaupt ist und wie es dazu kam, dass ich mich im Lockdown am Nacken habe operieren lassen. Wegen Migräne.

Ich habe grundsätzlich einen heiligen Respekt vor der Unversehrtheit des menschlichen Körpers. Ich bin der Meinung, dass er zwar nicht perfekt, aber wunderbar komponiert und stimmig zusammengesetzt ist. Ich bin jemand, der sich jeden chirurgischen Eingriff in dieses phantastische Gefüge sehr, sehr gut und sehr, sehr lange überlegt. Speziell wenn es um Geschnippsel an Stellen geht, die nicht mehr nachwachsen.

So war es bei all meinen Operationen bisher: Ich habe mir, sofern es nicht hochakut war, gut überlegt, welche Alternativen es gibt und mir meist auch eine zweite und sogar dritte Meinung eingeholt, ehe es in den OP-Saal ging. So auch diesmal.

Der Auslöser für den Weg Richtung Kopf-OP war ein Status Migränosus, der mich fast aus der Welt geschleudert hätte. Ich bin ungewollter Profi in Sachen Schmerz und ertrage wirklich viel. Aber dieser Zustand im November 2020 war in einer Liga, bei der nur der Schmerz selbst dafür gesorgt hat, dass ich dem Leiden nicht von mir aus ein Ende bereitet habe. Ich war quasi bewegungsunfähig und immer wieder kurz ohnmächtig. Erst eine Schmerzmittelinfusion beim Arzt brachte die Erlösung – vom Schmerz, nicht vom Leben.

Das Wissen, dass dieser Zustand jederzeit wieder auftreten kann, ist nach einer solchen Attacke nicht sehr motivierend. Mein Neurologe hatte mir schon vorweg zum Beginn einer Botox-Therapie geraten. Was mich nicht wirklich beglückt hat, weil es bedeutete, dass ich, im Falle das es hilft, bis an mein Lebensende regelmäßig Nervengift in den Kopf und Nacken injiziert bekomme. Auch wenn ich einige kenne, die das gerne und freiwillig auf sich nehmen und viel Geld dafür ausgeben: Es ist nicht meins. Aber natürlich viel besser als brutale Schmerzattacken.

Ich hatte den ersten Botox-Durchgang bereits hinter mir und bekam mit den Spritzen im Kopf auch die Info serviert, dass man erst nach dem 2.-3. Mal wisse, ob und wie weit es was bringt. Die platte Stirn hat man dafür schon nach 1-2 Wochen. Nun ja. Dann kam der oben geschilderte Anfall und ich war fertig mit der Welt.

Als brave Patientin führe ich schon jahrelang ein Schmerz/Migräne-Tagebuch und das zeigte mir in schonungsloser Statistik, dass der Weg in diesen Wahnsinn mit zunehmender Attackenhäufigkeit gepflastert war. Egal was ich getan, probiert, unterlassen oder versucht habe, es hat nichts daran geändert, dass die Anfälle langsam aber stetig mehr und intensiver wurden und mich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als die Hälfte der Zeit im Monat lahm gelegt haben. Zu den Schmerztagen selbst kommen ja noch die Tage davor und danach hinzu. Aura-Symptome, Vorweg-Schmerzen, Währenddessen-Irrsinn und der Erschöpfungszustand namens Migräne-Kater im Anschluss. Ein Teufelskreis mit beschleunigender Rotation. Bei 10-15 Attacken im Monat wird irgendwann langsam die Luft knapp, man ist permanent ko.

Ein paar Tage nach dem ersten Status-Migränosus saß ich am PC und tat das, was ich absolut niemandem rate oder empfehle: Ich googelte nach einem Wunder für/gegen Migräne. Nachdem ich so gut wie alles probiert hatte, war die Suche nach Wundern vielleicht ein logischer Schluss. Zumindest an diesem Tage erschien es mir logisch. Vielleicht war mir auch langweilig oder (am wahrscheinlichsten) ich war sehr verzweifelt. Vielleicht war es eine Mischung aus allem.
Tante Google hatte ein Einsehen und spuckte mir ganz zuoberst den Link aus, der ein Jahr später zu der Operation führte. Und es hatte dankenswerterweise nichts mit Wundern, Wunderheilern oder Wundermethoden zu tun. Es ist eine relative simple, physische, wissenschaftliche Lösung.

Ich würde nun gern von Engelschören, Fanfaren und Konfettiregen schreiben, die im Moment der Findung zu hören und sehen waren. Aber der Moment war einfach nur still. Ein Klick, die Seite eines Salzburger Krankenhauses, eine ehe strenge, sehr sachliche gehaltene Info und der Verweis, dass man diese OP nur dann in Erwägung zieht, wenn andere Maßnahmen probiert wurden. Zudem gibt es ein striktes, genau reglementiertes Auswahlverfahren, das Monate dauert.

Den Anfang machte ein Anruf in der Klinik und ein mehrseitiges Formular – was sage ich: Ein kleines Buch! – dass man durcharbeiten, ausfüllen und zurückschicken muss.
Und dann hieß es warten.
Warten.
Warten.
Sehr. lange. Warten.
Mit Migräneattacken, einem weiteren Status und unzähligen Tagen, wo ich mich kraftlos in die Verzweiflung habe fallen lassen, weil für alles andere keine Ressource mehr da war. Meine Resilienz hatte, wie die Ratten, das langsam sinkende Schiff verlassen – auch kein feiner Zug, aber ich versteh sie.

Ich habe das Formularkonvolut Mitte November 2020 abgeschickt und erhielt im März 2021 eine Antwort, dass bei mir eine OP möglicherweise helfen könnte. Das ist schon mal der halbe Jackpot und ich sag mal so: Für Engelschöre und Konfetti hab ich dann selbst gesorgt. Dieses „möglicherweise“ war eine Expresslieferung dringend benötigter Hoffnung. Mit ihr im Gepäck fuhr ich nach Salzburg, in die Ambulanz, zu der Ärztin, mit der ich das weitere Prozedere besprach.

Es folgten im Lauf des Sommers weitere Besuche vor Ort. Einer, wo ich mit akuter Attacke antreten musste, damit man „live“ mittels Blockade der Nerven testen kann, ob eine OP den gewünschten Erfolg hätte. Ich sag mal so:  Sich ein rostiges Gürkchen ans Knie zu nageln ist angenehemr, als mit einem akuten Migräneanfall 3 Stunden im Zug durch die Lande zu fahren und Stunden später in einer Ambulanz eine vielleicht hilfreiche Spritze zu bekommen. Ich hab es so gelöst, dass ich tags zuvor anreiste und den Anfall aktiv provoziert habe.

Wer seine Migräne-Trigger kennt, weiß was man vermeiden muss, um dem Migränegehirn möglichst wenig Anlass für einen Anfall zu liefern. In diesem Fall war es also umgekehrt. Madame Migraine hat sich herzlich gerne bitten lassen und kam wunschgemäß angetrabt. Die Ärztin war beglückt, mir war kotzübel und ultraelend, aber die Spritzen halfen. Das war dann wieder ein Moment, wo Chöre, Engel und so weiter angesagt gewesen wären. Aber die Ruhe rundum war auch schön, heilsam und beglückend.

Grundsätzlich hätte es dann schon im Sommer ans Werk gehen können. Aber da hatte ich eine Reha am Programm und Frau Doktor meinte, dass die auch gut wäre, im Sinne von Kraft, Ruhe und den anderen Dingen, die so eine Reha meist bewirken. Außerdem bräuchte es noch ein paar Untersuchungen, unter anderem ein CT der Nase und Nasen-Nebenhöhlen. Zur Sicherheit wird vorweg auch dieser Bereich kontrolliert, da ein hoher Prozentsatz der MigränikerInnen hier eine Beeinträchtigung haben. Sollte das so sein, könnte man das im Zuge der Nacken-OP gleich mit behandeln, eine Doppel-OP sozusagen.

Im September gab es die finale OP Besprechung und mein Nasendingsbums-CT brachte ans Tageslicht, dass mein zauberhafter, böhmischer Gesichtserker inwendig einen Knick hatte, der möglicherweise Anfälle via Trigeminus-Nerv triggert. Dieses „möglicherweise“ ist sehr schwammig. Es kann sein, aber es kann auch nicht sein. Im schlimmsten Fall hätte ich nach der OP eine geradere Nasenscheidewand, bekäme auf beiden Nasenlöchern gleich gut Luft und die PCR-Test-NasenbohrerInnen hätten beidseits freie Bahn für ihre Stäbchen. Es gibt schlimmere Optionen und darum war für mich klar, dass ich mir das Gesamtpaket (Nacken, Nerv und Nase) zu Gemüte führen würde.

Der Rest und alles dazwischen war: Warten. Die Migräne-Attacken penibel aufschreiben und mittels Foto dokumentieren, wo genau die Schmerzen begonnen hatten, um zu erkennen welcher Punkt im Nacken besonders perfide nervt, um damit den Verlauf der Nerven genau feststellen zu können.

Der Hauptprovokateur am Hinterkopf ist in diesem Fall der sog. Nervus Okzipitalis. Den man auch Arnold-Nerv nennt, nach dem Mann, der ihn erstmals intensiver erforschte. Dieser Nerv hat drei Äste, die sich Major, Minor und Tertius nennen. Für die Migräne-OP war es wichtig herauszufinden, ob der große (Major) oder der kleine Racker (Minor) der Störenfried in Kopfsystem ist. Da besonders der kleine Arnold bei jedem anders verläuft, muss man vorweg ganz genau wissen, an welchem Punkt die Schmerzquelle sitzt, damit man den Schlingel bei der OP punktgenau findet.

Arnold, der nervende Nerv, hat durchaus auch eine wichtige Funktion. Zumindest der große Arnold. Ich weiß das aus erster Hand, denn wenn er genervt ist, spürte ich den Verlauf und seinen Wirkungsbereich intensiv. Es ist ein Gefühl, als ob es einem das Auge aus dem Kopf drückt, als würde sich eine glühende Schraube vom Nacken/Kopfansatz quer durchs Gehirn, nach vorne in die Stirn bohren. Das ist in etwa der Bereich, wo Arnold der Große sein Wirken entfaltet und bei hierorts Gesunden tut das auch gar nicht weh. Arnold der Kleine übernimmt den Bereich über dem Ohr, Schläfe und Jochbein und wenn beide mitsammen konzertieren, kann man nicht mehr sagen, wer auf welche Pauke schlägt. Es ist (buchstäblich) zum Kotzen. Die beiden tun das aber nur, wenn sie keinen Platz haben und aus dieser Sicht betrachtet ist ihr Rumoren ja auch irgendwie verständlich.

In meinem labilen, peitschenschlageschädigtem Nacken war der Kanal, durch den Arnold der Große sich schlängelte, auf Grund der Unfälle zu eng geworden. Die Schädigungen hatten kleine Risse im Gewebe, den Muskeln und Bändern, verursacht. Damit entstanden Narben, die sich immer wieder entzündet haben und damit zu weiteren Vernarbungen geführt haben. Alles im Mikrobereich, vom Raum her. Aber maximal Makro von den Auswirkungen her. Arnold ist nicht moppelig, das sind Nerven generell nicht. Er braucht auch nicht viel Platz, aber den hätte er gerne uneingeschränkt. Wenn er bedrängt wird und man ihm den Raum nimmt, reagierte er so, wie das jeder tun würde – egal ob Nerv oder Mensch: Er schreit. Im Falle von Nerven ist der Schrei ein grausamer Schmerz.

Das Fatale an diesem Prozess, der im Verlauf von Jahrzehnten immer öfter auf der Tagesordnung stand: Die Schmerzen sind denen der klassischen Migräne verdammt ähnlich und lösen mitunter eine solche aus oder koppeln sich daran. Manchmal ist es auch umgekehrt und das macht die Ursachenforschung so komplex. Ein wichtiger Hinweis in meinem Fall war, dass der Anfall meist, wenn auch nicht immer, vom Nacken, hinten rechts, ausging. Fallweise auch links und fallweise schräg vom Ohr weg. Viel seltener beginnt meine Migräne frontal, von der Stirn bzw. der Kopffront aus. Ich konnte den Punkt immer genau eingrenzen und wenn ich dort intensiv Druck ausübte, kam es für ein paar Momente zu einer kleinen Erleichterung. Hinzu kamen noch weitere Arnold-typische Probleme und Symptome. Die Chirurgin meinte, es wäre ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Damit bestünden gute Chancen auf deutliche Besserung und eine drastische Reduktion der Anfälle. Aber der Weg dahin ist eben mühsam.

Die OP wurde für die zweite November-Hälfte 2021 vereinbart und tja – danke Corona für Nichts, das war der Beginn des 4. Lockdowns in Österreich. Genau an dem Tag, an dem der neue neue Ausnahmezustand begann, bin ich via Zug nach Salzburg gefahren.

Eine Nacht in einem sehr angenehmen Quartier – und danke hier an das Hotel, dass mir 2 Tage vor meiner Reise nach Salzburg das seit Wochen bestellte Zimmer auf Grund des Lockdowns spontan gekündigt hat. Ich habe so eine wesentlich entspanntere, bessere und günstigere Alternative gefunden. Somit begann das Abenteuer schon mit einem Glücksvorschuß.

Dann ging es los: Der übliche Aufnahme-Tango im KH, Untersuchungen, Blutabnahmen und das sehr heitere Gespräch mit einem sehr lustigen Anästhesisten. Die beiden operierenden Ärzte kamen zur letzten Besprechung. Die Chirurgin bemalte mein Hinterhaupt für den genauen Verlauf der Schnitte. Der HNO musste das nicht tun. Ich hab ja nur eine Nase und damit war klar, wo er tätig werden würde.

Bei der OP sollte der kleine Arnold beidseits gekappt und der große beidseits in ein neues „Bett“ umgelagert werden, damit er keine Beklemmungen mehr hat. Danach hieß es einmal umdrehen (bzw. umgedreht werden) und die Nase inwendig korrigieren. Das Komplizierteste an der Sache ist das Umlagern.

Das Schöne: Ich würde von dieser Prozedur nix mitbekommen, weil Vollnarkose.
Das Mühsame: Ich würde danach die Folgen abarbeiten müssen, weil Vollnarkose.
Ich gehöre zu den Menschen, die auf Narkosen mit massivster Übelkeit reagieren. So war es auch dieses Mal.

Das größte Risiko, abseits der üblichen OP-Risiken: Das ich mit massiver Migräne und brutalen Nackenschmerzen wach werde, denn Kopf und Nerven werden bei dieser OP extrem gereizt. Das könne man aber mit Schmerzmittelinfusionen abfangen. Die Chance für einen generellen Erfolg der OP liegen bei 70-95%, Je nachdem wie genau man den Verlauf der Nerven vorweg definiert.
Die Chance, dass es nichts bringt, liegt somit bei 5-30 %. Das war der Punkt, den ich mir vorweg als persönliches Entscheidungs-Kriterium herausgepickt hatte. Sollte es nichts bringen, hätte ich es zumindest probiert. Damit kann ich leben. Die Statistik war jedenfalls auf meiner Seite und das ist schon mal tröstlich.

Dann wars soweit. Und um es zu Spoilern: Alles klappte wie am Schnürchen. Ich kam als erste an die Reihe (darauf warten abgeholt zu werden ist imho das Schlimmste). Ich hatte einen nicen Talk mit dem lustigen Narkosearzt und bin mitten im Gespräch eingeschlafen (sorry!). Wach geworden bin ich Stunden später in meinem Zimmer. Vorerst schmerzfrei, mit einer teil-zugestöppelten Nase und dem wunderbaren Gefühl der Erleichterung: Ich hab´s geschafft!

Ein paar Stunden nach dem Wachwerden kamen dann die „üblichen“ Nachwirkungen: kotzige Übelkeit vom Feinsten und das Timing dafür war perfekt. Zeitgleich begannen Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, eine seltene, frontale Migräne in Kombi mit meiner klassischen „Nacken-Migräne“ (=Premiere). Die Tamponade in der Nase erreichte ihren Höhepunkt und mein Gesichtserker stellte den Dienst vorübergehend ein.

Das war dann aber auch schon das Mühsamste an der ganzen Sache. Die Schmerzen konnten relativ rasch mit entsprechenden Mediks gestoppt werden Auch der Narkose-Übelkeit wurde chemisch eins vor den Latz geknallt und egal wer oder was es war: DANKE.
Die schlimmsten Momente waren damit im Griff. Das Einzige, was die erste Nacht mühsam gestaltete, war die Außer-Dienst-Nase. Beim Schlafen nur durch den Mund atmen kann ich nicht.

Erlösung brachte der Morgen und der nette HNO, der als erste Amtshandlung seines Tages meine Nase von den Stoppeln befreite. Herrlich!!! Die Schienen, die die neu gestaltete Nasenscheidewand stabilisieren sollten, mussten eine Woche vor Ort bleiben. Bis dahin ist auch das klassische Naseputzen Geschichte, denn das könnte die Schienen verbiegen. Stattdessen rüsseln, röcheln und etwaigen Schnoder unelegant hochziehen. Alles Dinge, die man sich als Kind schon abgewöhnt hat und die in Zeiten von Covid akustisch nicht unbedingt das Zusammenleben fördern. Dafür ist das Gefühl, wenn man dann nach einer Woche die beiden (imho RIESIGEN!) Schienen aus der Nase rausbekommt und zum ersten Mal wieder ungebremst durch die Nase atmen kann … also das ist einfach nur geil. Besser als Weihnachten und Ostern und Marzipan und Schokolade zusammen. Ungehindert frische Luft durch die Nase atmen ist eine Wonne. Es sind die kleinen Dinge, die das Leben schön machen! 🙂

Der Nacken war im Vergleich dazu easy. Es waren drei Schnitte: zwei kleine horizontale an den Seiten und ein auch nicht sehr großer vertikaler in der Mitte, alle beim Haaransatz. Frau Doktor hat sogar auf einen haarigen Kahlschlag verzichtet, was eine Überraschung war und ich ihr hoch anrechne. Damit erspart man sich a. blöde Fragen und b. Kälte im Nacken. Die Klammern blieben zwei Wochen. Das „bamstige“ Gefühl am Hinterkopf bleibt länger und mitunter bleibt ein kleiner Teil so, aber daran gewöhnt man sich schnell.

3-4 Wochen nach der OP ist Schonung angesagt und das habe ich mir dann sehr gegönnt. Dazu passend war ich dann anschließend auch gleich über Weihnachten im Ruhemodus.

Der Erfolg des Ganzen

Die Frage, ob die Prozedur von Erfolg gekrönt ist, kann man nach frühestens 2-3 Monaten beantworten. Das Schmerzgedächtnis braucht sehr lange um zu erkennen, dass der Grund für das Weh weg ist. Bei mir hat es fast 4 Monate gedauert, bis sich die Attackenstatistik eindeutig geändert hatte. Aktuell geht es mir gut und ich möchte darüber gar nicht viel darüber reden, weil ich ein wenig abergläubisch bin.

Wichtig ist, dass man auch bei einem anhaltenden Erfolg der OP nicht vergisst, dass die Ursache für die Migräne nach wie vor vorhanden ist: Das besondere Gehirn, dass mit Reizen nicht so gut umgehen kann und schnell mal übersteuert.
Mit der OP werden ein oder mehrere massive Trigger neutralisiert. Das kann mitunter auch dazu führen, dass andere Auslöser, die sich bis dato im Hintergrund gehalten haben, nun verstärkt aktiv werden. Die größte Gefahr ist aus meiner Sicht eher die, dass man glaubt nun all das Tun, Nachholen und Erleben zu müssen, was man als Migräne-Prophylaxe sicherheitshalber aus dem Leben aussortiert hat.
Meine anderen Trigger, wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, grelles Licht, Stress, Lärm und all das, was bei mir zu einer sofortigen Reizüberflutung und Überlastung meines internen Systems führt, sind mit der OP ja nicht verschwunden. Diese Expositionen sind gekommen um zu bleiben, waren vermutlich schon von Anfang an da.

Da mein Nacken nun aus dem Konzert der Missstände und Schmerz-Ursachen ausgestiegen ist, ist aber ein sehr großer Trigger verschwunden, womit auch der damit verbundene Stress und die Angst vor neuen Attacken gesunken ist, was dem ganzen System gut tut.

Und nun?

Nun geht es darum den Körper, die Muskeln, Faszien und Gelenke, neu zu „schulen“. Denn durch diese beiden kombinierten Eingriffe an sehr sensibler Stelle ist das gesamte Gefüge des Körpers „erschüttert“ worden und bekommt zugleich die Chance, sich neu und besser auszurichten. Physiotherapie, Cranio- und Nuad-Sitzungen, achtsames Trainieren von stabilisierenden und gesünderen Bewegungsabläufen und dergleichen stehen seither auf meiner Tagesordnung.

Über alles weitere, wie es mir nun geht, warum es hier so still ist und wie es im Blog vielleicht weitergeht, kannst du in einem der nächsten Beiträge lesen.

Ich danke dir, dass du bis hierher lesetechnisch „durchgehalten“ hast und hoffe, dass ich meine Migräne-Infos in diesem Blog damit beenden kann. Schließlich gehts hier ja hauptsächlich um den lieben Herrn Crohn 😉

P.S.: Das Ding im Bild oben ist eine sehr laienhafte Darstellung einer Nervenfaser und soll Arnold darstellen, der sich in seinem neuen, größeren Zuhause wohl fühlt bzw. Arnold der Kleine, der es nun in einer anderen Welt hoffentlich entspannter hat. 

Briefe aus dem Leben mit CED

Öhm, … noch wer da?

Hallo …?

Räusper … hm … also, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
Bin etwas eingerostet, innerlich und äußerlich.
Was, mangels Regen, nicht an der Luftfeuchtigkeit liegt, sondern an einer sehr, sehr langen Pause. Einer immens langen Pause, in internetten Blog/Social Media-Zeiten.

Der letzte Beitrag kam Mitte November 2021. Nun haben wir die Iden des März 2022 – also den 15.03. und das sind somit … ach, rechne das mal ein anderer aus, mein Kopf mag noch keine Zahlen jonglieren.

Jedenfalls isses megalange her, dass ich ein Lebenszeichen via Blogbeitrag ausgeschickt habe und es ist viel passiert in dieser Zeit. Andererseits auch wieder nicht so viel, verglichen mit dem, was in diesem wundervollen Habitat geschieht, das man Planet Erde nennt und auf der eine Spezies namens Mensch gerade ihre Spezien-Pubertät auslebt. Was bei manchen Exemplaren dieser Spezies zu sehr verrückten Zügen führt, was wiederum andere Exemplare dieser Spezies in arge Not, Angst und Bedrängnis bringt und in Folge dann zu anderen Verrücktheiten motiviert.
Aus Notwehr oder aus Berechnung, je nachdem.
Womit eine grausige Kettenreaktion an Ereignissen entsteht, die dafür sorgt, dass sich die Mehrheit dieser Spezies täglich beim Wachwerden fragt, ob die Welt noch steht und ob man es wagen kann, die Augen zu öffnen.

Also ich frag mich das zumindest aktuell tagtäglich. Und nicht immer hab ich das Gefühl, dass es gut war, dem Morgen ins Gesicht zu blicken. Speziell dann, wenn der zweite Blick Richtung Nachrichten geht. Was ich mittlerweile großteils vermeide, womit der zweite Blick in den Tag deutlich an Qualität gewonnen hat.

Wenn es mir gelingt die Katastrophen der menschlichen Spezies aus meinem Gesichtsfeld auszublenden, ist es eigentlich ganz ok. Also mir geht´s eigentlich ganz ok. Womit sich ein egozentrisches, fragiles, aber nichts desto trotz auch wieder sehr schönes, weil heiles, individuelles Weltbild ergibt. Meistens.

Ok, nicht meistens. Aber immerhin doch recht oft und das ist an sich schön.

Eigentlich.

Weil: Darf ich sagen, dass es mir … gut geht? 
Oder darf man das nicht mehr, weil es so vielen schlecht und schlechter geht?

Darf ich mich zart, still und leise darüber freuen, dass meine Kraft zart, still und leise wieder am Wachsen ist? Und die unliebsamen WeggefährtInnen meinereiner, die ich im Lauf eines (in den letzten Jahren ziemlich kranken) Lebens aufgegabelt habe, gerade eine chillige Pause einlegen bzw. relativ friedlich geworden sind?

Darf es mir gut gehen, wenn die Welt täglich aufs Neue droht zu zerbrechen?

Darf ich sagen, dass es mir gut geht, obwohl ich dennoch krank bin und es bis an mein Leben sein werde, weil die obigen, unliebsamen WeggefährtInnen fiese Kackbratzen sind und sich so fix-fest eingenistet haben, dass man sie als chrohnisch und unheilbar tituliert?

Geht es mir überhaupt objektiv gesehen gut, so lange ich Medikamente nehme … nehmen muss? Weil es ohne nicht lang gut geht und ich trotz geht-gut auch hin und wieder Schmerzhämmerchen* brauche? Und weil es mir nur deshalb gut und besser geht, weil ich mit Therapien und TherapeutInnen und diversen Lebensfreude-Motivationen tagtäglich darum kämpfe, dass es mir grundsätzlich gut geht?
Auch an Tagen, wo es mir nicht gut geht? Weil die gibts ja auch noch zur Genüge und auch darum weiß ich nicht ob ich mit Fug und Recht sagen kann, dass es mir gut geht, wenn es mir doch nicht immer gut geht?

Ist es denn dann überhaupt ein Gut-Gehen, wenn es nicht von selbst gut ist oder gut geworden ist?

Und darf man heute überhaupt noch mit solchen Dingen die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen in Anspruch nehmen, darüber schreiben, sich dazu äußern? Weil es ja wahrlich genug anderes gibt, was furchtbarer ist und dessentwegen mehr Aufmerksamkeit braucht?

Interessiert es noch jemand? Weil an der Phrase „Und, wie geht´s dir so?“ kann man das ja nicht aufhängen und ich bin sehr froh, dass man darauf keine ehrliche Antwort geben muss, keine ehrliche Antwort erwartet wird, denn ich wüsste nicht, was ich ehrlich darauf sagen soll.

Außer, dass es mir heute besser geht als noch vor ein paar Monaten. Und vielleicht gehts mir in ein paar Wochen noch besser, wenn mir nicht das Schicksal der Menschheit in mein Leben hineinkrätscht oder sich mein Karma hinterrücks zu irgendwas Konspirativem entschieden hat, was meiner wackeligen Lebensplanung einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Jedenfalls:

Ich lebe noch und die meiste Zeit bin ich heute glücklicher darüber, als noch vor nicht allzu langer Zeit, wo mich Madame Migraine die Hälfte der Tage mit ihrer Anwesenheit gequält hat und dem Wort „Todessehnsucht“ eine gewisse Schönheit verliehen hat.
Wer schon mal Migräne hatte, wird verstehen, warum das so ist. Wer Migräne nicht kennt, kann hier reinlesen. Vielleicht kommt das sowas wie Verständnis auf.

Ich habe mich nach meiner geplanten Doppel-Op im November genussvoll in die Ruhe und Stille plumpsen lassen. Sehr unelegant und mit einem grunzenden, leicht röhrenden Seufzer aus tiefster Kehle – um es metaphorisch auszudrücken. Meine Chirurgen hatten mir 4 Wochen Ruhe verordnet, dann war Weihnachten und dann … war keine Ausrede mehr da nix zu tun, außer das durch das vorherige Nixtun keine Kraft mehr da war, um etwas tun zu wollen oder können. Als ob jemand den Stecker gezogen oder auf Reset gedrückt hätte und damit all das, was ich über den Sommer an Konditiönchen** aufgebaut habe, gelöscht hat. Ich würde gerne „fies gelöscht“ sagen, aber das wäre eine Wortwiederholung und ich will meine ehemaligen DeutschlehrerInnen nicht aufwecken. Aber es war fies.

Denn das Fiese daran ist, dass es unvermeidlich war. Ich hatte 2021 drei Operationen, eine im März und eine Doppel-OP im November, mit insgesamt zwei Vollnarkosen. Ich bin keine 27 mehr, sondern 54 und da sind solche Abenteuer am Op-Tisch eine ziemliche Strapaze, vor allem wenn das zugehörige Körperchen schon einiges an Erlebnissen in der Vita stehen hat. Meine gesammelten 54 Jahre standen nach Weihnachten vor mir und haben die Rechnung präsentiert – KO.

Müde, ausgelaugt, keine Kraft mehr für irgendwas.
Keine Motivation für was auch immer.
Keine Lust auf alles.

Ich würde mich bei der mentalen Müdigkeit nun gern auf den putinösen Kolchosen-Mafiosi ausreden, der gerade die Welt in Atem hält. Aber der hat damals noch im Geheimen seine bösen Pläne geschmiedet und wir waren alle mit dem großen C und seinen pandämlichen Folgen beschäftigt. Immerhin kann ich einen Teil meiner inneren, lahmen Lust- und Freudlosigkeit diesem blöden Ding ins Portfolio schieben – Danke Corona, für nichts! Hast mich zwar nicht infiziert, aber dank deinereiner sind wir alle traumatisiert und mental matschmüde.

Tja …

So sah es aus und darum war hier Ruhe im Talon.
Als ich bei einer hausärztlichen Kontrolle mal zart auf meine Matschmüdigkeit hinwies und wissen wollte, ob es dafür vielleicht einen medizinischen Grund gäbe oder zumindest einen guten Rat, der mir den Weg zu einer Leiter aus diesem Loch weisen könnte, erhielt ich den nonchalanten Tipp, dass ich dazu einfach nur rausgehen müsste, an die frische Luft, am besten täglich.

Unser Hundemädchen, das täglich mehrmals erfolgreich dazu auffordert genau das zu tun, freuen solche Hinweise. Sie hofft dann auf eine Verdopplung ihrer Spazierzeit. Denn ich ging und gehe jeden Tag mit ihr raus, tagtäglich, in der frischen Luft, bei wirklich jedem Wetter. Egal ob ich fit bin oder mich münchhausentechnisch am Schopf selbst durch die Landschaft hinter ihr herziehe.

Die tagtäglichen Hunderunden im matschmüden Zustand haben aber weder die Laune noch die Matschmüdigkeit selbst zu beheben vermocht. Ehrlich gesagt kam ich mir bei dem sicher gut gemeinten Rat meines Arztes sehr verar***t vor. Was ich so nicht gesagt, sondern lediglich nett umschrieben habe mit „Mach ich schon, hab Hund und Garten, muss also raus, ob ich will oder nicht. Was kann ich noch tun?
Aber mehr an Rat kam nicht.

Und das tat weh.
Irgendwie.
Es schmerzte tief im Inneren, wo ich sowas wie Hoffnung auf Unterstützung von klassischer Seite gehegt habe. Um zu erkennen, dass man mit kleinen Problemen in Zeiten, wo die Welt größere hat und Menschen mit Problemen immer mehr werden, irgendwie alleine ist, wenn man sich den eigenen kleinen Problemen stellen will.

Und dann kam die Wut, was vielleicht nicht nett, aber hilfreich war. Wut auf alles und jeden, weil mir alles und jeder iwie … na ja, du weißt schon, es gibt so Momente, da könnte man …
Aber man tut´s nicht und weiß auch, dass man nichts tun wird. Aber man denkt, man könnte, wenn man wirklich wollte.

Meine Wut hat mir den Ar***tritt verpasst, der mich aus dem Münchhausigen-Schopf-Schlurf-Sumpf gekickt hat und der Flug endete, dem Glück sei Dank, auf einem Pfad, der mich zu dem brachte, was mir gefehlt hatte.

Soll bitte keiner mehr was über die Vorsehung schimpfen, Madame Zufall hat´s noch drauf und kann, wenn sie will!

Bei mir waren es meine lahmen Latschen, die mich auf den richtigen Weg gebracht haben, der mich aus diesem matschmüden Tief herausgeholt hat. Meine beiden Hallux taten weh, ich ging zum Orthopäden und lernte dort die Mehrzahl von Hallux (Hallucis) und eine nette Therapeutin kennen und erfuhr zum anderen, dass man hierorts sog. Vitalinfusionen anbot, die für meinen Zustand maßgeschneidert waren.

Manchmal kann die Lösung so einfach und nah sein. Durch die OPs, die lange Ruhe/Rekonvaleszenz in den dunklen Wintermonaten, die langen, oftmaligen Migräneanfälle und meinen crohnisch geschädigten Darm habe ich mir einen Vitamin- und Nährstoffmangel eingehandelt, der mich in Kombi mit dem chronischen Schmerz unserer verrückten Welt körperlich und mental ko geschrumpft hat. 10 Infusionen, von denen ich die Hälfe schon intus habe, und eine Physiotherapie, die mich liebevoll und streng auf Schiene schubste, haben mich zumindest soweit wieder hergestellt, dass ich das Gefühl habe, in Bälde kleine Bäume ausreißen zu können. Was ich nicht tun würde, weil ich liebe Bäume. Aber ich könnte, wenn ich wollte, und das ist ein schönes Gefühl.

Und nun ist Mitte März und ich dachte, ich melde mich mal mit einem Blogbeitrag.
Und dann waren da diese Gedanken, siehe oben.
Und tja, ich hab keine Entschuldigung für die lange Pause.
Vor allem weil ich denke, dass man sich für das, was das Leben einem ungefragt schenkt und zumutet, nicht entschuldigen kann oder muss.

Aber leid tut es mir dennoch, denn: Ich habe euch vermisst, liebe LeserInnen, liebe BlogabonnentInnen, liebe Alle, die hier dann und wann reinschauen. Ich habe mich sehr über die Mails gefreut, die in den letzten Wochen dann und wann eingetroffen sind, und über die kurzen Nachrichten via Instagram, Facebook & Co. Und über die vielen schönen Rückmeldungen zu meinem Buch „Shitstorm im Darm„, die direkt oder über andere an mich gekommen sind. Und über ein paar Anfragen und Kooperationen, die in dieser Zeit eingetrudelt sind.

All das waren und sind wunderbare Sternchen, die einen in matschmüder Dunkelheit Mut machen und Freude. Das ist mindestens so aktivierend wie die erfrischenden Vitalinfusionen und die Hunderunden mit der Wuff-Mamsell und ihren (fallweise anstrengenden) Frühlingsgefühlen.

Also:

Ich trau mich jetzt es zu verkünden, egal ob es gut ist oder nicht: Es geht mir meistens gut und gerade täglich besser. Ich bin wieder da und vielleicht kommen nun wieder öfter Beiträge, denn zu berichten gäbe es einiges und es kommt euch einiges, was vielleicht berichtenswert ist.

Ich freu mich, wenn ihr hier wieder mitlesen wollt und hoffe ansonsten, dass es euch auch zumindest gut und im besten Fall täglich besser und grundsätzlich wunderbar geht.

Das wünsche ich euch, allerherzlichst!

P.S.:

Für eine Zeichnung, einen neuen Cartoon, hat es diesmal noch nicht gereicht.
Aber beim nächsten Mal, hoffentlich 🙂

*Schmerzhämmerchen ist kein Rechtschreibfehler. Es ist meine Kreation für die Medikamente, die dem Schmerz bei seinem liederlichen Auftreten eins überbraten, damit er sich flugs zurückzieht. Zum erfolgreichen Überbraten ist ein Hammer ein ganz formidables Werkzeug. Darum hämmern meine Schmerzhemmer mit Umlaut-A.

**Konditiönchen: Sowas ähnliches wie Kondition, nur in klein und gerade soweit ausreichend, dass man glaubt, man würde bald eine richtige Kondition haben, in stabil und kraftvoll. 

Allgemein

Podcast-Interview: Bauch trifft Kopf!

In meiner kleinen Migräne-Serie habe ich im vierten Teil eine kleine Ankündigung gemacht, dass es demnächst was auf die Ohren gibt. Auf meinem Instagram-Account hab ich es ein wenig deutlicher angeteasert. Und nun posaun ich es laut hinaus und darf verkündigen:

Ich war bei der lieben Dr. Nadine Webering zu Gast, wurde für ihren tollen Podcast interviewt und das kann man ab heute im Netz hören!

Dr. Nadine Webering ist Neurologin und Ayurveda-Ärztin. Sie leitet ein Online-Unternehmen, ist Herausgeberin eines Magazins, Buchautorin, Business-Coach und Speakerin zu verschiedenen gesundheitlichen Themen. Sie bietet unter anderem Ayurveda-Beratungen an, wobei der Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Begleitung von Menschen mit Migräne liegt.

Nadine hat auch einen Podcast, wo sie wöchentlich über Themen aus ihrem Tätigkeitsgebiet spricht oder Interviews mit anderen spannenden Menschen veröffentlicht. Wir sind uns zufällig auf Instagram „über den Weg“ gelaufen. Ein paar Mails später kam spontan die Einladung zum Podcast-Gespräch. Ich hab mich sowas von gefreut und noch mehr, als wir uns dann via Zoom fast-live begegnet sind. Wir haben vorweg über alles mögliche gesprochen und hätten vermutlich noch Stunden weiterplaudern können. In der Podcast-Folge selbst geht es u.a. darum, wie der „lieben Herrn Crohn“ entstand, warum Humor die wichtigste Zutat im Leben ist, wie ich mich an den Haaren aus dem Frust-Sumpf ziehe und auch mein Buch „Shitstorm im Darm“ war am Rande Thema.

Es war ein klassisches „Bauch trifft Kopf“ Gespräch – erdig, philosohphisch, heiter und tiefgehend und ich freu mich nach wie vor sehr darüber.

Hier geht es zu Nadines Podcast, den man auf itunes, Spotify oder Spreadmind kostenfrei anhören kann: Stay in Balance.

Und hier geht es direkt zu „meiner“ Folge:

Es ist überall das Gleiche zu hören. Aber ihr könnt gern dreimal reinlauschen – sicher ist sicher 😉 

Weitere Infos über Nadine findest du auf ihrer Website: Dr. Nadine Webering

Und wenn du auf Instagram bist und mein Buch noch nicht hast, dann schau mal bei Nadines Insta-Account vorbei – da gibt es möglicherweise was zu gewinnen 😉

Allgemein

Migräne-Serie, 4/4: Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit

Im 3. Teil meiner Migräne-Serie habe ich ein wenig über meine schulmedizinischen Therapien erzählt. Im letzten Teil meiner kleinen Serie rund ums Kopfgewitter geht es um Alternativen abseits der Schulmedizin,um zwei Buchtipps und weiterführende Links, sowie mein Fazit.

Gerade bei Migräne gelten die komplementäre Alternativen landläufig als hilfreicher und besser – noch mehr als bei der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Betroffene erhalten ungefragt unzählige Tipps und Ratschläge, wie sie ihre Kopfprobleme „alternativ“ auflösen können. Dabei ist auch hier die individuelle Kombination aus Schulmedizin und komplementären/alternativen Methoden das, was in der Regel am sinnvollsten und besten hilft.

Aber wichtig zu wissen: Ohne Schulmedizin geht es nicht. Ähnlich wie bei CED kann es auch bei Migräne böse enden, wenn man die Sache gänzlich ohne medizinisch Unterstützung bewältigen will. Wie mehrfach erwähnt: Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die mit einer erhöhten Schlaganfall-Neigung einher geht. Schon allein deshalb ist es wichtig, sich medizinische Hilfe zu suchen, die einen kompetent und empathisch begleitet, aufklärt und mit der gemeinsam man einen „Handkoffer“ an hilfreichen Dingen zusammenstellt. Das können sowohl Medikamente sein, aber auch physikalische Hilfsmittel (z.B. das mittlerweile recht gut bekannte Cefaly) und Therapien, bis hin zu psychotherapeutischer Unterstützung. Nicht zu vergessen, dass bildgebende und diagnostische Verfahren, wie MRT und EEG, vorweg und bei akuten, dramatischen Veränderungen eine unabdingbare wichtige Kontrolle darstellen.

Nachdem es bei Migräne primär darauf ankommt, dass man möglichst viele potentielle Trigger entschärft oder ausschaltet bzw. so wenig Stress wie möglich in sein Körpersystem lässt, haben komplementäre bzw. alternative Heilmethoden aber einen hohen Stellenwert in der Migränetherapie und -vorbeugung. Hinzu kommt das Gefühl, dass man damit als Betroffene aktiv etwas tun kann und den Anfällen nicht mehr so ausgeliefert ist. Wie immer muss man für sich selbst herausfinden was gut tut, was einem wirklich hilft und was man erträgt, ohne im Gegenzug zu sehr darunter zu leiden.

Und hier gibt es eine weitere Parallele zu CED, die überlebenswichtig sein kann:

Wer behauptet, die ultimative Therapie zu haben, mit der du deine Migräne für immer los wirst, der lügt oder will dir letal an den Kragen.

Denn die Ursache für die Migräne ist ja dein besonders, hochsensibles Gehirn und das willst du hoffentlich nicht umtauschen. Wundermittel oder „hilft ganz bestimmt“-Methoden, egal auf welcher Ebene, sind in erster Linie fragwürdig, meist teuer und können im allerbesten Fall nur eines: Die Anfallshäufigkeit und Schmerzintensität senken. Aber das ist ohnehin schon super und als Erfolg zu verbuchen.

Ehrliche und gute TherapeutInnen erkennst du einmal mehr daran, dass sie dir keine Wunder versprechen und mit offenen Karten spielen. Grundsätzlich gilt das alles, was Stress aus dem System nimmt, ohne noch mehr Stress zu verursachen, gut ist. Wenn du dich damit wohl fühlst und es dir dabei und danach gut geht, dann passt es, egal was es ist (solange es legal und  moralisch vertretbar ist ;-).

Das Gleiche gilt für die unzähligen Migräne-Diäten: Du musst selbst rausfinden, was dir gut tut und hilft. Es gibt (wie bei CED) keine eigene Migräne-Diät, die für alle gleich ist.

Der einzige, allgemein gültige Grundsatz: Ausreichend und regelmäßig essen, sowie viel trinken. Das Migränehirn braucht auf Grund seiner Struktur deutlich mehr Energie als normale Köpfe. Fütterst du es nicht ausreichend, reagiert es mit Gewitter. Trinkst du zuwenig, kracht es. Isst du das Falsche, wird es sauer. Ist du gar nichts, wird es so richtig schlimm.

Aber was du im Detail futterst, ist individuell. Manche brauchen unbedingt Kohlenhydrate, andere schwören auf Low Carb. Ich habe gute Erfahrung mit glutenfrei gemacht und kenne zugleich viele, denen das rein gar nichts bringt. Das gleiche betrifft Kaffee und Tee. Alkohol ist bei den meisten ein No-Go, aber auch das kann man nicht global sehen. Du musst selbst testen und immer wieder prüfen, ob es noch immer so ist oder sich etwas verändert hat. Das gilt sowohl für das, was du nicht verträgst, als auch das, von dem du bisher gedacht hast, dass es dir gut tut. Das ist mühsam, aber lässt sich kaum ändern.

Zwei wunderbare Buchtipps, die wirklich helfen

Ich habe im Zuge meiner Migräne-Karriere einige NeurologInnen, unter ihnen auch neurologische Koryphäen, konsultiert. Ich habe auch geglaubt, dass ich mich recht gut mit dem Thema auskenne. Aber in all diesen Jahren habe ich über dieses schmerzende Mistvieh nicht so viel erfahren, wie nach der Lektüre dieser beiden Bücher, die ich allen MigränikerInnen und deren Zugehörigen wärmstens ans Herz lege:

q? encoding=UTF8&MarketPlace=DE&ASIN=3831205477&ServiceVersion=20070822&ID=AsinImage&WS=1&Format= SL160 &tag=midesign 21 - Migräne-Serie, 4/4: Alternativen,  Buchtipps, Links & ein müdes Fazit

Ich hab‘ Migräne – Und was ist deine Superkraft?:*

Dein Begleiter durch gute & schlechte Tage*

Von Bianca Leppert

Verlag Komplett Media
ISBN: 978-3-8312-0547-9

Damit ist auch das Geheimnis gelüftet, dass ich im ersten Teil erwähne: Warum ich meine Migräne als Superkraft tituliere. Dank dieser Terminologie fühlt es sich zumindest nicht mehr ganz so an, als hätte ich einen genetischen „Baufehler“.

In diesem Buch stehen so viele wichtige, wissenswerte und ungemein hilfreiche Infos, dass man es von der Krankenkasse unverzüglich verordnet bekommen sollte. Ich möchte es auch jedem Arzt, besonders den NeurologInnen, ans Herz legen. Vor allem damit sie es ihren PatientInnen weiterempfehlen.

Das Buch kommt flott und gut lesbar daher, ohne Trantütigkeit ob des grausigen Themas. Und man kann es zwischen 2-3 Anfällen sinnerfassend lesen. Für dich getestet.

Bianca Leppert ist selbst von Migräne betroffen und hat auch einen Podcast. Du findest sie zudem auch auf Instagram und dort immer wieder Interessantes und Wichtiges rund um das Thema Migräne. Hier geht es zu ihrer Website.

Der zweite Migräne-Buchtipp ist eine ganz besondere Herzensempfehlung. Die Autorin habe ich vor kurzem sogar via Zoom persönlich kennen gelernt und mich sehr gut mit ihr unterhalten. Sie ist eine wunderbare, sympathische Ärztin, die nicht nur Neurologin ist, sondern auch ayurvedische Medizin praktiziert und betreffend Migräne wirklich weiß, worum es geht – sie ist ebenfalls selbst davon betroffen.

q? encoding=UTF8&MarketPlace=DE&ASIN=3742313827&ServiceVersion=20070822&ID=AsinImage&WS=1&Format= SL160 &tag=midesign 21 - Migräne-Serie, 4/4: Alternativen,  Buchtipps, Links & ein müdes FazitMigräne natürlich behandeln mit Ayurveda*

Ganzheitliche Methoden und Rituale, um Schmerzen vorzubeugen und zu lindern*

Von Dr. Nadine Webering

Verlag Riva

Dieses Buch war ein echtes Geschenk für mich und wenn du dich für komplementäre Methoden rund um deine Migränetherapie interessierst, wirst du es lieben. Ich habe im Verlauf meiner Krankheitskarriere mit Sicherheit das gesamte ABC der nicht-schulmedizinischen (=komplementären) Möglichkeiten ausgetestet. Einiges begleitet mich nach wie vor, das meiste aber war für die Tonne und außer teuer mitunter auch noch schmerzhaft, körperlich und psychisch.
Dafür sind mir die Methoden, die mir gut tun, helfen und mich im Alltag optimal unterstützen umso mehr ans Herz gewachsen. Es war ein langer Weg, bis ich erkannt habe, was das ist und ich weiß, dass die Auswahl meiner komplementären Helferleins rein auf mich zugeschnitten ist. Darum will ich auch gar nicht zu viel darüber erzählen. Doch einen Weg, den man zumindest mal ausprobieren sollte, empfehle ich aus ganzem Herzen: Ayurveda.

Ayurveda ist die indische Gesundheitslehre und es geht dabei grundsätzlich darum, den Körper entsprechend seiner individuellen Konstitution zu stärken, damit er mit Belastungen besser zurecht kommt. Yoga ist ein Teil davon und wer Yoga kennt, der weiß wie ungemein vielfältig die Stile und Möglichkeiten sind. Damit gibt es immer auch die Option, dass du genau „dein“ Yoga findest und es in deinen Alltag flexibel integrieren kannst.

Leider kann man aber auch mit ganz viel Yoga weder den Crohn noch die Migräne heilen. Das als Info für alle jene, die gerne reflexartig „Hast du es schon mal mit Yoga probiert?“ raunen, wenn sie mit chronisch Kranken in Kontakt kommen. Doch Yoga kann einem helfen physische und psychische Kraft für den Alltag und die Zeit zwischen den Anfällen zu bekommen und damit wird man in Summe stabiler (geistig und körperlich), was im Anfall dann wieder hilft.

Ayurveda ist aber noch viel mehr als Yoga und Mediation. Das Grundsystem basiert auf den Konstitutionstypen: Vatta, Pitta und Kapha und deren Mischformen. Auf dieser Bestimmung baut die ayurvedische Ernährung, Lebensweise und Therapie auf. Wer schon einmal eine ayurvedische Ölmassage genossen hat, weiß wie ungemein entspannend und genussvoll diese Behandlung sein kann. Das ist ein weiterer Punkt, den ich am Ayurveda liebe: Die Genussfreude auf allen Ebenen. Es ist für mich eines der wenigen Systeme, bei denen es nicht um Verzicht, sondern um die Schaffung einer rundum angenehmen Lebensweise geht, in der das Genießen einen großen Stellenwert hat.

Kombiniert man die einzelnen Säulen des Ayurveda miteinander, immer individuell auf die eigene Konstitution abgestimmt, bekommt man ein maßgeschneidertes, ganzheitlich hilfreiches Lebenskonzept, dass einen stützen kann, ohne einzuengen.

Das ist im Groben und sehr oberflächlich erklärt das, was mich persönlich an Ayurveda fasziniert. Die Erkenntnis, welcher Konstitutionstyp ich bin, hat mir beim Verarbeiten meiner Diagnosen mindestens soviel geholfen, wie das Wissen rund um meine Erkrankungen. Für mich ist Ayurveda also im wahrsten Sinn des Wortes komplementär: Ergänzend.

Darum findet sich hier auch eine herzliche Empfehlung für ein ayurvedisches Migränebuch.

Dr. Nadine Webering, die Autorin, weiß als Neurologin von medizinischer Seite her genau, worum es sich bei Migräne handelt. In ihrem Buch findest du eine gut zusammengestellte Mischung alltagstauglicher Tipps, komplett ohne Drang zur Missionierung und auch teure Tinkturen, exotische Gewürze oder sonstigen Kram. Das Buch ist eine herzliche Einladung, dich mit dem Thema in deinem Tempo und deinem Sinn zu beschäftigen.

Nadine ist ebenfals auf Instagram zu finden und hier geht es zu ihrer Website. Sehr zu empfehlen ist auch das Online-Magazin, wo du saisonale Infos und Inspirationen findest. Es gibt zudem einen tollen Podcast von ihr, wo du mehr rund um das Thema Migräne und Ayurveda findest. Aber auch andere, damit weitgehend verbundene Themen und spannende Interviews. Und was den letzten Punkt betrifft, möchte ich dich hier schon mal auf den Nachtrag zu meiner kleine Migräne-Serie hinweisen – da wirst du möglicherweise noch etwas zu diesem Thema auf die Ohren bekommen 😉

Links und weitere Infos rund um Migräne

Wissen und Infos 

Empfehlenswerte Instagram-Accounts rund um Migräne

Migräne-Apps

Mein Fazit

Um es kurz und abschließend zusammenzufassen: Migräne ist schlicht und ergreifend furchtbar.

Währenddessen und danach möchte man nur noch sterben. Möglichst schnell, bevor die nächste Schmerzwelle heranrollt. Bei einem Status migränosus kann sich das Ganze dann noch um ein Vielfaches potentieren. Ich hatte bisher drei Mal das „Vergnügen“. Einzig die Tatsache, dass man so gut wie bewegungsunfähig, mehr oder weniger ohnmächtig, erschöpft und unglaublich benommen ist, hat dafür gesorgt, dass ich noch da bin.

Es ist, mit Verlaub, eine echte Scheiß-Krankheit und ich kenne mich auf diesem Terrain wahrlich aus. Ich hab einen ultrafiesen Crohn und mit ihm sehr brutale Zeiten durchgemacht. Aber vor die Frage gestellt, ob Crohn oder Migräne schlimmer ist, kann ich ehrlich keine Antwort geben. Das ist wie die Wahl zwischen Pest oder Cholera.

Seit meiner großen Bauch-Op und dem Einstellen auf mein Hamsterchen (meine Biologika-Spritze), ist der Crohn in einer medizinisch stabilisierten Remission und mir geht es diesbezüglich soweit ok. Bei der Migräne warte ich hingegen noch auf Optionen, mit denen ich die Anfälle dauerhaft eindämmen kann. Eine mögliche Lösung hat sich vor ein paar Monaten ergeben und auch dazu verweise ich einmal mehr auf den Nachtrag zu dieser Serie, wo ich – hoffentlich – bald mehr darüber erzählen kann.

Ansonsten mache ich das, was alle Migräne-VeteranInnen tun, die ihr Trigger kennen:

  • Ich versuche ungebetene Gäste in meinem Kopfgebilde draußen und das Stresslevel niedrig zu halten.
  • Ich achte auf einen geregelten Tagesablauf, trinke viel, esse regelmäßig und zwar das, was mir gut tut.
  • Ich versuche ausreichend zu schlafen und im Leben die Pastelltöne wahrzunehmen, damit die kreischenden Neonfarben und das erdrückende Grauschwarz nicht so viel Gewicht bekommen.

Das ist an sich schon ein Dauerjob und in Kombi mit dem lieben Herrn Crohn,  dem alten Schweden und den restlichen Special Effects wird eine Lebensaufgabe daraus.

Der größte Brocken bei diesem Paket: Dass ich mir selbst täglich zugestehe, dass das auch wirklich eine sinnvolle und wichtige Aufgabe ist und mich nicht darüber gräme, dass ein Jobwechsel in dieser Hinsicht nicht möglich ist. Mit Herrn Crohn, Lady Migräne, dem alten Schweden und den restlichen Zores an Diagnosen habe ich eine zwar unbezahlte, aber immerhin unbefristete und unkündbare Daueranstellung.

Der Rest der Zeit gehört der Umsetzung meiner kreativen Ideen, meinen Hobbys und Spleens und den wenigen Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin und die es mit mir und meinen Besonderheiten aushalten. In dieser Mischung finde ich an den meisten Tagen den heiteren Sinn, mit dem ich mein Krankheitsmanagerinnen-Dasein ertrage.

Alle Teile der Migräne Serie:

  1. Die ungeliebte Superkraft
  2. Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
  3. Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
  4. Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit

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Allgemein

Migräne-Serie, 3/4: Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne

Ich mags total, wenn ich in einem Gespräch erwähne, dass ich den einen oder anderen krankheitstechnischen Special Effekt im Lebensjoker gewonnen habe und dann zum Beispiel dieses hier kommt:

„Migräne hast du auch? Du hast aber wirklich überall HIER geschrien …“

Klar, mir war so fad, dass ich dachte, ich leg mir mal eben 2-3 chronische Erkrankungen zu. Vermutlich damit ich das Mitleid meiner Umgebung abcashe und gemütlich krank feiern kann, während der Rest der Welt eifrig dabei ist das Brutto-Sozialprodukt zu mehren.

Ehrlich: Ich HASSE diesen Spruch. Ich hasse ihn so unfassbar sehr, dass es mich jedesmal meine ganze Kraft kostet, meinem Gegenüber keine reinzuhauen, wenn er fällt. Zugleich möchte ich weinen, weil es so weh tut, wenn man immer wieder gesagt bekommt, dass man auf eine unerklärliche, mystische Weise selber an seiner Misere schuld ist und sie vielleicht sogar herbei gerufen hat.

Mir ist bewusst, dass das niemand so meint, der diesen Spruch von sich gibt. Die meisten denken sich gar nichts dabei und wollen nur eine verquere Art von Betroffenheit ausdrücken. Das mentale Kotzen bleibt mir dennoch nicht erspart.

Aber ich lächle, reiße mich am Riemen und versuche immer und immer wieder mit Nachdruck aufzuklären und mein Gegenüber da abzuholen, wo es steht und … ok, das ist gelogen.
Ich sage mittlerweile einfach gar nichts mehr. Ich grinse nur, würge Schmerz und Wut hinunter und wechsle das Thema.

Dabei gäbe es speziell über Migräne ganz viel zu sagen, was der beiläufige Mitmensch nicht mal ansatzweise am Schirm hat. Das es sich dabei um die dritthäufigste Behinderung weltweit handelt, zum Beispiel (siehe Teil 2: Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung). Oder dass manche Jahre darauf warten, bis sie endlich eine gesicherte Diagnose haben und wissen, was mit ihnen los ist. Womit sie noch immer nicht bei einer Therapie gelandet sind, die ihnen hilft, ihr Leben wieder lebenswert zu bekommen.

Das klingt seltsam vertraut. Auch bei CED dauert es oft noch immer lange, bis eine korrekte Diagnose gestellt wird. Doch im Vergleich zu früher geht es schneller und das obwohl CED nach wie vor zu den seltenen Krankheiten zählen. Migräne hingegen ist extrem häufig und wird dennoch oft schlecht therapiert und spät diagnostiziert.

Eine weitere Parallele zu CED sind die vielen Erscheinungsbildern dieser Erkrankung, die möglicherweise das ihre dazu beitragen, dass die Diagnose so schwer fällt. Ähnlich wie bei CED sind auch bei Migräne die Symptome höchst unterschiedlich. Andererseits sollten gute NeurologInnen heutzutage im Stande sein, einen entsprechenden Befund erstellen und ihren PatientInnen helfen zu können. Das ist aber leider nicht immer so und damit schließt sich ein weiterer Kreis der Gemeinsamkeiten zwischen Migräne und CED: Was man nicht erklären kann, dass sehe man als psychisch an.

Besonders perfide wird es in der Kombination beider Erkrankungen. Mir ist mehrmals gesagt worden, dass das eine das andere bewirkt – was betreffend einiger Schubauslösern sogar richtig ist. Aber rein gar nichts mit der Ursache der beiden Plagen zu tun hat, zumindest laut heutigem Wissensstand.

Ich bin persönlich sehr wohl der Überzeugung, dass es eine Verbindung zwischen den beiden gibt und die nicht nur darin besteht, dass man zweimal „HIER“ geschrieen hat. Oder darin begründet, dass sich Kopf und Bauch zufällig einen Körper teilen. Schon allein die Tatsache, dass man den Darm als „Bauchhirn“ bezeichnet und das es eine nachgewiesene, starke Verbindung mit dem Oberstübchen gibt (wobei der Bauch gewinnt, er hat einfach mehr Erfahrung), sind Indizien, die sehr dafür sprechen. Doch rein medizinisch weiß man es schlichtweg einfach noch nicht, die Forschung hinkt da sehr hinterher.

Die Gemeinsamkeiten von CED und Migräne im Überblick:

  • Beide Erkrankungen gelten Stand 2021 als unheilbar und chronisch.
  • Bei beiden sind die tieferen Ursachen, die die Erkrankungen bzw. die Konstellation für die Erkrankung bewirken, nach wie vor nicht komplett geklärt.
  • Bei beiden gibt es genetische Komponenten, die EINE von mehreren Ursachen sein kann.
  • Beide Erkrankungen sind unsichtbar – man sieht weder die CED noch die Migräne im Außen.
  • Beide Erkrankungen sind gesellschaftlich stigmatisiert.
  • Über beide Erkrankungen wird on- und offline ungemein viel Bullshit geschwafelt, der den Betroffenen das Leben schwer macht.
  • Beide Erkrankungen werden statistisch spät diagnostiziert.
  • Beide Erkrankungen haben ein höchst individuelles Erscheinungsbild, äußern sich also immer wieder anders, sowohl was die Symptome, als auch die Therapie und den generellen Verlauf betrifft.
  • Bei beiden Erkrankungen braucht es viel Feingefühl in der Betreuung und empathische ÄrztInnen, die einen ernst nehmen und auf diesem schwierigen Weg begleiten wollen. Und die sind, bei beiden Erkrankungen, schwer zu finden.

Kommen mehrere gesundheitliche Probleme oder Erkrankungen zusammen, wird man oft wie eine heiße Kartoffel von einem Arzt zum anderen weitergereicht oder gleich abgecancelt: „Das müssen Sie mit ihrem Neurologen klären“ – „Da ist die Gastroenterologie der richtige Ansprechpartner!“ – „Sie sollten das psychosomatisch, psychologisch, psychotherapeutisch abklären …“ bis hin zu „Stress, das ist alles nur dem Stress zu verdanken. Sie müssen einfach abschalten und zur Ruhe kommen.“

Soviel kann man gar nicht essen, als man dann kotzen möchte und Madame Migraine kann da ausnahmsweise gar nichts dafür. Als hätte man nicht schon mit den Symptomen der beiden Erkrankungen genug zu tun, muss man nun auch noch eine medizinischen Mediation coachen, damit man zu einem lebbaren Ergebnis kommt und nicht mit Psychopharmaka abgespeist wird. Dabei sollte doch zumindest die Migräne leicht diagnostizierbar sein.

Warum dauert es so lange, bis man die Diagnose Migräne bekommt?

Mein persönliche Vermutung geht dahin, dass Migräne nach wie vor nicht ernst genommen wird. Sie wird a priori unter „bisschen Kopfweh“ und faule Ausrede abgestempelt. Zudem gilt sie als klassische „Frauenkrankheit“, da es auch eine sog. „hormonelle Migräne“ gibt, die eng mit dem weiblichen Zyklus verbunden ist. Damit rutscht sie bei der nach wie vor hauptsächlich männlich besetzten Wissenschafts- und Forschungsverbundenheit immer wieder auf den ungeliebten hinteren Platz, weil kompliziert.

Der gesellschaftliche Status, dass es sich bei Migräne um eine Verspannung oder Befindlichkeitsstörung handelt, die man mit Physiotherapie, Ernährung, Entspannungstraining und anderen komplementären Methoden leicht in den Griff bekommt, ist bei vielen HausärztInnen ebenfalls noch immer state of the art und sogar NeurologInnen haben die Wichtigkeit der korrekten Diagnose nicht immer konkret am Schirm.

Ich erkläre es mal anhand meiner Migräne-Chronik:

Begonnen hat mein Kopf-Problem im Alter von 15-18 als sog. „Zervikalsyndrom“. Das bedeutet grob übersetzt, dass mein Hals-Nacken-Schulterbereich immer wieder weh getan hat bzw. das man die Beschwerden in dieser Region auf den HWS Bereich geschoben hat.

Ich bin von Natur aus sehr beweglich und gelenkig, was gut im Sport war und beim Yoga toll ist. Aber dafür flutschen mir immer wieder Wirbel raus und verschieben sich. Besonders gern in der Halswirbelsäule.

Im Lauf meines Lebens sind noch drei Autounfälle mit Peitschenschlag dazu gekommen. Braucht auch keiner, aber das Leben ist eben nicht fair.Gschissn grissen„, wie man bei uns so treffend sagt. All das reicht von allein, damit man das eine oder andere größere Gesundheitsproblem und ein paar Extrahausaufgaben mehr im Leben hat.

Auf Basis meiner ausgeleierten, instabilen und schicksalsgebeutelten Wirbelsäule sitzt ein mitunter sehr kreatives Köpfchen, dass von Mama einerseits und ein paar VorfahrInnen väterlicherseits ein paar Gene in die Wiege gelegt bekam, die nix mit hübschen Haaren und zartem Stubsnäschen zu tun haben: Ich habe auf beiden Seiten meiner Familie MigränikerInnen im Stammbaum.
Hübsche Haare und ein Stubsnäschen wären mir lieber.
Aber mich hat leider niemand gefragt.

Die ersten, von mir im Nachhinein als solche erkannten, Migräneanfälle hatte ich im Alter von ca. 25. Vermutlich schon davor, aber da wurde das als „Spannungskopfschmerz“ diagnostiziert, auf Grund instabiler Halswirbel, verschobener Brustwirbel, kaputt geschubster Bänder, massiver Verspannungen und dergleichen mehr. Die Diagnose war easy und lag auf der Hand, wozu weiter suchen?

Das Vertrackte daran: Man kann beides haben – Läuse und Flöhe gleichermaßen, sozusagen. Und manchmal triggert das eine das andere und umgekehrt. So ist es bei mir.

Bis zur neurologischen Diagnose, aus der klar und deutlich hervorging, das mein Schädel ein sehr besonderes Innenleben hat, vergingen nochmal gut 15 Jahre.

Lustige Parallele, sofern man schlechten Humor mag: Die ersten Crohnsymptome hatte ich mit knapp 18, die migränischen Kopfschmerzen begannen mit ca. 20. Die Diagnosen kamen jeweils gut 20 Jahre nach dem ersten Auftreten der Probleme und ich war dazwischen mit all meinen körperlichen Befindlichkeiten immer wieder in ärztlicher Behandlung, inklusiver intensivster Untersuchungen des gesamten Körpers, innen und außen.

Das gibt zu denken.

Vorbeugen & Wissen hilft

Wie bei allen chronischen Erkrankrangen gilt auch bei Migräne: Je besser du die Erkrankung und deinen Körper verstehst, desto besser kannst du damit umgehen und dir selbst helfen. Die Verantwortung auf die MedizinerInnen zu schieben und sie unreflektiert machen zu lassen, ist nicht hilfreich. Sie können dich unterstützen, aber du musst selbst wissen und sagen, wo die Reise hingehen soll und vor allem lernen, wie du den Alltag mit dieser Belastung aufbaust.

Zu wissen, dass Migräne nichts ist, wo ICH etwas falsch gemacht habe, war eine große Erleichterung für mich. Ich habe nun mal diese Disposition, so wie die blauen Augen und meine Hautfarbe. Ich habe keinen Fehler gemacht und es liegt auch nicht daran, dass ich ein schlechter oder unfähiger Mensch bin, zu blöd um das Leben so auf die Reihe zu kriegen, dass ich nicht dauernd KO gehe.

Dennoch kommt mit diesem Wissen eine aktive Verantwortung: Mein Gehirn ist besonders und ich muss darauf Rücksicht nehmen. Tue ich das nicht, können auch die besten Mediks und die tollste Prophylaxe nicht helfen. Da ich nicht nur ein Handicap habe, musste ich mich zwingend zu meiner eigenen Krankheits/Gesundheitsmanagerin entwickeln. Ein Körper, viele Probleme, ein spezielles Oberstübchen, ein gesundheitlicher Lebenslauf in Form einer Hochschaubahn, ohne Airbag und Gurt – das ist ein Großunternehmen, das sorgsam und sensibel behandelt werden muss, damit es stabil und lebensfähig bleibt. Das ist mühsam, immer wieder deprimierend und Nerven aufreibend.
Zudem merke ich immer wieder, dass unser Fachärztesystem dieser Anforderung nicht gewachsen ist. MedizinerInnen sind im besten Fall top in ihrem gewählten Fachgebiet. Aber wenn dann zum neurologischen Problem noch ein gastrointestinales hinzu kommt, ev. auch physiologische Komponenten dabei sind (wie z.B. nach meinen Unfällen) und noch ein paar andere Zores – dann stehen die Fachärzte an.

Die verbindende Komponente sollten an sich die HausarztInnen sein, die die Erkenntnisse zusammenfassen und auf Spur bringen. Das ist aber so gut wie nie der Fall. Damit bleibt diese Rolle einmal mehr bei einem selbst und das bedeutet: Lernen, nachfragen, recherchieren, hinterfragen, genau zu hören und nicht aufgeben, wenn das medizinische Gegenüber aus seiner Komfortzone raus muss und vielleicht ein wenig unleidlich wird.

In meinem Fall waren zum Beispiel das Finden einer hilfreichen Medikation im Anfall und die dazu gehörige Prophylaxe eine langwierige Herausforderung. Viele Klassiker und auch moderne Mittel kommen bei mir nicht in Frage, da ich neben dem Crohn auch viele Allergien habe und sich auch einiges nicht mit meiner Crohn-Medikation deckt. Die aktuell sehr vielversprechende Migränespritze zum Beispiel geht bei mir nicht. Sie ist vereinfacht ausgedrückt auch eine Art Biologika und ich nehme schon eines, das den Crohn in Schach hält. Zwei wären schlicht zuviel. Abgesehen davon setzt die Wirkung der Migränespritze bei einer Komponente an, die für den Darm immens wichtig ist und käme vermutlich schon aus diesem Grund für CED-PatientInnen nicht in Frage.

Von den wenigen verbleibenden medizinischen Prophylaxen habe ich auf die meisten nicht gut reagiert oder sie haben nicht gewirkt. Als vorläufige letzte Idee kam im November 2020 Botox auf den Spielplan und wer nun denkt „Krass, faltenfrei auf Kassenkosten!„: Nope, das isses nicht. Die Dosierung und Platzierung ist anders. Die hübsche, glatte Stirn liegt nicht im medizinischen Fokus. Aber interessante Augenbrauen und eine eingefrorene Stirnmimik gibt es dennoch inklusive. Nach 3 Monaten ist das dann wieder weg und man tritt erneut an. Und drei Monate später wieder usw. usf.
Was auch kaum jemand weiß: Die Behandlung, im Sinne einer Reduktion der Attacken, greift oft erst beim zweiten, dritten Mal. Es braucht also auch hier Geduld.

Ich habe zwei Durchgänge probiert, beim zweiten Mal wurden die Anfälle dann tatsächlich weniger. Ein drittes Mal ist bisher ausgeblieben, weil ich mit einer anderen Therapie begonnen habe bzw. im Verlauf des Herbstes 2021 eine andere Option versuche, die in meinem Fall möglicherweise zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Aber bevor du als MigränikerIn nun auf ein Wundermittel hoffst: Das wird es leider auch nicht sein.

Weiterlesen bei Teil 4: Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit

Alle Teile der Migräne Serie:

  1. Die ungeliebte Superkraft
  2. Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
  3. Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
  4. Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit
Allgemein

Migräne-Serie, 2/4: Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung

Es gibt Momente, da habe ich ein immens heftiges Dé­jà-vu-Erlebnis. Das ist nicht angenehm, weil es mich an Situationen erinnert, die ich gefühlt schon 100.000 Mal erlebt habe. Nur in Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung. Es geht um die Reaktion der Umwelt wenn ich gestehe, dass ich mal wieder einen Migräneanfall habe. Manche der Reaktionen sind sogar 1:1 die gleichen wie die, wenn ich einen Crohn-Schub „gestehe“.

  • „Du hast einfach zu viel Stress, komm runter und chill eine Runde.“
  • „Das Wetter heute – kein Wunder, dass du Kopfweh hast!“
  • „Migräne? Eh klar, wir haben Vollmond.“
  • „Migräne? Eh klar, wir haben Neumond.“
  • „Du, dass sind deine Verspannungen, ich kenn da eine tolle Übung …“
  • „Haste gestern wohl gesoffen, oder? Eine Runde um die Häuser und heute gibts Hammerwerfen in der Gedächtnishalle – Wer nix aushält, soll daheim bleiben!“
  • „Das kommt ganz klar vom Essen. Du hast eindeutig zu viele Kohlehydrate inhaliert und überhaupt: Streich mal Fleisch, Gluten und Zucker aus deiner Ernährung! Dann sind die Kopfschmerzen Geschichte.“
  • „Schlaf dich aus, dann gehts gleich besser.“
  • „Überleg mal, was dir die Migräne sagen will. Das ist eine Botschaft, die dich auf deinem Weg weiterbringen soll!“

Wer Migräne hat, bekommt immer mehr als genug Ratschläge und braucht sich absolut keine Sorgen machen, dass die irgendwann mal aufhören. Das ist eine Gemeinsamkeit, die man mit allen Crohnies teilt bzw. vermutlich mit allen, die eine unsichtbare, chronische Erkrankung haben.

Ein Outing ist damit ein zweischneidiges Schwert. Sagt man nichts, tanzen die Gerüchte wild und unbändig. Outet man sich hingegen, hagelt es Ratschläge auf einen ein. Die können geblockt, in großer Menge, aber auch als einzelne Blitze spontan herunter zucken und die mentalen Schmerzen, die beide Versionen auslösen, geben der Migräneattacke ein besondere Würze.

Leider ist das Wissen rund um diese neurologische Erkrankung bei denen, die nicht davon betroffen oder medizinisch geschult sind, noch schlechter ausgeprägt, als bei den Betroffenen selbst. Und damit kursieren Gerüchte, Halbwahrheiten und jede Menge Schwachsinn.

Also geht es im zweiten Teil meiner Migräne-Serie um das, was viele als Grund für die Migräne sehen (Trigger), um die erschütternde Vielfalt der Szenarien und Symptome und um die geheimnsivolle Aura, die diesen Namen absolut nicht verdient hat.

Die Trigger!

Der Begriff „Trigger“ bedeutet „Auslöser“ und wird in diesem Sinne immer falsch interpretiert. Denn wir verbinden damit eine Ursache, die etwas in Gang setzt. Aber ein Trigger, im ursprünglichen Sinn, ist der Abzug bei einer Schusswaffe. Die Ladung, also das was gefährlich ist, ist im Lauf. Der Trigger schickt sie nur auf die Reise. Bei Migräne sind diese Trigger zusätzliche Belastungen, die das System übersteuern und zu einer Überlastung führen können.

Klassische Trigger sind Lärm, Licht (vor allem flackerndes, blitzendes und/oder grelles Licht), starke Gerüche, körperliche oder geistige Überanstrengung, zu viel oder zu wenig Schlaf, zu viel, zu wenig oder das falsche Essen, zu viel oder zu wenig Trinken, zu viel oder zu wenig Kaffee, Tee, Zucker etc., ein Wetterumschwung bzw. plötzlich wechselnder Luftdruck, zu hohe oder zu geringe Temperaturen, ein Ortswechsel, ein vollkommen anderer Tagesablauf bzw. raus aus der Routine, bestimmte Nahrungsmittel, hormonelle Veränderungen oder etwas ganz anderes. Jeder hat seine eigene Mischung, die sich im Fall des Falles zu einem Teufelscocktail versprudelt und auch immer wieder verändern kann.

Superman hatte es mit seinem Kryptonit im Vergleich dazu echt easy .

Das Gemeine: Selbst wenn man die Kopfbude mental gut abgedichtet hat und kein Trigger bewusst „durchrutscht“, selbst wenn man den Stress im Akkord weg meditiert hat und unfassbar tiefenentspannt ist, kann ein Anfall aus heiterem Himmel kommen. Ohne das man weiß warum.

Oder man pfeift für einen Tag auf alles, genießt das Leben wie die anderen und gönnt sich all das, was man sich sonst nicht gönnt. Man riskiert also ein kapitales Kopfgewitter und es passiert – nichts.

(Was leider nicht bedeutet, dass es beim nächsten Mal auch so ausgeht.
Nein, das bedeutet es absolut nicht. Hab es probiert, kannst du auslassen.)

Die Trigger selbst sind aber NICHT die Ursache der Migräne – sie sind lediglich eklige Stressoren, die einem im wahrsten Sinn des Wortes ungefiltert auf die Nerven gehen. Die Ursache von Migräne ist, wie du in Teil 1 erfahren hast, das wunderbare, ausserirdisch geniale und damit irdisch hochempfindliche Migränegehirn.

Migräne-Anfall Häufigkeit und Dauer

Manche haben alle heiligen Zeiten einen Anfall, manche 3-4 mal im Jahr, manche alle paar Wochen, andere 3-5 Mal im Monat – das nennt man episodische Migräne.

Dann gibt es die Ober-Ka…bratze, pardon: Ober-Superkraft, namens „chronische Migräne“ mit 10-15 Anfällen im Monat. Also fast jeden zweiten Tag. Das ist die, die bei mir eingezogen ist.
Ungefragt. Ungewollt. Ungeliebt.

Die Dauer des Anfalls variiert jeweils von ein paar Stunden bis hin zu 3 Tagen, selten mehr. Aber auch das ist möglich und dann gibt es noch die ultima Ratio namens: Status Migränosus – Dauermigräne. Da hört die Chose gar nimmer auf, außer man knallt ihr einen Fullstopp mittels Schmerzinfusion vor den Latz. Sprich: In diesem Fall gehts in die Ambulanz, zum Notarzt oder ins Krankenhaus.

Die Symptome im Anfall

So vielfältig die Trigger für Migräne sind, so kunterbunt sind auch die Symptome, die im Anfall auftreten können. Übelkeit und Erbrechen sind neben den brutalen Kopfschmerzen die bekanntesten. Aber das hat bei weitem nicht jede/r. Ich kann im Anfall sogar meist etwas essen, was gut ist, denn das Migränegehirn braucht da noch mehr Energie als sonst. Das klappt meist sogar, wenn mir übel ist. Das Kauen beruhigt meinen Magen und während ich kaue, sind die Schmerzen sogar etwas gedämpfter. Andere brauchen nicht mal an Nahrung denken und hängen schon überm Porzellanthron.

Oft verschlimmern sich die Symptome der Aura im Anfall nochmal um ein Vielfaches. Oder es kommt zu Muskel- und Nackenschmerzen, Kieferschmerzen, Ohrenschmerzen, verstopfter Nase, Krämpfe in den Waden/Beinen, Durchfall oder Verstopfung oder auch beides zusammen (ja, das geht). Möglich sind auch unerträglicher und unstillbarer Durst, Benommenheit, Schwindel, Kreislaufprobleme, Sprachstörungen, Kribbeln in den Gliedmaßen, bis hin zu neurologischen Ausfällen …

Dazu die pulsierenden, pochenden, meist einseitigen Kopfschmerzen, die ein Ausmaß annehmen können, dass man ohnmächtig wird. Oder sich wünscht es zu werden. Die Schmerzen kommen meistens in Wellen und mit jedem Abschwellen glaubt man, dass es nun aus ist und man es hinter sich hat. Dann kommt die nächste Welle und man wünscht sich, dass es bitte endlich letal aus ist und man nicht nur den Anfall, sondern das ganze Dasein hinter sich lassen kann.

Die Vielfalt

Wichtig für Außenstehende zu wissen ist: Migräne tritt nicht immer gleich auf. Im Sinne von: Kennst du eine, kennst du alle. Das betrifft sowohl die Betroffenen, als auch die Anfälle selbst.

Es gibt zum Beispiel Migräne mit und ohne Aura. Das klingt zwar hübsch, ist aber absolut nichts energetisch-spirituelles. Aura war für mich immer etwas, was spirituell Begabte mit ihrem dritten Auge wahrnehmen können und wo diese einem dann erklären, welche energetischen Benefits oder Defizite sie ätherisch herauslesen. Diese Aura hat absolut nichts mit der Migräneaura gemein. Ganz und gar nicht.

Die Migräne-Aura

Die Migräne-Aura äußert sich meist durch optische, akustische und taktile „Sensationen“, zum Beispiel:

  • Man sieht kleine Blitze, wo keine sind, rund oder bogenförmig angeordnet.
  • Man hat Flecken im Blickfeld oder wabbernden Nebel, sieht doppelt, bis hin zu teilweiser oder kompletter Blindheit oder dem garstigen Gefühl, die Augäpfel möchten mal eben ihre Plätze tauschen.
  • Alles wirkt greller als sonst und das Schauen tut weh.
  • Geräusche bekommen eine neue Note, werden schriller oder dumpfer, hallen oder haben ein Echo oder kommen wie durch eine Wattewand. Gespräche werden zur Qual.
  • Es kann zum Kribbeln in Fingern oder Armen kommen, bis hin zum Taubheitsgefühl in den Extremitäten, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Nackenschmerzen.

All das und viel mehr, in Kombination oder alleine, in kleinerem, kaum merkbaren Ausmaß bis hin zum kompletten „all inclusive“ ist möglich.

Und merke:
Migräne mag keine Konstanz.
Migräne mag Abwechslung.
Migräne kommt gerne mal anderes, als beim letzten Mal und nicht immer so, wie man sie erwartet.
Migräne ist ein echtes Sche…ßding.

Migräne mit Aura und Migräne ohne Aura sind keine Leistungsgruppeneinteilung. Sie sind beide gleich grausam und beide nicht gut. Ob man eine Aura oder keine hat und auch welche Symptome während der Migräne selbst auftreten, hängt davon ab, wo der kopfinterne „Kabelbrand“ losgeht. Je nachdem also in welcher Gehirnregion die Kopftrutsche antrabt, werden Aurasymptome ausgelöst oder nicht und es treten bestimmte Symptome auf.

Wichtig zu wissen: Die Aura selbst ist bereits ein Teil der Migräne und keine Warnung oder Auslöser – sie gehört bereits zum Anfall dazu. Die Chose hat also schon begonnen, wenn du sie wahrnimmst.

Die kryptische Warnung der Aura

Die Aura tritt meist ein paar Stunden vor der Migräne auf, wie die Vorgruppe bei einem Konzert. Es gibt aber auch Sonderformen, wo sie im Nachhinein kommt oder ein längeres Vorspiel gibt oder danach kommt … nix. Das klingt toll, sollte aber nicht unbeachtet bleiben, denn das können, je nach Symptom, auch Anzeichen für einen Schlaganfall sein. Der generell bei MigränikerInnen öfter kommt, als bei normal-behirnten Menschen.
Es gibt auch die Sonderform, wo man nur eine Aura und seltsame andere, körperliche Symptome hat, aber keine Schmerzen im Kopf. Eine Art „kalte Migräne“, die dennoch gefährlich werden kann und sehr schwierig zu diagnostizieren ist.

Falls du nun denkst, dass das ein bisschen nach Epilepsie klingt: Die beiden Erkrankungen sind miteinander verwandt und Verwandtschaft kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen.

Das ist nur eine sehr grobe Unterteilung. Die geht noch viel feiner, denn es gibt viele weitere Migräne-Formen, je nach Auftreten und Symptomen. Aber das hier ist ja ein Crohn-Blog und darum belasse ich es mal so. Natürlich sind auch in diesem Fall ÄrztInnen die ersten AnsprechpartnerInnen, hier speziell die NeurologInnen.

Die Medikamente

Ich war im Zuge meiner Migränelaufbahn bisher bei einigen auch sehr bekannten Neuro-Ärzten und hab viel Geld dort gelassen. Immerhin bekam ich im Verlauf dieser Konsultationen dann auch Medikamente, die mir im Anfall manchmal helfen. Aber es hat gedauert und leider gab es auch Konsultationen, wo mir seltsame, nicht geprüfte oder sehr fragwürdige Therapien oder Medikationen angeboten wurden. Und neurologische MedizinerInnen, die sich sowohl mit Migräne als auch mit Crohn, Sjögren, meinen anderen Komplikationen und Medikamenten gut auskennen … ach Gottchen, das ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Aber blind und nur mit einer Hand, damit es nicht zu leicht wird.

Den richtigen Arzt bzw. die beste Ärztin zu finden, die einen verstehen und auch über allfällige andere Erkrankungen informiert sind, die man in die Beurteilung der Lage immer einfließen lassen muss, ist leider nicht leicht. ÄrztInnen mit Empathie und Kompetenz, die einen gut aufklären und bereit sind, einen auf diesem schwierigen Weg zu begleiten, sind leider rar. Aber die Suche lohnt sich und wenn du mit der ersten Wahl nicht glücklich bist, dann such unbedingt weiter. Auch hier sind Selbsthilfegruppen einmal mehr ein guter Tipp!

Dennoch kann auch der beste Arzt dir nicht die Aufgabe abnehmen, dass du dich von dir aus für die Sache interessierst, dich über deine Krankheit informierst und mit Wissen gegen die Ängste wappnest, die immer wieder auftauchen. Das betrifft sowohl die Medikamente für die Prophylaxe, als auch im Anfall:

  • Wie und wann genau muss man sie nehmen?
  • Was bewirken sie, wie lange wirken sie, wann beginnen sie zu wirken usw. usf.?
  • Wie oft darf man sie nehmen, mit was kann man sie kombinieren und mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen?

Ich nehme im Anfall bzw. bei Beginn meist Triptane, die mir meist gut helfen, aber auch intensive Nebenwirkungen haben. Es hat gedauert bis ich welche gefunden habe, die mir so helfen, dass ich die Hilfe nicht noch als zusätzliche Belastung empfinde. Und es ist wichtig, dass man sie nicht zu früh, aber auch nicht zu spät und vor allem nicht zu oft nimmt.

Doch auch wenn man sie richtig nimmt: Triptane dämpfen den Anfall nur und sorgen dafür, dass man den im Hintergrund weiter ablaufenden Wahnsinn nicht so mitbekommt. Das hab ich zwar vermutet, aber erst vor kurzem auch medizinisch bestätigt bekommen. Es ist also sehr wichtig, dass man auch dann Ruhe gibt, wenn man sich eine Schmerzmedikation „eingeworfen“ hat und die Qualen damit gedämpft sind. Tut man das nicht, riskiert man einen sog. Wiederkehrkopfschmerz – das Drama verlängert sich, geht ev. sogar in Serie.

Wichtig zu wissen ist auch: Triptane sind zwar sehr gut wirksam, aber man darf nur eine bestimmte Menge im Monat nehmen. Ebenso wie andere, ergänzende oder alternative Schmerzmedikamente.
Überschreitet man diese Schwelle öfters, wird aus dem Segen ein Fluch. Man gleitet in eine Schmerzmittelmigräne, die durch das ausgelöst wird, was sie eigentlich verhindern oder eindämmen soll. Die goldene Regel lautet: Maximal 10 Tagen pro Monat Schmerzmedikamente nehmen. Braucht man mehr, muss man flotterdings etwas tun, damit das System nicht kippt.

Das kann zum Beispiel einer der Gründe für die Entstehung einer chronischen Migräne sein, wo man 10-15 Schmerztage im Monat hat.

Einmal mehr ist auch hier ein Tagebuch hilfreich, wo du dir die Anfälle, Symptome, mögliche Trigger und auch die Medikation einträgt. Das gibt es auch in Form von Apps fürs Handy. Einfach mal googeln und testen, welche Version dir mehr liegt.

Statistik & Betroffene

Ich könnte Migräniker*I*nnen eigentlich auch ohne Binnen-„I“ schreiben. Nicht um die GendergegnerInnen zu grämen, sondern weil die Mehrheit der Betroffenen weiblich gelesen wird. Auch die anderen statistischen Daten sind beeindrucken und – ich gestehs – auch ein bisschen erschreckend:

  • Dreimal mehr Frauen als Männer haben mit dem Kopfgewitter zu kämpfen.
  • Insgesamt leiden 10-15% der Weltbevölkerung unter Migräne, das sind ca. 1,17 Milliarden Menschen.
  • Migräne belegt damit den 3. Platz der häufigsten Erkrankungen weltweit.
    Davor stehen Karies und Spannungskopfschmerzen.
  • Rund 10% aller MigränikerInnen leiden unter chronischer Migräne, mit 10-15 Schmerztagen im Monat.
  • In Deutschland beträgt der volkswirtschaftliche Schaden dieser Erkrankung ca. 15 Milliarden Euro durch die 143 Millionen Arbeitstage, die durch die Anfälle pro Jahr verloren gehen.
  • Im Raum Deutschland erleiden täglich 900.000 Menschen eine Migräneattacke
  • 50-60% der Betroffenen sind in keiner medizinischen Betreuung.
  • Bei den unter 50 jährigen ist Migräne der häufigste Grund für eine Behinderung.
  • Als Folge der neurologischen Erkrankung gibt es ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Herz- Kreislauferkrankungen, Suizid und Schlaganfälle.

Was Migräne NICHT ist

  • Eine Ausrede, keinen Sex haben zu wollen.
  • Eine Ausrede, nicht arbeiten gehen zu wollen.
  • Eine Ausrede, etwas generell nicht tun zu wollen.
  • Die Schuld der Betroffenen, die ganz sicher etwas falsch gemacht haben.
  • Die Folge falscher Ernährung.
  • Heilbar.
  • Etwas, dass aus Langeweile oder nur in hoch entwickelten Ländern entsteht.
  • Eine neumodische Erfindung.
  • Leicht zu behandeln.
  • Eine reine Frauensache.
  • Ein bisschen Kopfweh, für das man sich nicht so anstellen soll.

MigränikerInnen sind keine Hypochonder, im Gegenteil: Wir versuchen in der Regel so lange wie möglich durchzuhalten und haben meist gut trainierte Kaumuskeln – vom Zähne zusammenbeißen. Perfektion, Empathie und ausgeprägte Hilfbereitschaft sind Eigenschaften, die uns grundsätzlich zu guten MitarbeiterInnen machen. Aber zugleich auch dafür sorgen, dass der Migräneofen immer wieder gut befeuert wird.

Dieser Hang zur Perfektion wird auch gerne als eine Art „Psychostruktur“ der Migränepersönlichkeit gesehen und als psychologischer Hintergrund der Erkrankung genannt. Das ist meiner Meinung nach Schwachsinn. Versuch es mal andersrum: Wenn du als „Standard-MigränikerIn“ 30-40% deiner Lebenszeit dieser Erkrankung opfern musst, bist du faktisch gezwungen, den Rest deiner Zeit effizient und gut einzuteilen, damit du schlichtweg mithältst im Leben. Ohne Planung und Struktur gibt es zudem noch mehr Stress, womit ein Teufelskreis entsteht. MigränikerInnen müssen also effizient und durchgeplant sein, anders ist der Alltag nicht zu bewältigen. Chaos und Pillepalle, fünf mal eben gerade sein lassen oder ein bisschen gechillt durchhängen rangieren unter Luxus, den man sich nicht leisten kann, weil man meist sehr bitter dafür bezahlt.

Weiterlesen bei Teil 3: Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne

Alle Teile der Migräne Serie:

  1. Die ungeliebte Superkraft
  2. Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
  3. Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
  4. Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit
Allgemein

Migräne-Serie, 1/4: Die ungeliebte Superkraft

Neben dem lieben Herrn Crohn habe ich noch ein paar andere Sidekicks in meinem Leben, auf die ich herzlich gerne verzichten könnte. Eine davon ist der alte Schwede, eine weitere Madame Migraine – das unselige, verhasste Kopfgewitter. Für Betroffene eine teuflische Plage. Für Nicht-Betroffene ein Befindlichkeitsstörung, die man augenrollend oder seufzend akzeptiert, aber nicht wirklich nachvollziehen kann.

Mein migränischer Sidekick hat sich in den letzten Jahren zu einer echten Plage hoch gearbeitet, die mein Leben mittlerweile dermaßen blockiert und einschränkt, dass ich 50% meiner Zeit damit beschäftigt bin,  mich von den anderen 50%, die von brutalen Kopfschmerzattacken gekennzeichnet sind, zu erholen. Das macht keinen Spaß und damit ist auch das Geheimnis gelüftet, warum es im Blog zur Zeit so ruhig war. Mit Kopfdröhnen, Übelkeit und tagelangen Ganzkörperschmerzen wird das normale Überleben schon zu einer übermenschlichen Aufgabe.

Einmal mehr aber habe ich festgestellt, dass es mir hilft, wenn ich meinen Gedanken und Gefühlen schreibend oder zeichnend Luft machen kann. Zwischen den Anfällen sind dann immer wieder ein paar Textzeilen entstanden und auch die Zeichnungen waren irgendwann einfach da.

Da  Migräne zudem eine Erkrankung ist, die ich mit viel zu vielen anderen „teile“, dachte ich mir, dass es vielleicht hilfreich ist, wenn ich meine Erkenntnisse und Emotionen hier weitergebe. Frei im Sinne von: Auch wenns verdammt brutal weh tut und das Leben zu einer Herausforderung ohne Gleichen macht – du bist nicht allein damit, es gibt viele, denen es genauso geht. Das mag im Anfall vielleicht nicht helfen, aber kann zwischendurch mitunter Mut machen und Mut brauchen wir in Zeiten wie diesen ganz besonders.

Da meine Gedanken rund um Madame Migraine beim Schreiben immer mehr wurden, habe ich mich entschlossen den Beitrag in kleine Häppchen zu unterteilen. Es sind nun vier Teile geworden, denen noch ein fünfter in Form eines kleinen persönlichen Updates folgen wird. Die ersten vier Teile gehen geblockt online. Du kannst also direkt weiterlesen beim nächsten Teil.
Ein roter Faden zieht sich nicht durch und einmal mehr ist ein Text entstanden, der kein Konzept kannte. Es ist wie eine Erzählung, wo ich von einem Punkt zum anderen springe – wenn auch die Punkte einen gemeinsamen Nenner haben.

Beginnen möchte ich mit einer wichtigen Feststellung:

Migräne ist kein Lercherlschas.

Für alle, denen der österreichische Dialekt und seine Wortspielereien nicht so geläufig sind: Ein Lercherlschas ist übersetzt die Flatulenz – also der Darmwind – einer Lerche.
Ein Lerchenpups, sozusagen.

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung ob Vögel unter Blähungen leiden bzw. flatulieren. Ich weiß nur, dass Vögel keine Kontrolle über ihren Schließmuskel haben. Auch Tauben nicht, was vermutlich einige, die unter besonders treffsicheren Absonderungen zu leiden haben, verwundern wird. Aber es ist für den Inhalt dieses Beitrags auch nicht von allzu großer Wichtigkeit, denn es geht um etwas ganz anderes.

Die Phrase „Das is ka Lercherlschas“ [Dieses/Jenes ist kein Lerchenpups] wird im Osten Österreichs primär dann verwendet, wenn man ausdrücken will, das etwas absolut nicht simple, angenehm oder leicht zu handeln ist. Sondern das krasse Gegenteil davon.

Die Lerche ist ein zartes Vögelein, das sich, wie schon Shakespeare wusste, frühmorgens in die Lüfte schwingt, um seine Trillertöne zu posaunen. Möglich, dass das liebe Vögelchen im Zuge seiner morgendlichen Gesangseinlage auch seine Darmwinde auf die Reise schickt, so ganz nebenbei. Was gut zu der Phrase passt, denn es dürfte nicht wirklich ins Gewicht fallen. Weder was die Treibhausemissionen betrifft, noch die Luftgüte oder die darmspezifische Anstrengung.

Also: Sofern die Lerche windet, ist das dermaßen unspektakulär, dass man es auch ignorieren kann und deshalb tut. Was in keinster Weise auf Migräne zutrifft, womit wir beim Thema wären.

Wenn man mit Nichtbetroffenen über das grausame Kopfgewitter  spricht, erntet man im besten Fall Bedauern oder aufmunternde Worte. Wirklich verstehen können es meiner Meinung nach nur jene, die selbst darunter leiden. Hat man als Außenstehende/r schon mal einen Migräneanfall miterlebt, hat man vielleicht eine Ahnung, was da abgeht und das es nichts ist, das man gerne auf sich nimmt.

Witze, bei denen es um Migräne geht, wurden von denen erfunden, die null Ahnung haben und meinten, dass es sich um billiges Pointenmaterial handelt. Ich hoffe, die Hölle hat einen besonderen Raum für diese Scherzkekse. Mögen sie im nächsten Leben mit chronischer Migräne geboren werden.

Doch im Folgenden soll es nicht darum gehen, was irgendwelche Flachpfeifen als Scherzgrundlage mißbrauchen, sondern was für 10% der Weltbevölkerung zum Alltag gehört: Migräne, das unselige Kopfgewitter, das mitunter über Tage quält und die Zeit davor und danach massiv beeinflusst.

Was haben Curie, Beethoven, Freud, Einstein und ich gemeinsam?

Uns verbindet eine gemeinsam Superkraft, auf die alle herzlich mit Sicherheit gern verzichten möchten: Migräne.

Ich würde sie ja eher miese Trutsche und Schlimmeres nennen. Aber frei nach dem Motto „Ich hab´ sie gern. Weil wenn ich sie nicht gern habe, hab´ ich sie auch“ bezeichne ich die migränische K…bratze seit kurzem als Superkraft (und warum genau, erfährst du in Teil 4 dieser Serie). Wobei ich am „gerne haben“ noch arbeite und nicht glaube, in diesem Leben damit fertig zu werden.

Madame Migraine kommt gern dann, wenn man sie rein gar nicht braucht. Speziell zu Zeiten, wo man sich auf Erholung gefreut hat. Und sie ist nicht immer weg, wenn sie weg ist. Dieser Tage saß ich mal wieder mit einem Migräne-Kater  am Tisch und würgte an einer Semmel, damit mein migräneverkatertes Gehirn wieder genug Energie hat, um sich von einem mehrtägigen Anfall zu erholen. Diesen Migräne-Kater nennt man medizinisch „Postdrom“ und es gibt auch eine vorauseilende Schwester namens Prodrom. Die spürt man meist weniger intensiv. Sie flüstert eher leise das sich eine neues SuperheldInnen-Abenteuer anbahnt. Theoretisch könnte man da versuchen gegenzusteuern. Sofern man erkennt, dass man a. ein Prodrom hat und b. weiß, was man aktiv tun kann, damit sich daraus kein neuer Science-Fiction-Superhero-Horror-Movie entwickelt, indem man ungewollt die Hauptrolle spielt.

Meine Semmel war übrigens glutenfrei. Per Zufall bin ich vor kurzem darauf gekommen, dass ich Gluten nicht (mehr) vertrage. Ich habe aber keine Zöliakie, sondern eine sog. „Nicht-Zöliakie-bedingte-Glutensensitivität“ (NCGS, Non-Celiac Gluten Sensitivity).

Bis vor einiger Zeit waren Dinkel und seine Urgetreidegeschwister noch ok. Dann hatte ich immer öfter massive Sodbrand-Attacken, die Migräneanfällen nahmen auch zu, der Magen und alles tat weh oder fühlte sich hmpf-ig an. Irgendwann, nach einer kurzen glutenfreien Zeit im Zuge eines Krankenhausaufenthalts, plumpste die Erkenntnis, dass es da einen Zusammenhang geben könnten:

„Gluten und ich – wir sind keine Freunde mehr?!!
Ich wurde carb-technisch defriended??!
Wann ist das denn passiert???“

Man kann das medizinisch kaum bis gar nicht feststellen. Ausser mittels Blindaustestung, wo man glutenfrei isst und Tabletten bekommt, wo entweder ein Placebo oder Gluten drin ist. Anhand der Symptome kann man dann sagen, ob Gluten der pöze Pursche ist oder eben nicht. Oder es ganz klassisch ausprobieren, mittels Trial and Error.
Das habe ich getan und das Ergebnis war klar wie nur was: Ohne Gluten kein Sodbrennen, weniger Magen-Darm Beschwerden, weniger andere Schmerzen und – HURRA – auch tendenziell weniger Kopfdröhnen.

Glücklich hat mich das nicht gemacht, denn es ist eine große Komplikation mehr in meinem ohnehin crohnisch eingeschränkten Nahrungsplan. Laktose, Eier, Knoblauch, Paprika, Salatgurken, usw. … und nun auch noch kein Gluten. Versuch mal damit auswärts essen zu gehen.
Es ist erzmühsam. Aber es ist es wert und darum halt ich daran fest.

Denn jeder potentielle Trigger, der ausgeschaltet wird, ist ein Tropfen weniger um Stress zu vermindern, der mein sensibles Migränehirn zum Durchdrehen bringt. Darum beiße ich die Zähne zusammen oder schlage sie in ein glutenfreies Brötchen.

Wer glaubt, dass ich mit dieser heroischen Tat den bad Boy in meinem Superheldendrama ausgeknockt habe, den muss ich leider enttäuschen. Es ist nur ein kleiner Teil von vielen die mir helfen mein hochsensibles Köpfchen fit und stabil zu halten. Doch selbst wenn ich alle Trigger, von denen ich weiß, dass sie mir nicht gut tun, aus meinem Leben entferne (sofern das möglich wäre), werde ich den Superheldenstatus nimmer los, solang ich lebe. Denn die Ursache für Migräne liegt woanders.

Woher kommt das Biest?

Höret zu und merket auf: Die Ursache von Migräne ist – MIGRÄNE.

Nicht das Essen, nicht die Verspannungen, nicht der Fluch aus einem früheren Leben, nicht das Wetter oder die Mondphasen über der Arktis. Wer eine neurologisch diagnostizierte Migräne hat, der hat die, weil dem Körperchen vom Schicksal ein Migränegehirn eingesetzt wurde. Man kommt damit auf die Welt und wie bei vielen Dingen sind auch hier die Gene beteiligt. Und damit nicht genug, ist auch noch jedes Migränegehirn anders. Manche sind extrem empfindlich, andere glühen nur bei bestimmten Anlässen.

So ein Migränegehirn ist an sich sehr toll – nur eben nicht für diese Welt oder dieses Leben gedacht. MigränikerInnen haben auf Grund ihres Wunderköpfchens eine sog. Reiz- bzw. Informationsverarbeitungsstörung.

Ich erkläre das gerne anhand dieses Beispiels:

Wenn man Besuch (=Reiz) bekommt, läutet der bei jedem Normalkopf erstmal am Gartentor an. Dann wird man ihn vielleicht abweisen oder einlassen und er geht weiter durch den Vorgarten. Dann gibt es einen neuerlichen Halt an der Haustür, wo eine weitere Entscheidung fällt: Weiter reinlassen oder verabschieden?. Bei einem ok steht der Besuch kurz darauf im Vorzimmer und dort wird wieder weiter entschieden ob er weiter kommen darf oder nicht.
Ist der Besuch nett, hilfreich, wichtig oder gut, darf er vielleicht ins Wohnzimmer und man beginnt einen gemütlichen Plausch. Irgendwann geht es an die Verabschiedung und der Besuch wird wieder hinausgeleitet. Im besten Fall bleibt eine angenehme Erinnerung, im schlimmsten Fall muss man gründlich lüften, ehe man das ganze ad acta legt und sanft vergisst.

Bei einem Migränekopf steht der Besuch unangemeldet, laut um sich brüllend sofort im Wohnzimmer (frühmorgens oder dann, wenn es gerade richtig ungünstig ist) und lässt sich nur mit intensiver Gewaltanstrengung vor die Tür geleiten. Während man diesen unangenehmen Besuch zur Tür hinaustritt, trampelt schon der nächste ungebetene Gast durch die Geranien. Mitunter geben sich mehrere gemeinsam ein Ständchen, gründen eine Boyband oder lassen eine Party steigen, bei der das Blech nur so wegfliegt. Geil, wenn man da Gast sein darf. Sch…ße, wenn man alle ungefragt beherbergen muss und vielleicht noch nicht mal gemütlich am Klo war.

Diese Reize bzw. deren Verursacher, die ich mit dem Synonym „Besuch“ belegt habe, machen das (meist und normalerweise) nicht absichtlich. Die Sonne steht nicht rein aus Bosheit genau da, wo sie mir voll in die Augen knallt. Der Zug rattert nicht mir zu Fleiß laut scheppernd durch den Bahnhof und der fettig-ranzige Mief aus der Frittenbude … ok, also der belastet auch andere massiv, oder? In Summe sind es normale Begegnungen und Erlebnisse, die zum Leben dazu gehören und die man kaum vermeiden kann. Es ist auch nicht immer so, dass man das als unerträgliche Qual oder Stress empfindet. Es gibt durchaus Zeiten, da stört das überhaupt nicht. Aber es kann schnell zu einem „zu viel“ werden, wo man die innere Tür nicht mehr zu bekommt und das Haus aus allen Fugen quillt.

Die zwei Seiten einer ungeliebten Superkraft

Der Vorteil eines Migränegehirns:
Man bekommt immens viel mit, vor allem Kleinigkeiten, was auch hilfreich sein kann. Man ist immer in der Aufmerksamkeit und permanent beschäftigt, die eintreffenden Reize in gut und böse zu sortieren, damit man die guten weiter beachten und die bösen meiden kann, auch die Merkfähigkeit ist enorm.

Der große Nachteil eines Migränegehirns:
Man bekommt auch die allerunnötigsten Kleinigkeiten mit, in einer unmöglich zu verarbeitenden Menge, was regelmäßig überfordert und dann wird eine Lawine daraus, auf der die Trigger Walzer tanzen. Man ist permanent im Empfangsmodus, was irre stresst und die Systeme im andauernden Flucht-Kampf-Modus hält. Das kostet viel physische und psychische Kraft. Irgendwann ist die zu Ende und das Gewitter geht los.

Das Leben leidgeprüfter Migräne-VeteranInnen schaut demnach so aus, dass man andauernd beschäftigt ist den geistigen Besuch in „Gut, darf bleiben“ und „Alter,geht´s noch? Substrahier dich aus meinen Ganglien!“ einzuteilen. Das ist anstrengend und klappt nicht immer. Außer man kann sich im Fall der beginnenden Überforderung in eine ruhige Umgebung zurückziehen oder entscheidet sich bewusst nur dann zum Kontakt mit „Außen“, wenn man sich stabil genug dafür fühlt. So ein Cocooning ist in unserer Welt aber leider kaum machbar. Womit man dauerhaft damit beschäftigt ist, seine Trigger zu finden, sie vorweg auszuschalten und den Raum rund um das besondere Köpfchen möglichst reizfrei zu halten.

Weiterlesen bei Teil 2: Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung

Alle Teile der Migräne Serie:

  1. Die ungeliebte Superkraft
  2. Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
  3. Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
  4. Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit
Allgemein, Cartoons

(M)eine kleine Geschichte des Scheiterns

Neues Jahr, alte Zores – so könnte man es subsummarisch zusammenfassen.
Wenn es so einfach wäre.
Aber vielleicht ist es das ja und ich mache es mir nur selbst so kompliziert?

Egal.

Ich bin erschöpft, müde und matsch. Aber ich wollte endlich wieder einen Blogbeitrag hier veröffentlichen, weil ich das Gefühl habe, es schuldig zu sein. Mir in erster Linie. Aber auch auch all denen, die hier dann und wann mitlesen. Und die vermutlich mehr Nachsicht mit mir und meiner Matschigkeit haben, als ich mit mir und meinereiner 😉

Neues Jahr, neuer Kalender. Und wie sich alle rundum gefreut haben, dass das alte, das miese, das besch….eidene, garstige, traurige und böse 2020 endlich abgedankt hat! Und nun haben wir ein nigelnagelneues, funkelndes, unbelastetes und wasweißichnoch-alles schönes neues 2021. Und der erste Monat davon ist auch schon geschafft.

Nur leider haben sich die Probleme mit dem kalendarischen Impeachment des alten Jahres nicht aufgelöst. Dummerweise rotzt da immer noch dieses kac…tastrophale C-Virus durch die Welt. Mieserweise dauert es noch immer, bis die Menschenherde immun gegen das mutierende Big-C, Katastrophen, Blödheit und Verschwörungstheorien ist.
Wobei eine Impfung ja nur die Nr. 1 am Newsmarkt (=Big C) regelmentieren würde. Um den Rest müssen wir uns auch in 2021 und danach selbst kümmern.

Und dann wären da noch die alten Zores, die nicht loslassbaren Probleme und das, was jeder einzelne mit sich schleppt. Auch das ist gut mit ins neue Jahr gerutscht, hat sich schon gemütlich eingerichtet, neben den demnächst zu entsorgenden Neujahrsvorsätzen, die auch in 2021 wenig Chance auf Umsetzung haben werden.

Habe ich nun jeder und jedem ein wenig oder mehr schlechtes Gewissen verabreicht?
Ausreichend bad Vibes versprüht und für Unbehagen gesorgt?

Sorry, aber ich versuch nur von meiner eigenen Trauertütigkeit abzulenken, die sich von Jahreswechseln und dergleichen noch nie hat beeindrucken lassen.

New Year, old story: Ich bin erschöpft, innerlich und äußerlich.
U.n.f.a.s.s.b.a.r. müde hoch x, mit ganz vielen Nullen dahinter und einem Komma, das nicht mehr zu sehen ist. Weswegen es das Alltagskoma so leicht hat, sich bei mir einzunisten.

Dabei habe ich noch soooo viele tolle Pläne und Ideen und Gedankenblitze vom letzten Jahr übrig! Die meisten nigelnagelneu und weitgehend ungebraucht. Blöderweise aber zu sehr personalisiert, als dass ich sie auf Will(deinen-Schrott)Haben gewinnbringend verscherbeln könnte.

Ich wollte doch soooo gern …

… eine Video-Serie starten – und habe sogar ein 2,5 Folgen geschafft: MimiMiA

Nur war das Ansinnen, einmal die Woche konstruktiv vor der Kamera zu sudern, leider nicht mit meinem internen Kraft- und Energiehaushalt kompatibel. Wobei ich da vielleicht noch was hätte mobilisieren können, wenn … ja, wenn nicht Madame Migraine beschlossen hätte, dass es nun an der Zeit wäre, die Herrschaft über meine Tage zu übernehmen.

Mit 10-15 Migräneattacken im Monat ist es nimmer lustig Videos zu basteln. Da kommt man auch ohne bewegte Bildererstellung sehr an seine Grenzen und fordert zugleich die gesamte Kompetenz seiner NeurologInnen und der anderen, die einen medizinisch unterstützen sollen, bis zur Neige aus. „Chronische Migräne“ ist etwas, das man nicht mal seinem schlimmsten Feind oder gar dem Ex-Washingtoner Semmelkopf wünscht.

Nachdem sich eine Lösung dieses Problems mangels vorhandener, noch verbleibender Optionen nicht mal ansatzweise am Horizont zeigt und die Möglichkeiten, die ich schon probiert habe, auf schul- und paraschulmedizinischer Seite, nichts gebracht haben, tue ich mir gerade sehr schwer, meinen altbewährten Münchhausentrick anzuwenden, um mich aus dem Sumpf der Trostlosigkeit zu ziehen.

Resilienz ist wunderbar und toll und super und ich bin, glaube ich, recht fit in diesem Programm. Aber zur Zeit dominiert das Gefühl in einer Einbahn-Sackgasse zu stecken, ohne Umkehrplatz in Aussicht. Dafür kommt die Wand, an der diese Straße endet, immer näher und ich sag mal so: Schön ist die nicht.

Und ich wollte doch soooo gerne …

mein Buchbaby promoten, überall bekannt machen, Lesungen halten und einfach allen und jedem davon erzählen, die es auch nur ansatzweise interessieren könnte!

Ein Jahr ist es nun her, dass mein erstes Buch „Shitstorm im Darm“ im Handel erhältlich ist. Ein Jahr, das für die gesamte Menschheit prägend, gesellschaftlich verändern, schmerzhaft und sehr herausfordernd war. Das ist kein Klima, in dem ein kleines Buchbaby gut aufwachsen, groß und stark werden kann.
Um es im Crohn-Jargon zu sagen: Das Thema CED-Awareness und damit verbundene Publikationen geht den meisten grad da vorbei, wo die Sonne nie scheint und man dank Home-schooling-office-staying die meiste Zeit draufsitzt. Außer denen, die auch in dieser Zeit den bequemen Bürostuhl allzu oft mit dem weißen Porzellanthron tauschen müssen.
Denn Funfact: der Rest der kranken Dinge macht auch in Corona-Zeiten KEINE Pause. Ja! Wirklich! Die chronisch Kranken sind noch IMMER krank. Wer vor Big-C gesundheitliche Probleme hatte, wurde NICHT durch die Pandemie davon erlöst.

Das einzige was sich geändert hat: es ist noch mühsamer. In vielen, viel zu vielen Belangen. Angefangen von Arztterminen, Kontrolluntersuchungen, Behandlungen, Reha und Kuraufenthalten … bis hin zu Rücksichtnahme, Akzeptanz, Bewusstmachung.

Ein lieber Freund, der letztes Jahr den Weg über die Regenbogenbrücke gehen musste (#fuckcancer), hatte diesbezüglich sehr spezielle Aha-Erlebnisse. Zum Beispiel als er im Zuge seiner Chemo mit anhören durfte, wie ein Arzt zur DGKS der Station gesagt hat, dass sie nun schauen müssten, dass die Betten leer werden. Damit man endlich Platz für die „richtigen Kranken“ habe.

Toll. (nicht)

Da verrottet einem das Motivationskonfetti in der Tasche und man möchte nur noch eines: Jemanden finden der dem Doofkopp ordentlich eins hinter die akademischen Löffeln knallt, damit der Dachschaden schnellst möglich behoben ist.
Leider. Keiner da und damit darf so ein Medizinerchen weiter durchs kranke Haus gurken.

Und dann wollte ich noch sooooo gerne …

… ganz viel mehr. Vor allem solche Sachen, die Freude machen.
Und was Neues lernen.
Und was Neues anfangen. Schreibend, zeichnend, lustig lebend …

Und dann war ich am Ende des Jahres vor allem eines:

Dankbar.

Weil trotz alledem, was da so passiert ist, trotz dem vielen Müll, der einem vor die Füße gefallen ist, trotz den vielen so unendlich traurigen Dingen, die da passiert sind … trotz alledem und alledem auch soooo viel Schönes da war:

  • Das alle in der Familie soweit fit und gesund sind und waren und bitte bleiben.
  • Das mein Buch trotzdem seinen Weg in die Welt derer gefunden hat, für die ich es geschrieben habe, und es tapfer und ohne viel Unterstützung von mir weiter in die große Weite Welt wandert und seine Kreise zieht.
  • Das mein Crohn trotz Mistmigräne seine Klappe gehalten und in Remission geblieben ist.
  • Das sich neue Projekte, bei denen ich teilnehmen bzw. etwas beitragen konnte, spontan ergeben haben und ihren Weg in die Realisierung geschafft habe. Unter anderem eine tolle Ernährungsbroschüre für CED PatientInnen und eine super informative Fistel-Broschüre und eine sensationell gei…tolle Fotosession namens #makeitvisible, wo ich und andere ihr Bäuchlein in die Kamera gehalten haben … usw. usf.

ALL DAS und noch einiges mehr war auch möglich, trotz alledem und alledem, was da rundum passiert ist oder nicht geschehen konnte. Und das ist schön, das macht Mut, das gibt Kraft und das füttert meine Resilienz. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Weil es mir Hoffnung macht und damit die Tage, an denen ich migräne-frei habe, mit Zuversicht anreichert. Die dringend notwendig ist, damit die anderen Tage überstanden werden können.

Wenn sich nun noch wie in einem schönen Hollywoodfilm-Ende das oben beschriebene Sackgassenende in einen Vorhang verwandelt, hinter dem die sehnsüchtig erhoffte, endlich wirklich wirksame Therapie gegen das anhaltende neurologische Kopfgewitter auf mich wartet, dann beginne ich auch wieder brav an Wunder zu glauben und lasse sie gerne geschehen.

Bis dahin teste ich meine, schon dringend nach der besten Friseurin der Welt schreiende, Haarpracht, ob sie noch stabil genug ist, damit ich mich an den straßenköterblonden Strähnen aus dem Trauersumpf ziehen kann, wie weiland mein liebstes Resilienz-Vorbild Baron Münchhausen.
Weil das am besten mit kleinen Schritten geht, sehe ich den ersten Blogbeitrag heuer mal als Erfolg an und versuche in Bälde weitere nachzuschieben. Schließlich verlangen die schönen Dinge des letzten Jahres (wie oben ansatzweise aufgezählt) nach Anerkennung und Publikation. Vielleicht lassen sich dann die zaghaften Ideen dessen, was da noch so in meinem kreativen Hinterstübchen schlummert, an der migränischen Dauertrutsche vorbei, ans Licht lotsen.

Ohne Stress, ohne Druck, einfach so, aus Spaß an der Freude.
Das wäre schön.

Allgemein

Kartenhauskarussell

Müde – das ist das Schlagwort dieser Tage.
Ich bin müde.
Nicht „wenig-Schlaf-gehabt“-müde.
Nicht „zu viel getan“-müde.
Nicht „schlechten-Tag-gehabt“-müde.
Sondern „Alles ein bisschen mehr als zu viel gewesen“-müde.

Und dieses „alles“ lässt sich auf ein paar Faktoren einschränken. Nämlich zu viel, zu lange andauernde Situationselastik, von außen und innen:

Wenn man am Beginn der Woche keine Ahnung hat, ob der Kalender sich täglich dreimal neu schreibt und man am Ende der Woche entweder gar nichts oder viel zu viel gebacken bekommen haben musste.

Wenn man zum Doc-Date ins Krankenhaus aufbricht und keine Ahnung hat, ob man trotz rechtzeitig wegfahren auch rechtzeitig da ist, weil die nach wie vor nicht eingespielten Corona-Kontrollen so chaotisch sind und man dann erst beim Betreten des Raumes sieht, ob man auch wirklich bei „seinem“ Doc gelandet ist … oder seiner nicht geliebten Vertretung (und damit das ganze Abenteuer, den Aufwand und die Hoffnungen in den Kübel kicken kann).

Wenn man Aussicht auf ein paar schöne Tage hat und Madame Migraine einem genau dann beehrt und man versucht dennoch durchzuhalten. Wissend, dass die Schönheit des Moments sich erst lange danach als Erinnerung ergeben wird … oder auch gar nicht.

Wenn dies und das und nochwas ... und all das nicht, wenig oder ganz anders kommt, geht, sich zeigt oder wasweißich.

Ich bin müde, frustriert, resigniert, erschöpft und – als Crohnie besonders perfide, also bitte einmal kräftig „Ha Ha“ – scheiß drauf.

Ich hatte Hoffnungen und Pläne für dieses Jahr. Und wie bei allen anderen Menschen auf dieser Welt hat auch bei mir das Leben gemeint, dass es mal eben ein neues Level freischaltet und spontan prüft, inwieweit ich mich an das statische Sein angepasst haben oder ob ich eh noch beweglich genug bin, die sich täglich dreimal ändernden Umstände, Emotionen, Termine und Vorgaben wie ein Lebensschleudertrauma flexibel ins Dasein zu integrieren.
Da kann einem schon mal die Luft ausgehen und dafür braucht es gar keine Maske (die das alles nicht schlimmer macht, sondern zumindest dafür sorgt, dass man sich Mengen an Make-Up spart, um zu versuchen cool und fesch auszusehen, und keiner sieht, dass einem darunter nicht nach Lächeln zumute ist).

Abgesehen vom bösen C wäre der Sommer ein schöner gewesen. Also wenn man auch davon absieht, dass (mir) die Hitze teilweise unerträglich war und sich in unmittelbarer Umgebung ein paar sehr zu Herzen gehenden Lebensdramen abgespielt haben, es teilweise noch immer tun und nein, da kann Frau sich nicht raushalten oder abschalten oder wegsehen.

Ich bin unendlich müde … und es hängt zur Abwechslung mal nicht (nur) am niedrigen Eisenspiegel und am blassen Blutbild.
Ich bin grundmüde … und die zunehmend mehr werdenden Migränetage machen das nicht besser.
Ich bin winterschlafmüde … und bedaure einmal mehr, nicht als Bär auf die Welt gekommen zu sein.
Ich bin frustriert-müde … und die Gründe dafür sind üppig.

Was ich hätte tun sollen-wollen:

Mich volle Kanne in das Projekt „MEIN ERSTES BUCH BEKANNT MACHEN UND PROMOTEN“ zu stürzen.
Sprich: Mit Verve netzwerken, Kontakte kontaktieren, Bonus-Content kreieren, Lesungen und Auftritte organisieren, Social Media befüllen und mich als Neo-Autorin positionieren.

Außerdem: Mir Gedanken über ein mögliches nächstes Buch machen, eine Übersetzung des ersten ins Englische zu ermöglichen suchen und meine ultimative Positionierung als Darm-Fluencerin zu inszenieren. Ich hätte pushen und dingsen, schreiben und reden, zeichnen und filmen, dies und das und noch was wollen-sollen. Und es ist nicht nur dem Big-C zu verdanken, dass so gut wie nichts davon geschehen ist.

Mein Buch wächst leise und zart in die Welt – im Sinne von: Wird bekannter. Nicht in dem Ausmaß und der Schnelligkeit, wie der Verlag und ich es uns erhofft haben, aber es wächst stetig. Und das Schönste: Die Reaktionen sind durch die Bank gut, motivierend und erfreulich. Aktuell (Stand September 2020) sind es 14 Sternebewertungen auf Amazon, mit 10 Rezensionen ebendort.

Die Rezensionen bzw. Buchbeschreibungen von anderen, in Blogs & Co., sind wie gehabt und ja, ein bisschen tut es weh, weil wir sehr viele Rezensions-Exemplare ausgeschickt haben (und vorweg gefragt haben, ob Interesse an einer Rezension besteht), aber bis heute nur sehr wenige Retourmeldungen dazu gekommen sind. Dafür sind die, die da sind, bekräftigend und erfreulich und machen sehr happy. Und ich bekomme immer wieder sehr berührende, schöne, ermutigende Mails von LeserInnen, die mich für Tage glücklich machen. Das tut unendlich gut, bestärkt und macht Mut.

Andererseits habe ich selbst auch einen Stoß Bücher hier liegen, die ich lesen und rezensieren sollte und einige liegen schon länger – mea culpa. Insofern alles gut und verständlich, so ein Buch liest sich nicht von selbst und das Schreiben darüber braucht auch nochmal Zeit und Motivation.

Die Idee und der Wunsch Lesungen zu machen, waren vor Big-C sprudelnd und ambitioniert. Das Ganze dann C-bedingt virtuell zu machen scheiterte an meiner mangelnden Kraft, mich dem Thema situationselastisch anzubiegen und der Tatsache, dass Zoom-Meetings und Videos not my yellow from the egg sind. Nicht von technischer Seite her, sondern betreffend Aufwand und Anstrengung (und Eitelkeit: Ich mag mich auf Videos nicht ansehen).

Immerhin: Eine virtuelle Lesung für ein Unternehmen gabs – ohne Bild, dass sich durch die kollabierende Internetverbindung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Dabei hab ich mich dafür extra hübsch gemacht und auch den Hintergrund beschönt. Ich hoffe, es kam auch verbal fesch rüber 😉

Fakt ist, dass ich das alles auch ohne Big-C nicht so geschafft hätte, wie ich es mir im Frühjahr erhofft-träumt habe. Nicht mit meinen unsichtbaren Sidekicks namens Crohn, Migräne, Fatigue und dem Rest der fiesen Gang. Es hat einen guten Grund, dass ich seit 2016 in Berufsunfähigkeitspension bin, also nicht arbeitsfähig. Und ein Buch in der Form zu promoten, wie ich es vor hatte und wie es vermutlich gut wäre, ist ein 24/7 Fulltime-Job.

In den letzten Jahren hat sich zudem meine Migräne zu einer wahren Pest herausgewachsen. Diesen August bin ich auf 14 Schmerztage gekommen, mit 11 Anfällen. Das ist ein neuer, persönlicher und sehr schmerzhafter Rekord, auf den ich keinen Wert gelegt habe.
Funfact: Es sind genausoviele Schmerztage, wie ich aktuell Sternebewertungen für „Shitstorm im Darm“ habe. Darüber kann man bei einem Hafer-Matscha-Ladde schon ein paar Sekündchen filausoflieren. Doch wer die Hälfte des Monats Schmerzen im Oberstübchen hat, der (die) hat keine Kraft über, um sie stylish im grünen Hafer-Gschloder zu versenken.

Und ich liebe Matcha-Latte.
Und philosophiere auch gerne.

Wenn ich ehrlich bin, dann ist es vermutlich diese Komponente, die den größten Anteil an meiner Frust-Erschöpfung-Sinn-Müdigkeit hat. Ich meine: Wadsefuck???

Ich habe 99% der Dinge probiert, die man bei Migräne probiert, in absolut jeder medizinischen-alternativen-komplementären Richtung. Der fiesen Hirn-Funsen ist es sch***egal. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt.
Akkupunktur, Homöopathie, Schmerzmediks quer durch die pharmazeutische Landschaft (NSAR, Non-NSAR, Triptane …), einmal durch alle Kräutergärten der traditionellen Medizinen, Stressvermeidungs- und Entspannungstechniken (alles, wirklich ALLES was es gibt – kann einen Workshop nur dazu machen). Außerdem Injektionen in vielerlei Form und (immer, IMMER!) dahin, wo es richtig-richtig weh tut und seit 2 Jahren ein Spezial-Elektrodengerät, dass mir zwei-dreimal täglich die Nerven im Köpfchen ordentlich durchbrutzelt, damit sie abgehärtet und disziplinierter werden.

Wer sich nun berufen fühlt, mir Tipps á la „… hast du schon XYZ probiert“ zu senden-sagen-schreiben: Bitte verzichte darauf und geh davon aus, dass ich es probiert habe, vermutlich sogar mehrfach.
Das gilt speziell für Diäten, Bioresonanz und andere Austestungen, Geistheilung, Handauflegung, Nahrungsergänzungsmittel, sämtliche klassischen und energetischen Massagerichtungen, Schüsslersalze, Wundersalben, Zauberpflaster, Himmelskonstellationsveränderungen, Seelenklempnereien und vieles anderes, ähnliches.

Ich mache täglich Yoga, seit Jahren.
Ich meditiere täglich, auch schon eine ziemliche Lebenszeit lang.
Ich bin viel in der Natur, gehe täglich (Danke Hundegirl) spazieren – meine Kondi ist nicht brüllend, aber gut.
Ich halte mich seit Jahren strikt an meine Diät und die sehr seltenen Ausrutscher dann und wann gehören zu dem, was man Leben nennt.
Ich weiß, was bei mir Anfälle auslösen kann: grelles Licht, Stress, falsches/zu spätes/zu üppiges Essen, zu wenig Essen, Lärm, zu wenig Trinken, bestimmte Nahrungsmittel, blöde Mitmenschen, Katastrophen, Wetteränderungen, Bauchbeschwerden, starke Gerüche, Überanstrengung in jeder Form, zu wenig Schlaf, zu viel Schlaf, die Mondphasen über der Sahelzone usw. usf.

Und ich versuche soviel davon zu meiden, wie nur möglich und sofern es sich vermeiden lässt. Was nicht immer geht, denn: This is life – it happens, obwohl du versuchst es zu vermeiden.
Doch selbst wenn ich alles, absolut alles, was ich meiden kann, meide, passiert es trotzdem immer wieder und der Kopf explodiert vor Schmerz. Der Tag ist im Eimer, die Kraft geht fürs Durchhalten drauf und der Magen muss einmal mehr mit den Schmerzmediks klarkommen, damit der Rest des Körpers zumindest ein erträgliches Sein hat. In 7 von 10 Fällen habe ich keine Ahnung, warum es so ist, was diesmal der Auslöser war, wer oder was Schuld hat.

Ich bin im Grund ein positiv denkender Mensch, mit Zielen und Ideen und Wünschen fürs Leben. Ich habe also das, was man SINN im Leben nennt und meine Ideen dafür reichen weit, weit in die Zukunft. Und dennoch bin ich momentan einfach nur unendlich müde von diesem Sein. Es ist immer wieder zu viel Erschöpfendes darin, als man mit gewaltigen 1,61cm Körpergröße und klatschnassen 60kg erträgt. Und dann fragt man sich, ob der Sinn noch einen solchen macht.

Was mir „das“ sagen soll, frag ich übrigens schon lange nicht mehr. Das hat keinen Sinn, da geht man nur in den Wirren des Denkens grübelnd unter, ohne auch nur den Anschein von Licht am Ende des Dunkels zu finden und bekommt zusätzlich Kopfschmerzen.

Seltsamerweise geht es dennoch immer irgendwie weiter.
Seltsamerweise stehe ich dennoch immer wieder auf, rolle mich auf meine Yogamatte, versuche mich soweit zu entwirren und entwickeln, dass ich es schaffe, körperlich in den Tag zu steigen.
Seltsamerweise geht mein Kopf dennoch über vor Ideen, Geschichten, kreativen Vorstellungen, die ich unbedingt umsetzen will.
Seltsamerweise findet sich dennoch immer wieder Kraft, damit ich das dann auch tun kann.
Seltsamerweise springt dennoch fast täglich ein Funke an, der mir soviel Wärme schenkt, dass ich mir einheizen kann, mich dem Tag stelle, virtuell in die Hände spucke und zumindest Teile meines Planes, meine Welt zu einem besseren Ort zu machen, in Angriff nehme.

All das kostet Kraft und noch mehr Zeit und wenn einem, dank Madame blödes-Mistvieh-Migraine die Hälfte des Monats gestohlen wird, dann ist am Ende des Monats eben auch nur entsprechend wenig passiert und im Außen sieht man kaum was davon.

Will sagen: Mich gibt es noch, ich lebe, ich zeichne und schreibe (wieder), ich bin aktiv, soweit ich aktiv sein kann, und freue mich, dass mein Buch auch ohne meine aktive Begleitung gehen gelernt hat, sich zaghaft umsieht und seinen Weg durch die Welt gehen wird. Halt eben in einer anderen, langsameren, aber ermutigend hoffnungsstureren Weise, als ich geplant hatte.

Der Rest ist ein Kartenhaus-Karussel: Immer knapp vorm Einstürzen, immer in Bewegung, ohne Plan, fallweise dreht man sich im Kreis, fallweise wird man gedreht und dann wieder gehts hoch hinaus, so dass man den Rand der Welt und darüber hinaus sehen kann. Und fallweise purzelt man ein paar Stockwerke tief hinunter, umgeben von fallenden Karten, die wie Herbstblätter in alle Richtungen davon stieben und im besten Fall den Fall bremsen.

Leben eben.
Auf meine eigene, sehr spezielle Art.

Danke fürs weiter hier Mitlesen, Zuhören und drauf Warten, dass was erscheint.
Ich liebe euch!