Allgemein

Innige Weihnachtswünsche für Crohnies & Co.

Alle Jahre wieder läutet das Christkind und im Vorfeld kommen familienseitig Anfragen, was denn heuer im Strumpf sein soll.

Alle Jahre wieder grübel ich – soll ich mich für kleingeistig-egoistische persönliche Wünsche stark machen, die nur mir persönlich Freude machen? Oder den Horizont erweitern und umfassende, globale Wünsche aussenden, die neben meiner Person auch noch für andere gut sind?

Klar, kann man ja auch beides machen, aber in beiden Fällen bleibt die Frage: Was soll ich mir nun wünschen? Denn im Detail ist es schon ein wenig kompliziert.

Zum Beispiel die Sache mit dem Weltfrieden: Haben wollen ihn alle, aber eben nur zu den eigenen Bedingungen, womit sich die Frage erhebt, wessen Argumente/Bedingungen die besseren sind und bei dieser Schlammschlacht bin ich echt überfordert.

Das mit Gesundheit für alle wäre ja ein supertoller Wunsch, aber: Die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit ist fließend und manch einer behauptet, dass die ultimative Heilung sowieso erst mit dem Tod stattfindet. Was ich ehrlich gesagt nicht bewiesen haben möchte.

Erfahrung hat mich zudem gelehrt, dass man seine Wünsche sehr direkt und konkret äußern muss, a la: Nicht ein Buch, sondern ein bestimmtes Buch, mit Titel, Autor und ISBN Nummer (apropos: Falls du noch eines suchst, hier wäre eines von mir und im Link findest du direkt alle notwendigen Daten 🙂

Da ich weiß, dass Wünsche oft spontane Gesellen sind, notiere ich mir meine auf einer Liste am Handy und sortiere dann vor Geburtstag und Weihnachten aus, was nicht mehr aktuell ist. Damit hab ich dann im Fall des Falles weniger Stress und wunder mich zugleich, auf welch seltsame Ideen mich das Jahr so gebracht hat.

Soweit zu meinen Wünschen, ABER man darf sich ja auch für alle anderen rundum etwas wünschen und daran nage ich immer wieder, speziell wenn ich Weihnachtskarten mit Wünschen an andere Crohnies, Freunde und Verwandte schicke. Was wünscht man denn anderen so, dass man das Gefühl vermittelt, man hat sich Gedanken gemacht und überlegt, was die/der andere gut brauchen kann im Leben, auf ideeller Basis. Im Lostopf sind meist Freude, Spaß, Glück und gute Tage, die Klassiker also. Immer genug Geld am Ende des Monats ist schon etwas spezieller und vor allem für chronisch Kranke meist ein Traum.

Womit ich zu einem Thema komme, dass sich mir dieser Tage auf ungute Art eröffnet hat und wo ich sicher bin, dass sich alle andere in ähnlicher Situation freuen würden, wenn man das endlich glücklich lösen könnte. Womit sich wiederum ein schöner Wunsch ergibt, den ich dem Universum ans geneigte Herz legen will:

Liebes Universum,

bitte beseitige die Hürden und das Chaos mit der Regelung der Rezeptgebührenbefreiung, mache sie leichter zugänglich und verständlich und finde einen Weg, dass chronisch Kranke endlich bessere Konditionen bekommen, als aktuell vorhanden.

Danke im Voraus,

mit innigsten Wünsche für den Wohlergehen und den allerherzlichsteb Grüßen,

Michaela

Damit andere den Hintergrund diese Wunsches verstehen, muss ich etwas ausholen:

In Österreich wird von der Krankenkasse eine Rezeptgebühr eingehoben, die aktuell (Stand 2022), bei 6,22 Euro liegt. Dieser Betrag wird für jedes Medikament eingehoben, das von den Grundkosten her über diesem Betrag liegt.

Das ist einerseits gut, denn viele Medikamente, für Crohnies und andere chronisch Kranke, wären ansonsten unerschwinglich für die PatientInnen. Andererseits steigt die Rezeptgebühr kontinuierlich an und alle Medikamente, deren Kosten darunter liegen, werden zwar um den günstigeren Grundpreis hergegeben, ABER – und das ist ein riesengroßes ABER – sie rutschen damit NICHT in die Berechnung für die Rezeptgebührenbefreiung hinein*. Denn ab einem bestimmten Betrag, den man für gebührenpflichtige Rezepte ausgibt, ist man von der Gebührenpflicht befreit. Das sind aktuell 38 Rezepte, die man in einem Jahr zu bezahlen hat (mit besagten 6,22 Euro je Medikament). Hat man diesen Betrag bezahlt, hat man den Rest des Jahres „gebührenfrei“. Bis auf die Medikamente, die unter der Gebühr sind und alle anderen Medikamente, die man sich privat zahlen muss, weil sie von Seiten der Krankenkasse als nicht wichtig erachtet werden (Z.B.: Nahrungsergänzungsmittel, so gut wie alle Vitaminpräparate, auch wenn sie ärztlicherseits verordnet werden, diverse Schmerzsalben, die meisten Cremen und Salben für Hautprobleme, etc.).

Es bleibt damit noch immer ein großer Brocken, der von den PatientInnen selbst gestemmt werden muss. Doch immerhin: Man bekommt einen Teil, vor allem auch die richtig teuren Mediks, für den Rest des Jahres ohne Rezeptgebühr.

Außer es passiert etwas beim Einbuchen. Was ich dieser Tage erlebt habe und plötzlich, obwohl seit Oktober schon „befreit“ , eine richtig fette Rechnung bezahlen musste, um an meine Medikamente zu kommen. Auf meine leicht fassungslose Frage, warum das so sei, kam als Antwort, dass das im System eben so eingetragen ist und „man“ da grad nix machen kann. Ich sollte mich an die ÖGK wenden, die könnten den Knopf lösen. Das tat ich, der Knopf wurde umgehend gelöst, die Ursache habe ich nicht wirklich verstanden, und das Geld ist dennoch weg. Doch es wird mir netterweise fürs nächste Jahr „gut geschrieben“. Ich rutsche dann um diesen Betrag früher in die Gebührenbefreiung.

Wer da welchen Fehler gemacht hat, wird nie geklärt werden, außer: Meiner ist es nicht. Aber ich bin die, die dafür bezahlt. Zinsen gibt es logischerweise keine.

Das mögen manche jetzt vielleicht als Jammern auf hohem Niveau sehen. Doch wenn du chronisch krank bist und dauerhaft Medikamente nehmen musst, dann ist ein recht großer Teil deines Einkommens fix gebunden für diese Dinge. Womit das Ende des Geldes oft früher kommt als das Ende des Monats.

Ich bin wirklich glücklich, dass ich in einem Land lebe, das ein einigermaßen gut funktionierendes Gesundheitssystem hat. Ehrlich. Auch wenn dieses System zunehmend kriselt, ist es um vieles besser als das, was man in vielen anderen Ländern der Erde hat. Aber das bedeutet nicht, dass man es nicht optimieren kann.

Darum mein obiger Wunsch. Darum die Bitte, das Chaos zu beheben und es wäre nicht nur toll, sondern echt sensationell, wenn man auch die Medikamente in diese Gebührenrechnung einfließen lässt, die unter der Rezeptgebühr liegen. Und wenn ich schon dabei bin, wünsche ich mir auch ganz frech und wild, dass man die gebührenbefreiende Einkommensgrenze für chronisch Kranke auf ein realistisches Niveau bringt. Von ausreichend Kassenpraxenterminen für Physio- und Psychotherapie in sinnvoller zeitlicher und räumlicher Reichweite ganz zu schweigen – DAS wäre toll, sensationell und megaaffengeil. Der Himmel auf Erden quasi.

Vielleicht hilft es ja, wenn ich diese Wünsche dem Universum mitteile. Und wenn sich das noch ein paar andere auch wünschen, tja, DAAAANN könnte ja vielleicht ein universelles Wunschmolekülchen in Bewegung kommen und möglicherweise etwas in Gang setzen, was dann irgendwann zu einer Wunscherfüllung führt.

Lacht nur 😉 Träume und Gedanken sind bekanntlich frei und ich glaube, dass Wünsche auch dazu gehören. Geschadet ist damit jedenfalls niemand, also: Lasst uns fröhlich wünschen!

Aber nun zu den wirklich wichtigen Wünschen. Nämlich die von mir für DICH:

Ich wünsche dir von ganzem Herzen, …

  • dass du jederzeit eine freie, bequeme und saubere Toilette in der Nähe vorfinden, wenn du sie brauchst.
  • dass du immer genug weiches WC-Papier in Reichweite hast.
  • dass dich bei deiner nächste Koloskopie schöne Träume begleiten und die ausführenden ÄrztInnen ein zartes Händchen haben, damit sie dich nicht zwischendurch wecken.
  • dasss deine Medikamente gut, dauerhaft und nebenwirkungsfrei wirken.
  • dass sich deine Blutwerte aufrichtiger Norm erfreuen.
  • dass dein Calprotectin auf Normalniveau residiert.
  • und vor allem: dass dein Crohn in einem laaaaangen, tiefen Remissionsschlaf versinkt!

Hab es hübsch, warm und fein, mach es dir so gut es geht gemütlich in der berühmten Zeit zwischen den Jahren, aber unbedingt auch davor und danach. Lande sanft im neuen Jahr und möge sich all das, was DU dir wünscht, zu deiner Zufriedenheit erfüllen!

Herzlichst,

Michaela


Es gibt auch eine Rezeptgebührenbefreiung, die man automatisch bekommt, wenn man vom gemeinsamen Familieneinkommen her unter einer bestimmten Grenze liegt. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Grenze sehr, sehr niedrig angesetzt ist und man wirklich sehr, sehr wenig Geld zur Verfügung haben muss, damit man dauerhaft Gebührenbefreit ist. Oder wie es jemand unlängst sagte: Zum Glück liegen wir darüber, sonst wäre das Leben unleistbar. 

Crohnisch Alt

Wofür sind Frauen über 50 noch gut?

Ich habe vor ein paar Monaten beschlossen meinem Blog hier eine klein wenig neue, angepasstere Ausrichtung zu geben, getreu dem Motto: Crohnisch alt. Das ist jetzt … nun ja, paar Wöchlein her. Das Leben hatte zwischendurch ein paar andere Termine mit mir – gute und weniger gute, wie das halt so ist.

Anfang November, rund um meinen 55. Geburtstag, bin ich im Netz auf die Blogparade von Mia Brummer gestoßen und es hat „Klick“ gemacht – da muss ich was dazu schreiben! Denn Mia stellt ein paar spannende, provokante Fragen und wünscht sich ernsthafte Antworten dazu:

… wie wird man in der Gesellschaft als Frau 50+ wahrgenommen?
Wie darf man sein oder soll man sich verhalten? Was geht Dir dabei durch den Kopf?

Da ging mir einiges dazu durch den Kopf und spontan habe ich alle Fragen, die Mia als Beispiel für mögliche Beiträge gestellt hat, genommen und meine Antworten dazu geschrieben.

Voilá, hier nun meine Sicht zum großen Thema „Wofür sind Frauen über 50 noch gut?

Ist man mit 50 endlich erwachsen?

Wenn ich von mir ausgehe: Nein und ich glaube, dass ich das auch niemals werden möchte – im Sinne von dem, was ich als Kind unter dem gesellschaftlichen Status von „erwachsen“ verstanden habe. Meine Interpretation dieses Begriffes ist: Gesetzt, statisch, angepasst … auf Spur gebracht, ohne besondere Extravaganzen, die Emotionen sind unter Kontrolle und da bleiben wir, mit Fixanstellung, bis ans ultimative Ende. Furchtbar!

Dieses Bild ist mir zu statisch. Je älter ich werde, desto mehr wachse ich in mein inneres Kind hinein: Neugierig, immer am Lernen (in der guten Version, nicht in der schulischen!) und auf der Suche nach Geschichten. Mit den Jahren werden der Raum und die Freude, mit der ich mich auf dieser Reise sehen, immer mehr. Mit 30 hatte ich meine „Ich bin erwachsen geworden“-Phase und habe mich wie oben beschrieben gesehen. Inklusive „vernünftiger“ Schuhe und einer Kittelschürze, damit ich beim Kochen die gute Kleidung schone. Was bin ich froh, dass ich schon 2-3 Jahre später wieder weit weg davon war und seit damals von Jahr zu Jahr realisiere, dass ich noch so viele kindliche Anteile in mir habe, die darauf warten gelebt, bestaunt, erforscht zu werden. Wenn überhaupt, dann werde ich mit jedem Jahr immer weniger „erwachsen“ und das ist richtig toll – denn nun bin ich alt genug, damit ich mir das bewusst leisten und mir selbst beim Wachsen zusehen kann. Irgendwann wird sich dann hoffentlich, vielleicht, möglicherweise ein Status einstellen, der nix mit dem knöchrigen Erwachsenendasein zu tun hat, aber viel mit dem, was man unter einer weisen, wilden Alten versteht, die Hand in Hand mit ihrem inneren Kind Abenteuer erlebt – das lockt mich viel mehr.

Findest Du als junge Frau Frauen 50+ eher peinlich oder cool?

AlterCrohn sm 300x225 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Ich transportiere diese Frage in die Vergangenheit und ja, da waren mir manche Ü50-Frauen peinlich. Seltsamerweise weniger die im eigenen Umfeld, Sondern eher die, die ich nicht näher kannte. Ich glaube auch, dass es weniger wegen des Alters war, denn wegen ihres Auftrittes und Charakters.

Die alten Frauen in meinem Familienumfeld waren für mich absolut nicht peinlich – sie waren Ikonen und Matriarchinnen, der Hafen meiner Kindheit und Jugend. Sie waren weise, kraftvoll von innen heraus, und wissend, über das theoretische Wissen hinaus. Klar hatten sie fallweise auch eine sehr robuste eigene Meinung, die meiner widersprach. Doch im Vergleich zu meinen Eltern habe ich mir von ihnen mehr sagen lassen und die Ratschläge wurden nie aufgezwungen.

Sie hatten unglaublich viel er- und überlebt und dennoch war da noch so viel wildes, waches, lachendes Leben – soviel Interesse an Neuem, soviel Flexibilität sich Neuem zu stellen und zugleich die Stabilität, die ich als Kind so hilfreich gefunden habe. Sie umsorgten ihr Umfeld und hatten zugleich ihren Platz im Leben gefunden, mit natürlicher Autorität, ohne innerlich auszubrennen. Ob sie sich als erwachsen gesehen hätten? Ich weiß es nicht.

Ich bin sehr glücklich, dass ich diese weisen Frauen in meinem Leben zur Unterstützung hatte. Aber als cool hätte und würde ich sie nicht bezeichnen – das wäre … unpassend, nicht stimmig. Sie waren tough, vif, klug, verschmitzt, listig, furios, gewitzt, liebevoll sarkastisch und mitunter auch ein wenig hantig – also vielleicht doch auch cool. Nur eben in anderen Worten.

MiAAvatar2020 262x300 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Als meine Kinder in dem Alter waren, wo die Elter peinlich werden, habe ich die pubertären Ausrufe a la „MAMA!!! Du bist sooo peinlich!“ immer mit „Nix da – wenn schon peinlich, dann zumindest URPEINLICH, weniger ist nicht!“ quittiert und mich innerlich gefreut, dass ich etwas zu einer gesunden, normalen Kindesentwicklung beitragen darf und dabei auch noch meinen Spaß habe 🙂

Ich bezweifle aber sehr, dass mich das in den Memoiren meiner Kinder zu einer coolen Mutter macht.

Gewinnt das Leben jenseits der 50?

FuckingGreatJob 300x225 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Ich denke nicht, dass man etwas gewinnt, denn das impliziert, dass man auch etwas verliert. Ich denke es verändert sich – es gibt mehr vom einen, weniger vom anderen. In Summe bleibt es gleich, aber vom Inhalt her ist es in vielen Bereichen anders. In meiner Vorstellung ist es wie bei einer guten Saucen-Reduktion: Die Erfahrung kocht sich ein, wird konzentrierter und damit gibt es mehr Raum für neue Interpretation, neue Erfahrungen aus angelerntem Wissen. Die Perspektive kann sich ja nur neu ausrichten, wenn man ihr diesen Raum zugesteht und das ist vermutlich das, was man als „Gewinn“ bezeichnen kann.

Wie erlebst Du diese Zeit?

Fordernd, wild, unberechenbar – manche Tage sind grausam, weil der Körper mir klar zu verstehen gibt, dass Ü50 und mehrere chronische Erkrankungen eine miese Kombination sind. Das sind Tage, da fühle ich mich sehr sterblich und das ist erschöpfend.

Andere Tage sind reiner Genuss, weil ich Zeit, Kraft und die Möglichkeit habe, in mein Tempo, meine Interessen zu sinken. Dazwischen sind die Tage mal so, dann wieder anders und um es mit den Worten meiner nun auch schon über 50jährigen Schwägrin zu sagen: „Das letzte Mal war mir, glaub ich, in den 70ern langweilig.

Ich habe einerseits einen unglaublichen Lernhunger. Ich will endlich all die Orte besuchen, die ich schon lang auf meiner Löffelliste habe, all das Lesen und Lernen, was mich interessiert. Zugleich aber weiß ich, dass ich weise wählen und behutsam planen muss, alles geht einfach nicht. Nicht nur wegen meiner Gesundheit, sondern primär wegen der Kosten – der materiellen und der Nicht-Materiellen. Erholphasen einzuplanen ist mittlerweile immens wichtig. Diese Erkenntnis, dass ich neue Erfahrungen mit viel Ruhe ausgleichen muss, damit Körper und Geist alles verarbeiten können, ist etwas, wo ich noch Training brauche. Aber wie gesagt: Ich will noch so viel lernen … vielleicht finde ich ja auch Geduld am Weg 😉

Welche Vision hast Du für Deine Zeit 50+?

MichaelaSchara Profilbild2022 SW 300x300 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?

Auch diese Frage lege ich in die Vergangenheit. Meine Vision vor dem Überschreiten dieser „magischen“ Grenze war sehr schwammig. Ich dachte, dass es einfach so weitergeht wie bisher, nur eben mit mehr Jahren am Buckel und rein körperlich ist man das leidige monatliche Bluten los. Halleluja.

Das es nicht so einfach ist, hat mich der Wechsel gelehrt. Meine tiefste Hochachtung gebührt dem Wunderwerk des weiblichen Köpers, der am Ende der so called „fruchtbaren Jahre“ einen kompletten Umbau vornimmt. Das ist definitiv nix für Feiglinge und so individuell, wie Menschenfrauen eben sind – für jede also anders. Ich hatte keinen Erfahrungsschatz, der mich auf die Pubertät des Alters vorbereitete – auch nicht in meinem Umfeld. Ich wusste auch nicht, dass ich mir beizeiten einen hätte zulegen sollen, um vorbereitet zu sein.
Dummerweise hatte (und habe, seuzf) ich die Schranken des antrainierten guten Benehmens intus, was im Gegensatz zur jugendlichen Pubertät doch eine Beschränkung ist, wenn man nach 4-5 Jahrzehnte wieder in der Hormonbaustelle andet. Wutanfälle, depressive Verstimmungen und alles, was mit hormonellen Wirbelstürmen einhergeht, kann man als Jugendliche normalerweise leichter ausleben. Mit Beginn der Lebensmitte hat man meist gelernt sich im Griff zu haben und solche Probleme mit sich allein, zuhause, im stillen Kämmerchen, auszumachen.

Eine rückblickend sehr blöde Ausgangslage, die nicht hilft. Austausch mit anderen wäre zu diesem Zeitpunkt sehr, sehr willkommen und hilfreich gewesen. Ich hatte 2-3 ältere Freundinnen, die ich fallweise en passent gefragt habe, aber eher nur am Rande, dezent, in der Hoffnung in kein Fettnäpfchen zu steigen. Denn schließlich trägt kaum eine Frau ein Schild „Vorsicht Leute, ich bin im Wechsel!“ am Revers und manch eine, der man es innerlich unterstellt hat, ist noch meilenweit davon entfernt. Es ist also ein wenig ein Minenfeld.

In besonders bittersüßer Erinnerung ist mir die Antwort einer Freundin, die mir einige Jahre voraus hat, die ich nach der Dauer der elenden Hitzewallungen gefragt habe. Ihre Antwort: „Ich sags dir, wenn sie bei mir vorbei sind.“ Das hat mir dann zwar bestätigt, dass auch andere mit weit mehr Lebenserfahrung als ich damit kämpfen. Aber betreff Motivation wars dann weniger hilfreich.

Heute weiß ich: Auch da gibt es kein „Reglement“ – das verläuft bei jeder so was von anders, dass der Crohn im Vergleich dazu ein durchstrukturierte, grundstabiler und höchst pedantischer Zeitgenosse ist.

Kommt denn Deiner Ansicht noch was nach 50?

LebenLernen sm 300x225 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Na aber Hallo! Sicher doch – und zwar sowas von 🙂

Ich hab seit einiger Zeit das Gefühl, als würde ich erst jetzt in die Schuhe hineinwachsen, die mich auf meinen Lebensweg bringen. Wohin der geht? Keine Ahnung, aber ich weiß, dass da noch einiges an besonderen Stationen am Weg wartet. Schönes, Spannendes, Wildes, Trauriges, unglaublich Lustiges, unglaublich Schmerzvolles – eine Mischung so bunt wie das Herbstlaub im Indian Summer. Leben eben.

Lebt man jenseits der 50 nur noch in der Vergangenheit?

Wenn man nicht bereit ist dem Wandel die Tür zu öffnen, dann bleibt einem gar nichts anderes über, als in der Suppe der Vergangenheit zu dünsten. Manchen reicht das und manche klammern sich panisch an jeden Zentimeter dieser Zeit, besonders was Äußerlichkeiten betrifft. Andere wieder verschließen die Tür vor Neuerungen, egal ob technischer oder gesellschaftlicher Natur. Ihnen reichen die Erkenntnisse und Errungenschaften „ihrer“ Zeit.

Wandel ist eine schwierige Sache und man wird nicht wirklich flexibler, wenn man in jungen Jahren schon unflexibel war. Wandel macht Angst, lotst er einen doch in unbekanntes Gelände. Da kann man schnell stolpern, sich die Knie verletzten und das Aufstehen dauert einfach länger, je älter man wird.

UnterbergHuettenhang 300x300 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Ich stehe im Winter manchmal am Rande von Schipisten, bei denen ich vor Jahrzehnten nicht mal ansatzweise gestoppt hätte. Mit einem „Hurra!“ hätte ich mich die schwärzeste Piste hinunter gestürzt. Vollgas natürlich, denn wer bremst ist feig. Helme hatten wir damals noch nicht, was soll schon groß passieren? Stürze wurden mit einem Achselzucken abgetan, sie waren die Medaillen am Ende des Tages – wenn sie gut ausgegangen sind.

Heute graut mir vor dem steilen Stück. Ich wähle bewusst eine sanftere Route oder gleite am Rande des Steilstücks hinunter. Ich weiß wie weh die Eisplatten tun, wenn man auf ihnen aufschlägt, wie es sich anhört, wenn ein Band im Knie reißt, wie lange es dauert, bis ein Cut auf der Stirn verheilt. Ich habe meinen Anteil an Verletzungen erlebt – es reicht. Ich weiß wieviel Kraft es mich kostet, wenn ich mir hier etwas Ernsteres zuziehe und wie wenig mir mein labiler Rücken verzeiht. Aber ich weiß auch, dass ich nichts verliere, wenn ich stattdessen auf der gemütlichen Piste die Aussicht in meinem Tempo genieße. Unten angekommen warte ich mit allen anderen darauf, wieder nach oben gebracht zu werden und da fragt keiner, welchen Weg ich hinunter genommen habe.

Unterberg Gipfelkreuz 300x225 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Wer sich mit Ü50 dazu entschließt solche Dinge aufzugeben, hat vermutlich eine vernünftige Entscheidung getroffen. Ob sie einem auch glücklich machen, ist eine andere Geschichte. Und genauso ist es mit der Entscheidung, ob man in der Vergangenheit leben mag oder nicht. Aus meiner Sicht gibt es auch im Leben ab 50 schwarze, rote und blaue Pisten – also die Möglichkeit sich den Weg zu suchen, bei dem man gut mitkann und die rasanten, wilden Strecken denen zu überlassen, der Knie noch heile Bänder haben oder denen die Konsequenzen weniger ausmachen. Schlussendlich enden alle Pisten im Tal und man hat immer die Wahl, wie man das nächste Mal abfährt.

Gibt es überhaupt noch ein Leben jenseits der 50?

Natürlich, sonst wären die Friedhöfe ja voll mit lauter Menschen, die an der 50er-Schwelle den Löffel abgegeben haben 😉

Die Frage ist nur, ob sie auch wirklich ein Leben leben, mit allen Konsequenzen, oder nur am Leben sind, mit aktiven Vitalfunktionen, aber innerlich … leer.

Für was sind Frauen ab 50 überhaupt noch gut?

Dazu fällt mir spontan dieses Zitat ein 😉

Keiner ist unnütz, man kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen.

Ich denke aber auch, dass das eine Frage ist, die man Männern in diesem Zusammenhang (Überschreiten der 50er-Schwelle) kaum bis nicht stellt. Da sind Phrasen wie „Je älter der Wein, desto mehr Charakter hat er“ eher gebräuchlich. Warum hört man das nie in Zusammenhang mit älteren Frauen?

Aus meiner Erfahrung und Beobachtung heraus weiß ich, dass Frauen mit dem Älterwerden deutlich besser zurechtkommen als Männer. Auch wenn ein Lebenspartner wegfällt, ist die Resilienz auf der weiblichen Seite stärker ausgeprägt, als bei Männern.

img 1041 300x224 - Wofür sind Frauen über 50 noch gut?Frauen haben Zeit ihres Lebens mit unzähligen Umbrüchen und Veränderungen zu tun, auf körperlicher Seite, gesellschaftlich, familiär. Damit liegt uns die Flexibilität in den Genen, wir mussten uns schon sehr früh immer wieder anpassen und haben gelernt, das alles neben dem „normalen“ Leben zu schaukeln.

Insofern kann die Gesellschaft von der Fähigkeit der weisen Alten nur profitieren und die wahre Frage sollte eher lauten: Warum wird dieses Potential noch so gar nicht bis kaum genutzt? Warum wird es klein geredet, mies gemacht, ins Lächerliche gezogen – woher kommt die Angst vor den alten Frauen? Wann haben wir die Kraft der weisen Alten ausgeblendet aus dem Reigen des Lebens und vor allem: Warum? Vielleicht ist es endlich an der Zeit, hier klar Schiff zu machen, denn wir brauchen diese Kraft einfach – nicht nur wir Frauen, sondern alle. Darüber könnte man zum Bespiel bei einem Glas alten Weines philosophieren 😉


Liebe Mia, 

vielen Dank für die tolle Idee und den „virtuellen“ Schubbser, mal wieder schreibend aktiv zu werden 😉 Ich bin schon sehr auf die anderen Beiträge und dein Resümee gespannt!

Herzliche Grüße, 
Michaela (oder auch MiA – fallweise 😉 )


Alle Infos rund um Mia Brummers Blogparade findest du hier:

Blogparade: für was sind Frauen ab 50 überhaupt noch gut?

Hast du andere Antworten auf die obigen Fragen? Oder Ergänzungen? Dann schreib es in die Kommentare  – ich bin gespannt auf deine Sicht der Dinge!

Allgemein, Cartoons

Phil-klo-sphie: Über den Geburtsort manch kreativer Gedanken

Manche behaupten, die besten Ideen hätten sie beim Duschen oder Zähneputzen gehabt. Gelehrte Menschen merken dann gerne an, dass man eben da alleine mit sich und nicht abgelenkt ist, womit die Kreativität Zeit und Raum zum Landen hat. 

Für Menschen mit CED ist der Ort, wo man am häufigsten ganz mit sich alleine ist und die Gedanken frei herumfliegen können, das Klo. Vermute ich, wenn ich von mir auf andere schließe.

Die Qualität der Gedanken ist denen beim Duschen ähnlich. Wenn auch die Anzahl verwertbaren Gedankenguts geringer geworden ist, seit man auf den meisten Toiletten akzeptablen Internetempfang hat. Der chronisch entzündliche Haupttatort ist das sogenannte „Häusl“.  Hier sind wir unter uns, jede/r für sich, mit dem gesamten inneren Team. Ungestört, einsam und alleine. 

Wenn man sich nicht aufs Handy konzentriert, haben die Gedanken frei, da der Körper die Hauptrolle übernimmt und die Aussicht rundum überschaubar ist. In Schubzeiten ist diese gedankliche Freiheit von Schmerzen und dem blockiert, was sich einem ungefragt in den Kopf denkt und das sind nicht immer nette Dinge. Doch in Remissionszeiten und den „nicht ganz Schub, noch nicht Remission“-Phasen dazwischen hat man mehr als genug Zeit um alle Gedanken, die man irgendwann mal begonnen hat, in Ruhe zu Ende zu denken. Fallweise finden sich da überraschende Wendungen, schnulzige Happy Endings und mehr als nur eine kreative Luftblase, die bei Betätigung der Spülung vielleicht schon wieder zerplatzt. Schön war sie dennoch und da Gedanken bekanntlich frei sind, durfte sie sich hier, am stillen Ort, gefahrlos ausbreiten. Es gibt schlimmere Nebenwirkungen, die bei einem chronisch-entzündlichen Klogang entstehen können. 

Damit bekommt das stille Örtchen für manche Menschen eine kreative Aufwertung, wenn man so will. Schließlich begann jedes Kunstwerk auf der Welt, jede geniale Erfindung irgendwann mit dem ersten, kreativen Gedanken. Im Smalltalk kommt es allerdings nicht so gut, wenn man den geografischen Geburtspunkt einer genialen Idee mit „am Klo gefunden“ definiert. 

Warum nur ist das Klo so ein negativer Ort, im gesellschaftlichen Sprachgebrauch? Ich glaube, dass es jedem bewusst denkendem Menschen klar und logisch erscheinen sollte, dass man das, was man oben reinfüllt, irgendwann auch wieder unten abgeben muss. Sofern der Weg zwischen oben und unten frei und durchgängig ist. (CED-Menschen wissen, dass sich da mitunter Hürden auftun können, aber das ist ein anderes Thema). Meine liebe, selige Schwiegermutter meinte bei einer randvollen Windel ihrer Enkelkinder stets lapidar: „Sind wir froh, dass es gut funktioniert.“ 

„Das“ war in diesem Fall die Verdauung und ja, das ist ein wunderbarer Grund zur Freude, wenn die gut klappt. Die Freude über dieses Wunder der Natur wissen besonders jene zu schätzen, die das Gegenteil nur zu gut kennen. 

Die Wertschätzung dieser unvergleichlich wichtigen Körperfunktion hat im Laufe der Geschichte einen krassen Paradigmenwechsel erfahren. Im alten Rom saß man noch in Gruppen gemeinsam, gemütlich und oft sehr lange am Donnerbalken. Beim fröhlichen Gruppenkacken wurden nicht nur Geschäfte verrichtet, sondern auch neue angebahnt. Der Spruch „Geld stinkt nicht“ (Pecunia non olet) stammt übrigens von Kaiser Vespasian (69 – 79 n. Chr.), der mit diesem Zitat die Besteuerung der Bedürfnisanstalten verordnete und damit die hygienischen Zustände verschlechterte (weil man dann lieber andernorts und gratis ihr-wisst-schon-was). 

Heutzutage Zeit versuchen israelische Wissenschafter den Klogang erneut kommerziell zu verwerten. Sie träumen davon, eine Toilette zu entwickeln, mit der man Energie gewinnt statt sie zu verbrauchen. Die Wundermuschel soll aus dem, was so verpönt ist, innerhalb kurzer Zeit Kohle entstehen lassen. Das ist an sich auch ein natürliches Ausgangsmaterial für die Entstehung von Kohle. Allerdings dauert es normalerweise viel länger. Das israelische Wunderklo soll das in weniger als zwei Stunden erledigen können. Neben der Reduktion von Treibhausgasemissionen erzeugt man mit diesem Verfahren sogar einen Energieüberschuß. 

Sobald dieses Wunderklo marktreif wird, hat es einen Stammplatz bei mir und ich tretet in direkter Konkurrenz zur Photovoltaikanlage am Dach. Vielleicht reicht es nur für ein wärmendes Feuerchen im Kamin, egal. Hauptsache die Sitzung am heiligen Ort hat ein Ergebnis, das nicht nur meine Gastroenterologin und mich erfreut (oder erschüttert, je nach Status).

Der weiße Porzellanthron, den weiland schon der Kaiser allein und in Abgeschiedenheit bestieg, und die dort erfolgende Verrichtung haben im Laufe der Zeit also einen sehr weiten Weg durch die gesellschaftlichen Werte erfahren. Heutzutage spricht man nicht darüber. Es ist pfui. Das Örtchen selbst muss still, stets sauber und optisch unbenutzt wirken. Als wäre es reine Dekoration. Die Tätigkeit an sich sollte ebenso erfolgen, vor allem still und unauffällig. Was, wie nicht nur CED-Menschen wissen, meist ein Ding der Unmöglichkeit ist. Weswegen wir alle immer so tun, als wäre da nix. 

Gar nix. Weder zu sehen, noch zu hören, noch zu … egal.
Da ist nix. 

In Japan gibt es Toiletten die Musik spielen oder man hört ein liebliches Bächlein rauschen, damit man nur ja nix von dem hört, was man unter keinen Umständen hören soll.  Nonchalant drücken es die feinen Engländer aus. Da geht man nicht aufs Klo. You go and wash your hands. Und das dafür zuständige Örtchen ist der „Washroom“. Die eher veraltete deutsch-europäische Version dieser Phrase war für Menschen weiblichen Geschlechts das Pudern der Nase. 

Zurück zum Fundort kreativer Gedanken: Wenn ich gefragt werden, wo und wie ich zu meinen Ideen kommen, beim Schreiben oder Zeichnen, und wie ich auf die Idee kam ein Buch zu schreiben bzw. wo der Inhalt dieses Buches seinen kreativen Geburtsmoment hatte, dann antworte ich meist neutral mit „… bei der Morgentoilette“. Das ist nicht gelogen und kaschiert den tatsächlichen Tatort ausreichend. Sensible Gemüter sehen vor ihrem geistigen Auge die Dusche, andere schlussfolgern Zähneputzen oder Haare zwirbeln.  Auch der Zeitraum passt, denn selbst wenn der Gedanke später am Tag kam oder gar nächtens: Irgendwo auf der Welt ist immer Morgen. 

Würde ich hingegen mit „die Idee dazu kam mir am Klo“ antworten, wäre das vielleicht noch bei pubertären GesprächspartnerInnen ein Bonmont. Alle anderen würden es mit der Tätigkeit an besagtem Ort verbinden. Das wäre dann im buchstäblichen Sinn Scheiße und das ist vermutlich keine gute Idee.


Dieser Text und der dazugehörige Cartoon sind vorweg im ÖMCCV-Crohnicle Mai 2022 erschienen.

Shitstorm im Darm

Der liebe Herr Crohn zu Gast bei essenbelebt – Susanne Lindenthal

Ich unterhalte mich gerne mit anderen. Sofern die anderen auf meiner Wellenlinie sind, wir eine gute gemeinsame Gesprächsbasis haben, die Themen passen und vor allem, wenn die „anderen“ liebe Leute sind. In den letzen Jahren kamen solche Gespräche immer seltener zustande und ich gestehe, dass ich auch nicht immer in Gesprächslaune bin, aus diversen Gründen.
Damit wird es schwierig. Aber nicht unmöglich 🙂

Susanne Lindenthal kenne ich noch aus meinem früheren Marketing-Coach-Leben. Wir waren gemeinsam in einem Netzwerk, dass es schon lange, lange nicht mehr gibt. Sie ist einer der ganz wenigen Kontakte, die sich aus dieser Zeit noch in meiner aktiven Kontaktliste finden und sie war einer der Menschen, mit denen ich mich immer gerne unterhalten habe – bis heute. Ihr klarer Zugang zu ihren Themen und ihre erdige, direkte Art sind angenehm erfrischend. Es ist schön und mittlerweile selten, wenn Menschen wertschätzend Klartext reden, ohne schulmeistern zu wollen.

Als mein Buch „Shitstorm im Darm“ vor über 2 Jahre heraus kam, habe ich sie um eine Rezension gebeten. Susanne ist TCM-Beraterin und Ernährungswissenschaftlerin, mit „Liebe zum Darm“. Damit sind chronisch entzündliche Darmerkrankungen natürlich auch für sie bzw. ihre KlientInnen ein Thema.

Dann kam Corona, die Zeiten waren kompliziert und damit hat sich vieles verschoben und verlagert. Anfang des Jahres hatte Susanne dann die spontane Idee, dass man das mit der Buchvorstellung ja auch anders machen kann und mich gefragt, ob ich nicht Lust auf ein Interview hätte. Ich habe mich riesig gefreut und vor ein paar Wochen war es dann soweit: Wir trafen uns online, via Zoom, am PC und haben über eine Stunde geplaudert. In erster Linie ging es um den lieben Herrn Crohn und seine speziellen Herausforderungen, wie wir (er und ich) uns kennengelernt haben und wie das so läuft. Aber es ging (natürlich) auch um Ernährung (mit Morbus Crohn), Resilienz, Tabu-Themen, Ratschläge und allerlei anderes.

Es war ein supernettes Gespräch und du kannst es dir direkt hier, auf Susannes YouTube-Kanal, oder noch besser in ihrem Blog anhören. Im Blog-Beitrag dazu findest du eine kurze Zusammenfassung. Ich empfehle dir auch sehr herzlich den Newsletter von Susanne. die Essenspost, wo du wöchentlich interessante Infos rund um das Thema TCM und Ernährung zugeschickt bekommst. Wenn du Interesse an einer Beratung bei ihr hast, kannst du sie in einem Orientierungsgespräch kennenlernen. Das geht via Telefon oder online, also auch von „weiter weg“.

Was mir an Susannes Art und Angebot gefällt: Es gibt keine „erhobenen Zeigefinger“, keinen „meine Richtung ist die richtige“- Ton und keine starren Regeln oder Gesetze, die uuunbedingt eingehalten werden müssen. Susanne ist stets wertschätzend und darum bemüht auf die besonderen Bedürfnisse ihrer KlientInnen einzugehen, damit die Ideen und Vorschläge sich gut im normalen Alltag integrieren lassen. In ihrem Blog findest du übrigens auch eine Fülle an Infos, Tests und natürlich auch Rezepten.

Wenn du Probleme mit deiner Ernährung hast oder etwas ändern willst, weil es sich irgendwie nicht so anfühlt, als wär´s gut für dich, oder du einfach das Bedürfnis hast zu verstehen, wie das da unten alles zusammenhängt und was du tun kannst, damit es dir (noch) besser geht: Schau bei Susanne vorbei! Und sag ihr einen lieben Gruß von MiA 😉

Das ist übrigens keine Werbung, sondern eine von Herzen kommende Empfehlung!
Wenn du dir vorweg einen Eindruck machen willst, dann schau/hör dir unser Gespräch an:

Wenn du etwas ergänzen magst oder Fragen hast: Einfach in die Kommentare schreiben!

Crohnisch Alt

Neuausrichtung: Crohnisch-alte Schachtel

Crohnisch alt – darüber habe ich schon mal einen (eher weinerlichen) Blogbeitrag verfasst.
Warum das Thema also nochmal aufgreifen?

Vielleicht ist es mehr als eine (vielleicht) „coole“ Überschrift, vielleicht reicht ein Blogbeitrag dazu nicht aus. Schließlich geht es ja um eine ganze Lebensphase. Möglicherweise ist es auch ein Statement, unter Umständen ein Ruf, mit Sicherheit aber ein Fakt und allein gesehen eine sehr klare Aussage.

Ich bin es jedenfalls.
Ich habe Crohn, ich bin alt.
Ich bin crohnisch alt.

„Aber mit 55 ist man doch noch nicht alt!!1!“
Sagen die, die in etwa das gleiche Alter haben, kurz davor sind oder kurz danach.
Oder die, die noch weit weg davon sind, aber einfach höflich sein wollen. Oft gefolgt von einem „.. und so alt siehst du auch nicht aus …

Und ehrlich gesagt: Alt fühl ich mich auch nicht. Im Gegenteil, ich hab innerlich das Gefühl, als wäre ich knapp vor der Pubertät. Leider sagt mir mein Körper dann täglich, dass dem nicht so ist. Aber das ist einerseits dem Crohn und seinen fiesen Kumpels geschuldet und andererseits der Tatsache, dass man mit dem, was ich habe und was ich erlebt habe, jeden Morgen eine Körper-SMS mit der Erinnerung an das biologische Alter geschickt bekomme. Wortlos, stumm und deutlich wahrnehmbar.

Alt bin ich, weil unsere Gesellschaft es so sagt, wir es so leben, es so kommuniziert wird, verbal und non-verbal.

Alt bin ich, weil jeder, der die 35 hinter sich hat, jenseits der Jugend steht – zumindest wenn man denen glauben mag, die rund um die 30 sind und nun laut erklären, dass es zu Ende geht mit ihrem jugendlichen Life.
Das ist lieb, aber let me tell you: Das ist kompletter Schwachsinn, auch wenn ein wahrer Kern dahinter steckt. Die Jugend, wo man glaubt, dass mit 30 das schöne, fröhliche Dasein endet und danach nur noch das grausige Greisenleben droht, mit Gesundheitsschuhen und vernünftigen Gedanken, diese Jugend endet und das ist gut so.

Wenn man diese Mid- oder Quater-Life-Crisis dann hinter sich hat, beginnt das Dasein, wo man innerlich wieder jung wird und der Körper sich in Richtung finaler Größe wandelt. Lustige Ideen und jugendliche Gedanken, hat man auch dann noch mehr als genug. Auch steigt die Anzahl kreativer Ideen, bei gleichzeitigem Erkennen, dass man nicht alle umsetzen kann. Womit sich der Fokus zentriert und man sich zunehmend dafür entscheidet, den ultimativen Lebenstraum in Angriff zu nehmen, den man in der „Jugend“ auf später verschoben hat und mit Mitte 30 kurz als „geht sich eh nicht mehr aus“ trantütig besoffen hat.

Alt bin ich, weil ich mich an manchen Tagen so fühle als wäre ich körperlich eine ältere Schwester meiner Großmutter und hätte mein Sterbdatum verpasst. „Ich bin knackig – alle Gelenke knacken mir ein guten Morgen zu!“ ist die lustige Umschreibung von etwas, was ohne diesem Bonmot kaum für Humor sorgt, wenns passiert. Das ist ein Zustand, der sich aus meinem physischen Alter ergibt und dem, was ich von Haus aus mitbekommen habe.
Altersbedingte Verschleißerscheinungen“, sagt man ärztlicherseits und wenn man das zum ersten Mal in einem Befund liest, dann … nun ja, das ist auch eine Art Meilenstein. Nur halt einer, den man von der anderen Seite aus betrachtet und sich fragt, wann man den passiert hat.

Alt bin ich, weil ich nicht jung gestorben bin – ein unglaublich erfrischender Fakt, den man sich an bestimmten Tagen mehrmals täglich sagen sollte, mit dankbaren Gefühlen und Stolz. Denn das bedeutet, dass man etwas überlebt hat, was in den berühmt-berüchtigten früheren Zeiten zu einem Ausschluss aus der Evolutionsstufe geführt hätte, und zwar lange bevor man sich mit der pseudo-deprimierenden 30er-Grenze beschäftigen musste.

Alt bin ich, weil ich weniger Jahre vor mir, als hinter mir habe. Zumindest rein statistisch und ich habe ehrlich gesagt kein Animo mit 110 und älter über diesen Text hier herzhaft zu lachen. Außer von einer Daseinsstufe aus, die man als jenseitig bezeichnen kann.

Crohnisch alt hingegen ist eine andere Qualität, denn das wird man nur, wenn man Crohn hat und dem entwachsen ist, was man als „jugendlich“ bezeichnen kann.
Alt zu werden mit einer Erkrankung, die als „betrifft hauptsächlich junge Menschen“ bekannt ist, ist eine spezielle Herausforderung. Denn dann wird einem klar, dass das man mit so einer Erkrankung auch nicht jung bleibt und irgendwann die üblichen Alterssachen hinzu kommen, in vollem Umfang. Plus dem lieben Herren Crohn, den Nebenwirkungen der Erkrankungen und denen der Medikamente und allem, was aus der unglücklichen Kombination dieser Faktoren ergibt.

Da wird einem dann auch klar, dass es ein Glück war, in „jungen Jahren“ die Diagnose bekommen zu haben. Denn wenn man das ein halbes Jahrhundert nach seiner Geburt oder noch später gesagt bekommt, wird die Resilienz in besonderer Art und Weise gefordert. So ist man mit dem lieben Herrn Crohn mitgewachsen, im besten Fall.

Crohnisch alt werden bedeutet auch, dass man noch unsichtbarer wird in der Gesellschaft. Nein, das ist keine Einbildung und auch keine persönliche Emotion. Es ist ein Fakt. Wenn du mir nicht glaubst, dann schau dich auf den einschlägigen CED-Infoseiten um, schau dir die Bilder an. Schau dir die Profile der CED-InfluenzerInnen auf FB und Instagram an. Schau in die Broschüren, die von CED-Ambulanzen, Pharmafirmen und allen, die CED-Infos drucken, ausgegeben werden.
Du wirst kaum bis keine Darstellungen von Menschen „jenseits der Lebensmitte“ finden.
Man könnte glauben, dass man mit Crohn nicht alt wird.

Doch zum Glück ist dem nicht so und darum bin ich an den meisten Tagen froh, dass ich crohnisch alt bin.
Diese Unsichtbarkeit tut manchmal weh. Mit Demut erkenne ich dann, dass auch ich das meine dazu beigetragen habe, dass der Crohn das Stigma ewiger Jugend trägt. Damals, als ich noch „jung“ war und nicht daran dachte, dass ich ein advokates Ablaufdatum überschreiten könnte.
Dieses Datum, ab dem man still und sanft optisch aussortiert wird. Ein Prozess, der nicht aktiv, sondern unbewusst und schleichend passiert.

Ein Prozess, der auch davon genährt wird, dass man irgendwann keinen Bock mehr darauf hat, sich als Patient-Advokat in den Vordergrund zu spielen und mitzukämpfen, bei den Awareness-Kampagnen und Aktionen. Man lässt lieber die „Jungen“ ran, die noch Feuer in den Knochen haben (ich mein kein Fieber, sondern brennendes Engagement). Man zieht sich zurück auf die Admin-Front, auf die stillschweigende Unterstützung, die sanft immer passiver wird.

Das liegt auch daran, dass man einen Punkt erreicht, wo man innerlich auch den Crohn emotional herabstuft. Er ist zu einem voll integrierten Lebenspartner geworden, an den man sich gewöhnt hat. Man mag ihn nicht, mochte ihn nie, aber man hat sich an ihn gewöhnt, weil Scheidung gibts in diesem Setting keine.
Man kennt seine individuellen Eigenheiten, weiß was ihn triggert und wenn er dann spontan Probleme macht, dann kostet einen das nur ein Schulterzucken. Irgendwann hat man auch den größten Mistkerl auf eine Stufe gesenkt, wo er einem zwar physisch weh tun kann, aber emotional nicht mehr so flasht. Man hat eben gelernt ihn in die Schranken zu weisen, kennt Mittel und Wege, weiß wo man sich Hilfe holen kann … man ist ja schließlich Profi. Same procedure as eh-schon-wissen.

Und das ist die größte Gefahr dabei. Denn damit wird man müde und läuft Gefahr, die Zeichen zu übersehen, sie nicht ernst zu nehmen oder auch bewusst zu ignorieren. Weil man müde ist und nicht schon wieder in die Ambulanz, zur Ärztin oder CED-Schwester zu gehen mag. Man will nicht schon wieder „darüber“ reden müssen, einem neuen, jungen Ambulanzarzt die Lebensgeschichte beibringen. Man hat schon viel zu viel, viel zu oft darüber gesprochen im Lauf der Jahre. Also wird man stumm und vermeidet, ignoriert Situationen, wo man darüber sprechen muss und sollte. In der Hoffnung, dass man von den darauf folgenden Problemen übersehen wird.

Was leider keine Lösung ist und selten funktioniert.
Aber es ist verständlich.

Crohnisch alt zu werden ist eine besondere Herausforderung – auf vielen, sehr vielen Ebenen. Eine davon ist Lernen und man lernt vor allem, dass man auch als Crohn-VeteranIn noch viel zu lernen hat, lernen muss. Unter anderem über seinen Körper, was sich ein bisschen wie Verrat anfühlt. Schließlich ist das ein Partner, den man nun wirklich schon ein ganzes Leben kennt und wo man dachte, dass man alle Einzelheiten weiß. Vor allem was er verträgt, wie er sich beträgt, was ihm zuträglich ist und was nicht.
Und dann beginnt er sich in einer Art und Weise zu verändern, dass man meint, man wäre in ein neues Lebenshaus einzogen. Diese Veränderung beginnt sanft und langsam, man realisiert sie meist erst wenn sie schon weiter fortgeschritten ist. Dann macht es plötzlich Rums und man liegt geistig auf der Schnauze weil man wie gewohnt in einen Gang abgebogen ist, einen Weg eingeschlagen hat, den man seit 50 Jahren kennt und der plötzlich anders verläuft. Wie zum Beispiel die Sache mit dem Stoffwechsel. Oder das mit den Hormonen. Oder dem, was die Haut verträgt, der Magen, der Kopf, die Haare …

Sogar der Geschmack kann sich verändern, auch der Geruchsinn und damit was (und wer) einem unter die Nase geht und was nicht.

Lange bevor das Gehör nachlässt, kann (und will) man vieles nicht mehr hören, in metaphorischer Hinsicht und von der Frequenz her.

Lange nachdem man erkannt hat, was und wieviel man essen kann, erfährt man buchstäblich am eigenen Leib, dass sich die Bedürfnisse geändert haben, in der Zusammensetzung und der Menge.

Lange bevor man das realisiert, hat der Körper es schon in einer Art umgesetzt, die man klassisch als „Altersspeck“ bezeichnet und der kann auch bei Menschen mit Konfektionsgröße Extrasmall zu wachsen beginnen. An Stellen, wo man das nie erwartet hätte.

Apropos wachsen: Ich habe mal gehört, dass Nase und Ohren bis ans Lebensende wachsen. Dem ist aber nicht so. Es ist lediglich das Bindegewebe, das nachlässt, womit Nase und Ohrläppchen immer weiter Richtung Boden absacken. Was der Grund sein soll, warum viele ältere Menschen größere Nasen und Ohren haben.

Und wenn wir schon bei Äußerlichkeiten sind: Die Sache mit den Falten und den weißen Haaren wird komplett überbewertet und schon deutlich früher und sowieso bei jedem anders. Ich kenne unter 35jährige, die sich seit 10 Jahren die Haare färben, um graue und weiße Haare zu überdecken.

Crohnisch alt – tja, da bin ich nun angelangt. Jahrgang 67 (voriges Jahrtausend, Nachkriegsware), mit einigen Ecken und Dellen in der Karosserie, den üblichen Verschleißerscheinungen und einigen, die sich aus dem „crohnisch“ bei „crohnisch alt“ ergeben haben. Dazu zunehmend immer mehr werdende weiße Haare am oberen Ende meiner Karosserie, die sich jedes einzeln selbstverwirklichen wollen – so sehen sie jedenfalls aus. Gedreht, gezackt, in mehr Himmelsrichtungen wachsend, als mir bis dato bekannt sind.

Ich lieb sie, ehrlich, und begrüße jedes einzelne davon, denn sie erinnern mich daran, dass ich schon öfter vor der Wahl stand die mickrigen Haarüberbleibsel abzurasieren, weil die Medikamente und/oder die crohnisch bedingte Mangelernährung mir den Boden unter den Haarwurzeln vermiest haben. Sie kamen immer wieder und erinnern mich nun daran, dass man zwar in der Masse mit anderen aufwächst, aber auch mit dem Adjektiv „alt“ im Lebensdasein noch schräge Sachen machen kann. Zm Beispiel neue Wege beschreiten und sich mit dem, was einem wichtig ist, nicht nach der Masse richten, sondern (wie meine weißen Haare im ansonsten geordneten Schopf) hervorstechen kann.

„Weißt du, woher der Begriff alte Schachtel kommt?“, hat mich eine Freundin vor einiger Zeit süffisant grinsend gefragt. Um es mir gleich darauf zu erklären: Der Begriff stammt aus der Jägersprache. Mit „alte Schachtel“ werden ältere, weibliche Rehe, Gamsen bzw. Rotwild betitelt, die keine Jungen mehr führen. Also quasi in der Menopause sind.

Ich schätze mal, dass diesen Status nicht sehr viele Tiere erreichen, aus den klassischen evolutionär bedingten Gründen und weil das Leben in der Wildnis kein Altersheim oder -pflege beinhaltet. Wenn man also einer alten, wilden Schachtel begegnet, dann würde ich meinen, dass die einiges drauf hat. Denn nur dann überlebt sie. Damit habe ich für mich Frieden geschlossen, mit diesem Begriff. Ich finde ihn nach wie vor nicht wertschätzend. Aber ich habe durch dieses Wissen nun einiges an Argumentationskraft gewonnen und wenn mir wer altersabwertend kommt, dann wird aufgeklärt. Mit Wumms.

Crohnisch alt – das ist auf den ersten Blick vielleicht eine Sackgasse. Aber es ist auch ein Status, den man sich verdienen, den man buchstäblich erleben muss und damit wird es zu einer Herausforderung und zugleich zu einem Status, der Anerkennung einfordert. Alte, crohnische Schachteln lassen sich nicht gern in Schubladen stecken oder in den Keller abschieben und beinhalten mehr als nur überlebtes, verschrobenes Zeug. Da steckt noch einiges an Ideen und Überraschungen drin, unverstaubt und originalverpackt. (Auch wenn die Garantie vielleicht schon abgelaufen ist)

Meine weißen Haare zeigen mir neue Lebensrichtungen. Mein Körperchen ächzt und stöhnt, aber das tut es schon lang. Von den alten, weiblichen Waldbewohnerinnen habe ich mir Mut und Gerissenheit abgeschaut. Mag sein, dass ich mir das nun schön rede, aber egal. Und nachdem ich lt. Jägersprache „Keine Jungen mehr führe“ hab ich mehr Zeit mich um meine Belange zu kümmern.

Warum ich dich mit diesem crohnisch-alt-Gelabber volltexte?
Weil ich eine Einleitung und ein Statement gesucht habe, mit dem ich mich aus der Nachdenk-Blogpause zurückmelde.

Ich möchte mich in Zukunft inhaltlich mehr auf die Bereiche konzentrieren, wo es um das Problem Crohn + Alt werden/sein geht.

Mir ist klar, dass ich damit von der Zielgruppe her ein Splitting vornehme. Was bei einer Zielgruppe, die durch den Faktor „seltene Erkrankung“schon eher klein ist, ein Wagnis sein kann. Aber nachdem ich diesen Blog hier zu meinem Vergnügen betreibe und Kooperationsanfragen aus diversen Gründen kaum bis nie reinkommen bzw. frühere auf Grund meines Alters (kein Scherz) nicht mehr in Frage kommen (und auch aus diesem Grund abgesagt wurden), hab ich die absolute Freiheit frei von der Leber weg das zu schreiben, was mir ein- und auffällt.

Wenn du dich nicht alt fühlst und überlegst, ob du hier nun fehl am Platz hier bist: Keine Sorge, du wächst da auch noch hinein! Das wünsch ich dir jedenfalls von Herzen. Denn nur wer crohnisch alt wird überlebt das crohnisch Jung sein. Zudem geht es ja auch darum den Weg für die zukünftigen alten Crohn-Schachteln zu bereiten, damit die, die heute noch als jung gelten, sich morgen nicht ganz so schwer tun.

Ich nehm dich in Zukunft mit auf meiner Reise als crohnisch-alte Schachtel durch den wilden Wald des Lebens. Mag sein, dass ich langsamer hatsche als früher, mir öfter die Luft ausgeht und ich fallweise falsch abbiege, weil ich die Brille nicht rechtzeitig aufgesetzt habe. Aber Umwege erhöhen bekanntlich die Ortskenntnis und ich vertraue auf meine Instinkte, dass sie mich blind, mittels intuitivem Wissens, dahin bringen, wo ich sein will.

Mal sehen, ich glaube, das wird lustig. 

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Alle Jahre wieder: Welt-CED-Tag

Es ist soweit: Nach den Eisheiligen kommt er an die Reihe und er trägt lila. Der Welt-CED-Tag am 19. Mai erinnert daran, dass es Erkrankungen gibt, die nicht nur Sche*** sind, sondern ihren Ursprung auch da haben, wo dieses Stoffwechselendprodukt entsteht. Der Tag der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, CED auf deutsch und IBD (Inflammatory Bowel Disease) wird seit vielen Jahren „gefeiert“ und sorgt für das, was man neu-deutsch mit „Awareness“ umschreibt.

Ich habe ein grundsätzliches Problem mit jedweden Gedenktagen und stehe ihnen sehr ambivalent gegenüber. Das Gefühl, dass die Mehrheit sich denkt, mit einem Tag wäre dann alles getan, um diesem Thema Aufmerksamkeit zu geben, konkurriert mit dem, dass es immerhin gut ist, wenn zumindest einen Tag intensiv darauf aufmerksam gemacht wird. Doch die Chance, dass man mit den Aktionen und Beiträgen wieder ein paar Menschen erreicht, denen die Info neu ist oder hilft, wiegt meine spröden Anti-Gedanken mehr als auf.

Darum unterstütze ich von Herzen alle, die an diesem Tag dafür sorgen, dass die Message gespreadet wird (ich mag denglish ;-), die Awareness pushen und sich mit lila Gadgets und Outfits zum Thema bekennen – Go! Go! Go!

Ich hab es aus persönlichen Gründen heuer nicht geschafft irgendwo dabei zu sein, mitzumachen oder was zu organisieren. Im aktuellen Chaos meiner einer bin ich schon happy, dass ich diesen Beitrag hier online stellen kann und das sogar termingerecht. Darum im Folgenden nun eine unkomplette und viel zu kurze Liste von empfehlenswerten Plattformen, Accounts und Aktionen rund um diesen Tag.

Wenn du eine kennst, die ich nicht kenne (was sehr leicht möglich ist), dann schreib es bitte in die Kommentare! Innigen Dank <3 

Aktionen

Instagram, Facebook & Web

CED-Kompass: Eine tolle Serviceplattform für alle mit CED

CED_Aktuell: Hier findet interessante und neue Forschungsergebnisse rund um CED, leicht verständlich erklärt. Wird vom deutschen Gesundheitsportal betrieben.

CED-trozdem-ich: Die haben anlässlich des CED-Tages eine Kampagne laufen, die ich persönlich sehr toll finde, weil es auch zunehmend zu „meinem“ Thema wird: CED kennt kein Alter – Wow!

Fremde Freunde: Plattform zum Vernetzen

Leben mit CED – meineced.de: Tipps und Infos rund um das Leben mit CED, von Janssen-Cilag GmbH

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Das Leben neu lernen

Im vorigen Beitrag habe ich von meiner Kopf-Op erzählt. Lang, breit und ausführlich 😉 Im „Abspann“ habe ich dann angekündigt, im nächsten Beitrag „… über alles weitere, wie es mir nun geht, warum es hier so still ist und wie es im Blog vielleicht weitergeht, …“ zu berichten.

Körperlich gesehen geht es mir gut – so gut, wie es schon sehr lange nicht mehr der Fall war.  An sich wäre also genug Grund zum Jubeln, Feiern, Tanzen und Party machen da.
Theoretisch.

Praktisch ist es … kompliziert. Der schwierigste Punkt aktuell, nach meinem kopfernevigen Großumbau, ist dem Leben neuen Mut und Hoffnung entgegen zu bringen und so nebenbei die Kraft zu finden, die letzten Jahre abzuschließen und hinter mir zu lassen. Zwar habe ich mir nach der OP im November ausreichend Zeit und Ruhe gegönnt und mich, wie verordnet, physisch geschont. Sogar länger, als verordnet. Im Februar dachte ich, dass ich nun endlich wieder was tun muss, quasi „back to business“ und wieder aktiv sein im Blog, auf Social Media & Co. Ich versuchte es, aber es fühlte sich an, als würde ich durch dicken Teer stapfen. Alles war ein „Muss“, ohne Freude und Spirit. Der Ton, der sich im Verlauf der Pandemie auf den sozialen Netzwerken etabliert hat, tat mir weh. Doch das war es nicht nur, was es mühsam machte. Fakt ist: Ich habe mich fast 10 Jahre nur mit meinen Erkrankungen auseinandergesetzt, habe gekämpft, geweint, geflucht. Habe viele Niederlagen und Rückschläge einstecken und überleben müssen. Habe meinen Beruf verloren und damit so gut wie mein gesamtes soziales Umfeld, bis auf meine Familie. Ich habe Familienmitglieder und Freunde am letzen Weg begleitet und bin noch immer nicht fertig mit der damit verbundenen Trauer.
Ich bin an all dem mit Sicherheit auch gewachsen, eine andere geworden, habe neue Freunde gefunden, eine neue Berufung und es sogar geschafft, aus meinem crohnischen Abenteuer ein Thema zu machen, dass ich mittels Blog und seit 2020 mit meinem Buch „Shitstorm im Darm“ anderen Crohnies als Mutmachmittel auf ihrem Weg mitgeben kann. Ich müsste nun unendlich dankbar sein, dass ich nun, nach dieser 10jährigen Achterbahnfahrt, nn in eine Phase komme, wo ich durchatmen kann, ohne Angst vor einem Migräneanfall, Schmerzen oder einem Schub zu haben.

Aber es fühlt sich nicht nach Freude und Glück an und es hat gedauert, mir das einzugestehen und den Grund zu finden, warum das so ist: Ich habe über lange Zeit einfach nur irgendwie durchgehalten habe, mich von Hoffnung zu Hoffnung geschleppt und in den letzten 10 Jahren nicht nur mehrere, teils schwere, OPs er- und überlebt, sondern auch mental viel aushalten musste.

Die nächste OP steht zudem auch schon am Terminplan. Zur Abwechslung etwas Kleines und relativ „normales“: Karpaltunnelsyndrom links. Das muss dringend saniert werden, wenn ich das Gefühl in meinen Fingern und deren Funktion erhalten will. Damit ist dann auch wieder 6-8 Wochen Pausen mit Pfotenarbeit in jeder Hinsicht. Es spricht vielleicht Bände, dass mich diese Zwischendurch-Op gerade mal zu einem mentalen Achselzucken motiviert. Nicht weil ich sie nicht ernst nehme, sondern weil man irgendwann innerlich abstumpft.

Chronisch krank zu sein, mit mehreren Erkrankungen gleichzeitig und dann noch das „normale“ Leben mit seinen anderen Abenteuern zu handeln – das erfordert viel Biss und Kraft. Seltsamerweise war beides meistens da oder in Reichweite. Jetzt, ca. 6-7 Monate nach meiner erfolgreichen Arnold-OP, merke ich, dass ich noch immer Erholung brauche und ein intensives Bedürfnis nach Ruhe und Null-Verpflichtungen habe. Der Frühling, so schön er gerade ist, stresst mich heuer. Denn innerlich habe ich Sehnsucht nach Winterschlaf. 

Gegen die körperliche Erschöpfung habe ich mir Vital-Infusionen verordnen lassen. Gegen die seelische Müdigkeit und das mentale Winterschlafbedürfnis hilft nur Ruhe geben, sich diese Zeit gönnen und still akzeptieren, dass die Seele und das innere Kind jetzt eine Zeit zum Heilen und gesund Wachsen brauchen. Irgendwie habe ich das normale Leben verlernt, bin rausgeflogen, war in einem wirren Dasein unterwegs, das zum Alltag wurde.

Corona & Co. machen es auch nicht leichter. Meinem Gefühl nach hängen wir als Gesellschaft gesammelt in einer leichten bis mittleren Erschöpfungs-Depression. Und kaum war an der Pandemie-Front „Luft“, kamen der Ukraine-Krieg, globale Katastrophen, wirtschaftliche Umbrüche und die Angst- und Sorgen-Spirale dreht sich munter weiter. Das macht es mir gerade auch nicht leichter.

Nach dem Erkennen, was mir „fehlt“, kam dann der nächste, nicht so einfache Schritt: Zu akzeptieren, dass ich einfach noch nicht soweit bin. Ich weiß ja noch nicht mal, wofür ich wo, wie oder was sein soll und was dieses „soweit“ überhaupt ist. Das braucht einfach Zeit und draußen darf der Frühling einstweilen tun, was auch immer er tun will und muss. Ich erlaube mir und dem Garten ein wildes Wachsen. Ich im Kleinen und mehr im Inneren. Der Garten im Großen und Ganzen.

Wie es mit dem Blog hier weitergeht weiß ich jetzt noch nicht. Meine jahrelange „Therapie“, mir den Frust, die Angst und die Schmerzen von der Seele zu schreiben, die dann in diesen Blog und mein Buch geführt haben, ist nun in dem Stadium, wo ich mir eine neue Ordnung und vielleicht einen neuen Fokus zugestehen muss und will.
Fakt ist aber auch: Den Crohn werd ich nimmer los, aber dank Medikamenten ist er im Ruhemodus (Remission). Die Migräne habe ich nun soweit im Griff, dass ich das Leben auch als solches auffassen kann und nicht nur „am Leben bin“. Der alte Schwede (Morbus Sjögren) ist mal mehr, mal weniger laut, aber im Großen und Ganzen erträglich. Der Rest meiner Leiden hat sich auf ein Niveau eingeschwungen, wo ich es mit „altersbedingten“ Verschleißerscheinungen betiteln kann, ohne mich älter zu machen, als ich bin. Nun bekommen meine Seele und meine mentale Kraft ihre Version der Heilzeit und dürfen sich meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit wünschen. Wer weiß, was sich daraus ergibt und wohin mich dieser Heilweg führt. Was mir Mut macht: Kreative Ideen sind in Hülle und Fülle da. Auch in gänzlich anderen Richtungen und das ist sehr erfrischend.

Es ist kein depressiver Schub und auch kein Burn Out, sondern einfach „nur“ eine geistige Erschöpfung, wie sie nach einer sehr langen Zeit der intensiven Anspannung natürlich ist. Ruhe und die Möglichkeit den Tag kreativ und neugierig in meinem Tempo zu leben, sich spontan zu einer Unternehmung aufzumachen oder welche zu planen … und ebenso spontan einfach nix zu tun … etwas Neues ausprobieren, meine gestalterischen Fähigkeiten testen, etwas Neues ausprobieren … all das sind Dinge, die ich jetzt neu und anders erlebe – eigentlich überhaupt seit langem wieder bewusst erlebe. Mal mit Freude, mal mit Angst und aktuell mit noch sehr unsicheren, wackeligen Schritten. Begleitet von zarter Hoffnung und nicht immer stabilem Mut, im aktiven Bewusstsein, dass ich mit ein paar chronischen Sidekicks dauerhaft verbunden bin und darum sehr darauf bedacht, meinen körperlichen Grenzen achtsam zu begegnen.

Ich glaube, dass nennt man Leben lernen und ich bin dankbar, dass ich das mit über 50 (neu) entdecken darf. Still, leise und Schritt für Schritt, mit mir am Weg zu mir. 

Danke, dass du bis hierher gelesen hast …

… und Danke, wenn du trotz meiner anhaltenden Ruhezeit dann und wann im Blog vorbeischaust oder weiter im Newsletterverteiler bleibst! Mag gut sein, dass die Blogpause eine kurze wird, dass spontan neue Beiträge ins Netz hüpfen oder sich etwas ergibt, was ich unbedingt mit dir teilen will. Ich wünsche dir jedenfalls eine gute, erholsame, friedliche und vor allem freudvolle Zeit, bis wir uns wieder lesen oder sehen!

Und denk immer daran:

Du machst das großartig!

Lass dir von niemand etwas anderes erzählen und wenn die das dennoch tun, dann nutze die Macht des Mittelfingers und zeig den Grenzüberschreitern, dass du weißt, wie man ihn erhebt 😉

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Migräne-Operation, Motto: Freiheit für Arnold!

„WTF – Du hast dich wegen Kopfweh operieren lassen??!!“
Ja, ich habe mich wegen „Kopfweh“ operieren lassen.

Auch wenn ich und meine ÄrztInnen es nicht als „Kopfweh“ bezeichnen, weil das weder dem Schmerz noch der Ursache gerecht wird. Man nennt es Migräne und was das bedeutet, habe ich in meiner Migräne-Serie ausführlich erklärt. Dieser Beitrag ist der darin angekündigte fünfte Teil, das sog „Sequel“, ein kleiner, persönlicher Nachtrag.
Meine Chirurgin war beim Terminus noch genauer. Sie diagnostizierte die Schmerzursache als chronische Okzipital-Neuralgie, verursacht durch drei Autounfälle mit Peitschenschlag und einer hypermobilen Wirbelsäule. Man kann es aber auch als Okzipital-Migräne bezeichnen.

Für Außenstehende und Nicht-Migräne-Informierte sind es hingegen „nur“ Kopfschmerzen, fallweise Nackenschmerzen, je nachdem wo es mehr weh tut. Das manche mit Verwunderung darauf reagieren, wenn sich jemand wegen „sowas“ unters Messer zu legt, verstehe ich am Rande. Die meisten Reaktionen waren dankenswerterweise positiver und motivierend.

Unter denen, die es nicht nachvollziehen konnten, befanden sich allerdinigs auch welche, die medizinisch einschlägig unterwegs sind und ihre Konsternierung nur schwer verbergen konnten. Weswegen ich in Folge das übliche ABC des „Hast du das schon probiert“ abgefragt wurde. Meist von Menschen, die mich kaum kennen. Darum gerne für alle, die meinen, dass ich noch nicht genug externen Senf abbekommen habe und mein Leben, meine Handlungen eindeutig mehr ratschlägige Würze, vulgo oktroyierte Weisheit, braucht: Ich habe alles andere probiert. Medizinisch, alternativ, komplementär, spirituell, energetisch, physikalisch, … what ever: You name it, I did it. Von klassischen Schmerzmitteln bis zu den speziellen. Von Homöopathie bis Triptane. Von Cefaly bis Cranio. Usw. usf

Ich kann die Frage nach dem Warum aber auch nachvollziehen. Denn eine OP ist immer ein Risiko und das ganze während Lockdown und Covid-Pandemie zu vollziehen, ist eine besondere Herausforderung. Und für manche mag es ja auch ein hilfreicher Hinweis sein, denn diese Methode ist in der Migränebehandlung ein Novum. Also erzähle ich hier meine Geschichte, warum ich meinem Arnold die Freiheit geschenkt habe, wer dieser Arnold überhaupt ist und wie es dazu kam, dass ich mich im Lockdown am Nacken habe operieren lassen. Wegen Migräne.

Ich habe grundsätzlich einen heiligen Respekt vor der Unversehrtheit des menschlichen Körpers. Ich bin der Meinung, dass er zwar nicht perfekt, aber wunderbar komponiert und stimmig zusammengesetzt ist. Ich bin jemand, der sich jeden chirurgischen Eingriff in dieses phantastische Gefüge sehr, sehr gut und sehr, sehr lange überlegt. Speziell wenn es um Geschnippsel an Stellen geht, die nicht mehr nachwachsen.

So war es bei all meinen Operationen bisher: Ich habe mir, sofern es nicht hochakut war, gut überlegt, welche Alternativen es gibt und mir meist auch eine zweite und sogar dritte Meinung eingeholt, ehe es in den OP-Saal ging. So auch diesmal.

Der Auslöser für den Weg Richtung Kopf-OP war ein Status Migränosus, der mich fast aus der Welt geschleudert hätte. Ich bin ungewollter Profi in Sachen Schmerz und ertrage wirklich viel. Aber dieser Zustand im November 2020 war in einer Liga, bei der nur der Schmerz selbst dafür gesorgt hat, dass ich dem Leiden nicht von mir aus ein Ende bereitet habe. Ich war quasi bewegungsunfähig und immer wieder kurz ohnmächtig. Erst eine Schmerzmittelinfusion beim Arzt brachte die Erlösung – vom Schmerz, nicht vom Leben.

Das Wissen, dass dieser Zustand jederzeit wieder auftreten kann, ist nach einer solchen Attacke nicht sehr motivierend. Mein Neurologe hatte mir schon vorweg zum Beginn einer Botox-Therapie geraten. Was mich nicht wirklich beglückt hat, weil es bedeutete, dass ich, im Falle das es hilft, bis an mein Lebensende regelmäßig Nervengift in den Kopf und Nacken injiziert bekomme. Auch wenn ich einige kenne, die das gerne und freiwillig auf sich nehmen und viel Geld dafür ausgeben: Es ist nicht meins. Aber natürlich viel besser als brutale Schmerzattacken.

Ich hatte den ersten Botox-Durchgang bereits hinter mir und bekam mit den Spritzen im Kopf auch die Info serviert, dass man erst nach dem 2.-3. Mal wisse, ob und wie weit es was bringt. Die platte Stirn hat man dafür schon nach 1-2 Wochen. Nun ja. Dann kam der oben geschilderte Anfall und ich war fertig mit der Welt.

Als brave Patientin führe ich schon jahrelang ein Schmerz/Migräne-Tagebuch und das zeigte mir in schonungsloser Statistik, dass der Weg in diesen Wahnsinn mit zunehmender Attackenhäufigkeit gepflastert war. Egal was ich getan, probiert, unterlassen oder versucht habe, es hat nichts daran geändert, dass die Anfälle langsam aber stetig mehr und intensiver wurden und mich zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als die Hälfte der Zeit im Monat lahm gelegt haben. Zu den Schmerztagen selbst kommen ja noch die Tage davor und danach hinzu. Aura-Symptome, Vorweg-Schmerzen, Währenddessen-Irrsinn und der Erschöpfungszustand namens Migräne-Kater im Anschluss. Ein Teufelskreis mit beschleunigender Rotation. Bei 10-15 Attacken im Monat wird irgendwann langsam die Luft knapp, man ist permanent ko.

Ein paar Tage nach dem ersten Status-Migränosus saß ich am PC und tat das, was ich absolut niemandem rate oder empfehle: Ich googelte nach einem Wunder für/gegen Migräne. Nachdem ich so gut wie alles probiert hatte, war die Suche nach Wundern vielleicht ein logischer Schluss. Zumindest an diesem Tage erschien es mir logisch. Vielleicht war mir auch langweilig oder (am wahrscheinlichsten) ich war sehr verzweifelt. Vielleicht war es eine Mischung aus allem.
Tante Google hatte ein Einsehen und spuckte mir ganz zuoberst den Link aus, der ein Jahr später zu der Operation führte. Und es hatte dankenswerterweise nichts mit Wundern, Wunderheilern oder Wundermethoden zu tun. Es ist eine relative simple, physische, wissenschaftliche Lösung.

Ich würde nun gern von Engelschören, Fanfaren und Konfettiregen schreiben, die im Moment der Findung zu hören und sehen waren. Aber der Moment war einfach nur still. Ein Klick, die Seite eines Salzburger Krankenhauses, eine ehe strenge, sehr sachliche gehaltene Info und der Verweis, dass man diese OP nur dann in Erwägung zieht, wenn andere Maßnahmen probiert wurden. Zudem gibt es ein striktes, genau reglementiertes Auswahlverfahren, das Monate dauert.

Den Anfang machte ein Anruf in der Klinik und ein mehrseitiges Formular – was sage ich: Ein kleines Buch! – dass man durcharbeiten, ausfüllen und zurückschicken muss.
Und dann hieß es warten.
Warten.
Warten.
Sehr. lange. Warten.
Mit Migräneattacken, einem weiteren Status und unzähligen Tagen, wo ich mich kraftlos in die Verzweiflung habe fallen lassen, weil für alles andere keine Ressource mehr da war. Meine Resilienz hatte, wie die Ratten, das langsam sinkende Schiff verlassen – auch kein feiner Zug, aber ich versteh sie.

Ich habe das Formularkonvolut Mitte November 2020 abgeschickt und erhielt im März 2021 eine Antwort, dass bei mir eine OP möglicherweise helfen könnte. Das ist schon mal der halbe Jackpot und ich sag mal so: Für Engelschöre und Konfetti hab ich dann selbst gesorgt. Dieses „möglicherweise“ war eine Expresslieferung dringend benötigter Hoffnung. Mit ihr im Gepäck fuhr ich nach Salzburg, in die Ambulanz, zu der Ärztin, mit der ich das weitere Prozedere besprach.

Es folgten im Lauf des Sommers weitere Besuche vor Ort. Einer, wo ich mit akuter Attacke antreten musste, damit man „live“ mittels Blockade der Nerven testen kann, ob eine OP den gewünschten Erfolg hätte. Ich sag mal so:  Sich ein rostiges Gürkchen ans Knie zu nageln ist angenehemr, als mit einem akuten Migräneanfall 3 Stunden im Zug durch die Lande zu fahren und Stunden später in einer Ambulanz eine vielleicht hilfreiche Spritze zu bekommen. Ich hab es so gelöst, dass ich tags zuvor anreiste und den Anfall aktiv provoziert habe.

Wer seine Migräne-Trigger kennt, weiß was man vermeiden muss, um dem Migränegehirn möglichst wenig Anlass für einen Anfall zu liefern. In diesem Fall war es also umgekehrt. Madame Migraine hat sich herzlich gerne bitten lassen und kam wunschgemäß angetrabt. Die Ärztin war beglückt, mir war kotzübel und ultraelend, aber die Spritzen halfen. Das war dann wieder ein Moment, wo Chöre, Engel und so weiter angesagt gewesen wären. Aber die Ruhe rundum war auch schön, heilsam und beglückend.

Grundsätzlich hätte es dann schon im Sommer ans Werk gehen können. Aber da hatte ich eine Reha am Programm und Frau Doktor meinte, dass die auch gut wäre, im Sinne von Kraft, Ruhe und den anderen Dingen, die so eine Reha meist bewirken. Außerdem bräuchte es noch ein paar Untersuchungen, unter anderem ein CT der Nase und Nasen-Nebenhöhlen. Zur Sicherheit wird vorweg auch dieser Bereich kontrolliert, da ein hoher Prozentsatz der MigränikerInnen hier eine Beeinträchtigung haben. Sollte das so sein, könnte man das im Zuge der Nacken-OP gleich mit behandeln, eine Doppel-OP sozusagen.

Im September gab es die finale OP Besprechung und mein Nasendingsbums-CT brachte ans Tageslicht, dass mein zauberhafter, böhmischer Gesichtserker inwendig einen Knick hatte, der möglicherweise Anfälle via Trigeminus-Nerv triggert. Dieses „möglicherweise“ ist sehr schwammig. Es kann sein, aber es kann auch nicht sein. Im schlimmsten Fall hätte ich nach der OP eine geradere Nasenscheidewand, bekäme auf beiden Nasenlöchern gleich gut Luft und die PCR-Test-NasenbohrerInnen hätten beidseits freie Bahn für ihre Stäbchen. Es gibt schlimmere Optionen und darum war für mich klar, dass ich mir das Gesamtpaket (Nacken, Nerv und Nase) zu Gemüte führen würde.

Der Rest und alles dazwischen war: Warten. Die Migräne-Attacken penibel aufschreiben und mittels Foto dokumentieren, wo genau die Schmerzen begonnen hatten, um zu erkennen welcher Punkt im Nacken besonders perfide nervt, um damit den Verlauf der Nerven genau feststellen zu können.

Der Hauptprovokateur am Hinterkopf ist in diesem Fall der sog. Nervus Okzipitalis. Den man auch Arnold-Nerv nennt, nach dem Mann, der ihn erstmals intensiver erforschte. Dieser Nerv hat drei Äste, die sich Major, Minor und Tertius nennen. Für die Migräne-OP war es wichtig herauszufinden, ob der große (Major) oder der kleine Racker (Minor) der Störenfried in Kopfsystem ist. Da besonders der kleine Arnold bei jedem anders verläuft, muss man vorweg ganz genau wissen, an welchem Punkt die Schmerzquelle sitzt, damit man den Schlingel bei der OP punktgenau findet.

Arnold, der nervende Nerv, hat durchaus auch eine wichtige Funktion. Zumindest der große Arnold. Ich weiß das aus erster Hand, denn wenn er genervt ist, spürte ich den Verlauf und seinen Wirkungsbereich intensiv. Es ist ein Gefühl, als ob es einem das Auge aus dem Kopf drückt, als würde sich eine glühende Schraube vom Nacken/Kopfansatz quer durchs Gehirn, nach vorne in die Stirn bohren. Das ist in etwa der Bereich, wo Arnold der Große sein Wirken entfaltet und bei hierorts Gesunden tut das auch gar nicht weh. Arnold der Kleine übernimmt den Bereich über dem Ohr, Schläfe und Jochbein und wenn beide mitsammen konzertieren, kann man nicht mehr sagen, wer auf welche Pauke schlägt. Es ist (buchstäblich) zum Kotzen. Die beiden tun das aber nur, wenn sie keinen Platz haben und aus dieser Sicht betrachtet ist ihr Rumoren ja auch irgendwie verständlich.

In meinem labilen, peitschenschlageschädigtem Nacken war der Kanal, durch den Arnold der Große sich schlängelte, auf Grund der Unfälle zu eng geworden. Die Schädigungen hatten kleine Risse im Gewebe, den Muskeln und Bändern, verursacht. Damit entstanden Narben, die sich immer wieder entzündet haben und damit zu weiteren Vernarbungen geführt haben. Alles im Mikrobereich, vom Raum her. Aber maximal Makro von den Auswirkungen her. Arnold ist nicht moppelig, das sind Nerven generell nicht. Er braucht auch nicht viel Platz, aber den hätte er gerne uneingeschränkt. Wenn er bedrängt wird und man ihm den Raum nimmt, reagierte er so, wie das jeder tun würde – egal ob Nerv oder Mensch: Er schreit. Im Falle von Nerven ist der Schrei ein grausamer Schmerz.

Das Fatale an diesem Prozess, der im Verlauf von Jahrzehnten immer öfter auf der Tagesordnung stand: Die Schmerzen sind denen der klassischen Migräne verdammt ähnlich und lösen mitunter eine solche aus oder koppeln sich daran. Manchmal ist es auch umgekehrt und das macht die Ursachenforschung so komplex. Ein wichtiger Hinweis in meinem Fall war, dass der Anfall meist, wenn auch nicht immer, vom Nacken, hinten rechts, ausging. Fallweise auch links und fallweise schräg vom Ohr weg. Viel seltener beginnt meine Migräne frontal, von der Stirn bzw. der Kopffront aus. Ich konnte den Punkt immer genau eingrenzen und wenn ich dort intensiv Druck ausübte, kam es für ein paar Momente zu einer kleinen Erleichterung. Hinzu kamen noch weitere Arnold-typische Probleme und Symptome. Die Chirurgin meinte, es wäre ein Fall wie aus dem Lehrbuch. Damit bestünden gute Chancen auf deutliche Besserung und eine drastische Reduktion der Anfälle. Aber der Weg dahin ist eben mühsam.

Die OP wurde für die zweite November-Hälfte 2021 vereinbart und tja – danke Corona für Nichts, das war der Beginn des 4. Lockdowns in Österreich. Genau an dem Tag, an dem der neue neue Ausnahmezustand begann, bin ich via Zug nach Salzburg gefahren.

Eine Nacht in einem sehr angenehmen Quartier – und danke hier an das Hotel, dass mir 2 Tage vor meiner Reise nach Salzburg das seit Wochen bestellte Zimmer auf Grund des Lockdowns spontan gekündigt hat. Ich habe so eine wesentlich entspanntere, bessere und günstigere Alternative gefunden. Somit begann das Abenteuer schon mit einem Glücksvorschuß.

Dann ging es los: Der übliche Aufnahme-Tango im KH, Untersuchungen, Blutabnahmen und das sehr heitere Gespräch mit einem sehr lustigen Anästhesisten. Die beiden operierenden Ärzte kamen zur letzten Besprechung. Die Chirurgin bemalte mein Hinterhaupt für den genauen Verlauf der Schnitte. Der HNO musste das nicht tun. Ich hab ja nur eine Nase und damit war klar, wo er tätig werden würde.

Bei der OP sollte der kleine Arnold beidseits gekappt und der große beidseits in ein neues „Bett“ umgelagert werden, damit er keine Beklemmungen mehr hat. Danach hieß es einmal umdrehen (bzw. umgedreht werden) und die Nase inwendig korrigieren. Das Komplizierteste an der Sache ist das Umlagern.

Das Schöne: Ich würde von dieser Prozedur nix mitbekommen, weil Vollnarkose.
Das Mühsame: Ich würde danach die Folgen abarbeiten müssen, weil Vollnarkose.
Ich gehöre zu den Menschen, die auf Narkosen mit massivster Übelkeit reagieren. So war es auch dieses Mal.

Das größte Risiko, abseits der üblichen OP-Risiken: Das ich mit massiver Migräne und brutalen Nackenschmerzen wach werde, denn Kopf und Nerven werden bei dieser OP extrem gereizt. Das könne man aber mit Schmerzmittelinfusionen abfangen. Die Chance für einen generellen Erfolg der OP liegen bei 70-95%, Je nachdem wie genau man den Verlauf der Nerven vorweg definiert.
Die Chance, dass es nichts bringt, liegt somit bei 5-30 %. Das war der Punkt, den ich mir vorweg als persönliches Entscheidungs-Kriterium herausgepickt hatte. Sollte es nichts bringen, hätte ich es zumindest probiert. Damit kann ich leben. Die Statistik war jedenfalls auf meiner Seite und das ist schon mal tröstlich.

Dann wars soweit. Und um es zu Spoilern: Alles klappte wie am Schnürchen. Ich kam als erste an die Reihe (darauf warten abgeholt zu werden ist imho das Schlimmste). Ich hatte einen nicen Talk mit dem lustigen Narkosearzt und bin mitten im Gespräch eingeschlafen (sorry!). Wach geworden bin ich Stunden später in meinem Zimmer. Vorerst schmerzfrei, mit einer teil-zugestöppelten Nase und dem wunderbaren Gefühl der Erleichterung: Ich hab´s geschafft!

Ein paar Stunden nach dem Wachwerden kamen dann die „üblichen“ Nachwirkungen: kotzige Übelkeit vom Feinsten und das Timing dafür war perfekt. Zeitgleich begannen Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, eine seltene, frontale Migräne in Kombi mit meiner klassischen „Nacken-Migräne“ (=Premiere). Die Tamponade in der Nase erreichte ihren Höhepunkt und mein Gesichtserker stellte den Dienst vorübergehend ein.

Das war dann aber auch schon das Mühsamste an der ganzen Sache. Die Schmerzen konnten relativ rasch mit entsprechenden Mediks gestoppt werden Auch der Narkose-Übelkeit wurde chemisch eins vor den Latz geknallt und egal wer oder was es war: DANKE.
Die schlimmsten Momente waren damit im Griff. Das Einzige, was die erste Nacht mühsam gestaltete, war die Außer-Dienst-Nase. Beim Schlafen nur durch den Mund atmen kann ich nicht.

Erlösung brachte der Morgen und der nette HNO, der als erste Amtshandlung seines Tages meine Nase von den Stoppeln befreite. Herrlich!!! Die Schienen, die die neu gestaltete Nasenscheidewand stabilisieren sollten, mussten eine Woche vor Ort bleiben. Bis dahin ist auch das klassische Naseputzen Geschichte, denn das könnte die Schienen verbiegen. Stattdessen rüsseln, röcheln und etwaigen Schnoder unelegant hochziehen. Alles Dinge, die man sich als Kind schon abgewöhnt hat und die in Zeiten von Covid akustisch nicht unbedingt das Zusammenleben fördern. Dafür ist das Gefühl, wenn man dann nach einer Woche die beiden (imho RIESIGEN!) Schienen aus der Nase rausbekommt und zum ersten Mal wieder ungebremst durch die Nase atmen kann … also das ist einfach nur geil. Besser als Weihnachten und Ostern und Marzipan und Schokolade zusammen. Ungehindert frische Luft durch die Nase atmen ist eine Wonne. Es sind die kleinen Dinge, die das Leben schön machen! 🙂

Der Nacken war im Vergleich dazu easy. Es waren drei Schnitte: zwei kleine horizontale an den Seiten und ein auch nicht sehr großer vertikaler in der Mitte, alle beim Haaransatz. Frau Doktor hat sogar auf einen haarigen Kahlschlag verzichtet, was eine Überraschung war und ich ihr hoch anrechne. Damit erspart man sich a. blöde Fragen und b. Kälte im Nacken. Die Klammern blieben zwei Wochen. Das „bamstige“ Gefühl am Hinterkopf bleibt länger und mitunter bleibt ein kleiner Teil so, aber daran gewöhnt man sich schnell.

3-4 Wochen nach der OP ist Schonung angesagt und das habe ich mir dann sehr gegönnt. Dazu passend war ich dann anschließend auch gleich über Weihnachten im Ruhemodus.

Der Erfolg des Ganzen

Die Frage, ob die Prozedur von Erfolg gekrönt ist, kann man nach frühestens 2-3 Monaten beantworten. Das Schmerzgedächtnis braucht sehr lange um zu erkennen, dass der Grund für das Weh weg ist. Bei mir hat es fast 4 Monate gedauert, bis sich die Attackenstatistik eindeutig geändert hatte. Aktuell geht es mir gut und ich möchte darüber gar nicht viel darüber reden, weil ich ein wenig abergläubisch bin.

Wichtig ist, dass man auch bei einem anhaltenden Erfolg der OP nicht vergisst, dass die Ursache für die Migräne nach wie vor vorhanden ist: Das besondere Gehirn, dass mit Reizen nicht so gut umgehen kann und schnell mal übersteuert.
Mit der OP werden ein oder mehrere massive Trigger neutralisiert. Das kann mitunter auch dazu führen, dass andere Auslöser, die sich bis dato im Hintergrund gehalten haben, nun verstärkt aktiv werden. Die größte Gefahr ist aus meiner Sicht eher die, dass man glaubt nun all das Tun, Nachholen und Erleben zu müssen, was man als Migräne-Prophylaxe sicherheitshalber aus dem Leben aussortiert hat.
Meine anderen Trigger, wie Nahrungsmittelunverträglichkeiten, grelles Licht, Stress, Lärm und all das, was bei mir zu einer sofortigen Reizüberflutung und Überlastung meines internen Systems führt, sind mit der OP ja nicht verschwunden. Diese Expositionen sind gekommen um zu bleiben, waren vermutlich schon von Anfang an da.

Da mein Nacken nun aus dem Konzert der Missstände und Schmerz-Ursachen ausgestiegen ist, ist aber ein sehr großer Trigger verschwunden, womit auch der damit verbundene Stress und die Angst vor neuen Attacken gesunken ist, was dem ganzen System gut tut.

Und nun?

Nun geht es darum den Körper, die Muskeln, Faszien und Gelenke, neu zu „schulen“. Denn durch diese beiden kombinierten Eingriffe an sehr sensibler Stelle ist das gesamte Gefüge des Körpers „erschüttert“ worden und bekommt zugleich die Chance, sich neu und besser auszurichten. Physiotherapie, Cranio- und Nuad-Sitzungen, achtsames Trainieren von stabilisierenden und gesünderen Bewegungsabläufen und dergleichen stehen seither auf meiner Tagesordnung.

Über alles weitere, wie es mir nun geht, warum es hier so still ist und wie es im Blog vielleicht weitergeht, kannst du in einem der nächsten Beiträge lesen.

Ich danke dir, dass du bis hierher lesetechnisch „durchgehalten“ hast und hoffe, dass ich meine Migräne-Infos in diesem Blog damit beenden kann. Schließlich gehts hier ja hauptsächlich um den lieben Herrn Crohn 😉

P.S.: Das Ding im Bild oben ist eine sehr laienhafte Darstellung einer Nervenfaser und soll Arnold darstellen, der sich in seinem neuen, größeren Zuhause wohl fühlt bzw. Arnold der Kleine, der es nun in einer anderen Welt hoffentlich entspannter hat. 

Briefe aus dem Leben mit CED

Öhm, … noch wer da?

Hallo …?

Räusper … hm … also, ich weiß nicht, wie ich beginnen soll.
Bin etwas eingerostet, innerlich und äußerlich.
Was, mangels Regen, nicht an der Luftfeuchtigkeit liegt, sondern an einer sehr, sehr langen Pause. Einer immens langen Pause, in internetten Blog/Social Media-Zeiten.

Der letzte Beitrag kam Mitte November 2021. Nun haben wir die Iden des März 2022 – also den 15.03. und das sind somit … ach, rechne das mal ein anderer aus, mein Kopf mag noch keine Zahlen jonglieren.

Jedenfalls isses megalange her, dass ich ein Lebenszeichen via Blogbeitrag ausgeschickt habe und es ist viel passiert in dieser Zeit. Andererseits auch wieder nicht so viel, verglichen mit dem, was in diesem wundervollen Habitat geschieht, das man Planet Erde nennt und auf der eine Spezies namens Mensch gerade ihre Spezien-Pubertät auslebt. Was bei manchen Exemplaren dieser Spezies zu sehr verrückten Zügen führt, was wiederum andere Exemplare dieser Spezies in arge Not, Angst und Bedrängnis bringt und in Folge dann zu anderen Verrücktheiten motiviert.
Aus Notwehr oder aus Berechnung, je nachdem.
Womit eine grausige Kettenreaktion an Ereignissen entsteht, die dafür sorgt, dass sich die Mehrheit dieser Spezies täglich beim Wachwerden fragt, ob die Welt noch steht und ob man es wagen kann, die Augen zu öffnen.

Also ich frag mich das zumindest aktuell tagtäglich. Und nicht immer hab ich das Gefühl, dass es gut war, dem Morgen ins Gesicht zu blicken. Speziell dann, wenn der zweite Blick Richtung Nachrichten geht. Was ich mittlerweile großteils vermeide, womit der zweite Blick in den Tag deutlich an Qualität gewonnen hat.

Wenn es mir gelingt die Katastrophen der menschlichen Spezies aus meinem Gesichtsfeld auszublenden, ist es eigentlich ganz ok. Also mir geht´s eigentlich ganz ok. Womit sich ein egozentrisches, fragiles, aber nichts desto trotz auch wieder sehr schönes, weil heiles, individuelles Weltbild ergibt. Meistens.

Ok, nicht meistens. Aber immerhin doch recht oft und das ist an sich schön.

Eigentlich.

Weil: Darf ich sagen, dass es mir … gut geht? 
Oder darf man das nicht mehr, weil es so vielen schlecht und schlechter geht?

Darf ich mich zart, still und leise darüber freuen, dass meine Kraft zart, still und leise wieder am Wachsen ist? Und die unliebsamen WeggefährtInnen meinereiner, die ich im Lauf eines (in den letzten Jahren ziemlich kranken) Lebens aufgegabelt habe, gerade eine chillige Pause einlegen bzw. relativ friedlich geworden sind?

Darf es mir gut gehen, wenn die Welt täglich aufs Neue droht zu zerbrechen?

Darf ich sagen, dass es mir gut geht, obwohl ich dennoch krank bin und es bis an mein Leben sein werde, weil die obigen, unliebsamen WeggefährtInnen fiese Kackbratzen sind und sich so fix-fest eingenistet haben, dass man sie als chrohnisch und unheilbar tituliert?

Geht es mir überhaupt objektiv gesehen gut, so lange ich Medikamente nehme … nehmen muss? Weil es ohne nicht lang gut geht und ich trotz geht-gut auch hin und wieder Schmerzhämmerchen* brauche? Und weil es mir nur deshalb gut und besser geht, weil ich mit Therapien und TherapeutInnen und diversen Lebensfreude-Motivationen tagtäglich darum kämpfe, dass es mir grundsätzlich gut geht?
Auch an Tagen, wo es mir nicht gut geht? Weil die gibts ja auch noch zur Genüge und auch darum weiß ich nicht ob ich mit Fug und Recht sagen kann, dass es mir gut geht, wenn es mir doch nicht immer gut geht?

Ist es denn dann überhaupt ein Gut-Gehen, wenn es nicht von selbst gut ist oder gut geworden ist?

Und darf man heute überhaupt noch mit solchen Dingen die Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen in Anspruch nehmen, darüber schreiben, sich dazu äußern? Weil es ja wahrlich genug anderes gibt, was furchtbarer ist und dessentwegen mehr Aufmerksamkeit braucht?

Interessiert es noch jemand? Weil an der Phrase „Und, wie geht´s dir so?“ kann man das ja nicht aufhängen und ich bin sehr froh, dass man darauf keine ehrliche Antwort geben muss, keine ehrliche Antwort erwartet wird, denn ich wüsste nicht, was ich ehrlich darauf sagen soll.

Außer, dass es mir heute besser geht als noch vor ein paar Monaten. Und vielleicht gehts mir in ein paar Wochen noch besser, wenn mir nicht das Schicksal der Menschheit in mein Leben hineinkrätscht oder sich mein Karma hinterrücks zu irgendwas Konspirativem entschieden hat, was meiner wackeligen Lebensplanung einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Jedenfalls:

Ich lebe noch und die meiste Zeit bin ich heute glücklicher darüber, als noch vor nicht allzu langer Zeit, wo mich Madame Migraine die Hälfte der Tage mit ihrer Anwesenheit gequält hat und dem Wort „Todessehnsucht“ eine gewisse Schönheit verliehen hat.
Wer schon mal Migräne hatte, wird verstehen, warum das so ist. Wer Migräne nicht kennt, kann hier reinlesen. Vielleicht kommt das sowas wie Verständnis auf.

Ich habe mich nach meiner geplanten Doppel-Op im November genussvoll in die Ruhe und Stille plumpsen lassen. Sehr unelegant und mit einem grunzenden, leicht röhrenden Seufzer aus tiefster Kehle – um es metaphorisch auszudrücken. Meine Chirurgen hatten mir 4 Wochen Ruhe verordnet, dann war Weihnachten und dann … war keine Ausrede mehr da nix zu tun, außer das durch das vorherige Nixtun keine Kraft mehr da war, um etwas tun zu wollen oder können. Als ob jemand den Stecker gezogen oder auf Reset gedrückt hätte und damit all das, was ich über den Sommer an Konditiönchen** aufgebaut habe, gelöscht hat. Ich würde gerne „fies gelöscht“ sagen, aber das wäre eine Wortwiederholung und ich will meine ehemaligen DeutschlehrerInnen nicht aufwecken. Aber es war fies.

Denn das Fiese daran ist, dass es unvermeidlich war. Ich hatte 2021 drei Operationen, eine im März und eine Doppel-OP im November, mit insgesamt zwei Vollnarkosen. Ich bin keine 27 mehr, sondern 54 und da sind solche Abenteuer am Op-Tisch eine ziemliche Strapaze, vor allem wenn das zugehörige Körperchen schon einiges an Erlebnissen in der Vita stehen hat. Meine gesammelten 54 Jahre standen nach Weihnachten vor mir und haben die Rechnung präsentiert – KO.

Müde, ausgelaugt, keine Kraft mehr für irgendwas.
Keine Motivation für was auch immer.
Keine Lust auf alles.

Ich würde mich bei der mentalen Müdigkeit nun gern auf den putinösen Kolchosen-Mafiosi ausreden, der gerade die Welt in Atem hält. Aber der hat damals noch im Geheimen seine bösen Pläne geschmiedet und wir waren alle mit dem großen C und seinen pandämlichen Folgen beschäftigt. Immerhin kann ich einen Teil meiner inneren, lahmen Lust- und Freudlosigkeit diesem blöden Ding ins Portfolio schieben – Danke Corona, für nichts! Hast mich zwar nicht infiziert, aber dank deinereiner sind wir alle traumatisiert und mental matschmüde.

Tja …

So sah es aus und darum war hier Ruhe im Talon.
Als ich bei einer hausärztlichen Kontrolle mal zart auf meine Matschmüdigkeit hinwies und wissen wollte, ob es dafür vielleicht einen medizinischen Grund gäbe oder zumindest einen guten Rat, der mir den Weg zu einer Leiter aus diesem Loch weisen könnte, erhielt ich den nonchalanten Tipp, dass ich dazu einfach nur rausgehen müsste, an die frische Luft, am besten täglich.

Unser Hundemädchen, das täglich mehrmals erfolgreich dazu auffordert genau das zu tun, freuen solche Hinweise. Sie hofft dann auf eine Verdopplung ihrer Spazierzeit. Denn ich ging und gehe jeden Tag mit ihr raus, tagtäglich, in der frischen Luft, bei wirklich jedem Wetter. Egal ob ich fit bin oder mich münchhausentechnisch am Schopf selbst durch die Landschaft hinter ihr herziehe.

Die tagtäglichen Hunderunden im matschmüden Zustand haben aber weder die Laune noch die Matschmüdigkeit selbst zu beheben vermocht. Ehrlich gesagt kam ich mir bei dem sicher gut gemeinten Rat meines Arztes sehr verar***t vor. Was ich so nicht gesagt, sondern lediglich nett umschrieben habe mit „Mach ich schon, hab Hund und Garten, muss also raus, ob ich will oder nicht. Was kann ich noch tun?
Aber mehr an Rat kam nicht.

Und das tat weh.
Irgendwie.
Es schmerzte tief im Inneren, wo ich sowas wie Hoffnung auf Unterstützung von klassischer Seite gehegt habe. Um zu erkennen, dass man mit kleinen Problemen in Zeiten, wo die Welt größere hat und Menschen mit Problemen immer mehr werden, irgendwie alleine ist, wenn man sich den eigenen kleinen Problemen stellen will.

Und dann kam die Wut, was vielleicht nicht nett, aber hilfreich war. Wut auf alles und jeden, weil mir alles und jeder iwie … na ja, du weißt schon, es gibt so Momente, da könnte man …
Aber man tut´s nicht und weiß auch, dass man nichts tun wird. Aber man denkt, man könnte, wenn man wirklich wollte.

Meine Wut hat mir den Ar***tritt verpasst, der mich aus dem Münchhausigen-Schopf-Schlurf-Sumpf gekickt hat und der Flug endete, dem Glück sei Dank, auf einem Pfad, der mich zu dem brachte, was mir gefehlt hatte.

Soll bitte keiner mehr was über die Vorsehung schimpfen, Madame Zufall hat´s noch drauf und kann, wenn sie will!

Bei mir waren es meine lahmen Latschen, die mich auf den richtigen Weg gebracht haben, der mich aus diesem matschmüden Tief herausgeholt hat. Meine beiden Hallux taten weh, ich ging zum Orthopäden und lernte dort die Mehrzahl von Hallux (Hallucis) und eine nette Therapeutin kennen und erfuhr zum anderen, dass man hierorts sog. Vitalinfusionen anbot, die für meinen Zustand maßgeschneidert waren.

Manchmal kann die Lösung so einfach und nah sein. Durch die OPs, die lange Ruhe/Rekonvaleszenz in den dunklen Wintermonaten, die langen, oftmaligen Migräneanfälle und meinen crohnisch geschädigten Darm habe ich mir einen Vitamin- und Nährstoffmangel eingehandelt, der mich in Kombi mit dem chronischen Schmerz unserer verrückten Welt körperlich und mental ko geschrumpft hat. 10 Infusionen, von denen ich die Hälfe schon intus habe, und eine Physiotherapie, die mich liebevoll und streng auf Schiene schubste, haben mich zumindest soweit wieder hergestellt, dass ich das Gefühl habe, in Bälde kleine Bäume ausreißen zu können. Was ich nicht tun würde, weil ich liebe Bäume. Aber ich könnte, wenn ich wollte, und das ist ein schönes Gefühl.

Und nun ist Mitte März und ich dachte, ich melde mich mal mit einem Blogbeitrag.
Und dann waren da diese Gedanken, siehe oben.
Und tja, ich hab keine Entschuldigung für die lange Pause.
Vor allem weil ich denke, dass man sich für das, was das Leben einem ungefragt schenkt und zumutet, nicht entschuldigen kann oder muss.

Aber leid tut es mir dennoch, denn: Ich habe euch vermisst, liebe LeserInnen, liebe BlogabonnentInnen, liebe Alle, die hier dann und wann reinschauen. Ich habe mich sehr über die Mails gefreut, die in den letzten Wochen dann und wann eingetroffen sind, und über die kurzen Nachrichten via Instagram, Facebook & Co. Und über die vielen schönen Rückmeldungen zu meinem Buch „Shitstorm im Darm„, die direkt oder über andere an mich gekommen sind. Und über ein paar Anfragen und Kooperationen, die in dieser Zeit eingetrudelt sind.

All das waren und sind wunderbare Sternchen, die einen in matschmüder Dunkelheit Mut machen und Freude. Das ist mindestens so aktivierend wie die erfrischenden Vitalinfusionen und die Hunderunden mit der Wuff-Mamsell und ihren (fallweise anstrengenden) Frühlingsgefühlen.

Also:

Ich trau mich jetzt es zu verkünden, egal ob es gut ist oder nicht: Es geht mir meistens gut und gerade täglich besser. Ich bin wieder da und vielleicht kommen nun wieder öfter Beiträge, denn zu berichten gäbe es einiges und es kommt euch einiges, was vielleicht berichtenswert ist.

Ich freu mich, wenn ihr hier wieder mitlesen wollt und hoffe ansonsten, dass es euch auch zumindest gut und im besten Fall täglich besser und grundsätzlich wunderbar geht.

Das wünsche ich euch, allerherzlichst!

P.S.:

Für eine Zeichnung, einen neuen Cartoon, hat es diesmal noch nicht gereicht.
Aber beim nächsten Mal, hoffentlich 🙂

*Schmerzhämmerchen ist kein Rechtschreibfehler. Es ist meine Kreation für die Medikamente, die dem Schmerz bei seinem liederlichen Auftreten eins überbraten, damit er sich flugs zurückzieht. Zum erfolgreichen Überbraten ist ein Hammer ein ganz formidables Werkzeug. Darum hämmern meine Schmerzhemmer mit Umlaut-A.

**Konditiönchen: Sowas ähnliches wie Kondition, nur in klein und gerade soweit ausreichend, dass man glaubt, man würde bald eine richtige Kondition haben, in stabil und kraftvoll. 

Allgemein

Podcast-Interview: Bauch trifft Kopf!

In meiner kleinen Migräne-Serie habe ich im vierten Teil eine kleine Ankündigung gemacht, dass es demnächst was auf die Ohren gibt. Auf meinem Instagram-Account hab ich es ein wenig deutlicher angeteasert. Und nun posaun ich es laut hinaus und darf verkündigen:

Ich war bei der lieben Dr. Nadine Webering zu Gast, wurde für ihren tollen Podcast interviewt und das kann man ab heute im Netz hören!

Dr. Nadine Webering ist Neurologin und Ayurveda-Ärztin. Sie leitet ein Online-Unternehmen, ist Herausgeberin eines Magazins, Buchautorin, Business-Coach und Speakerin zu verschiedenen gesundheitlichen Themen. Sie bietet unter anderem Ayurveda-Beratungen an, wobei der Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Begleitung von Menschen mit Migräne liegt.

Nadine hat auch einen Podcast, wo sie wöchentlich über Themen aus ihrem Tätigkeitsgebiet spricht oder Interviews mit anderen spannenden Menschen veröffentlicht. Wir sind uns zufällig auf Instagram „über den Weg“ gelaufen. Ein paar Mails später kam spontan die Einladung zum Podcast-Gespräch. Ich hab mich sowas von gefreut und noch mehr, als wir uns dann via Zoom fast-live begegnet sind. Wir haben vorweg über alles mögliche gesprochen und hätten vermutlich noch Stunden weiterplaudern können. In der Podcast-Folge selbst geht es u.a. darum, wie der „lieben Herrn Crohn“ entstand, warum Humor die wichtigste Zutat im Leben ist, wie ich mich an den Haaren aus dem Frust-Sumpf ziehe und auch mein Buch „Shitstorm im Darm“ war am Rande Thema.

Es war ein klassisches „Bauch trifft Kopf“ Gespräch – erdig, philosohphisch, heiter und tiefgehend und ich freu mich nach wie vor sehr darüber.

Hier geht es zu Nadines Podcast, den man auf itunes, Spotify oder Spreadmind kostenfrei anhören kann: Stay in Balance.

Und hier geht es direkt zu „meiner“ Folge:

Es ist überall das Gleiche zu hören. Aber ihr könnt gern dreimal reinlauschen – sicher ist sicher 😉 

Weitere Infos über Nadine findest du auf ihrer Website: Dr. Nadine Webering

Und wenn du auf Instagram bist und mein Buch noch nicht hast, dann schau mal bei Nadines Insta-Account vorbei – da gibt es möglicherweise was zu gewinnen 😉

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