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Deppensprüche: 2 Aussagen, die kein Schwein braucht.

Deppenspruch Nr. 1:
„Sie sollten Stress vermeiden“

Ich. hasse. diesen. Spruch.

Und ich hasse ihn sooo unfassbar sehr, dass ich mich jedesmal sehr, sehr heftig beherrschen muss, um nicht ein sehr, sehr lautes „F***DICHDUBL*DERAR**H!1!“ rauszuschreien, wenn dieser Trottelspruch fällt.
Ja, das klingt deftig und übertrieben und mehr als nur ein bisschen passiv-aggressiv.
WEIL ES ABER AUCH VERDAMMT NOCHMAL EIN VETROTTELT BLÖDER SPRUCH IST! Und in Summe mehr, viel mehr Stress macht, als er seiner Aussagen nach eigentlich tun sollte.

Mal ehrlich:
Gab es schon einen Fall, EINEN EINZIGEN FALL, wo dieser Spruch dafür gesorgt hat, dass man subito in einen Entspannungszustand fällt und sich überschwänglich bedankt, ENDLICH den richtigen Fingerzeig, den ultimativen Tipp bekommen zu haben?

Hat dieser Spruch jemals dafür gesorgt, dass beim Empfänger ein helles, sanftes Goldlicht aufgeht und er-sie beglückt haucht: „Hach! Ja! Natürlich, DAS ist DIE Lösung – jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren! Innigen Dank, nun weiß ich endlich, wie ich meinen Shit gebacken kriege und alle, ALLEALLEALLE Probleme des Seins vermeide, gesund bleibe, fit werde und für den Rest meiner Tage täglich Schritt für Schritt der ultimativen Seligkeit zuschreite!!! “ Oder so ähnlich.

Hat dieser Spruch jemals in der Geschichte der Menschheit dafür gesorgt, dass der Stress aufgehört hat? Das man sein Leben umkrempelt? Sich mit Hilfe der Worte am Riemen reißt und fürderhin jedem Stressor ein „Vade Satanem! Hinfort mit dir, du elender Wicht! In meinem Leben hast du keinen Auftritt mehr“ entgegen geschmettert hat? Und damit das erwünschte Ergebnis erzielen konnte?

Die Sache mit dem Stress, dem Vermeiden und dem ganzen Rest

STRESS ist etwas, was zum Leben dazu gehört. Und wie bei allem gibt es auch bei Stress ein Zuviel und Zuwenig davon. Auf Ersteres zielt der Spruch ab: Zuviel ist ungesund.
Das gilt übrigens genauso für Zucker, Alkohol, Fülle, Leere, Fett, Social Media, Menschen, Nähe, Distanz, Kohlenhydrate, Schokolade, Stress, Weihnachten, Ostern, Luft, Erde, Feuer, Wasser und dem Rest dessen, was im Universum existiert.

Zuwenig Stress bewirkt, dass man zu wenig Lebensstimulans hat. Der Antrieb fehlt, der Sinn hat keinen Motor oder bekommt einen faden Geschmack.

Denn es gibt guten und bösen Stress – Eustress und Distress. Das eine ist geil, das andere nicht. Die Grenze dazwischen ist fließend, mäandert von Ufer zu Ufer und existiert fallweise nicht, den manche Dinge bzw. Situationen lösen beides aus.

Stress ist in vielen Fällen hausgemacht – aber NICHT in allen. Wenn dann argumentiert wird, dass hausgemachter Stress unter die Kategorie „Selbst verursacht, lass es halt sein“ fällt, tappt man in die Eigenschuldfalle und fühlt sich mies.

Der zweite Deppenspruch in der Kategorie „Aussagen, die kein Schwein braucht“ ist übrigens:

Deppenspruch Nr. 2:
„Reg dich nicht auf …“

Ja Himmel-Ar**h-und-Wolkenbruch! Das regt einem sowas von jetzt und sofort auf!!! Als ob sich jemals ein Wesen unter der Sonne bei diesen Worten beruhigt hätte, seinen inneren Frieden fand und seinem Gegenüber für diesen Rat gedankt hätte.
Im Gegenteil: Man bekommt einen noch dickeren Hals, weil man sich in seinen Emotionen weder wahrgenommen noch wertgeschätzt fühlt.

Es ist nun mal so, dass sich Menschen über unterschiedlichen Themen aufregen, begeistern, echauffieren, in Rage geraten oder in Verzückung. Was mir buchstäblich am Südpol vorbeigeht, lässt meinen Mann explodieren. Wo mir der Kragen platzt oder der Angstschweiß Wellen schlägt, chillen meine Kinder eine Extrarunde und sind completely relaxed. Wo die Familie sich verwundert zurücklehnt und distanziert aus der Loge zusieht, toben die andere, schwenken Transparente oder werfen mit Pflastersteinen.

Isso und war schon immer so.
Die Themen, die den Wutknopf drücken sind bei jedem anders. Und genauso ist es mit Stress.

Meditation, Entspannungstraining, Psychotherapie, Aufstellungsarbeit, Innere-Kind-Glaubenssatz-Heilreisen usw. usf. können möglicherweise den Deckel vom Topf nehmen, so dass der Kessel darunter nicht gleich Wumms explodiert. Fallweise können sie den Vorhang lüften und einem erklären, warum man so und nicht anders reagiert. Fallweise kann man dann da ansetzen und üben, um es in Zukunft besser in den Griff zu bekommen und diesen Wutknopf außer Dienst setzen.

Aber das wars.

Medikamente, die beruhigen sollen, helfen lediglich der Umgebung – wer sie nimmt wirkt ruhiger, weil die Kraft zum Aufregen fehlt. Stattdessen geht die Aufregung ins Innere. Denn irgendwohin muss sie ja. Und was sie dann dort mit einem macht, ist nicht schön. Gar nicht schön.

Man kann lernen, aus Wut-Stress-Kreisläufen auszusteigen (sofern man rechtzeitig erkennt, dass man zu kreislaufen beginnt). Man wird älter und weiser und erkennt selbst, dass frühere Emotionsgewitter heute nur noch ein Schulterzucken verursachen. Man wächst aus manchen Dingen raus und anderes bekommt mehr Gewicht.

Aber niemals, NIEMALS, war der im besten Fall lieb gemeinte Spruch „Sie sollten Stress vermeiden“ oder „Reg dich nicht auf“ JEMALS der hilfreiche Punkt für den Wandel, den sich der/die SenderIn erhofft hat. Sofern dabei überhaupt vorweg nachgedacht wurde. Völlig egal ob der Spruch von ÄrztInnen, TherapeutInnen, BeraterInnen, FreundInnen, Fremden, Bekannten oder sonstwem kam.

Das einzige, was er bewirkt, ist das Gegenteil von dem, was er aussagt: Man hat Stress. Man regt sich auf. Man möchte sein Gegenüber dahin treten, wo es weh tut. Man würgt dieses Bedürfnis runter und hat damit noch mehr Stress, noch mehr Aufregung und noch mehr Magenschmerzen. Und das Gegenüber ist in Gedanken schon lange woanders, während man noch Tage danach daran würgt.

Lasst es. Bitte, bitte, bitte LASST ES.

Liebe Ärztinnen und Ärzte,
Liebe Therapeutinnen und Therapeuten,
Liebe Freunde, Bekannte, Fremde,

Sagt. Es. Nicht.

Bitte.

Das ist das ultimativ Dümmste, was man sagen, meinen, empfehlen kann.

Die Betroffenen wissen in 98,99% der Fälle ohnehin selbst, dass es gut wäre sich nicht aufzuregen und diesen Stresskelch an sich vorüber gehen zu lassen. Und man würde es auch tun, wenn es möglich wäre. Und man tut es auch, sofern man dazu in der Lage ist. Die meisten bemühen sich wirklich auszusteigen aus diesem Rad. Vor allem, wenn man schon länger am Rotieren ist.

Bitte streicht diese beiden Sprüche aus eurem Wortschatz. Stattdessen könnt ihr fragen:

  • „Hast du gerade viel Stress? Kann ich dir helfen?“
  • Oder „Was regt dich auf? Erklär es mir bitte, damit ich dich und deinen Standpunkt auch verstehe und nachvollziehen kann.“
  • Oder „Was würde dir jetzt helfen? Willst du darüber reden oder sollen wir gemeinsam irgendwas kaputt schlagen?“

Oder ähnliches.

Ihr müsst keine Lösung anbieten, es nicht zu eurem eigenen Stress oder Aufreger machen, es nicht mal verstehen. Es reicht, wenn ihr die Gründe/euer Gegenüber ernst nehmt, zuhört und nicht wertet.

Glaubt mir, das hilft viel, viel mehr, als Deppenspruch 1 und 2 und nimmt gaaaanz viel Stress, viel Aufregung, viel Druck. Es hat sogar die Macht, heilsam auf die, durch zu viel Stress und Aufregung entstandenen Wunden einzuwirken. Das kann mitunter den Weg zur Heilung weisen und damit das zu bewirken, was die lapidaren Deppensprüche vermutlich ursprünglich hätten bewirken sollten.

Danke, verbindlichst.
Fürs Lesen und Beherzigen, um die Welt für uns alle zu einem besseren Ort zu machen. Ohne viel Stress 😉

Ich vermeide nun meinerseits weiteren Stress in dieser Sache, habe mich ausgiebig entemotionalisiert und gehe mich mit dem beschäftigen, was MIR persönlich hilft, wenn ich am Explodieren, Rumstressen und Aufregen bin.
Aber das ist eine andere Geschichte 😉

Herzlichst,

MiA

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