Cartoons

Alle Beiträge, wo meine Cartoons und Zeichnungen rund um Morbus Crohn, den lieben Herr Crohn und das Leben mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung zu finden sind. Querbeet durch den Blog und kunterbunt durch alle Themen hindurch.

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Das mürbe Kipferl der Auferstehung

Die dritte schräge G´schicht in der Kategorie „… aber das ist eine andere Geschichteund zugleich die Skizzen 7-9 für die#30SkizzenimNovember, einer Zeichenaktion der Freiraumfrau . Ich weiß, ich bin einen Tag zu spät mit dieser geschriebenen „Skizze“. Aber besser spät als gar nicht 😉
Alles Skizzen, meine und die von anderen, findet ihr auch auf Instagram, Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #30SkizzenimNovember folgen, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 3:

Das mürbe Kipferl der Auferstehung

Sie liegt in ihrem Bett, so gut wie bewegungslos. Mehrmals am Tag kommen die Schwestern, um sie zu „mobilisieren“. Dann wird sie in eine andere Liegelage gebracht, das Kopfende höher oder tiefer gestellt und an ganz besonders guten Tagen setzt man sie schon mal in den Stuhl, damit sie die Lage der Welt aus halbwegs aufrechter Position wahrnehmen könnte. Ob sie es tut, weiß keiner.
Jede Nacht sägt sie halb Canada um, mit schwerem Gerät – zumindest klingt es so.
Tagsüber und zwischen den Schnarchattacken wird ihre Matraze unregelmäßig und halbrhythmisch bepumpt, damit sie es halbwegs bequem hat. Tagsüber ist das ein leidlich angenehmes Geräusch, das sanft einschläfernd wirkt. Nachts nervt es tierisch.
Also mich, nicht sie.
Ich habe mein Bett einen Platz weiter und kenne nun die Schnarchlautgrenze meiner Ohrenstöpsel. Sie liegt neben mir.

Meine Gefühle ihr gegenüber sind tagsüber sanft, nächtens am Limit, in Summe herrscht bedauerndes Mitgefühl vor. Wir haben unterschiedliche Ziele. Meines heißt soweit fit zu werden, dass die neue Therapie beginnen kann und ich hier bald rauskomme.
Ihres geht in die andere Richtung.

Hin und wieder spricht sie. Nicht mit mir und wenn, dann sieht sie wen anderen in mir. Auch ihre Besucher nehmen andere Gestalten in ihrer Sicht ein. Das macht das Kommunizieren schwierig und gibt ungewollt tiefere Einblicke in ihr Leben und Leiden, als es mir, einer quasi Außenstehenden, zustehen würde zu wissen.
Aber wir sind hier im Krankenhaus, da herrschen andere gesellschaftliche Normen und die erste Regel des Fight Club: Was hier passiert, bleibt hier.

So liegen wir Tag für Tag, jede in ihrem Bett. Sie wird bewegt, ich kanns selber und nutze das, um tagsüber mein Gesichtsfeld zu wechseln und mir in besonders intensiven Holzfällernächten eine ruhige Bleibe im großen Krankenhaus zu suchen. Die Onkologieambulanz ist mein Geheimtipp. Da gibt es leidlich bequeme Sitzbänke, kein Mensch weit und breit und das Licht ist nicht zu grell. Mit meinem Polster unterm Arm finde ich hier 2-3 Stunden Ruhe. Die Nachtschwestern verstehens und lassen mich ziehen, bedauernd, denn da, wo ich hingehe, ist es still und friedlich. Sie haben keine solche Nacht auf der 1. Internen.

Die tägliche Routine sieht vor, dass die Schwestern am Morgen denen, die nicht mehr gehfähig sind, das Frühstück ans Bett bringen. Ein kleiner Wagen mit allem, was man hier so kredenzt, wird hereingeschoben, die Bestell-Dialoge gleichen sich und sind die wenigen Gespräche, wo meine canadische Prinzessin, wie ich sie für mich nenne, wirklich voll und ganz da ist. Denn die Frage nach dem gewünschten Frühstücksgebäck wird ohne zögern beantwortet.
Das Teil wird geschnitten, bebuttert, mal mit, mal ohne Marmelade versehen. Der milde Kaffee wird in ein Schnabelhäferl gefüllt und täglich gibt es den Versuch, sie alleine essen zu lassen. Was täglich dazu führt, dass sie eine Stunde später kalten Kaffee gefüttert bekommt.

Mein Frühstück hole ich mir selbst, aus dem Spezialeck, wo die glutenfreien, laktosefreien, geschmacksneutralen Seltsamkeiten aufbewahrt werden. Gebäck, dass den Namen nicht verdient und für das man drei Hände zum Essen braucht: eine, um das Teil zum Mund zu führen, und zwei, um sich die Ohren zuzuhalten, damit es beim Kauen nicht rausstaubt.
Immerhin gibt es genug Tee, womit man alles in die Richtung spült, aus der es crohnbedingt kurze Zeit später wieder weiterwandert.

Bei diesem morgendlichem Ritual schließen die Prinzessin und ich täglich stillschweigend Frieden für all das, was Nächtens passiert ist. Ich verzeihe ihr die Fällarbeiten, sie hat weiterhin keine Ahnung wer ich bin und hält mich für eine ihrer Töchter. Was an manchen Tagen nett ist.
Still und friedlich mümmeln wir aktiv (ich) und passiv (sie) an unserem Frühstück. Tagein, tagaus die gleiche Prozedur.

Bis zu dem Tag, wo der Supergau eintritt: Es wurden zuwenig Mürbteigkipferl geliefert. Dieses traditionelle Gebäck, das in deutschen Landen nur sehr unzulänglich übersetzt als „Hörnchen“ betitelt wird, ist der Anker, der die Langzeit-PatientInnen auf der Station ruhig hält und ihnen hilft, die Lage hier zu überstehen. Man hält viel aus, wenn man weiß, dass man am nächsten Tag sein resch-mürbes Kipferl kredenzt bekommt.

Doch an diesem schlimmen Tag gibt es zuwenig Durchhaltehörnchen und die Schwestern wissen es. Und sie wissen, dass es zu einer Revolte kommen kann, nein: WIRD! Ich bin mir sicher, sie haben einen roten Knopf in der Station, mit direkter Leitung zum nächsten Bäcker, der sofort den Ofen anschmeißt und mit herkulischer Anstrengung das Unmögliche zu vollbringen versucht: die fehlenden Kipferl in Rekordzeit zu produzieren, ehe Krücken, Rollatoren und Bettpfannen fliegen.

Ich wusste nichts von all dem. Mein bröseliges Frühstück liegt vor mir, eine traurige Reiswaffel, die sich am Ende ihres Seins deutlich mehr Freude verdient hatte, als ich bereit war zu geben.

Der Frühstückswagen wird sanft herangeschoben, die Schwestern betreten den Raum – anders als sonst, vorsichtig, die Lage mit jedem Schritt sondierend. Die Spannung ist spürbar: Alarmbereitschaft. Eine schlimme Botschaft musste zugestellt werden und die Botinnen wissen, dass sie mit Kollateralschäden rechnen müssen.
Gute Morgen Prinzessin! Wie geht´s uns denn heute, gut geschlafen? Na, heut schaun wir aber viel besser aus, so frisch und rosig …“ Der Singsang, die Worte, der Auftritt: alles strahlt Beruhigung, Harmonie, Sonnenschein aus. Falsch, ganz falsch. Denn damit werden lang nicht genutzte Synapsen geweckt, die misstrauisch schnüffelnd registrieren, dass Angst den Raum betreten hat, das etwas in der Luft liegt, das man versucht etwas zu verbergen.
Heut hamma besonders frische Semmerl bekommen oder wollens lieber mal einen Kornspitz? Mit Butter? Und Marmelade …?
Die Semmel in der Hand, das Brotmesser gezückt, der Kaffee (vom Geruch her heute vieeel besser – ein Friedensangebot?) ist eingeschenkt, die beiden Schwestern stehen erwartungsfroh am Bett der Prinzessin und schon bewegt sich die Messerhand zur Semmel …

„Kipferl. Ich will mein Kipferl. Wie immer.

Die Hölle friert zu, die Schwestern vibrieren … „Ja, also, … heut hamma leider zuwenige bekommen. Aber morgen wieder. Schauens, so eine schöne frische Semmel ..
Kipferl.“
„…. ja, aber …“
KIPFERL!
„… äh …“

Und nun passiert das Unglaubliche, nicht Vorstellbare: eine mumiengleiche Hand erhebt sich, greift den Haltegriff am „Galgen“, eine andere stützt sich auf der Matraze auf, der Kopf hebt sich, der ganze Oberkörper hebt sich – *die Prinzessin richtet sich auf.* Der Kopf ist hoch erhoben, der Blick klar, das Gesicht eisig, die Brauen gerunzelt und der folgende Schrei erschüttert die Station bis ins Mark:

„K.I.P.F.EEEEEEEEEE.R.L!!!“

Kipferl 2 - Schräge G´schichten: Das mürbe Kipferl der Auferstehung

Die Schwestern flüchten in verschiedene Richtungen, eine andere betritt den Raum, versucht die Lage zu deeskalieren, der Notfallplan wird aktiviert – im Geist sehe ich ein rotes Licht in der Backstube leuchten.
Man würde sofort auf den anderen Stationen anrufen, ob die noch Kipferl hätten und bitte, nicht aufregen, man tue alles, damit man das Mürbgebäck auftreibt. Eine Schwester ist schon am Weg zur nahen Bäckerei. Eine andere hängt am Telefon, die dritte ist auf Verdacht in die Nachbarstation eingedrungen, um dort mal schnell eines „zu borgen“ …

Die Prinzessin ist wach, voll da, die eine Hand am Galgen, die andere stützt den mageren Körper, der Blick geht zwischen der Beruhigungsschwester und der Tür hin und her und es ist klar: wenn das versprochene Kipferl nicht in den nächsten Minuten durch die Tür kommt, wird sie aufstehen und dafür sorgen, dass viele Menschen diesen Tag in schlechter Erinnerung behalten werden. Es wird Krieg geben, die Apokalypse wiehert in den Startlöchern. Ich höre den Wind am Fenster rütteln, verfluche meine Entscheidung das Bett beim Fenster zu nehmen, denn damit bin ich weit weg von der Tür, kein Fluchtweg.
Verdammt, auch durchs Fenster keine Chance. Denn ein Sprung aus dem der dritten Stock würde nur in die Notaufnahme führen, was angesichts der Lage nicht sicher oder weit weg genug von hier wäre.
Ich mache mich klein, verkriech mich in meinem Eck, unter der Decke, werde soweit als möglich unsichtbar. Meine Reiswaffel zittert, will mit mir fliehen und wir klammern uns händeringend (also ich sie würgend) aneinander.

Schon sehe ich, wie sich die Hand der Prinzessin löst um die Bettdecke zurückzuschlagen. Die Füße erinnern sich an vor langer Zeit geführte Schlachten und zucken, um sich dieser neuen Herausforderung zu stellen, wollen aufstehen … die Schwester hat sichtlich Angst, die Hände sind erhoben, beschwichtigend nach vorne gestreckt: „Alles gut, ich bin sicher, wir haben gleich ein wunderschönes Kipferl für Sie. Bitte regen Sie sich nicht auf, wir sind wirklich bemüht, alle tun ihr Bestes. Bleiben Sie bitte liegen …
Ich kann ihre Angst hören, man riecht es, auch die Prinzessin spürt es und weiß, das sind nur Beruhigungsfloskeln. Der Blick wird hart, die Hand entschlossen und ich spüre, wie ein Wimmern in meiner Kehle hochsteigt.

In diesem Moment stürzt die kleine rothaarige Praktikantin herein, vollkommen aufgelöst, eine Winterjacke über der Uniform, die Haare stehen wirr in alle Richtungen, aber in der Hand – IN IHRER HOCH ERHOBENEN HAND! – hat sie ein Kipferl. Ein wunderschönes, frisches, goldbraunes Mürbteigkipferl.

Auf-der-drüberen-Station-hams-no-eins-ghabt-i-bin-so-schnell-wie-möglich ...“ weiter kommt sie nicht. Das Kipferl wird ihr aus der Hand gerissen, plötzlich sind drei Leute auf einmal da, zusätzlich ein großer, starker Pfleger (von der Männerabteilung ausgeborgt, für schwere Fälle). Es wird geschnitten, geschmiert und in Null-Komma-Nix liegt das bebutterte, mit Marmelade versehene Kipferl auf einer rosa Serviette bereit. Die Prinzessin hat ihre Position nicht verändert, der stählerne Blick beobachtet die hektische Aktion. Gnadenlos.

Erst als die netteste und jüngste Schwester sich ihr zitternd mit dem Teller nähert, entspannt sie sich ein bisschen. Den Teller nach vorn gestreckt, kommt die kleine Schwester näher und sagt sanft „Schauns, da ist es ja schon, ganz frisch, extra für Sie. Alles ist gut …„. Die Augen der Prinzessin senken sich, erblicken das Kipferl. Das Gesicht entspannt sich, der Rücken wird wieder rund, die Hand lässt los und in Zeitlupe versinkt die Apokalypse wieder in ihrer Lethargie.
Das Kipferl ist da.
Die Welt ist gerettet.
Zumindest für heute.

Ich wage mich unter meiner Decker heraus. Die Reiswaffel habe ich vor Anspannung zerbröselt.
Ich atme langsam aus, die restliche Station mit mir. Heute gibts nur Tee zum Frühstück und Brösel im Bett.
Das Kipferldrama ist vorbei.

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Schräge G´schichten: Frau Doktor der dunklen Strümpfe

Die zweite schräge G´schicht in der Kategorie „… aber das ist eine andere Geschichteund zugleich die Skizzen 3-6 für die#30SkizzenimNovember, einer Zeichenaktion der Freiraumfrau .

Es geht ums Dranbleiben, ums tägliche Zeichnen, Malen, Skizzieren. Ich habe für mich das Format „2 Zeichnungen + 1 Geschichte“ gewählt. Weil man ja auch mit Worten Bilder zeigen kann. Wen es interessiert: einfach auf Instagram, Facebook oder Twitter dem Hashtag #30SkizzenimNovember folgen, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 2:

Frau Doktor der dunklen Strümpfe

„Sie ist eine wirklich tolle Ärztin, eine hervorragende Diagnostikerin. Ein bisschen harsch im Ton, sehr direkt. Aber du bist bei ihr in guten Händen, sie wird dir helfen können.“
„Fein, vielen Dank für den Kontakt.“

„Ja und … äh, also wenn du bei ihr bist, dann schau bitte, ob sie dunkle Strümpfe trägt.“
„… ?“

„Weil das tut sie immer, dunkelgrau oder schwarz. Ist nicht nur mir aufgefallen. Haben mir auch schon andere erzählt, die ich hingeschickt habe. Ein einziges Mal, als mein Freund bei ihr Kontrolle hatte, hat sie helle getragen. Da war er so perplex, dass er sie darauf angesprochen hat.“
„… Aha?“

„Sie hat nur schallend gelacht. Also bitte, wenn du Termin hast, dann achte darauf.“
„… ja …ok, mach ich.“

„Nur wegen der Statistik, gell :)“
“ … ohkäh.“

Ich rufe an, bekomme meinen Termin so schnell wie erwartet (der übliche Wahlärztebonus, je teurer, desto flotter) und bereite mich darauf vor. Befunde und so sind sortiert und griffbereit. Ich bereite mich mental vor: Wie werfe ich einen beiläufig investigativen Blick auf die möglicherweise dunkel bestrumpften Beine der Frau Doktor? Wenn sie einen Rock trägt, ist das kein Problem und sofort ersichtlich. Aber bei einer Hose? Vielleicht mit Sportschuhen? Da kann es schwierig werden. Ich könnte was fallen lassen, mich bücken und himmelwärts, Richtung Knöchel, blinzeln. Oder mir die Schuhe im Knien zubinden. Da muss ich aber auch enstprechende Schuhe anziehen, mit Schlüpfern sieht das seltsam aus und könnte meiner Diagnose eine andere Wendung geben.

Ich plane also, richte mir die passenden Schuhe her, trainiere am Weg zur Ärztin auf der Straße, im Bus und in der Tram, den investigativen Sockenerkennungsblick und erlebe spannende Einblicke in menschliche Bereiche, die vermutlich außer mir nur der oder die Socken-StrumpfträgerIn so gehabt hat. Es ist Ende des Sommers, noch immer relativ warm und die Strumpfdichte ist entsprechend gering. Aber das, was man sieht, rangiert zwischen kaum sichtbar und „schreckliche Hautkrankheit“. Bei den Socken und Sneackers sieht es besser aus – also von der Tragedichte her. Rein optisch ist noch Luft nach oben und ich beginne mich langsam um mein eigenes Sockenerscheinungsbild zu sorgen. Heute sind sie oft-gewaschen-weiß, mit einem zart-rosa, ehemals leuchtend pinken Logo am Bündchen. Es sind liebgewonnene Sneackersocken, alt in Sockenjahren und noch immer sehr robust. Sie halten sich aufrecht, auch an langen Tagen und wandern deswegen oft mit mir durchs Leben.

Endlich bei der Ordi angekommen, merke ich, dass ich mehr als üblich aufgeregt bin. Ich habe ja Routine mit Erstordinationen, aber die heutige hat eine besondere Komponente. Vielleicht bin ich aber auch nur zu rasch den Hügel hinauf gestapft und habe deshalb leicht erhöhtes Herzklopfen.

Die beiden Damen bei der Anmeldung sind stoisch routiniert, mit weißen Socken in bequemen Pantoffeln. Ich nehme Platz und warte. Gehört habe ich Frau Doktor schon, gesehen noch nicht. Das Warten ist bequem, der Sessel gemütlich und langsam beginne ich in ihm zu versacken … kurz vorm Einchillen wird mein Name gerufen – Frau Doktor ist bereit für mich und wartet bereits in der Tür. Ich blicke erschreckt auf und ehe ich meinen Blick wieder pflichtschuldig in Fußnähe absenken kann, dreht sie sich um, mir bedeutend ihr zu folgen.

Sie trägt eine lange Hose und ist schnell aus  meinem Blickfeld verschwunden. Zu schnell. Ich springe auf, schnappe meine Tasche mit den Befunden, richte meine Brille (Kurzsichtigkeit ist ein Handicap beim externen Sockensichten) und haste hinterher.

Sie erwartet mich an der Tür zu ihrer Ordination, reicht mir die Hand und ich habe zum Glück eine freie zur Verfügung, um ihr meine zurückreichen zu können. Und dann, als sie sich schon wieder umdrehen will, um zum Schreibtisch zu gehen, kann ich endlich einen Blick auf ihr Fußwerk werfen.

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Die Füße sind nackt.
Sockenlos, strumpflos.
Nackt. NACKT!
Mit roten Zehennägeln, in weißen Birkenstocks.

Ich schnappe hörbar nach Luft, höre bereits den mentalen Aufschrei derer, die auf meinen ärztlichen Fußbericht warten und sich vor Erschütterung nimmer einkriegen werden. Ich spüre ein heftiges Kichern in mir, ein beginnender Lachkrampf, und kann einen sehr breiten Grinser und ein belustigtes Schnauben nicht unterdrücken. Frau Doktor dreht sich zu mir, hebt irritiert die Braue und blickt mich fragend-streng an. Mit aller Kraft würge ich mein Kichern bauchwärts, zwinge mein Gesicht Richtung angebrachter Contennance und versuche meine übliche Patientenrede zur Begrüßung. Die Worte kommen so, als würde ein Frosch versuchen eine Arie zusingen: halb gequackt, halb gekrächzt. Dazu eine leicht breitmaulfroschige Grimmasse und sanfte Lachtränen in den Augen.

Ich hatte schon bessere Erstordinationen. 

Aber ich hatte noch nie so ein dringendes Bedürfnis, eine SMS in Richtung meines wartenden Freundes zu schreiben, der gemeinsam mit anderen Interessierte auf das Ergebnis meines Arztbesuches wartete:

„KEINE Strümpfe!!!
Ich wiederholen: KEINE Strümpfe!
Nicht hell, nicht dunkel, die Füße sind NACKT!
In weißen Latschen!“

Der ärztliche Befund war übrigens ok.
Nichts besonderes, alles gut.

Die wirklich wichtige Frage konnte hingegen nicht geklärt werden:
Wo sind die Strümpfe hingekommen? Und warum?

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Das ungeklärte Mysterium der orangen Ananas-Socken

Es gibt eine neue Kategorie im Blog: Kranke Geschichten – Strange Stories. Hier sammle ich kurze und längere Erlebnisse, die mir am Weg mit dem lieben Herrn Crohn begegnet sind. Der Beginn hier ist zugleich auch der Start der #30SkizzenimNovember, einer Zeichenaktion der Freiraumfrau (Angelika Bungert-Stüttgen), die um diese Zeit Interessierte zum Malen, Zeichnen, Skizzieren aufruft. Die Aktion läuft hauptsächlich auf Instagram, einfach dem Hashtag #30SkizzenimNovember folgen, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

Man kann nach eigenen Themen mitmachen oder Angelikas Vorschläge nutzen. Ich habe mich heuer dafür entschieden, meine „anderen“ Geschichten zu verzeichnen und beschreiben. Jeweils zwei Zeichnungen und eine Erzählung (weil man ja auch mit Worten etwas darstellen, in die Vorstellung zeichnen kann). Das sind dann Ende November 2019 (hoffentlich) insgesamt 10 ganze Geschichten.

Die Erlebnisse sind aus den letzten Jahren, einige liegen schon länger zurück, einige sind noch sehr frisch. Den Anfang machen bunte Socken, die mich fasziniert, begeistert und vor allem dazu motiviert haben, diese Geschichtenreihe zu beginnen.

30 Skizzen, 10 schräge Geschichten – Nr. 1:

Das ungeklärte Mysterium der orangen Ananassocken

Blass und hager, bekleidet mit dem unsäglich häßlichen Krankenhaushemd, das perfekte Modell für das Sinnbild eines leidenden Kranken, wandelt er gemessenen Schrittes durch den Flur. Manche Schritte tun sichtlich weh und es kostet ihn Kraft bis zum Endes des Ganges durchzuhalten. Er geht dennoch – trotzig, gefasst und tapfer. Am Ende dreht er um, die Hände am Rücken verschränkt, retour ans andere Ende. Wie ein Bahnenschwimmer, der sein Becken verloren hat und nun am Trockenen seine Runden abarbeiten muss. 

Er wandert den Flur auf und ab, mit mehr Kraft, als seine Erscheinung vermuten lässt.
Er geht langsam, stetig und immer allein, äußerlich schwach, innerlich zuversichtlich.
Mit dunklen Ringen unter den Augen, einem traurigem Zug um den Mund, wenig Zukunft in seinem Schatten.
Aber er geht. 

Und zu seinen braunen Birkenstock-Latschen trägt kreischorange Socken, mit lachend gelben Ananansmotiven.
Er ist mein Held des Tages.
Seine Sockenwahl versichert mir, dass er es überleben wird.
Was auch immer „es“ ist. 

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Aber vielleicht sind es in Wahrheit ja die Ananassocken, die gehen wollen? Ihn dazu zwingen, ihn aufrechthalten und Kraft zum Leben, zum Gehen geben? Möglicherweise sind es ja Supersocken, aus einem Geheimlabor oder einem Paralleluniversum, dazu da um Sonnenschein, Glück und einen Hauch Genesung zu verbreiten? Oder die Kontrolle über schwache Menschen zu übernehmen, um die Lage für eine zukünftige Weltherrschaft auszukundschaften: Die Regentschaft der kreischorangen Pinapple-Socks. 

Nachdenklich betrachte ich meine eigenen Socken: rosa-weiß, mit etwas türkis und großen Einhörnern. Jede Socke ist anders, es gibt keine zwei gleichen, nicht wie bei den Ananassocken. Vielleicht stehe ich ja unter ihrer Kuratel, bin Teil des Einhornuniversum?
Und diese Begegnung am kranken Hausflur war die Schnittstelle zum Pinapple-Universum. Weil es im Flur des Krankenhauses nicht so schnell auffällt, wenn sich die Schleier zwischen den Paralleluniversen öffnen. Hier gibt es ohnehin schon genug Seltsamkeiten, über die man sich nicht mehr wundert.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich übernächtigt bin, erschöpft und vor allem Hunger habe, weil ich nüchtern sein soll und meine krausen Gedanken mich für den Kalorienentzug auf ihre phantasievolle Art trösten wollen. 

Wer weiß das schon.

Vielleicht der alte Mann mit seinen mutigen Socken, der mir vormacht, wie man zu gehen hat: Aufrecht und mit Würde, egal wie die Füße gekleidet sind, wie beschissen die Lage ist, wie schwer der Tag. Er geht tapfer, er geht aufrecht, er geht immer weiter.
Zumindest bis zum Ende des Flures.

Allgemein, Cartoons

Morbus Schara? … oder doch alter Schwede?

Über wohltuende Lebensumstellungen, die man immer brauchen kann, Unaussprechliches, das man nicht braucht, und Fragen, die weitere Fragen nach sich ziehen.

Ahoi Partypeople, was geht?
Alles gut bei euch?
Alle fit und froh und im ultimativen Sommermodus?
Was hat sich bei euch so getan, in den letzen Wochen?

Ich habe ja im letzten Beitrag schon ein bisschen was von meinem Tun in den letzten Monaten durchblicken lassen und angedroht angekündigt, euch in Bälde eine Schilderung meiner Erlebnisse zukommen zu lassen.

Tja nun, das Lebensdrehbuch hat mal wieder einen Gang zugelegt und einen grooooßen, sehr unerwarteten Handlungssprung in meine crohnische Soap geschrieben. Eine die wahrlich Game of Thrones würdig ist, weil sehr unerwartet, mit nach wie vor unklarem Handlungsablauf.

Von vorne:

Der Jahresbeginn war zäh, mein Gemüt im März noch immer auf Wintermodus und nach ein paar eher unerfreulichen Erlebnissen habe ich mich dann entschlossen, ein paar Wöchlein auf Blog-Auszeit zu gehen, das internette Leben aus der Ferne zu beobachten und mich mal eingehend mit mir zu beschäftigen.

Das war eine sehr weise Entscheidung (und ja, sowas passiert, wenn man älter wird, dieser Faux pas mit der Weisheit 😉 )

Begonnen habe ich diese Auszeit mit einer Kurzkur im Zentrum für traditionelle europäische Medizin, in Bad Kreuzen (Oberösterreich). Da fahre ich seit Jahren immer wieder hin um mich verwöhnen und auf Vorderfrau bringen zu lassen. Wie viele Dinge, die gut tun und gut helfen, wird auch dieses von der kranken Kasse nicht bezahlt. Das bedeutet daher: Selbstfinanzierung. Schmerzt im Börserl, aber Körperchen und Seelchen jubeln. Geplant war eine Woche, geworden sind es 1,5.

Grund: am dritten Tag war mein mentales Ich endlich auch angekommen und hatte gleich mal beschlossen, sich in den Keller zu begeben, zwecks melancholischer Phasenproduktion.
Was man halt so braucht. #nicht

Das Gute daran: mir ist schlagartig bewusst geworden, dass ich auf einer Abwärtsspirale unterwegs bin und Gefahr laufe, den Therapieerfolg der letzten beiden Jahre zunichte zu machen. Und mir ist bewusst geworden, dass ich etwas ändern muss.
Die Frage war nur: Was?

Mein Glück war, dass ich aus meinem „normalen System“ draußen war und zusätzlich in einer Umgebung, wo einerseits eine wunderbar tolle Naturlandschaft therapeutisch wirkt und Menschen arbeiten, die mit solchen Dingen umgehen können. Ich habe spontan beschlossen ein paar Tage zu verlängern und mir dann jede Hilfe geholt, die verfügbar (und leistbar) war.

Sowohl meine dortige Ärztin, als auch die anderen HelferInnen haben mich sehr unterstützt und mit mir gemeinsam ein „Lebenspaket“ geschnürt. Unter anderem habe ich mir da auch eine weitere Ernährungsberatung gegönnt (gefühlt die 97.). Diesmal zur Abwechslung aber eine, die annehmbar, umsetzbar und somit hilfreich war.

Da das ein sehr heftiges Thema ist, dass viele Crohnies ihr Leben lang beschäftigt, wird es hier demnächst eine eigene, kleine Serie dazu geben.

Darum nur kurz: ein Hauptpunkt in diesem „Lebenspaket“ war der Umstieg auf eine klare und fixe Tagesstruktur, unter anderem mit fixen Essenszeiten und dazwischen Pause. Weiters ein paar neue Hilfsmittel im täglichen Nahrungsmittelergänzungsreigen, von denen die meisten gut wirkten und nun fix in meinem „Team“ sind. Dazu jede Menge Trost und Zuspruch, damit das deprimierte Seelchen Lust bekam, die Treppe aus dem Kellerloch wieder hinauf zu beschreiten. Und außerdem ein paar gezielte, liebevolle Motivationstritte, um endlich in die richtigen Gänge zu kommen.

Dieses Gesamtpaket war gut, sehr individuell und auch im Alltag lebbar. Ich habe es auch geschafft, die meisten Punkte im Anschluss an die Kurzkur beizubehalten. Bis heute.

Was mir am meisten geholfen hat und nach wie vor hilft, ist die klare Tagesstruktur. Spannenderweise war es genau das, wovor sich mein kreativ-situatives Ich bisher am meisten gedrückt hatte, weil ich da massive Einschränkung befürchtet habe. Aber auch, dass mein doch sehr instabiler Körpermodus nicht mitspielen wird. Mittlerweile hab ich aber bemerkt, dass das genaue Gegenteil der Fall ist und ich im Grunde genommen diese Ordnung schon immer gesucht habe.

Das klingt vielleicht ein bisschen esoterisch und kalenderspruchweise. Was mir piepegal ist, denn Fakt ist: Mir hat es geholfen aus einem tiefen Loch wieder raus zu krabbeln und es hilft nach wie vor, den Alltag zumindest soweit in den Griff zu bekommen, dass ich auch das Gefühl habe, ihn ansatzweise im Griff zu haben.

Wie immer ist auch das eine sehr subjektive und höchst individuelle Einstellung: Mir hat es gut getan und tut es nach wie vor gut. Für jeden und jede andere, mit einer ähnlichen Diagnose bzw. in einer ähnlichen Situation, kann es komplett anders aussehen. Ich will das daher dezidiert nicht als den ultimativ hilfreichen Rat für Crohnies und chronisch Kranke beschreiben. Mir hats geholfen, bei wem anderen kann es ganz anders sein.

Mit diesem Hilfepaket war schon mal eine große Hürde geschafft und die Folgeuntersuchungen bei meiner Lieblingsgastroenterologin waren höchst erfreulich – der Bauchbefund hat bestätigt: tut gut, weitermachen.
Aber leider gibt es da noch ein paar andere Baustellen in meinem Körperchen und eines davon sind meine Gelenke. Die taten und tun seit Monaten teils sehr teuflisch weh und zeigten sich von den lebenstechnischen Umbaumaßnahmen sehr unbeeindruckt.
Hinzu kam eine schmerzhafte Epicondylitis – eine Ellbogenentzündung. Aufmerksame MitleserInnen erinnern sich vielleicht an Ivan und Igor. Ivan ist mittlerweile in Pension. Igor muss noch weiter wirk-werken. Mittlerweile ist er mir so an den Ellbogen gewachsen, dass ich ihn nur mehr wahrnehme, wenn er nicht drauf montiert ist. Er hilft, wenngleich sein Werk ein seeeeeeeeeeehr langfristiges ist.

Als sich meine anderen Gelenke im Laufe der Wochen und Monate zu immer steiferen, schmerzenden GenossInnen entwickelt hatten und ich trotz Gymnastik, Bewegung und Physiotherapie kaum Fortschritte machte, zu einem Schnappfinger in der rechten Hand ein zweiter dazu kam und ich einen „Wanderschmerz“ entwickelte, beschlossen meine wunderbaren Ärzte mal in einer anderen als der crohnischen Region nach dem Rechten zu sehen.

Und wurden fündig.
Leider.

Vorgeschichte

Ich habe seit meiner Kindheit rheumatische Beschwerden, mal mehr, mal weniger. Hinzu kommt eine überelastische Wirbelsäule, mit etwas laschen Bändern. Damit verschieben sich immer wieder Wirbel und das tut dann entsprechend weh. Drei unverschuldete Autounfälle kamen auch noch dazu (= drei mal Peitschenschlag und ein vierter als Kind) – das war auch nicht sehr hilfreich.

Der Verdacht einer rheumatischen Grunderkrankung war schon ein paar Jahre vor der Crohn-Diagnose da, ich war da auch immer wieder in Kontrolle. Aber man hatte nie etwas Eindeutiges gefunden.

Nach der Crohn-Diagnose (2005) hat man die Gelenksschmerzen dann auf diese Erkrankung geschoben, weil das oft Hand in Hand geht und der Crohn fallweise solche Schmerzen bzw. eine Polyathritis hervorruft (als eines von den Symptomen, die man zusätzlich entwickeln kann).

Insofern war daher die Hoffnung, das mit einer Remission (=der Crohn gibt Ruhe) auch die anderen Schmerzen besser wurden.
Die waren davon aber eher unbeeindruckt.

Nun also ein größerer Blutbefund, mit der Abfrage von „einschlägigen“ und sehr speziellen Werten, die im sog. Rheumablock daheim sind. Und da waren dann ein paar dieser Werte am Dach, sprich: weit über der Norm, teilweise um das 20fache.

Sowas sorgt nicht unbedingt für entspannte Nachtruhe.

Mein Hausarzt und meine Gastroenterologin haben unisono erklärt, dass man für die genaue Deutung zusätzliche Spezialisten braucht – weil ich ja auch sonst ein sehr spezieller Fall bin, der vielleicht irgendwann als Morbus Schara in die Geschichte eingehen wird, wie mein Hausarzt humorvoll launig anmerkte. Was ich a. witzig finde, aber b. nicht als Lebensziel betrachte.
Also ging es zu einem, der sich mit solchen Spezialfällen im rheumatischen Bereich beschäftigt und auch guten Kontakt zur gastroenterologischen Seite hat.

Meine Idee, die Wartezeit bis zum Termin mit googeln zu verbringen, war eine sehr, sehr blöde.
Im günstigsten Fall kommt bei sowas Birnenrost raus.
Normalerweise aber wird eher was in Richtung Beulenpest am Schirm zu lesen sein.

Der langen Rede kurzer Sinn: es ist keines von beiden, sondern ziemlich sicher ein alter Schwede.

Morbus Sjögren

Auch Sjögren-Syndrom genannt.

Eine sog. Kollagenose, also eine Erkrankung, die im Bindegewebe zuhause ist.

Das Sjögren-Syndrom ist nach dem schwedischen Augenarzt Henrik Samuel Conrad Sjögren benannt. Hier gehts zu einer Biografie (englisch).

Morbus“ bedeutet übrigens einfach nur „Krankheit“. Um welche es sich dann genau handelt, wird erst durch das daran gehängte Wort klar.

Das Sjögren-Syndrom zählt zu den häufigsten Kollagenosen, die aber selbst eher zu den seltenen Erkrankungen zählen.

Typische Symptome, die auftreten können (aber nicht bei jedem auftreten müssen), sind trockene Augen und trockene Schleimhäute, zum Beispiel in der Nase, im Mund, im Körperinneren … wo eben überall Schleimhäute vorhanden und in Aktion sind. Also auch im Darm.

Der Grund für das Austrocknen der Schleimhäute liegt darin, dass das Sjögren-Syndrom die exokrinen Drüsen zerstört. Die sind für die Feuchtigkeit vor Ort zuständig.

Das Sjögren Syndrom verursacht aber auch sehr häufig Gelenkschmerzen, die bei jedem ein wenig anderes gelagert sein können. Meist sind es die „kleine“ Gelenke, in den Händen, Füßen … oder die Sehnen. Oft kommt es auch zu Verhärtungen im Bindegewebe, das im ganzen Körper zu finden ist und eine sehr wichtige Funktion erfüllt (und nicht nur Orangenhaut produziert. Muss auch mal anerkannt werden)

Kurz gesagt: Morbus Sjögren ist eine Erkrankung des gesamten Körpers und verursacht teils sehr schwer deutbare, in ihrer Gesamtheit als nur schlecht als zusammenhängend, erkennbare Symptome.

Mit ein Grund, warum es oft erst nach längerem Leiden erkannt wird.

Es sind übrigens zu 90% Frauen, die an dieser Kollagenose erkranken und die meisten sind bei der Diagnose zwischen 45 und 55 Jahren alt (Hurra, ich erfülle ein Cliché!). Ausbrechen tut die Erkrankung aber oft viel früher.

Die Ursachen sind beim Sjögren-Syndrom noch nebuloser als beim Crohn. Bei letzterem weiß man, dass es auch eine genetische Disposition braucht, damit der Mistkerl lostrabt er ausbricht.

Beim Sjögren-Syndrom vermutet man diesen genetischen Punkt. Aber auch Viruserkrankungen (wie z.B. das Pfeiffersche Drüsenfieber), hormonelle Dysfunktionen, Umweltfaktoren usw. usf.

Kurz: man hat keine Ahnung woher, warum und wieso.
Mehr zu diesem Thema gibts hier: Das Sjögren Syndrom -Ein Ratgeber für Patienten

Die Therapie …?

Einerseits symptomatisch – heißt: man versucht die Beschwerden, also die Schmerzen und die Trockenheit, zu lindern. Einerseits mit Augentropfen, Nasentropfen, Mundsprays. Andererseits mit Schmerzmedikamenten, Physiotherapie, entzündungshemmenden Medikamente usw. usf.

Andererseits mit einer Dauermedikation, speziell dann, wenn die Gelenksschmerzen anhaltend sind, wie bei mir. Wie diese ausschauen wird, darüber wird in meinem Fall gerade beraten und ich muss auch noch ein paar Untersuchungen abwarten.

Mein Problem ist, dass ich sehr spezielle und teils heftige Medikamente nehme, die den Crohn in Schach halten. Die vertragen sich nicht mit allem, beanspruchen den Körper auf ihre Weise schon sehr und darum braucht es noch ein paar Untersuchung und Überlegungen, wie das nun zu handhaben ist, ohne die aktuelle, zarte Remission zu gefährden. Und auch, ob die Probleme wirklich vom Herre Sjögren hervorgerufen werden, denn auch das ist noch nicht sooo ganz klar. Einiges spricht dafür, einiges dagegen, einiges für eine ganz andere Richtung … und ihr könnt euch denken, dass das nicht unbedingt für entspannte Nachtruhe und gechillte Tage sorgt – es nervt tierisch nicht zu wissen, was nun wirklich los ist und wo die Kacke am Dampfen das Problem wirklich begraben ist.

Ein Symptom, das Sjögren und Crohn gemeinsam haben, ist eine erschöpfende Müdigkeit, Fatigue genannt. Das macht den Tag in Summe dann nicht wirklich besser. Aber ich habe zumindest einen doppelten Grund für dieses fallweise sehr heftige „wie erschlagen“-Sein und eine mehrfache Ausrede, wenn ich sch***drauf bin, mir Worte und Dings nicht einfallen, ich launisch, gereizt, überdreht, lethargisch, wütend, verheult oder seeeehr meditativ abgeklärt bin (ooooooooooohm)

Ach ja: Auch diese Erkrankung sieht man im Außen nicht.
Die ungeliebte Redewendung „Aber man sieht es dir gar nicht an?!“ ist also auch hier nicht angebracht.
(Wie hat man eigentlich auszusehen, damit man einem „das“ ansieht?
Antworten bitte gerne in die Kommentare, interessiert mich wirklich.)

Wie geht es mir ….?

Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht so genau.

Ich bin noch immer am „Verstoffwechseln“ der Infos, versuche ruhig Blut zu bewahren und die weiteren Untersuchungen abzuwarten. Das klappt logischerweise nicht immer. Es ist eher eine emotionale Achterbahn, weswegen es mich auch immer wieder schleudert.

Körperlich tun die Gelenke abwechselnd weh, vor allem die Hände und da speziell die Finger der rechten Hand. Ich bewege mich viel, was gegen die Gelenkschmerzen hilft, aber die Grundmüdigkeit nicht bessert. Ich habe div. Salben und Schmierzeugs ausprobiert, um die ärgsten Zores zu dämpfen. Aktuell ist es das fürchterlich stinkende, aber noch am besten helfende Tiroler Steinöl.
Positiver Nebeneffekt: Ungeziefer jedweder Art nimmt flugs Reißaus – während eines Gelsen- und Zeckenreichen Sommers nicht unangenehm. Und man hat auch viel mehr Platzfreiheit, wenn im öffentliche Raum unterwegs (stinke wie des Teufels Großmutter)

Wenn die Angst anklopft, lasse ich sie rein und setze mich mit ihr auf die Couch. Dort lass ich sie reden, weinen, heulen, zettern und gehe dann mit ihr in den Garten oder in den Wald. Meist bleibt sie dort unter einem Baum sitzen und ich kann ohne sie wieder weitergehen.

Frustrierend ist allerdings, dass ich bis vor ein paar Tagen das Gefühl hatte, auf einem guten Weg zu sein – siehe oben: gute Tagesstruktur, hilfreiches Essen, passende Therapien, crohnische Remission … und nun das Gefühl habe, einmal mehr einen Ar*tritt vom Leben bekommen zu haben. Wie beim Mensch-ärgere-dich-nicht, wenn du kurz vor dem Ziel rausfliegst und dann warten musst, bis du wieder eine 6 würfelst.

Frustrierend ist auch das Wissen, dass dieser Sjögren kein ganz Unbekannter in meiner gesundheitlichen Laufbahn ist. Der erste Verdacht, dass da noch was anderes im Busch ist, kam bereits 2014. Aber dann ist er irgendwie vom Schirm verschwunden. Der heftige Crohn-Schub hat das Gesichtsfeld komplett für sich beansprucht und die Symptome passten sowohl auf die eine, wie auch auf die andere Erkrankung.

Herre Sjögren:
Eine olle, vertrocknete Gouvernante im schwedischen Piraten-Geister-Outfit

HerreSjoegren - Morbus Schara? ... oder doch alter Schwede?Meine erste Zeichnung seit Monaten war dann gleich mal der Versuch, diesem neuen-alten „Morbus“ ein Gesicht zu verpassen. Was man sehen kann, das hat weniger Schrecken und ich habe ein passendes Gesicht vor Augen, wenn ich meinen Frust wo auslassen will.

Fast sofort drängte sich auch der Begriff „Alter Schwede“ auf – der für mich nun eine deutlich andere Bedeutung bekommen hat.

Da ein Hauptsymptom dieses „alten Schweden“ die Trockenheit ist, bekam er eine Staubwolke zu Füßen und ein hageres, eingetrocknetes Gesicht.

Dem schwedischen Namensgeber zu Ehren gibts aufs Haupt einen ramponierten Wikingerhelm (=schwedisch + alt, you know?). Weil ich sein Vorgehen als sehr heimlistig und hintertückisch empfinde, bekam er eine Piratenklappe übers trübe Auge.

Die Müdigkeit, die er mit sich bringt, trägt er auch im Aussehen. Weil er sich gern und gut versteckt, wie ein Geist, der mysteriös durch die Befunde spuckt, hat er einen Gespensterkittel an.

Die Hände, verkrampft und angespannt (wie meine, wenn ich sie 10 Minuten nicht bewege), hängen an den Seiten runter und der Blick erzählt den Rest, den man gar nicht so genau wissen will.

Mistkerl.

Ich habe noch immer nicht herausgefunden, wie man diesen Zungenbrecher richtig ausspricht. Irgendwas mit Sch und Ch und J und ÖH.

Eine Krankheit zu haben, von der man nicht weiß, wie man sie ausspricht und unbedarften Ärzten erstmal buchstabieren muss – da fragt man sich schon, welchen Humor das Schicksal hat. Es muss ein sehr sarkastischer und dunkler sein.

Was ich brauche …?

Keine Ahnung, ich weiß es ehrlich nicht.

Ruhe, fallweise Gesichtsfeldwechsel, immer wieder Mut, ganiert mit sanfter Hoffnung, viel Lachen und das Gefühl, nicht unterm sprichwörtlichen Quargelsturz zu stehen, sondern nach wie vor einen Anteil am Leben und in der Gemeinschaft zu haben … vielleicht.

Gute Wünsche, Trost und Zuspruch … sind fallweise auch hilfreich. Können aber auch zu viel werden. Das ist täglich anders, mal mehr, mal weniger.

Auf mein Posting auf FB, im Freundeskreis, kamen irr viele Rückmeldungen, ganz viele Kleiner-3 und ich war von dieser Reaktion voll ge-wow-t … einfach sprachlos, sehr gerührt und hochsensibelst überfordert. Aber es hat auch gut getan und Mut gemacht.
Ich muss einfach noch lernen, wie ich mit solchen Reaktionen umgehe.

Ansonsten wünsche ich mir vor allem eines sehr: dass ich die Pläne, die ich hatte und wo eine sehr besondere, mir sehr wichtige Reise eine große Rolle spielt, nicht fallen lassen muss. Weil das würde mich dann doch sehr grämen und in ein großes, tiefes Loch fallen lassen, wo ich mich dann an der ungeliebten Yoga-Übung namens Sich-selber-in-den-Hinter-beißen-Asana versuchen müsste. Die kann nix und bringt nix und darum ist es besser, wenn ich bei meinen täglichen Sonnen- und Mondgrüßen bleibe und die im Garten machen kann, anstatt in Frustlöchern zu sitzen.

Ohm.

Was ich aktuell (und auch sonst) definitiv NICHT brauche

Tipps.

An alle, die sich bemüssigt fühlen, mir zu sagen, was ich falsch mache, welchen Arzt ich aufsuchen soll, was ich essen/nicht esssen, was ich trinken/nicht trinken, welche Mediks ich nehmen/nicht nehmen, welcher Karmafluch auf mir lastet … usw. usf. soll:

Lasst es.

Wenn ich etwas brauche oder diesbezglich wissen will, melde ich mich und kommuniziere es.
Ihr braucht auch eure Kontaktdaten für diesen Fall NICHT zu hinterlassen (und auch nicht den eurer Wunderheiler/ärzte/therapeuten/wuzzis usw. usf.).

Wer es dennoch nicht lassen kann, mir (wie bereits geschehen) ungefragt, ungewünscht Tipps, Infos, Links usw. usf. schickt, für den/die nochmal als Klartext (=2. Warnung):

Fahr zur Hölle und substrahier dich aus meiner Gegenwart.
Du nervst einfach nur tierisch und deine Info tangiert mich nicht mal peripher.

Ich bemühe mich nach wie vor, auf solche Meldungen nicht bzw. halbwegs höflich zu reagieren – wobei „nicht“ die bessere Alternative ist. Denn jede, wie auch immer geartete, Antwort füttert den Tipp-Troll nur und regt mich zusätzlich auf.

Meine aktuelle mentale Verarbeitungsstrategie geht somit meist dahin, dass ich diesen ewig Unbelehrbaren ein deftiges Loch in die Aura fluche.
Karmisch bedenklich? Möglicherweise.
Aber emotional sehr befreiend.

Namasté.

Allgemein, Cartoons

Therapeutisches Rumschlunzen

Bevor man sich zu sehr zerspragelt und damit den Tag verschwurbelt, ist es gut sich ein wenig oder mehr dem therapeutischen Rumschlunzen hinzugeben.

Nein, ich hab kein halluzinogenes Kraut geraucht und bin auch nicht gegen eine Wand gedonnert (oder habe mir das Köpfchen woanders innerlich geschädigt).

Therapeutisches Rumschlunzen hingegen ist meine Eigenkreation. Es ist heilend, inhaltlich gediegen und rundum hilfreich, wenn man gerne dann und wann über die Grenzen dessen geht, was gut für einen ist.

Das therapeutische Rumschlunzen  ist dem Prokrastinieren irgendwie ähnlich. Von der Wirkung her aber ist es völlig konträr. Während die akademische Aufschieberitis nur den inneren Schweinehund füttert, ist das therapeutische Rumschlunzen eine Kur für Körper, Geist und Seele. Die Kleidung spielt dabei schon auch eine gewisse Rolle. Denn sie darf durchaus sauber, muss aber möglichst bequem und bekömmlich sein – Wohlfühl-G`wand.

Wichtige Kernpunkte

  • Fünf gerade sein lassen und damit dem Perfektionsdrang ein Schnippchen schlagen.
  • Die To-Do-Liste den Göttern opfern und statt dessen auf situative Anlassplanung umsteigen (=das machen, was leicht geht und was man jetzt gut tun kann UND will).
  • Den aktiven Zeiten des Tages im gleichen oder gar größeren Maße höchst passive gegenüberstellen und trotzdem kein schlechtes Gewissen haben*
  • Statt konzentriert auf Bildschirme starren und krampfhaft kluge Satzgebilde zusammendrechseln wollen-sollen-müssen, lieber auf der Bank vorm Haus sitzen (besser: Knotzen) und ohne Fokus in die grüne Leere glotzen.
  • Statt Stress beim Abarbeiten von therapeutischen, physikalischen, bikinifigurformierenden Körperübungen zu haben, lieber gemütlich, wie ein „stinkertes Gsöchts“, in der Hängematte abchillen und befinden, dass die seelischen Bauchmuskeln anrecht auf ein gutes Training haben und es nur so erhalten.

Der wichtigste Punkt beim Therapeutischen Rumschlunzen: sich selbst den Druck nehmen, uuunbeeediiingt was tun wollenmuessenmöchtensollen. Und sich dabei auch von anderen nicht aus dem Tritt bringen lassen.

Therapeutisches Rumschlunzen hilft

  • Nach Situationen mit längerem, deutlich erhöhten Stressaufkommen
  • Bei innerer Orientierungslosigkeit, aus welchem Grund auch immer
  • Nach längerem, erfolglosen Sackgassen-Denken (Sackgassendenken ist immer erfolglos. Aber manchmal braucht man länger, um es einzusehen)
  • Bei mentaler Müdigkeit, die sich aus Punkt 1 und anderen Stressoren ergibt
  • An Sonntagnachmittagen und Feierabenden, damit man die abgearbeitete Anstrengung abbaut und Kraft für die kommende tankt; im Urlaub, zwischendurch, immer wieder für längere oder kürzere Zeit. Aber nicht auf Dauer, denn dann wäre es ja nicht mehr hilfreich.

Der Unterschied zum Prokrastinieren ist von Außen schwer zu erkennen. Man selbst aber spürt es und weiß, wann Zeit ist für das therapeutische Rumschlunzen.

  • … wenn man trotz aller motivierender Maßnahmen und/oder nach stressiger Phase, nichts G`scheites auf die Reihe bringt, dauermüde ist und Motivation nicht mal buchstabieren kann …
  • … wenn man sich dauerhaft vom Dasein überfordert fühlt, der Körper Müdigkeitssignale ohne Grund sendet und man sich im Hochsommer innerlich wie im Winter fühlt …
  • … wenn man das Gefühl hat, den 30jährigen Krieg gerade noch lebend überstanden zu haben, aber kein Siegesgefühl aufkommen will, weil der Anblick der verbrannten Erde im Inneren die Mutlosigkeit füttert und der Fokus kein Ziel finden kann …

In all diesen und vielen anderen, ähnlichen Fällen, ist es dann Zeit sich gezielt, bewusst und freudig dem therapeutischen Rumschlunzen hinzugeben:

  • Wohlfühlkleidung an – bunt oder einfarbig, bequem und luftig
  • Terminkalender aus – und auf situative Planung, frei nach Lust und Laune umschalten
  • Der Jahreszeit zum Trotz auf Winterschlaf umschalten
  • Handy auf lautlos, Lieblingsmusik auf  Genuss-Lautstärke und dazwischen dem Vogelgezwitscher und dem Wind lauschen, denn da steckt viel Weisheit drin
  • Die innere und äußere Hängematte aufspannen, die Seele in die eine, den Körper in die andere platzieren und dafür sorgen, dass beide im gleichen Takt schwingen.
  • Die Begegnung mit „interessanten“ Menschen meiden und sich statt dessen ausschließlich mit handverlesenen Lieblingsmenschen umgeben, die auch tierischen Ursprungs sein dürfen
  • Seichte Buchlektüre oder Filme mit einfacher Handlung – die Bildung darf mal Pause machen und sich mit Trivialliteratur beschäftigen

… ich könnte noch ewig weiterschreiben, aber ich denke, ihr habt es.

Therapeutisches Rumschlunzen ist etwas, dass man sich bewusst schenken muss. Dann – und nur dann!!! – wirkt es. Die Dauer ist abhängig von Grad und Umstand der Gründe. Das muss jeder für sich selbst bestimmen. Manchmal reichen ein paar Stunden, manchmal braucht es Tage oder gar Wochen dafür.

Hilfreich ist es, wenn man seine Umgebung davon informiert, dass man sich gerade in einem – außen nicht gleich erkennbaren – Regenerations-Umbauzustand befindet. Dann können die die unsichtbare Grenzen dieser Reha-Maßnahme entsprechend wahrnehmen und poltern mit Glück nicht hinein.

Woran man erkennt, wenn es genug ist?

Wenn die Fantasie sich Richtung Kreativität begibt und diese wieder nach konstruktiven Umsetzungsmaßnahmen lechzt. Dann wird es Zeit, sich die Kleckse aus der Wohlfühlkleidung zu waschen, die Hängematte dankend abzuhängen und sich wieder sanft – oh gaaanz langsam und sanft! – in den Strom der Mitmenschen einzugliedern.

In uralten, urgeschichtlichen Zeiten, war es noch üblich, dass jemand, der krank ist oder sich nicht wohlfühlt, für einige Zeit einen umsorgten Platz am gemeinsamen Feuer einnehmen konnte. Er*sie durfte liegen, ruhen, rasten und wurde von der Gemeinschaft vorurteilslos, liebevoll und hilfsbereit versorgt. So lange, bis es wieder besser ging.

Unser gewerkschaftlich erkämpfter Krankenstand und die Versorgung durch Krankenkasse und Pensionssystem sind ein Tropfen auf dem heißen Stein dagegen.

Denn das wichtigste an dieser uralten, immens effektiven Therapie: Das man es sich selbst zu- und eingesteht, sie zu brauchen, es zuzulassen, anzunehmen und zu genießen. Ohne schlechtes Gewissen, ohne missbilligende Blicke (von anderen oder von einem selbst, im Spiegel), ohne Ablaufdatum am Krankenstandsdatenblatt.

Also:

Ich bin dann bis auf Weiteres, zwischendurch und immer wieder, am therapeutischen Rumschlunzen.
Weil ich es gerade brauche und mir schenke.

Danke fürs Wahrnehmen!

*ok, daran arbeite ich noch, am Abbau des schlechten Gewissens. Aber es wird.

Cartoons, English Versions

Crohnbusters!

{full english version below}

If there’s something strange in your gut below
Who you gonna call? CROHNBUSTERS!
If there’s something weird and you don’t look good
Who you gonna call? CROHNBUSTERS!

Im vorigen Post habe ich mich mit meinen inneren Superhelden auseinandergesetzt. In diesem hier geht es darum, dass auch die tollsten Helden&innen dann und wann kräftig Unterstützung brauchen.

Es geht um ein großes

DANKE!

Während mein innerer Superheldenmix namens Pippi Hulk-Stocking eine reine Fantasiemotivation ist, sind meine Crohnbusters Realität:

  • Meine Ärzte, allen voran meine wunderbar-einfühlsame Gastroenterologin und meine herzhaft-erdige, geniale Chirurgin, die mich speziell heuer bei einem sehr heftigen Weg mutig begleitet haben.
  • Mein Hausarzt und sein Team, denen keine meiner Fragen zu blöd und keine meiner Infusionen zu spooky sind.
  • Die vielen Schwestern und Pfleger, die mich im Lauf meiner Krankenhauskarriere an guten wie auch an schlechten Tagen begleitet und unterstützt haben.
  • Die unbekannten, aber nichts desto trotz immens wertvoll-wichtigen Wissenschaftler*innen,  Forscher*innen und alle, die an der Entwicklung neuer Medikamente zur Bekämpfung von CED beteiligt sind und die das trotz der Tatsache tun, dass es sich möglicherweise finanziell nicht rentiert, aber menschlich dennoch auszahlt.
  • Den Freunden und Bekannten, zu denen ich auch dann noch Kontakt hatte, als ich mich selber nicht mehr gefunden hatte, die sich auf die Suche nach mir begeben haben und nicht eher Ruh gaben, bis ich wieder da und hier war.
  • Nicht zuletzt meine Familie, die das alles mit mir durchstehen muss und dennoch hinter mir steht und mich unterstützt.

Danke – jeder und jedem einzelnen von Euch.

Ohne meine Crohnbusters wäre ich jetzt nicht hier und wüßte ich nicht, wie ich den Rest dieses Daseins mit Leben fülle.

Danke.

Weil man es nicht oft genug sagen kann, aber in der Hitze des Gefechts oft vergisst.
Ihr seid meine wahren Superhelden und ich bin demütig dankbar, euch an meiner Seite zu haben.

Eure
Pippi Hulk-Stocking, vulgo MiA

P.S.: Keine Ahnung auf wen ich mit der Wortschöpfung Crohnbusters anspiele? Schon mal von den Ghostbusters gehört? Hier gehts zum Ghostbusters-Song – muss man gehört haben!



If there’s something strange in your gut below

Who you gonna call? CROHNBUSTERS!
If there’s something weird and you don’t look good
Who you gonna call? CROHNBUSTERS!

In my last post I introduced you to my inner superheroes. In this one you learn that every hero needs a helping team now and than. 
And it´s also about saying 

THANK YOU!

While my inner superhero Pippi Hulk-Stocking is just a fiction my Crohnbusters are reality:

  • My doctors, especially my wonderfull gastroenterologist and my genious surgeon who guided me bravely through a very heavy period.
  • My primary care physician who always answeres even my silliest questions and doesn´t fear my spooky infusions.
  • The nurses which guided me through my hospital-life, in good and in bad times.
  • All the unknown scientists and researcher who look for medics against IBD allthough it´s costly and might not pay but it´s human and thats what counts to them.
  • The friends I´m still in contact with even when I´ve lost myself – they looked after me and pulled me out of the rabbit-hole until I accepted to be here again.
  • Not least my family who has to go through this with me and is still standing behind me and supportive.

Thank you – every one of you.

Without my personal Crohnbusters I would not be here and would not know how to fill this beeing here with life.

Thank you.

Can´t be said to often but is often forgotten to be said in the heat of the moment. You are my true superheroes and I´m very humble to have you by my side.

Yours
Pippi Hulk-Stocking – MiA

P.S. Not knowing whom I´m insinuating with my Crohnbusters-creation? Have you ever heard about the film Ghostbusters? Here you can here the Ghostbusters-Song – must listening!

Cartoons, English Versions

Being Pippi Hulk-Stocking

{english version below}

Manchmal, wenn man viel Zeit zum Denken hat, dann beginnt man damit, sich zu fragen … zum Beispiel „Was wäre wenn“-Fragen.
In diesem Fall hier gabs sogar einen ganz gezielte Motivation, die mich zu einer sehr speziellen Frage gebracht hat:

Welcher Superheld wäre ich gern?

Grund für diese Frage ist die Aktion IBD Unmasked, wo es darum geht Patient*Innen mit CED und deren Angehörige moralisch zu unterstützen. Die dort vorgestellten Held*Innen sind so tough und smart und cool – WOW! Vor die innere Frage gestellt, welcher toughe und coole und smarte Held ich denn so sein wollte, habe ich dann aber auf eine Eigenmischung zurückgegriffen:

Der kreischgrüne, dauerwütende Hulk
und die very smarte, immer lustige und unendliche weise Pippi Langstrumpf:

Pippi Hulk-Stocking

Ich geb zu, eine schräge Mischung, zu der mich eine liebe Freundin ermutigt hat. Das optische Ergebnis ist schon sehr beeindruckend. Mag sein, dass auch meine Vorliebe für bunt, speziell rot-orange und grün, hierbei mitgespielt hat. Aber wenn ich ehrlich sein soll, ist es eher die exaltierte Wut und Unberechenbarkeit von Hulk und die – Verzeihung! – „hobt´s mi olle kreuzweis´ gern“-Philosophie von Pippi.

Wenn Hulk ausrastet, dann gehn ihm alle aus dem Weg. Da kommt keiner mit halbfertigen, pseudoweisen Ratschlägen, da sagt keiner „reiß dich z´samm, anderen gehts schlechter„. Niemand runzelt die Augenbrauen wenn der grüne Held in einem Anfall schlechter Laune die Gegend demoliert und alles kurz und klein schlägt, das sich ihm in den Weg stellt.

Pippi wiederum hat immer einen frechen Grinser drauf, stehts gute Laune und herrlich krause Ideen.
Motto:

Das habe ich noch nie vorher versucht. Also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.

Und ihr 1×1 bringt auch heute noch jeden Mathelehrer zum Weinen (was bei mir eher umgekehrt war).

Die Kombination ist imho grenzgenial und ich denke, mit dieser Mischung ist es ein leichtes, dem lieben Herrn Crohn an den Kragen zu gehen – nicht nur im übertragenen Sinn, sondern so richtig handfest. Zabadoing und KAWUMM! Hulks monstergroße, unzerstörbare Betonfaust und Pippis krauses Grinsen – da kann der liebe Herr Crohn seine Zähne im Reiseköfferchen abtransportieren 🙂

Tja nun, das sind so Gedanken, die man dann und wann hat, wenn man viel Zeit zum Nachdenken und Spintisieren hat.

P.S. Keine Ahnung, um wen es sich bei Hulk und Pippi ursprünglich handelt? Hier gehts zur Geschichte von Hulk und hier zu der von Pippi Langstrumpf – voller Name: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf.


 

Sometimes, when there is much too much time for thinking, one starts to ask questions. For example the „what if“-questions. And in this case I had an extra motivation guiding me to the not so strange question:

What kind of superhero would I like to be?

The main reason for this idea is the IBD Unmasked Action

UNMASK INFLAMMATORY BOWEL DISEASE (IBD) AND JOIN THE IBD UNMASKED TEAM OF HEROES AS THEY FACE OFF AGAINST THIS UNRELENTING VILLAIN.

The heroes there are so smart and tough and cool – WOW! And I really love the idea behind this action.
But asking me myself what kind of hero I would like to be, I created my own special mixture: 

The incredible, shocking green and always angry Hulk
and the very smart, always funny and very wise Pippi Longstocking.

Pippi Hulk-Stocking

Yes, it´s quite strange, a crazy mixture being inspired by a good friend of mine. The look is quite impressive. Maybe it´s also because of my colourlove to red-orange and green what made me chose this style. But when I´m honest it is more the exalted anger and the unpredictability of Hulk and – sorry to say –  Pippi´s „you can kiss my back***“ philosophy.

When Hulk explodes nobody is giving semi-wise tips, nobody dares to say „others are suffering worse“. Nobody is frowning eyebrows if the green hero starts to demolate everything around him when being in bad mood.

Pippi on the other hand always has a very naughty smile, is always in a happy mood and her ideas are extremly extraordinaire.
Motto:

„I haven´t ever tried it before. So I´m absolutly sure that it will work.“

And her 1×1 turns every mathematics teacher to tears (what was quite the other way around in my life).

The combination ist genious to me and I think this mixture is the best thing to fight Mr. Crohn – and I don´t mean that in a metaphorical sense. 
Zack – Boing – Wush! Hulks huge fist, Pippis crazy smile and Mr. Crohn can carry his teeth in plastik bag while creeping out of my way 😉

Well, that´s the kind of thoughts one has when having too much time to think and muse.

P.S.: No idea whom I´m talking about? Here you find the story about Hulk and here is Pippi´s

Cartoons

Rückblick, Vorschau und Überhaupt

Uff.

Die letzen Wochen waren dicht – an Erlebnissen jeder Art, an Vorkommnissen drumrum und generell scheint 2016 ein sehr intensives Jahr zu sein, für viele. Für mich auf jeden Fall.

Nach einer großen OP, die mir einiges an Angst beschert, aber auch viel Übel genommen hat, geht es mir vorsichtig gesagt leicht stabil besser und das ist schon sehr viel. Ich wünsche mir jedenfalls, dass mein Herr Crohn diesen Einschnitt als Ausstiegskarte für einen laaangen Urlaub nutzt.

Kurz danach hat es mich dann anderes gebeutelt – das Leben schenkt einem fallweise wirklich nichts und wenn, dann nur Dinge, an denen man länger zu kauen hat. So mein Eindruck aktuell. Darum habe ich beschlossen, mir für die nächsten Wochen eine selbstbestimmte, erholsame und vor allem (hoffentlich!) friedliche Auszeit zu schenken. Warum, wieso, weshalb kann man auf meinem anderen Blog nachlesen: Rückzug in die Villa Sehnsucht.

Good News

Es war aber auch viel Schönes dabei, in den letzten Wochen. Zwei dieser Schönheiten will ich hier besonders vorstellen:

Artikel auf Volkskrankheiten.at & in Mediaplanet Austria

Diese Woche ist ein Artikel von mir auf volkskrankheiten.at erschienen. Ich war eingeladen einen kleinen Einblick in das Leben mit Morbus Crohn zu schreiben. Der Artikel (inklusive einiger Zeichnungen 😉 ) ist am 24.6.16 online gegangen und hier zu finden:

Klo-fixiert und kompliziert:
Morbus Crohn und die Nebenwirkungen

Ein sehr herzliches Danke an die Organisator*Innen und die Medien, die dem wichtigen Bereich Darmgesundheit und -erkrankungen einen schönen Rahmen und somit Beachtung schenken! Ich hoffe, dass mein Beitrag einen kleinen Teil zur Wahrnehmung beigetragen hat (und yes, please: der Artikel darf gern intensiv überall verbreitet werden 😉 )

Nachtrag: Kaum war der Artikel online, hat die Post mir die Belegexemplare der Mediaplanet-Beilage von „Der Standard“, vom 24.06.16, gebracht. Da ist die Kurzform meines Artikels im Rahmen der Kampagne „Innere Medizin & Gesundheitsvorsorge“ erschienen und ich freu mich sehr narrisch toll darüber 🙂
Wers verpasst hat: so schauts aus:

Der Lange Tag des Darms 2016

Ganz besonders freue ich mich auch über den Langen Tag des Darms, der am 11. Juni zum zweiten Mal stattfand. Ich durfte ein bisschen aus meinen Briefen vorlesen und einige meiner Zeichnungen wurden ausgestellt. Das war dann doch ein sehr berührender Moment für mich, als ich die Bilder so groß auf den Staffeleien gesehen habe. Die Rückmeldungen auf die Lesung waren durchwegs positiv und in vielen Fällen bestätigend. (und die Arbeit am Buch wird auch in den kommenden Wochen endlich wieder aufgenommen, versprochen!)

Besonders toll auch der neue Besucherrekord: Mehr als 2.000 Menschen nutzten die Chance, sich umfassende Infos rund um den Darm zu holen. Das ist sehr, sehr toll und ich gratuliere einerseits den Veranstaltern, dem Verein darmplus.at, und Vortragenden und andererseits allen, die sich für das wichtige Thema interessiert haben!

Meine ausgestellten Cartoons beim Langen Tag des Darms

Happy Summertime!

Ich wünsche abschließend allen meinen Leser*Innen einen erholsamen und vor allem ruhigen Sommer, mit viel Zeit und Raum für Muße, Genussstunden, Spaß und vor allem Gesundheit!

In den kommenden Wochen werden vielleicht noch ein paar kleinere Beiträge hier erscheinen. Aktiver geht es dann im Herbst weiter und ich hoffe, dass wir uns dann gesund und fröhlich wieder lesen! Stay tuned und passt auf auf euch 🙂

Cartoons, English Versions

In the Summertime …

Gestern hat der Sommer begonnen und – was Wunder! – der Dauerregen hat aufgehört. Es ist warm, richtig heiß und ich beginne an sowas wie „Sommerurlaub“ zu denken. Das ist mit dem Herrn Crohn im Gepäck immer eine besondere Herausforderung… wie man im Cartoon sehen kann.

Mal sehen, welch schöne WC-Anlagen ich diesen Sommer so kennenlerne. Und hoffentlich kann ich auch das Drumherum genießen. 😉

Yesterday summer has begun and – a true wonder! – the endless rain stopped. It is warm, nearly hot and I start to think about something like „summerholiday“. What is not easy, when having Mr. Crohn in your baggage … as you can see in the cartoon.

So I´m kind of curious about the nice toilettes I´m going to visit this year. And hopefully I can also enjoy the environment 😉

Briefe aus dem Leben mit CED, Cartoons

Bucket-Liste vorm Cut off

Lieber Colon Ascendens, 

oder willst du lieber aufsteigender Dickdarm genannt werden? oder Dickie? oder ganz anders?

Wir kennen uns zwar schon fast 49 Jahre, aber ehrlich gesagt so richtig wahrgenommen habe ich dich erst seit der liebe Herr Crohn in meinem Leben eine aktive Rolle spielt. Was traurig ist, denn an sich bist du ein feiner Kerl, der mir viel abnimmt, viel verdauen muss und eine richtige Scheißarbeit hat – um es mal deftig auszudrücken. 
Und dann kommt da so ein grauer Mistkerl daher und spielt quer, macht dir den Arbeitsalltag mies, legt dir Steine in Form von Entzündungen in den Weg und versaut deinen Arbeitsbereich. Dennoch hast du über die Jahre tapfer gekämpft, hast mich auch in schweren Zeiten nicht im Stich gelassen und in diesem Krieg, den wir gemeinsam durchstehen, so manche Narbe davon getragen. 

Nun aber wird ein neues Kapitel aufgeschlagen und ich bin traurig, sehr traurig.
Wir haben eine Schlacht verloren, du und ich, und das Ergebnis davon: Ich muss mich von einem Teil von dir verabschieden. 

Herr Crohn hat sich zwar durch den geballten Einsatz von Medikamenten und meinem Willen (gestärkt durch den meiner wunderbaren Ärztinnen und Ärzte) aus weiten Teilen meiner selbst zurückgezogen und ist in Teilremission, also auf Urlaub. Aber gerade in deinem Revier, lieber Colon Ascendens, hat er sich guerilliamäßig verbarrikadiert und weigert sich standhaft das Terrain frei zu geben. 

Blöderweise hat er über die Jahre auch eine Barrikade errichtet, eine sog. Stenose – eine Engstelle. Narbig ist die, hässlich blutrot, entzündet und mit zahlreichen Polypen geschmückt. Mag sein, dass es ein faszinierendes Verteidigungsbollwerk ist. Aber sowas will man nicht in seinem Darm haben, das macht nur Probleme. Einmal hat er es fast schon geschafft den Durchgang komplett zu verschließen. Das waren ein paar sehr unangenehme Tage und mir tut noch heute alles weh, wenn ich daran denke, wie das damals geschmerzt hat.

Das alleine ist schon ein Grund um über drastische Maßnahmen nachzudenken. Doch auch die möglichen Spätfolgen sind wenig wonnig. Die hilfreichen, heftigen Medikamente, mein noch nicht biblisches Alter, die Dauer dieses Schubes und die blöden Statistiken, wo auf die erhöhte Krebsrate bei Crohn-PatientInnen mit so einer Konstellation hingewiesen wird, sind in Summe eine Angst machende Minusrechnung, bei der ich nur verlieren kann. Und ein Dauerschlachtfeld in dieser Form ist für den Rest von mir eine ständige Herausforderung, die das Leben mühsam gestaltet.

Verdammt. Nun tropft mir doch tatsächlich Salzwasser auf meine neue Tastatur. Hoffentlich ist die wasserfest, sonst wird sie bei mir nicht alt. Immerhin wird der Brief an dich nicht durchweicht. Bis zum Bildschirm hinauf kommen meine Tränen nicht.

Lieber kleiner Dickie, wir haben es mehr als redlich versucht. Aber nun ist es soweit und die Scheidung wird in ein paar Tagen vollzogen. Noch ist nicht ganz raus wieviel Terrain ich dauerhaft abtreten muss. Das wird sich erst bei der operativen Verhandlung zeigen. Meine tapfere Anwältin ist eine herzhaft gute Chirurgin. Ihr zur Seite meine wunderbare Gastroenterologin und ein ganzes Team, das sich um die Vorbereitung, Nachsorge und Währenddesssen-Unterstützung kümmern wird.
Ich weiß, ich bin in guten Händen und ich weiß, alles wird gut gehen. Ich vertraue „meinem“ Team und die Strategie der Chirurgin, den Eingriff so minimal-invasiv wie möglich halten zu wollen, um jeden Millimeter zu kämpfen, weiß ich sehr zu schätzen. 

Aber traurig bin ich dennoch. Ich wäre gern noch ein paar Jahre mit dir durch die Gegend gezogen. Da gibt es noch so viel, was ich dir und mir zeigen wollte. Nun bleiben uns nur noch ein paar gemeinsame Tage. Wie verabschiedet man sich von einem Teil seiner selbst? Gibt es da bewährte Strategien?
Und wohin geht dieser Teil dann? Was passiert mit dem, was einem die Chirurgen entfernen? Wird das entsorgt, verbrannt oder beerdigt? Und muss ich dann am jüngsten Tag wie die zerstückelten christlichen Heiligen auf diversen Deponien nach meinen Körperteilen suchen? Oder zählt das große Ganze?

Ich habe noch keine Antworten auf meine Fragen gefunden. Also wieder einmal zur Selbsthilfe gegriffen, um zumindest den Teil mit dem Abschied-Zelebrieren zu organisieren. Ich habe eine Liste aufgestellt, mit den Dingen, die ich noch unbedingt machen und mit dir erleben will. Eine Darm-OP-Bucketlist sozusagen. Und wie es in der Natur der Sache liegt, sind da die meisten Dinge eher kulinarisch inspiriert. Das ist nun mal etwas, was wir gemeinsam teilen können – ich genieße das Essen und du hast dann (hoffentlich) im Abgang auch was davon. Zwar sind das Dinge, die sich rein ernährungstechnisch nicht unbedingt als leichte Vollkost darstellen. Aber scheiß drauf – Wortspiel! – ich werde uns deine letzten Tage nicht mit Reissschleim und Apfelmus vergällen. 

Statt dessen gibt es Sushi bis zum Abwinken, Steak mit dreierlei Soßen und deftigen Wedges, Pizza mit besonders krossem Rand, Eisgenuss im Sonnenschein, einen zünftigen Heurigenbesuch, Popcorn zu einem trashigen Movie und dazwischen Schoki, Chips und Süßes, wonach uns gerade der Sinn steht. 

Natürlich nicht alles auf einmal, das halten weder du noch ich durch. Alles im gemäßigten Rahmen und in entsprechend sinnvoller Menge. Es soll sich ja auch nach dem oralem Genuss noch gut anfühlen.

Außerdem will ich noch ein paar besonders schöne Plätze mit dir in mir besuchen – nein, keine superstylischen Toiletten, sondern draußen in der Natur sein. Unter einem Baum sitzen und dem Hundemädel beim Rumtoben zuschauen. Auf den Berg hinauf und von oben herab alle Probleme im Tal ganz klein sehen. Mit einer Freundin lachen bis der Bauch weh tut und dann tiefphilosophische Themen auf leichtem Niveau wälzen. Shoppen und der Wirtschaft durch Konsum aktiv unter die Arme greifen. Ein paar Briefe schreiben und ein bisschen Ordnung schaffen, damit das erwartete Chaos danach eine freie Bühne hat. Den Garten beim Aufblühen erleben. Den Kirschbaum Blütenschnee regnen sehen.

Ich weiß, dass kann und werde ich auch danach irgendwann wieder machen können. Alles, auch das Essen, da bin ich mir sicher.
Aber es wird etwas entschieden anders sein – du bist nicht mehr da

Ich hatte früher den vielleicht spleenigen, aber sicher nicht unrealistischen Drang, mein Dasein so komplett wie möglich zu durchleben – körperlich gesehen. Ich wollte mit allem, was ich von Natur aus mitbekommen habe, den Weg von Geburt bis Endlagerung abschreiten. 
Abzüglich dessen, was man im Lauf des Lebens auf normalem Weg so verliert (Haare, Fingernägel, Zähne, Pickel …). 

Nun hadere ich mit mir, weil mein Plan nicht gelingt, schon gescheitert ist, auch vor deinem erzwungenen Abschied. Da gab es schon ein paar kleinere Operationen, bei denen mir das eine oder andere nottechnisch entfernt wurde. Aber es waren Kleinigkeiten, hauptsächlich nach Unfällen und im Fall meines Kreuzbandes, dass einer Skipiste zum Opfer fiel, wurde das Manko mit körpereigenen Ersatzteilen wieder ausgeglichen. 

Bei dir ist das etwas anderes. Du gehst und kannst durch nichts ersetzt werden. 

Man kann heute Nieren transplantieren, Herzen und sogar die Leber austauschen, Blut ersetzen und Hautteile neu einsetzen. Aber Darm und Gehirn sind einzigartig und unersetzbar. 
Was spannend ist, denn man braucht beide gleichermaßen zum Leben, ohne gehts nicht (obwohl beim Gehirn manche auf die Nutzung verzichten und dennoch überleben, aber das ist was anderes.). Wir wissen ja heute auch, das Bauch und Kopf miteinander kommunizieren, das Bauchhirn sogar größer als das im Oberstübchen ist. (Und wenn dann ein Teil vom Darmhirn fehlt? Wie geht der Rest damit um? Übernimmt der die Denk- und Fühlaufgaben? Braucht es dafür eine Schulung? Denk und fühl ich dann anders?)

Fazit: Bauch und Kopf sind zum Überleben notwendig und wenn es in den Bereichen zu einschneidenden Veränderungen kommt, dann wirds mitunter haarig. 

Ich weiß natürlich, dass ich nicht die erste und einzige bin und sein werde, der man Teile des Darms entfernt. Manche mussten sich schon vom ganzen Dickdarm verabschieden, andere von Teilen des Dünndarms und nicht mal so wenige haben Baustellen in beiden Bereichen und noch ein paar mehr. Man kann auch mit Teilen dieses wunderbaren Bauchmotors noch (über)leben, wenngleich mit Einschränkungen. Und ich weiß ja: 70% aller CrohnpatientInnen haben im Lauf ihres Lebens eine Operation am Darm. 

Insofern ist es bei mir Jammern auf hohem Niveau. Dennoch: du bist mir wichtig und für mich ist es die erste derartige Operation, weshalb ich entsprechend emotional und fallweise auch sehr ängstlich werde.
Meine nostalgische Vorstellung, dereinst in weit entfernter Zeit, körperlich komplett in die Grube zu hüpfen, muss ich nun auch endgültig sausen lassen. 

Als ich das einem lieben Freund vorjammerte meinte der nur lakonisch: „Die Würmer haben auch so genug zu futtern, musst sie ja nicht fetter als notwendig machen.“ Das hat mich dann flott geerdet und meine romantischen Illusionen haben sich in Feenstaub aufgelöst, weil: wo er recht hat, hat er recht. 

Was trotzdem nichts an meiner Angst vor der kommenden Scheidung ändert und auch die Trauer um den mir bevorstehenden Verlust wenig mindert. Nostalgische Spleens sind das eine, brutale Realität das andere. Ich werde vor der OP einschlafen in der Hoffnung, dass man dir und mir nur einen kleinen Teil nimmt, im Idealfall nur die Stenose. Was mich nach dem Aufwachen erwartet, weiß ich nicht. Im schlimmsten Fall bist du ganz weg und ich um ein Viertel meines Dickdarms ärmer, eventuell erweitert durch ein Stoma, einen künstlichen Darmausgang. Auch damit kann man gut leben, ich weiß. Man überlebt viel, wenn es sein muss, und man gewöhnt sich an noch mehr. Aber Wunschtraum ist es definitiv keiner.

Man sagt, die gesamte Darmoberfläche ist so groß wie ein Fußballfeld. Wie spielt man darauf weiter, wenn einem ein Eck abhanden kommt? Ich habe ja ohnehin schon weniger Leute im Feld als andere, wenn ich meine Darmbakterien als Spieler auf diesem Platz betrachte. 

„Angst essen Seele auf“, habe ich mal wo gelesen und weiß: das stimmt. Es macht uns die verblieben Tage also nicht unbedingt besser, wenn ich mich von solchen Gedanken zermürben lasse – da schwimmt mir ja das Sushi davon und das Steak sucht sich eine andere Weide. Abgesehen davon schmeckt Angst sauer und tranig, macht Magendrücken und liegt speziell in der Nacht schwer wie ein Wackerstein im Bauch.

Also Schluss mit dem trauerphilosophischen Gedankenspiel, lass uns noch mal ordentlich auf den Putz hauen! Denn immerhin wissen wir beide wenigstens exakt den Tag, ab wann das dann für einen (Teil) von uns nie wieder und für die andere länger nicht möglich sein wird. 

Wir haben vielleicht diese Schlacht verloren und zumindest ein Teil von dir muss auf sein, per Geburt erhaltenes, Platzrecht verzichten. Aber der Krieg ist noch nicht zu Ende. Wir haben tapfer gekämpft, nun lass uns das feiern und wertschätzen. Das ist die beste Strategie für  kommende Bauchkampf- und -krampfzeiten.

Let´s Party und Mahlzeit, lass es dir schmecken,

deine 

Michaela

 

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