Im 3. Teil meiner Migräne-Serie habe ich ein wenig über meine schulmedizinischen Therapien erzählt. Im letzten Teil meiner kleinen Serie rund ums Kopfgewitter geht es um Alternativen abseits der Schulmedizin,um zwei Buchtipps und weiterführende Links, sowie mein Fazit.
Gerade bei Migräne gelten die komplementäre Alternativen landläufig als hilfreicher und besser – noch mehr als bei der Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Betroffene erhalten ungefragt unzählige Tipps und Ratschläge, wie sie ihre Kopfprobleme „alternativ“ auflösen können. Dabei ist auch hier die individuelle Kombination aus Schulmedizin und komplementären/alternativen Methoden das, was in der Regel am sinnvollsten und besten hilft.
Aber wichtig zu wissen: Ohne Schulmedizin geht es nicht. Ähnlich wie bei CED kann es auch bei Migräne böse enden, wenn man die Sache gänzlich ohne medizinisch Unterstützung bewältigen will. Wie mehrfach erwähnt: Migräne ist eine neurologische Erkrankung, die mit einer erhöhten Schlaganfall-Neigung einher geht. Schon allein deshalb ist es wichtig, sich medizinische Hilfe zu suchen, die einen kompetent und empathisch begleitet, aufklärt und mit der gemeinsam man einen „Handkoffer“ an hilfreichen Dingen zusammenstellt. Das können sowohl Medikamente sein, aber auch physikalische Hilfsmittel (z.B. das mittlerweile recht gut bekannte Cefaly) und Therapien, bis hin zu psychotherapeutischer Unterstützung. Nicht zu vergessen, dass bildgebende und diagnostische Verfahren, wie MRT und EEG, vorweg und bei akuten, dramatischen Veränderungen eine unabdingbare wichtige Kontrolle darstellen.
Nachdem es bei Migräne primär darauf ankommt, dass man möglichst viele potentielle Trigger entschärft oder ausschaltet bzw. so wenig Stress wie möglich in sein Körpersystem lässt, haben komplementäre bzw. alternative Heilmethoden aber einen hohen Stellenwert in der Migränetherapie und -vorbeugung. Hinzu kommt das Gefühl, dass man damit als Betroffene aktiv etwas tun kann und den Anfällen nicht mehr so ausgeliefert ist. Wie immer muss man für sich selbst herausfinden was gut tut, was einem wirklich hilft und was man erträgt, ohne im Gegenzug zu sehr darunter zu leiden.
Und hier gibt es eine weitere Parallele zu CED, die überlebenswichtig sein kann:
Wer behauptet, die ultimative Therapie zu haben, mit der du deine Migräne für immer los wirst, der lügt oder will dir letal an den Kragen.
Denn die Ursache für die Migräne ist ja dein besonders, hochsensibles Gehirn und das willst du hoffentlich nicht umtauschen. Wundermittel oder „hilft ganz bestimmt“-Methoden, egal auf welcher Ebene, sind in erster Linie fragwürdig, meist teuer und können im allerbesten Fall nur eines: Die Anfallshäufigkeit und Schmerzintensität senken. Aber das ist ohnehin schon super und als Erfolg zu verbuchen.
Ehrliche und gute TherapeutInnen erkennst du einmal mehr daran, dass sie dir keine Wunder versprechen und mit offenen Karten spielen. Grundsätzlich gilt das alles, was Stress aus dem System nimmt, ohne noch mehr Stress zu verursachen, gut ist. Wenn du dich damit wohl fühlst und es dir dabei und danach gut geht, dann passt es, egal was es ist (solange es legal und moralisch vertretbar ist ;-).
Das Gleiche gilt für die unzähligen Migräne-Diäten: Du musst selbst rausfinden, was dir gut tut und hilft. Es gibt (wie bei CED) keine eigene Migräne-Diät, die für alle gleich ist.
Der einzige, allgemein gültige Grundsatz: Ausreichend und regelmäßig essen, sowie viel trinken. Das Migränehirn braucht auf Grund seiner Struktur deutlich mehr Energie als normale Köpfe. Fütterst du es nicht ausreichend, reagiert es mit Gewitter. Trinkst du zuwenig, kracht es. Isst du das Falsche, wird es sauer. Ist du gar nichts, wird es so richtig schlimm.
Aber was du im Detail futterst, ist individuell. Manche brauchen unbedingt Kohlenhydrate, andere schwören auf Low Carb. Ich habe gute Erfahrung mit glutenfrei gemacht und kenne zugleich viele, denen das rein gar nichts bringt. Das gleiche betrifft Kaffee und Tee. Alkohol ist bei den meisten ein No-Go, aber auch das kann man nicht global sehen. Du musst selbst testen und immer wieder prüfen, ob es noch immer so ist oder sich etwas verändert hat. Das gilt sowohl für das, was du nicht verträgst, als auch das, von dem du bisher gedacht hast, dass es dir gut tut. Das ist mühsam, aber lässt sich kaum ändern.
Zwei wunderbare Buchtipps, die wirklich helfen
Ich habe im Zuge meiner Migräne-Karriere einige NeurologInnen, unter ihnen auch neurologische Koryphäen, konsultiert. Ich habe auch geglaubt, dass ich mich recht gut mit dem Thema auskenne. Aber in all diesen Jahren habe ich über dieses schmerzende Mistvieh nicht so viel erfahren, wie nach der Lektüre dieser beiden Bücher, die ich allen MigränikerInnen und deren Zugehörigen wärmstens ans Herz lege:
Ich hab‘ Migräne – Und was ist deine Superkraft?:*
Dein Begleiter durch gute & schlechte Tage*
Von Bianca Leppert
Verlag Komplett Media
ISBN: 978-3-8312-0547-9
Damit ist auch das Geheimnis gelüftet, dass ich im ersten Teil erwähne: Warum ich meine Migräne als Superkraft tituliere. Dank dieser Terminologie fühlt es sich zumindest nicht mehr ganz so an, als hätte ich einen genetischen „Baufehler“.
In diesem Buch stehen so viele wichtige, wissenswerte und ungemein hilfreiche Infos, dass man es von der Krankenkasse unverzüglich verordnet bekommen sollte. Ich möchte es auch jedem Arzt, besonders den NeurologInnen, ans Herz legen. Vor allem damit sie es ihren PatientInnen weiterempfehlen.
Das Buch kommt flott und gut lesbar daher, ohne Trantütigkeit ob des grausigen Themas. Und man kann es zwischen 2-3 Anfällen sinnerfassend lesen. Für dich getestet.
Bianca Leppert ist selbst von Migräne betroffen und hat auch einen Podcast. Du findest sie zudem auch auf Instagram und dort immer wieder Interessantes und Wichtiges rund um das Thema Migräne. Hier geht es zu ihrer Website.
Der zweite Migräne-Buchtipp ist eine ganz besondere Herzensempfehlung. Die Autorin habe ich vor kurzem sogar via Zoom persönlich kennen gelernt und mich sehr gut mit ihr unterhalten. Sie ist eine wunderbare, sympathische Ärztin, die nicht nur Neurologin ist, sondern auch ayurvedische Medizin praktiziert und betreffend Migräne wirklich weiß, worum es geht – sie ist ebenfalls selbst davon betroffen.
Migräne natürlich behandeln mit Ayurveda*
Ganzheitliche Methoden und Rituale, um Schmerzen vorzubeugen und zu lindern*
Von Dr. Nadine Webering
Dieses Buch war ein echtes Geschenk für mich und wenn du dich für komplementäre Methoden rund um deine Migränetherapie interessierst, wirst du es lieben. Ich habe im Verlauf meiner Krankheitskarriere mit Sicherheit das gesamte ABC der nicht-schulmedizinischen (=komplementären) Möglichkeiten ausgetestet. Einiges begleitet mich nach wie vor, das meiste aber war für die Tonne und außer teuer mitunter auch noch schmerzhaft, körperlich und psychisch.
Dafür sind mir die Methoden, die mir gut tun, helfen und mich im Alltag optimal unterstützen umso mehr ans Herz gewachsen. Es war ein langer Weg, bis ich erkannt habe, was das ist und ich weiß, dass die Auswahl meiner komplementären Helferleins rein auf mich zugeschnitten ist. Darum will ich auch gar nicht zu viel darüber erzählen. Doch einen Weg, den man zumindest mal ausprobieren sollte, empfehle ich aus ganzem Herzen: Ayurveda.
Ayurveda ist die indische Gesundheitslehre und es geht dabei grundsätzlich darum, den Körper entsprechend seiner individuellen Konstitution zu stärken, damit er mit Belastungen besser zurecht kommt. Yoga ist ein Teil davon und wer Yoga kennt, der weiß wie ungemein vielfältig die Stile und Möglichkeiten sind. Damit gibt es immer auch die Option, dass du genau „dein“ Yoga findest und es in deinen Alltag flexibel integrieren kannst.
Leider kann man aber auch mit ganz viel Yoga weder den Crohn noch die Migräne heilen. Das als Info für alle jene, die gerne reflexartig „Hast du es schon mal mit Yoga probiert?“ raunen, wenn sie mit chronisch Kranken in Kontakt kommen. Doch Yoga kann einem helfen physische und psychische Kraft für den Alltag und die Zeit zwischen den Anfällen zu bekommen und damit wird man in Summe stabiler (geistig und körperlich), was im Anfall dann wieder hilft.
Ayurveda ist aber noch viel mehr als Yoga und Mediation. Das Grundsystem basiert auf den Konstitutionstypen: Vatta, Pitta und Kapha und deren Mischformen. Auf dieser Bestimmung baut die ayurvedische Ernährung, Lebensweise und Therapie auf. Wer schon einmal eine ayurvedische Ölmassage genossen hat, weiß wie ungemein entspannend und genussvoll diese Behandlung sein kann. Das ist ein weiterer Punkt, den ich am Ayurveda liebe: Die Genussfreude auf allen Ebenen. Es ist für mich eines der wenigen Systeme, bei denen es nicht um Verzicht, sondern um die Schaffung einer rundum angenehmen Lebensweise geht, in der das Genießen einen großen Stellenwert hat.
Kombiniert man die einzelnen Säulen des Ayurveda miteinander, immer individuell auf die eigene Konstitution abgestimmt, bekommt man ein maßgeschneidertes, ganzheitlich hilfreiches Lebenskonzept, dass einen stützen kann, ohne einzuengen.
Das ist im Groben und sehr oberflächlich erklärt das, was mich persönlich an Ayurveda fasziniert. Die Erkenntnis, welcher Konstitutionstyp ich bin, hat mir beim Verarbeiten meiner Diagnosen mindestens soviel geholfen, wie das Wissen rund um meine Erkrankungen. Für mich ist Ayurveda also im wahrsten Sinn des Wortes komplementär: Ergänzend.
Darum findet sich hier auch eine herzliche Empfehlung für ein ayurvedisches Migränebuch.
Dr. Nadine Webering, die Autorin, weiß als Neurologin von medizinischer Seite her genau, worum es sich bei Migräne handelt. In ihrem Buch findest du eine gut zusammengestellte Mischung alltagstauglicher Tipps, komplett ohne Drang zur Missionierung und auch teure Tinkturen, exotische Gewürze oder sonstigen Kram. Das Buch ist eine herzliche Einladung, dich mit dem Thema in deinem Tempo und deinem Sinn zu beschäftigen.
Nadine ist ebenfals auf Instagram zu finden und hier geht es zu ihrer Website. Sehr zu empfehlen ist auch das Online-Magazin, wo du saisonale Infos und Inspirationen findest. Es gibt zudem einen tollen Podcast von ihr, wo du mehr rund um das Thema Migräne und Ayurveda findest. Aber auch andere, damit weitgehend verbundene Themen und spannende Interviews. Und was den letzten Punkt betrifft, möchte ich dich hier schon mal auf den Nachtrag zu meiner kleine Migräne-Serie hinweisen – da wirst du möglicherweise noch etwas zu diesem Thema auf die Ohren bekommen 😉
Links und weitere Infos rund um Migräne
Wissen und Infos
- Kopfschmerz-Zentrum der Schmerzklinik Kiel
- Migräne: Bei ungewöhnlichen und anhaltenden Anfällen an Schlaganfall denken
- Liegt die Ursache der chronischen Migräne in einer Entzündung extrakranieller Strukturen?
Empfehlenswerte Instagram-Accounts rund um Migräne
- migraineworldsummit
- msense_against_migraine
- migraene_superhelden
- dr.nadine.webering
- das.migraene.1×1
- migraine_invisible_hero
- unwetterimkopf
- amfmigraine
- gewitterkopf.blog
- migraene.begleiten
Migräne-Apps
Mein Fazit
Um es kurz und abschließend zusammenzufassen: Migräne ist schlicht und ergreifend furchtbar.
Währenddessen und danach möchte man nur noch sterben. Möglichst schnell, bevor die nächste Schmerzwelle heranrollt. Bei einem Status migränosus kann sich das Ganze dann noch um ein Vielfaches potentieren. Ich hatte bisher drei Mal das „Vergnügen“. Einzig die Tatsache, dass man so gut wie bewegungsunfähig, mehr oder weniger ohnmächtig, erschöpft und unglaublich benommen ist, hat dafür gesorgt, dass ich noch da bin.
Es ist, mit Verlaub, eine echte Scheiß-Krankheit und ich kenne mich auf diesem Terrain wahrlich aus. Ich hab einen ultrafiesen Crohn und mit ihm sehr brutale Zeiten durchgemacht. Aber vor die Frage gestellt, ob Crohn oder Migräne schlimmer ist, kann ich ehrlich keine Antwort geben. Das ist wie die Wahl zwischen Pest oder Cholera.
Seit meiner großen Bauch-Op und dem Einstellen auf mein Hamsterchen (meine Biologika-Spritze), ist der Crohn in einer medizinisch stabilisierten Remission und mir geht es diesbezüglich soweit ok. Bei der Migräne warte ich hingegen noch auf Optionen, mit denen ich die Anfälle dauerhaft eindämmen kann. Eine mögliche Lösung hat sich vor ein paar Monaten ergeben und auch dazu verweise ich einmal mehr auf den Nachtrag zu dieser Serie, wo ich – hoffentlich – bald mehr darüber erzählen kann.
Ansonsten mache ich das, was alle Migräne-VeteranInnen tun, die ihr Trigger kennen:
- Ich versuche ungebetene Gäste in meinem Kopfgebilde draußen und das Stresslevel niedrig zu halten.
- Ich achte auf einen geregelten Tagesablauf, trinke viel, esse regelmäßig und zwar das, was mir gut tut.
- Ich versuche ausreichend zu schlafen und im Leben die Pastelltöne wahrzunehmen, damit die kreischenden Neonfarben und das erdrückende Grauschwarz nicht so viel Gewicht bekommen.
Das ist an sich schon ein Dauerjob und in Kombi mit dem lieben Herrn Crohn, dem alten Schweden und den restlichen Special Effects wird eine Lebensaufgabe daraus.
Der größte Brocken bei diesem Paket: Dass ich mir selbst täglich zugestehe, dass das auch wirklich eine sinnvolle und wichtige Aufgabe ist und mich nicht darüber gräme, dass ein Jobwechsel in dieser Hinsicht nicht möglich ist. Mit Herrn Crohn, Lady Migräne, dem alten Schweden und den restlichen Zores an Diagnosen habe ich eine zwar unbezahlte, aber immerhin unbefristete und unkündbare Daueranstellung.
Der Rest der Zeit gehört der Umsetzung meiner kreativen Ideen, meinen Hobbys und Spleens und den wenigen Menschen, mit denen ich gerne zusammen bin und die es mit mir und meinen Besonderheiten aushalten. In dieser Mischung finde ich an den meisten Tagen den heiteren Sinn, mit dem ich mein Krankheitsmanagerinnen-Dasein ertrage.
Alle Teile der Migräne Serie:
- Die ungeliebte Superkraft
- Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
- Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
- Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit
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