Liebe Bine,
heute mittag hast du die letzte Etappe deiner Reise ins Regenbogenland angetreten.
Begonnen hast du sie vor vielen Wochen, Monaten, vielleicht sogar schon Jahren. Dein wunderbarer Mann Alexej und die zauberhaften Bassetinen Wilma und Frieda geleiten dich, wie sie dich schon seit Wochen, Monaten, Jahren begleitet haben.
Aus nah und fern kommen jede Menge guter Wünsche, Tränen, Dörtschn-Grüße und Umarmungen für euch alle – auch von mir.
Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass es Dir jetzt gut geht, die Schmerzen vorbei sind und der nächste Abschnitt des Seins gut begonnen hat.
Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass Du den Übergang, das Finden des Durchschlupfes (deine Worte), unfassbar toll und gut gemeistert hast. Du hast, was den Umgang mit diesem Übergang (auch Sterben genannt) betrifft, ein Level vorgegeben, von dem ich meinerseits hoffe, zumindest in Sichtweite zu deinem zu kommen.
Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass alles soweit gut ist. Was auch die Trauer, die Tränen, den Schmerz und alles andere, was man so gemeinhin nicht als „gut“ bezeichnen würde, betrifft.
Es ist gut zu trauern, zu weinen, den Schmerz, den Verlust zu spüren – wärs anders, wärs noch schlimmer. Mein Gefühl und meine Hoffnung sagen mir all das und noch viel mehr.
Dennoch tropfen Tränen auf meine Tastatur, die mehr sind als Trauertränen, Verlusttränen, Schmerztränen. Ich bin wütend, fassungslos, enttäuscht und will ein teueres, 120-teiliges Porzellanservice zerdeppern. Ich muss verdammt nochmal was kaputt machen, es mit Wumms zerscherben (Fachbegriff aus der Archäologie, wenn man den Toten der Urzeit Keramik mitgab, indem man dafür sorgte, dass auch sie „starb“). Ich will laut und hysterisch schreien und das eine oder andere Teil mit extra viel Verve an die Wand knallen. Es soll krachen und die Bine-Leere in mir füllen, damit ich zumindest ein Bine-Echo höre.
Und bin zu müde dazu, zu traurig, zu … wasweißich.
Ich habe gedacht, dass ich mehr als genug „Erfahrung“ im Umgang mit Trauer hab, viel mehr als genug, gewonnen in den letzten vier Jahren und nochmal viel zu intensiv aufgefrischt im letzten Herbst. Diese Wunden schmerzen noch sehr, tun noch länger weh.
Und jetzt bist Du am Weg ins Regenbogenland, wo Du, wie ich sehr hoffe, den Wolken ein neues Design verpasst. Ich erwarte und erhoffe mir Nasenmännchen-Wolken, Basset-Wolken, kichernde Regenbögen (kann man die mal umdrehen? Also mit dem Bogen nach unten hängen lassen?), Dörtschn-Wolken – eben Design-by-Bine-Wolken.
#FuckCancer ist nur ein lahmer Abklatsch von dem, was ich eigentlich brüllen will. Und zu müde dafür bin. Zu traurig. Zu … wasweißich.
Ohne dich ist alles doof …
Ein alter Spruch und der war noch nie so wahr wie jetzt.
Social Media ist doof, wenn deine Bilder, deine Cartoons, deine Strandgut-Poesie, deine zart-wild-wunderbaren Postings und die damit verbundenen Gespräche fehlen.
Lieber Mark & Co, ihr könnt Insta, Twitter und FB jetzt schließen. Bine ist im Regenbogenland und dort gibts kein Wlan, das mit unserem Internet kompatibel wäre. Was besseres kommt nicht mehr.
Das real Life ist doof. Denn nun fehlt die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dir – wie vor einem Jahr in Stralsund: Du, Wilma, Frieda und ich, mit Kuchen und fancy Matcha-Soja-Latte, spontanem Second-Hand Boutiquebesuch, überall und andernorts kichernd Strandgutpoesie-Aufkleber verteilend, aufklebend … übers Leben und alles andere philosophierend, lachend, denkend, sinnierend … Bine eben.
Kirschen sind doof. Weil sie mich an #Kirschpeng erinnern und #Kirschpeng bist DU – deine Social-Media-Hashtags für deine gewünschte Freude-Leben-Unterstützung, die sich bei besonders tollem #Kirschpeng in #Glückspeng verwandelte.
Strand ist doof. Denn ohne Deine unfassbar riesig-gewaltige Phantasie beim Finden von Figuren und Geschichten aus Strandmüll ist alles, was man nun an einem Strand findet, leer und lau und einfach doof.
Doof ist doof. Weil es viel zu sehr verniedlicht und dem Gefühl, das damit verbunden ist, nicht gerecht wird.
Wir weinen, wir schicken Herzen, wir schicken virtuelle Umarmungen, essen Dir zu Ehren und mit den besten Gedanken an Dich üppige Dörtschn. Und manchmal kann man sanft kann hinter der gemeinsamen Trauer den Trost spüren, der darauf wartet, sich wie Balsam auf den Seelenschmerz zu legen.
Ich bin zu müde, mich zum Geschirrzerdeppern aufzuraffen. Bin zu müde um meine Wut über diese Ungerechtigkeit hinauszuschreien, dass es von allen wunderbaren Menschen ausgerechnet DICH hat treffen müssen, die wunderbarste weit und breit.
Bin sogar zu müde um zu weinen. Weil diese Müdigkeit ein ganz besonderer Schmerz ist, der da ist, seit du den Weg ins Regenbogenland gefunden hast. Eine sanfte, tiefe, schmerzstillende Müdigkeit, die auf eine sehr verdrehte Weise hilft und tröstet, wo man mit Worte und kaputtem Geschirr nichts trösten kann.
Ich hör dich auf der anderen Seite leise lächeln, einen Wolkenbasset kraulen und Kirschen mümmeln. Ich sehe dich am Wolkenstrand sitzen, im Ringelpulli, Strandgutpoesie der himmlischen Art kreieren und ganz besondere Wolkenmännchen entwerfen. Deine Hochsensibilität, deine Einfühlsamkeit, dein besonderes Bine-Sein nun in neue Gefilde tragen.
Und ich höre wie der Trost sich von diesen Bildern ermutigen lässt, der Wut in mir sanft die Tür zu weisen und sie zum Abschied in den Arm zu nehmen. Sie meint es ja nicht böse, sie kann halt auch nicht aus ihrer Haut heraus und will mir auf ihre Art nur helfen, die doofe Doofheit loszulassen. Sie ist deiner Hildegard, wie du deine besondere, hilfreiche Angst genannt hast, nicht unähnlich. Nur etwas ruppiger und wilder im Auftreten.
Ach Bine, du fehlst so unfassbar sehr und überall und ganz besonders … ich kann es nicht mal ansatzweise in Worte fassen.
Danke, dass du uns an deinem Weg hast teilnehmen lassen und sicher nicht nur mir gezeigt hast, wie man wirklich, voll und ganz und ernsthaft-heiter LEBT. Trotzdem einem das Schicksal ein paar fulminante Arschkarten ins Kartendeck geschummelt hat.
Danke für deine Herzlichkeit, dein Lachen, deinen Schabernack, deine Ideen und deine Unterstützung in jeder Hinsicht.
Danke, dass ich ein paar winzig kleine Momente deines Lebens mit dir teilen durfte und diese kostbaren Erinnerungssterne sind es, die meinen Trost füttern und mir sagen, dass da ein großer, tiefer Sinn dahinter stecken könnte. Der vielleicht aus heutiger Sicht nur unglaublich doof klingt, aber irgendwann einen sinnvollen Sinn ergeben mag. Oder auch nicht.
Jedenfalls liegt es an dir, dass ich nun noch lieber in den Himmel schaue und die Wolken einer kritischen Prüfung unterziehe – um nur ja keine von deinen zu verpassen.
Liebe, wunderbare Bine,
alles Gute am weiteren Weg und wenn es eine Möglichkeit gibt, uns wissen zu lassen, was wir deiner Meinung nach wissen sollen, dann lass es uns bitte wissen!
Bring die Regenbögen zum Kichern, du wunderbare, wortgewaltige, zauberhafte Zauberfrau und reservier mir bitte einen Platz in deiner Nähe, damit ich irgendwann, wenn es für mich soweit ist meinen Durchschlupf zu suchen, weiß, dass es da drüben eine gibt, die mich mit Kirschen und zwei Bassets erwartet, um mir den neuesten Wolkenschabernack zu zeigen und mit mir ein üppiges Dörtschn verschanbuliert.
Alles Liebe Bine-Sonnenschein,
ganz innig herzlich,
Michaela – MiA
About Sabine Dinkel
Sabine Dinkel ist … war Coachin und Autorin von 5 besonderen, sehr empfehlenswerten Büchern:
Ihr letztes Buch „Gute Tage trotz Krebs!“ ist dieser Tage im Humboldt-Verlag erschienen. Sie hat es in den letzten Monaten vor ihrem Durchschlupf zusammen mit ihrem wunderbaren Mann Alexej Lachmann geschrieben. Vier der fünf Bücher sind nach ihrer Diagnose Eierstockkrebs entstanden.
„Nebenbei“ ist sie auch eine der Patinnen meines Buches „Shitstorm im Darm“. Ohne ihre Unterstützung und Motivation würde es mein Buch nicht geben.
Bei ihrem ersten Schnieptröte-Buch „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“ durfte ich eine der ProbeleserInnen sein und habe ein paar kleine Wortspenden beitragen dürfen. Das Buch ist der beste, hilfreichste und heiterste Ratgeber zum Thema Krebs & Co. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die selbst oder am Rande von diesem FuckCancer betroffen sind.
Das Aufstellbuch „Strandgutpoesie“ ist nicht nur Buch, sondern auch Inspiration und Deko zugleich: Kichern zum Aufstellen und das Beste, was man aus rumliegenden Strandmüll machen kann.
Sabine Dinkel ist eine der wenigen Menschen, die man getrost als Lebens-Sonnenschein und Resilienz-Wegweiser für einen besseren Umgang mit besch**** Lebenssituationen bezeichnen darf. Ihr Vermächtnis sind, neben unzähligen Mutmach-Begegnungen und Dialogen, diese 5 besonderen Bücher, wo sie der Welt wertvolle Tipps, Tricks und Heiterkeiten für eben diese besch**** Lebenssituationen hinterlassen hat:
- Hochsensibel durch den Tag
Hier gehts zu meiner Buchrezension - Krebs ist, wenn man trotzdem lacht
Hier gehts zu meiner Buchrezension - Meine Arschbombe in die Untiefen des Lebens
- Strandgut-Poesie
Hier gehts zu meiner Buchrezension - Gute Tage trotz Krebs!
Alle Bücher sind auf ihrer Website zu finden und bitte auch über die dort beschriebenen Möglichkeiten zu kaufen. Damit kann man ihr Werk und ihren Mann und die beiden Hunde am besten unterstützen.
Sie starb am 20/21. Juli 2020 in einem Hamburger Hospiz, im Alter von 53 Jahren, im Beisein ihres Mannes und der beiden Bassets.