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In dieser Kategorie findest du die Mehrzahl der Beiträge im Blog: Worum es im Blog geht, Linktipps und Buchempfehlungen, generelle Infos rund um Morbus Crohn und andere CED, Ernährung und Diät, Videos, Frust und Freude, neue Mediks und Geschichten aus dem Leben mit einer CED – eine bunte Mischung aus allem!

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Migräne-Serie, 1/4: Die ungeliebte Superkraft

Neben dem lieben Herrn Crohn habe ich noch ein paar andere Sidekicks in meinem Leben, auf die ich herzlich gerne verzichten könnte. Eine davon ist der alte Schwede, eine weitere Madame Migraine – das unselige, verhasste Kopfgewitter. Für Betroffene eine teuflische Plage. Für Nicht-Betroffene ein Befindlichkeitsstörung, die man augenrollend oder seufzend akzeptiert, aber nicht wirklich nachvollziehen kann.

Mein migränischer Sidekick hat sich in den letzten Jahren zu einer echten Plage hoch gearbeitet, die mein Leben mittlerweile dermaßen blockiert und einschränkt, dass ich 50% meiner Zeit damit beschäftigt bin,  mich von den anderen 50%, die von brutalen Kopfschmerzattacken gekennzeichnet sind, zu erholen. Das macht keinen Spaß und damit ist auch das Geheimnis gelüftet, warum es im Blog zur Zeit so ruhig war. Mit Kopfdröhnen, Übelkeit und tagelangen Ganzkörperschmerzen wird das normale Überleben schon zu einer übermenschlichen Aufgabe.

Einmal mehr aber habe ich festgestellt, dass es mir hilft, wenn ich meinen Gedanken und Gefühlen schreibend oder zeichnend Luft machen kann. Zwischen den Anfällen sind dann immer wieder ein paar Textzeilen entstanden und auch die Zeichnungen waren irgendwann einfach da.

Da  Migräne zudem eine Erkrankung ist, die ich mit viel zu vielen anderen „teile“, dachte ich mir, dass es vielleicht hilfreich ist, wenn ich meine Erkenntnisse und Emotionen hier weitergebe. Frei im Sinne von: Auch wenns verdammt brutal weh tut und das Leben zu einer Herausforderung ohne Gleichen macht – du bist nicht allein damit, es gibt viele, denen es genauso geht. Das mag im Anfall vielleicht nicht helfen, aber kann zwischendurch mitunter Mut machen und Mut brauchen wir in Zeiten wie diesen ganz besonders.

Da meine Gedanken rund um Madame Migraine beim Schreiben immer mehr wurden, habe ich mich entschlossen den Beitrag in kleine Häppchen zu unterteilen. Es sind nun vier Teile geworden, denen noch ein fünfter in Form eines kleinen persönlichen Updates folgen wird. Die ersten vier Teile gehen geblockt online. Du kannst also direkt weiterlesen beim nächsten Teil.
Ein roter Faden zieht sich nicht durch und einmal mehr ist ein Text entstanden, der kein Konzept kannte. Es ist wie eine Erzählung, wo ich von einem Punkt zum anderen springe – wenn auch die Punkte einen gemeinsamen Nenner haben.

Beginnen möchte ich mit einer wichtigen Feststellung:

Migräne ist kein Lercherlschas.

Für alle, denen der österreichische Dialekt und seine Wortspielereien nicht so geläufig sind: Ein Lercherlschas ist übersetzt die Flatulenz – also der Darmwind – einer Lerche.
Ein Lerchenpups, sozusagen.

Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung ob Vögel unter Blähungen leiden bzw. flatulieren. Ich weiß nur, dass Vögel keine Kontrolle über ihren Schließmuskel haben. Auch Tauben nicht, was vermutlich einige, die unter besonders treffsicheren Absonderungen zu leiden haben, verwundern wird. Aber es ist für den Inhalt dieses Beitrags auch nicht von allzu großer Wichtigkeit, denn es geht um etwas ganz anderes.

Die Phrase „Das is ka Lercherlschas“ [Dieses/Jenes ist kein Lerchenpups] wird im Osten Österreichs primär dann verwendet, wenn man ausdrücken will, das etwas absolut nicht simple, angenehm oder leicht zu handeln ist. Sondern das krasse Gegenteil davon.

Die Lerche ist ein zartes Vögelein, das sich, wie schon Shakespeare wusste, frühmorgens in die Lüfte schwingt, um seine Trillertöne zu posaunen. Möglich, dass das liebe Vögelchen im Zuge seiner morgendlichen Gesangseinlage auch seine Darmwinde auf die Reise schickt, so ganz nebenbei. Was gut zu der Phrase passt, denn es dürfte nicht wirklich ins Gewicht fallen. Weder was die Treibhausemissionen betrifft, noch die Luftgüte oder die darmspezifische Anstrengung.

Also: Sofern die Lerche windet, ist das dermaßen unspektakulär, dass man es auch ignorieren kann und deshalb tut. Was in keinster Weise auf Migräne zutrifft, womit wir beim Thema wären.

Wenn man mit Nichtbetroffenen über das grausame Kopfgewitter  spricht, erntet man im besten Fall Bedauern oder aufmunternde Worte. Wirklich verstehen können es meiner Meinung nach nur jene, die selbst darunter leiden. Hat man als Außenstehende/r schon mal einen Migräneanfall miterlebt, hat man vielleicht eine Ahnung, was da abgeht und das es nichts ist, das man gerne auf sich nimmt.

Witze, bei denen es um Migräne geht, wurden von denen erfunden, die null Ahnung haben und meinten, dass es sich um billiges Pointenmaterial handelt. Ich hoffe, die Hölle hat einen besonderen Raum für diese Scherzkekse. Mögen sie im nächsten Leben mit chronischer Migräne geboren werden.

Doch im Folgenden soll es nicht darum gehen, was irgendwelche Flachpfeifen als Scherzgrundlage mißbrauchen, sondern was für 10% der Weltbevölkerung zum Alltag gehört: Migräne, das unselige Kopfgewitter, das mitunter über Tage quält und die Zeit davor und danach massiv beeinflusst.

Was haben Curie, Beethoven, Freud, Einstein und ich gemeinsam?

Uns verbindet eine gemeinsam Superkraft, auf die alle herzlich mit Sicherheit gern verzichten möchten: Migräne.

Ich würde sie ja eher miese Trutsche und Schlimmeres nennen. Aber frei nach dem Motto „Ich hab´ sie gern. Weil wenn ich sie nicht gern habe, hab´ ich sie auch“ bezeichne ich die migränische K…bratze seit kurzem als Superkraft (und warum genau, erfährst du in Teil 4 dieser Serie). Wobei ich am „gerne haben“ noch arbeite und nicht glaube, in diesem Leben damit fertig zu werden.

Madame Migraine kommt gern dann, wenn man sie rein gar nicht braucht. Speziell zu Zeiten, wo man sich auf Erholung gefreut hat. Und sie ist nicht immer weg, wenn sie weg ist. Dieser Tage saß ich mal wieder mit einem Migräne-Kater  am Tisch und würgte an einer Semmel, damit mein migräneverkatertes Gehirn wieder genug Energie hat, um sich von einem mehrtägigen Anfall zu erholen. Diesen Migräne-Kater nennt man medizinisch „Postdrom“ und es gibt auch eine vorauseilende Schwester namens Prodrom. Die spürt man meist weniger intensiv. Sie flüstert eher leise das sich eine neues SuperheldInnen-Abenteuer anbahnt. Theoretisch könnte man da versuchen gegenzusteuern. Sofern man erkennt, dass man a. ein Prodrom hat und b. weiß, was man aktiv tun kann, damit sich daraus kein neuer Science-Fiction-Superhero-Horror-Movie entwickelt, indem man ungewollt die Hauptrolle spielt.

Meine Semmel war übrigens glutenfrei. Per Zufall bin ich vor kurzem darauf gekommen, dass ich Gluten nicht (mehr) vertrage. Ich habe aber keine Zöliakie, sondern eine sog. „Nicht-Zöliakie-bedingte-Glutensensitivität“ (NCGS, Non-Celiac Gluten Sensitivity).

Bis vor einiger Zeit waren Dinkel und seine Urgetreidegeschwister noch ok. Dann hatte ich immer öfter massive Sodbrand-Attacken, die Migräneanfällen nahmen auch zu, der Magen und alles tat weh oder fühlte sich hmpf-ig an. Irgendwann, nach einer kurzen glutenfreien Zeit im Zuge eines Krankenhausaufenthalts, plumpste die Erkenntnis, dass es da einen Zusammenhang geben könnten:

„Gluten und ich – wir sind keine Freunde mehr?!!
Ich wurde carb-technisch defriended??!
Wann ist das denn passiert???“

Man kann das medizinisch kaum bis gar nicht feststellen. Ausser mittels Blindaustestung, wo man glutenfrei isst und Tabletten bekommt, wo entweder ein Placebo oder Gluten drin ist. Anhand der Symptome kann man dann sagen, ob Gluten der pöze Pursche ist oder eben nicht. Oder es ganz klassisch ausprobieren, mittels Trial and Error.
Das habe ich getan und das Ergebnis war klar wie nur was: Ohne Gluten kein Sodbrennen, weniger Magen-Darm Beschwerden, weniger andere Schmerzen und – HURRA – auch tendenziell weniger Kopfdröhnen.

Glücklich hat mich das nicht gemacht, denn es ist eine große Komplikation mehr in meinem ohnehin crohnisch eingeschränkten Nahrungsplan. Laktose, Eier, Knoblauch, Paprika, Salatgurken, usw. … und nun auch noch kein Gluten. Versuch mal damit auswärts essen zu gehen.
Es ist erzmühsam. Aber es ist es wert und darum halt ich daran fest.

Denn jeder potentielle Trigger, der ausgeschaltet wird, ist ein Tropfen weniger um Stress zu vermindern, der mein sensibles Migränehirn zum Durchdrehen bringt. Darum beiße ich die Zähne zusammen oder schlage sie in ein glutenfreies Brötchen.

Wer glaubt, dass ich mit dieser heroischen Tat den bad Boy in meinem Superheldendrama ausgeknockt habe, den muss ich leider enttäuschen. Es ist nur ein kleiner Teil von vielen die mir helfen mein hochsensibles Köpfchen fit und stabil zu halten. Doch selbst wenn ich alle Trigger, von denen ich weiß, dass sie mir nicht gut tun, aus meinem Leben entferne (sofern das möglich wäre), werde ich den Superheldenstatus nimmer los, solang ich lebe. Denn die Ursache für Migräne liegt woanders.

Woher kommt das Biest?

Höret zu und merket auf: Die Ursache von Migräne ist – MIGRÄNE.

Nicht das Essen, nicht die Verspannungen, nicht der Fluch aus einem früheren Leben, nicht das Wetter oder die Mondphasen über der Arktis. Wer eine neurologisch diagnostizierte Migräne hat, der hat die, weil dem Körperchen vom Schicksal ein Migränegehirn eingesetzt wurde. Man kommt damit auf die Welt und wie bei vielen Dingen sind auch hier die Gene beteiligt. Und damit nicht genug, ist auch noch jedes Migränegehirn anders. Manche sind extrem empfindlich, andere glühen nur bei bestimmten Anlässen.

So ein Migränegehirn ist an sich sehr toll – nur eben nicht für diese Welt oder dieses Leben gedacht. MigränikerInnen haben auf Grund ihres Wunderköpfchens eine sog. Reiz- bzw. Informationsverarbeitungsstörung.

Ich erkläre das gerne anhand dieses Beispiels:

Wenn man Besuch (=Reiz) bekommt, läutet der bei jedem Normalkopf erstmal am Gartentor an. Dann wird man ihn vielleicht abweisen oder einlassen und er geht weiter durch den Vorgarten. Dann gibt es einen neuerlichen Halt an der Haustür, wo eine weitere Entscheidung fällt: Weiter reinlassen oder verabschieden?. Bei einem ok steht der Besuch kurz darauf im Vorzimmer und dort wird wieder weiter entschieden ob er weiter kommen darf oder nicht.
Ist der Besuch nett, hilfreich, wichtig oder gut, darf er vielleicht ins Wohnzimmer und man beginnt einen gemütlichen Plausch. Irgendwann geht es an die Verabschiedung und der Besuch wird wieder hinausgeleitet. Im besten Fall bleibt eine angenehme Erinnerung, im schlimmsten Fall muss man gründlich lüften, ehe man das ganze ad acta legt und sanft vergisst.

Bei einem Migränekopf steht der Besuch unangemeldet, laut um sich brüllend sofort im Wohnzimmer (frühmorgens oder dann, wenn es gerade richtig ungünstig ist) und lässt sich nur mit intensiver Gewaltanstrengung vor die Tür geleiten. Während man diesen unangenehmen Besuch zur Tür hinaustritt, trampelt schon der nächste ungebetene Gast durch die Geranien. Mitunter geben sich mehrere gemeinsam ein Ständchen, gründen eine Boyband oder lassen eine Party steigen, bei der das Blech nur so wegfliegt. Geil, wenn man da Gast sein darf. Sch…ße, wenn man alle ungefragt beherbergen muss und vielleicht noch nicht mal gemütlich am Klo war.

Diese Reize bzw. deren Verursacher, die ich mit dem Synonym „Besuch“ belegt habe, machen das (meist und normalerweise) nicht absichtlich. Die Sonne steht nicht rein aus Bosheit genau da, wo sie mir voll in die Augen knallt. Der Zug rattert nicht mir zu Fleiß laut scheppernd durch den Bahnhof und der fettig-ranzige Mief aus der Frittenbude … ok, also der belastet auch andere massiv, oder? In Summe sind es normale Begegnungen und Erlebnisse, die zum Leben dazu gehören und die man kaum vermeiden kann. Es ist auch nicht immer so, dass man das als unerträgliche Qual oder Stress empfindet. Es gibt durchaus Zeiten, da stört das überhaupt nicht. Aber es kann schnell zu einem „zu viel“ werden, wo man die innere Tür nicht mehr zu bekommt und das Haus aus allen Fugen quillt.

Die zwei Seiten einer ungeliebten Superkraft

Der Vorteil eines Migränegehirns:
Man bekommt immens viel mit, vor allem Kleinigkeiten, was auch hilfreich sein kann. Man ist immer in der Aufmerksamkeit und permanent beschäftigt, die eintreffenden Reize in gut und böse zu sortieren, damit man die guten weiter beachten und die bösen meiden kann, auch die Merkfähigkeit ist enorm.

Der große Nachteil eines Migränegehirns:
Man bekommt auch die allerunnötigsten Kleinigkeiten mit, in einer unmöglich zu verarbeitenden Menge, was regelmäßig überfordert und dann wird eine Lawine daraus, auf der die Trigger Walzer tanzen. Man ist permanent im Empfangsmodus, was irre stresst und die Systeme im andauernden Flucht-Kampf-Modus hält. Das kostet viel physische und psychische Kraft. Irgendwann ist die zu Ende und das Gewitter geht los.

Das Leben leidgeprüfter Migräne-VeteranInnen schaut demnach so aus, dass man andauernd beschäftigt ist den geistigen Besuch in „Gut, darf bleiben“ und „Alter,geht´s noch? Substrahier dich aus meinen Ganglien!“ einzuteilen. Das ist anstrengend und klappt nicht immer. Außer man kann sich im Fall der beginnenden Überforderung in eine ruhige Umgebung zurückziehen oder entscheidet sich bewusst nur dann zum Kontakt mit „Außen“, wenn man sich stabil genug dafür fühlt. So ein Cocooning ist in unserer Welt aber leider kaum machbar. Womit man dauerhaft damit beschäftigt ist, seine Trigger zu finden, sie vorweg auszuschalten und den Raum rund um das besondere Köpfchen möglichst reizfrei zu halten.

Weiterlesen bei Teil 2: Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung

Alle Teile der Migräne Serie:

  1. Die ungeliebte Superkraft
  2. Trigger, Vielfalt, Mediks und die unesoterische Vorwarnung
  3. Gemeinsamkeiten zwischen CED & Migräne
  4. Alternativen, Buchtipps, Links & ein müdes Fazit
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Das Kur & Reha 1×1

Ich war diesen Sommer zum siebten oder achten Mal zur medizinischen Rehabilitation, umgangssprachlich: „Auf Reha“. Ich bin somit inoffizielle Reha-Veteranin. Diese beeindruckende Karriere verdanke ich zum überwiegenden Teil dem lieben Herrn Crohn. Ohne ihn hätte ich diese Form der gesundheitlichen Optimierungsunterstützung vermutlich niemals kennen gelernt.
Was in gewisser Weise auch ein bisschen schade wäre.
Andererseits: Ohne triftigen Grund gibt es keine Reha.

Heuer standen also wieder 3 Wochen Reha am Programm und diesmal ging es in die Steiermark, nach Bad Aussee. Was nicht meine ursprüngliche Wunschdestination war. Aber da, wo ich eigentlich hinwollte, hat sich der Behandlungsschwerpunkt geändert und Crohnies haben dort keine Heimat mehr. Leider.
Aber auch hier: Jedes Ding hat zwei Seiten. Ich bin froh, dass meine Reha überhaupt bewilligt wurde und ich bin froh, dass ich gefahren bin, denn schlussendlich war es ein Erfolg und hat gut getan.

Gesunde Menschen, die noch niemals eine Reha oder Kur gebraucht haben (oder in Anspruch genommen haben, was nicht immer das Gleiche ist), haben meist eine völlig falsche Vorstellung von einer Reha oder Kur. Das habe ich auch diesmal wieder gemerkt. Und zwar an Reaktion a la „Oh, wie toll — drei Wochen Urlaub auf Kasse in Aussee! Echt geil, beneide dich!
Oder so ähnlich.

Also möchte ich hier mal das 1×1 der medizinischen Kur und Rehabilitation im Detail und aus PatientInnensicht durchgehen. Für alle, die wenig bis keine Idee davon haben, egal ob Reha-bedürftig oder nicht, und um ein paar Urban Legends aus dem Weg zu räumen.

Vorweg:
Die folgende Info ist speziell für Menschen in Österreich, die bei der „normalen“ Krankenkasse (ÖGKK) versichert sind. Wer selbständig ist, ist bei einer anderen Krankenkasse versichert und da kann sich das im Detail wieder ein wenig anders abspielen als hier geschildert. Wie es außerhalb Österreichs aussieht kann ich überhaupt nicht sagen.

Reha = Kur = Erholungsaufenthalt = Urlaub?

Das glauben viele, aber das sind insgesamt drei Paar Schuhe, die mit dem vierten Paar (Urlaub) rein gar nichts zu tun haben.

Halten wir also mal das Wichtigste fest:

  • Eine Reha ist keine Kur.
  • Eine Kur ist kein Erholungsaufenthalt.
  • Und alles zusammen ist kein Urlaub.

Urlaub versus Kur/Reha/Erholungsaufenthalt: Der große Unterschied

  • Ein Urlaub ist etwas, das man sich selbst zahlt und selbst organisiert.
  • Wenn man diesen Urlaub in einer privaten Kuranstalt verbringt, ist das noch immer ein Urlaub.
  • Wenn man sich während dieses Aufenthalts Therapien verordnen lässt, die man vielleicht ganz oder teilweise von einer Krankenkasse oder Versicherung bezahlt bekommt, ist das dennoch ein Urlaub.
  • Selbst wenn man eine Friss-Die-Hälfte-Kur macht, mehrmals täglich Massage, Therapien und dergleichen erhält, dauerhaft Reduktionskost mampft oder sich von eingeweichten Semmeln ernährt und mit Glaubersalz gequält wird: Es. ist. ein. Urlaub.

Man nimmt sich für einen Urlaub extra frei (sofern man im Arbeitsprozess ist) und geht dafür nicht in den Krankenstand. Man muss keinen Antrag stellen, den man von MedizinerInnen und einer Behörde bewilligen lassen muss.

Ein Urlaub kann zudem unterschiedlich lang sein: Ein Tag, ein Jahr und alles dazwischen oder länger. Der eigene Wunsch und das zur Verfügung stehende Budget (=Zeit und Geld) sind die einzigen Parameter, die das regeln.

Ein Urlaub ist ein Urlaub ist ein Urlaub und bestenfalls so etwas ähnliches wie Ferien.
Aber ein Urlaub ist keine Kur, kein medizinischer Erholungsaufenthalt und noch nicht mal ansatzweise eine Reha.

Reha, Kur und Erholung „auf Kasse“: Das Angebot und die Leistungsgeber

Man unterscheidet bei uns in diesem Setting zwischen Erholungsaufenthalt, Kur und Reha und sie gelten grundsätzlich als sog. freiwillige Leistung der Sozialversicherungen. Auf deutsch: Es gibt keinen rechtlichen Anspruch darauf. Man hat also kein „Recht“ mal eben auf Kur, Erholung oder Reha geschickt zu werden und kann das auch nirgends einfordern.

Wer nun argumentiert, dass noch nie im Leben was gebraucht zu haben und nun Bedarf da wäre, der hat auch keine höheren Chancen etwas zu bekommen. Erfahrungsgemäß sogar geringere. Denn wenn man nie gesundheitlich „auffällig“ geworden ist, dann geht man inoffiziell (auf Seiten der Leistungsträger) eher davon aus, dass das Gesundheitspotential gut und vorhanden ist und normale Therapien im niedergelassenen Bereich ausreichen, um den Zustand zu optimieren. Das ist eine Erfahrung, die vor allem Selbständige irgendwann machen könnten. Denn da beißt man sich notgedrungen oft lange mit gesundheitlichen Problemen durch, wo andere bereits schon lange in Therapien sind.

Einmal mehr daher die Empfehlung, sich nicht unnötig zu quälen und besser früher als später der Gesundheit den Vorrang zu geben. Denn auch von Seiten der gewerblichen Sozialversicherung gibt es fürs Durchbeißen keine Fleißsternchen und Denkmäler werden eher nur für Verstorbene errichtet. (Abgesehen davon haben Denkmäler ein Taubenproblem und darauf kann man, ehrlich gesagt, auch verzichten.)

Wenn man berufstätig ist oder in Pension ist die Pensionsversicherungsanstalt meist diejenige, die einen Kur- oder Reha-Aufenthalt genehmigt und bezahlt. Für alles anderen ist die ÖGKK zuständig, sofern man dort versichert ist. Ausnahmen gibt es bei sog. Psycho-Kuren/Rehas, die meist auch direkt von der ÖGKK geleistet werden.

Wer auf Erholung, Kur oder Reha geschickt wird, muss meist auch etwas dazu zahlen. Es ist also nix mit „alles gratis und umsonst“. Dieser Kostenbeitrag muss spätestens zum Antritt eingezahlt sein. Die Höhe ist vom Einkommen abhängig und wer besonders wenig hat, für den/die gibt es Sonderkonditionen.

Der erste Schritt: Antrag stellen

Zuerst braucht es einen triftigen Grund für eine Kur oder Reha. Den Antrag muss eine Ärztin oder ein Arzt bestätigen und die schreiben auch die Diagnose(n) in den Antrag. Das kann man beim Hausarzt bzw. einem anderen niedergelassenen Arzt machen oder idealerweise im Zuge eines Aufenthaltes im Krankenhaus. Da wird einem das mitunter auch vorgeschlagen. Aber eher sehr, sehr selten, aus meiner Erfahrung heraus.
Der Grund: So ein Antrag ist ein wenig mühsam und der normale Schriftverkehr im Krankenhausalltag ist schon sehr intensiv. Da bleibt wenig Zeit für das mehrseitige Formular und die intensive Auseinandersetzung mit dem, was da an Infos eingefordert wird. Zudem ändern sich die Bedingungen und Locations immer wieder und diese Infos werden meines Wissens nicht an die MedizinerInnen weiter gegeben. Man muss also von sich aus aktiv dran sein und sich vorinformieren, damit man beim Ausstellen wirklich weiß, was Sinn macht und möglich ist.

Laut offiziell unbestätigten Gerüchten hat ein Antrag aus dem Krankenhaus bessere Chancen bewilligt zu werden. Besonders flott geht es, wenn man im Anschluss an eine OP oder einem entsprechend intensiven Aufenthalt direkt im Krankenhaus eine Reha beantragt. Das läuft unter sog. Anschlussheilverfahren, mit einem eigenen Formular, und hat bei der Bewilligung Priorität. Das Wissen um diesen Ablauf ist leider in kaum einem Krankenhaus vorhanden und wer nicht selbst nach einem solchen Antrag fragt, wird somit eher keine Option angeboten bekommen.

Ich habe auch erlebt, dass man meinen MitpatientInnen im Krankenhaus erklärt hat, dass man in diesem Krankenhaus generell keine Reha/Kur-Anträge macht, weil dafür ja die Hausärztinnen zuständig sind und sie das auch gar nicht machen können. Interessanterweise war das nur einen Tag nachdem mein Antrag von eben diesem Krankenhaus, in dieser Abteilung ausgefüllt und an die zuständige Behörde geschickt wurde. Das „nicht Können“ war also eher ein „nicht Wollen“ und es hängt einmal mehr davon ab, wen man anspricht, wer motiviert ist, sich auskennt und die Mehrarbeit im Sinne der PatientInnen auf sich nimmt.

EXTRATIPP!

Immer alle aktuell bekannten Diagnosen in den Antrag hinein schreiben (lassen). Auch dann, wenn der eigentliche Grund für die Reha z.B. Morbus Crohn ist.
Wenn du Beschwerden am Bewegungsapparat hast, dann lass das mit hineinschreiben. Oder was auch immer du sonst noch für Probleme hast.
Die Verordnung der Therapien vor Ort erfolgt in „Paketen“, die auf der Diagnose im Antrag aufbauen. Diese Pakete sind verrechnungstechnisch nicht sehr flexibel. Auch die ärztliche Untersuchung vor Ort kann die Antragsdiagnose nicht „nachbessern“ oder ausweiten. Das heißt man behandelt dann „nur“ den Crohn und die anderen Probleme kaum bzw. nur am Rande. Stehen aber alle gesundheitliche Diagnosen und Probleme von Anfang an im Antrag, kann man vor Ort gezielt darauf eingehen und die Therapien entsprechend anpassen.

Ist der Antrag abgeschickt, heißt es warten. Das kann auch mal ein paar Wochen sein und das ist gut, denn Absagen kommen eher schnell. Manchmal muss man Befunde nachreichen oder direkt zu einer Begutachtung in der PVA/ÖGKK bzw. bei einem Vertragsarzt anreisen, damit man feststellt, ob die Kur, Reha oder Erholung wirklich Sinn macht bzw. etwas geändert werden muss.

Wenn der Antrag positiv beurteilt wird, bekommt man ein Info, dass sich die Kuranstalt oder SKA (=Sonderkrankenanstalt) mit einem in Verbindung setzen wird. Die Kuranstalt, SKA oder das Kurhotel melden sich einige Zeit vor dem Termin und man erhält eine Einladung mit weiteren Infos. Also nicht wundern, wenn man zwar von der PVA/ÖGKK eine Info bekommt, aber dann wochenlang nichts weiter hört.

Man kann dann auch direkt in der Kureinrichtung anrufen und höflich nachfragen, wann der Termin in etwa sein wird. Das erleichtert die eigene Planung ungemein und ist eine herzliche Empfehlung von mir.
Da ist es dann unter Umständen auch möglich Termine hinaus zu schieben, wenn der ursprünglich zugeteilte Termin nicht passt. Oder man lässt sich auf eine Warteliste setzen, falls wer ausfällt und kurzfristig ein Platz früher frei wird. Da kann es dann sein, dass man drei Tage vor Antritt eine Info bekommt, dass spontan ein Platz frei geworden ist.

Kur oder Erholung …?

Der Unterschied ist ein wenig fließend und nicht leicht zu verstehen. Für den Erholungsaufenthalt ist aber meist die Krankenversicherung zuständig, Kur und Reha werden via Pensionsversicherungsanstalt (PVA) abgewickelt.

Ansonsten ist ein Erholungsaufenthalt eine Art minimalistischere Kur und der Unterschied zur „vollen“ Kur besteht hauptsächlich darin, dass man im Detail weniger Therapien hat, weil man sich ja primär erholen soll. Auch fährt man bei einem Erholungsaufenthalt eher in ein Kurheim oder Hotel, das mit der PVA/ÖGKK einen Vertrag für diese Leistungen abgeschlossen hat.

Was man vor Ort an Therapien bekommt ist davon abhängig, welche Diagnosen Arzt oder Ärztin in den Antrag geschrieben haben und welche Maßnahme angekreuzt wurden.

Nachträglich von Erholung auf Kur bzw. auf Reha oder umgekehrt zu ändern geht meines Wissens nicht.

… oder Reha?

Eine Reha ist die oberste Stufe der medizinischen Maßnahmen und intensiver als eine Kur. Das bedeutet das man mitunter viel mehr und andere Therapien hat und auch engmaschiger medizinisch betreut wird.
Bei einer Reha geht es meist in eine sog. Sonderkrankenanstalt (SKA). Das ist dann so ähnlich wie ein richtiges Krankenhaus, aber mit deutlich mehr Komfort und natürlich entsprechendem Freigang. Je nachdem welche Diagnose(n) man hat bzw. wohin man geschickt wird, ist die SKA „krankenhausähnlicher“ oder mehr ein Kurheim.

Ambulante Reha, Teil-Reha, Reha-Sonderformen

Eine ambulante Reha kannst du von zu Hause aus machen. Die Therapien werden in eigenen Instituten angeboten, wo du mehrmals die Woche hingehst. Aber du wohnst weiter zu Hause. Die Dauer dieser ambulanten Reha ist damit auch viel länger und du hast meist nicht jeden Tag Therapien.
Diese Version geht auch berufsbegleitend, wenn auch nicht mit jeder Diagnose. Mit der Diagnose Morbus Crohn ist eine ambulante Reha zum Beispiel nicht möglich und wenn du schon in Pension bist, kannst du auch keine in Anspruch nehmen.

Wohin und wie lange?

Reha, Kur oder ein Erholungsaufenthalt dauern mindestens drei Wochen und nein, man kann nicht handeln. Drei Wochen sind das Minimum, es gibt auch welche die sind von Haus aus länger (abhängig von der Diagnose) und der Aufenthalt kann vor Ort auch verlängert werden, wenn man von medizinischer Seite der Meinung ist, dass das hilfreich wäre. Ich habe aber noch niemand kennengelernt oder von wem gehört, der gegen seinen Willen verlängert wurde.

Dennoch: 3 Wochen sind das Mindeste.

Die Kur kann in einem sog. Kurheim, einer Sonderkrankenanstalt oder einem Hotel, das eine vertragliche Vereinbarung mit dem jeweiligen Kostenträger hat, konsumiert werden. Bei einer Reha geht es, wie geschrieben, meist immer in eine Sonderkrankenanstalt.

Man kann beim Ausfüllen des Antrags auch eine Wunschdestination angeben und das ist sehr empfehlenswert. Allerdings vorher unbedingt recherchieren, welche Optionen überhaupt zur Verfügung stehen. Sprich: Wo kann man mit welcher Diagnose hin?

Sich ein schönes Hotel in einer angesagten Location aussuchen und der Kasse/PVA das als Kur oder Reha zu verkaufen klappt nicht. Eine Kur ist (ich wiederhole mich) kein Erholungsaufenthalt und keines von beiden ist ein Urlaub. Man kann sich also nicht auf PVA-Kosten drei Wochen in seiner Wunschtherme den Rücken kraulen lassen.

Recherchiere unbedingt vorab auf der Website der PVA oder ÖGKK welche Destination für welche Diagnosen möglich sind. Da kann man sich oft auch einen Einblick in die Locations verschaffen und wie bzw. wo man untergebracht wird.

Ich war bis jetzt immer in einem Einzelzimmer, ohne Mehrkosten, weil „meine“ Locations das standardgemäß so handhaben. Aber es gibt auch Kuranstalten & Institute, wo man 2-Bettzimmer hat. Manchmal kann man dann für ein Einbettzimmer aufzahlen, manchmal geht das nicht. Auch deswegen ist es empfehlenswert, sich vorweg zu erkundigen, wo es hingehen soll.

Bekommt man dann eine andere Destination bewilligt, kann man fallweise auch noch mal wechseln – wenn es eine andere Option mit der gestellten Antragsdiagnose gibt. Bei Morbus Crohn hast du in Österreich nur noch eine Reha-Option: Die SKA in Bad Aussee. Früher gab es drei Möglichkeiten. Aber die Schwerpunkte der beiden anderen SKA haben sich geändert und die SKA in Bad Aussee gilt nun als Schwerpunktzentrum für Reha mit CED.

Urlaub in keinster Weise, weil: Krankenstand

Der wichtigste Unterschied zum Urlaub: Während einer Kur bzw. eines Erholungsaufenthaltes ist man arbeitsrechtlich im Krankenstand und hat sich entsprechend zu verhalten. Das bedeutet, dass „Party all night long“ in diesem Setting absolut kein Thema ist. Alkohol ist im Kurheim oder einer SKA generell tabu und mit den KollegInnen eine mehr oder weniger intime Pyjama-Party zu feiern, kommt auch nicht gut an. Schlimmstenfalls wird das sogar richtig, richtig teuer. Man riskiert einen Rausschmiss und muss die Kosten für den Aufenthalt aus eigener Tasche nachzahlen.

Deswegen ist man angehalten während des Aufenthaltes seine Therapien zu konsumieren und ansonsten durch „aktives Interesse“ dazu beizutragen, dass der Aufenthalt dem Kurziel entspricht – was soviel heißt wie: Fitter nach Hause kommen, als man angereist ist und dazwischen keinen Scheiß drehen.

  • Spaziergehen, wandern, walken, moderate Freizeitaktivitäten im Rahmen dessen, was einem gut gut, zur Sicherheit in Absprache mit dem behandelden Arzt/Ärztin – alles ok.
  • Baden, schwimmen, im Cafehaus ein gemütliches Kaffeetschi oder Teechen und Pläuschchen halten –  sofern man sich an die Covid-Regeln und Vorgaben des Instituts hält: no Problem.
  • Am Wochenende Besuch von Familie oder Freunden bekommen, mit denen spazieren gehen, in ein Gasthaus einkehren usw. – sofern auch hier mit der ärztlichen Betreuung vor Ort abgesprochen und die Möglichkeit besteht, dass man sich vom Essen am Wochenende befreien lassen kann: alles gut.

So lange man zu den Zeiten, wo man im Haus sein soll, im Haus ist, pünktlich zu den Therapien und zum Essen erscheint, und sich ansonsten gesittet benimmt, ist alles fein und kein Problem.

Generell lautet die Direktive, dass man sich primär in und rund um das Haus aufhält und Autofahrten vermeiden soll. In Covid-Zeiten wurden und sind die Regeln nochmal deutlich anderes und man tut gut daran, sich entsprechend daran zu halten.

Was absolut nicht gut ankommt und möglicherweise einen sofortigen Verweis zur Folge hat:

  • Extremsport betreiben und dabei gesundheitliche Probleme riskieren – sehr bedenklich. Wobei die Definition, was genau Extremsport ist, sehr niedrig und grundsätzlich eher schwammig angesetzt ist. So lange nix passiert, wird vermutlich nix passieren. Blöd aber, wenn man einen Unfall hat und der muss gar nicht besonders groß sein.
  • Voll besoffen auf die Stufen des Kurheims zu reihern, besonders nach „Sperrstunde“ der Anstalt, wenn man schon längst gemütlich Gesundheitsschlaf halten sollte.
  • Die ärztlich verordnete Schon- oder Reduktionskost mittels daily Schweinebraten-Speckjause-Cremeschnitten-Exzess ad absurdum zu führen (die Waage verrät einen, die Blutwerte helfen ihr)
  • Die Nacht nicht im eigenen Zimmer zu verbringen, sondern die Betten der KollegInnen testen …
  • Im Kurheim mit Rollator oder Krücken herum humpeln und Freitag Abend in der Dorfdisco Boogie bis zum Abwinken tanzen – natürlich ohne Rolli, ohne Krücken, ohne Gehhilfe. Das dann als spontane Wunderheilung zu verkaufen wird sehr schwierig bis unmöglich.

Im Gegensatz zum Selbst bezahlten Urlaub kann man bei einer Reha, Kur oder einem Erholungsaufenthalt somit bei entsprechendem Verhalten, oder wenn man (wiederholt) gegen die Auflagen verstößt, nach Hause geschickt werden. Meist kommt dann noch ein recht hohe Rechnung dazu, denn wenn man sich so verhält, muss man die Kurkosten übernehme und ich sag mal so: Da ginge sich mehr als ein Urlaub aus.

Fallweise wird man dann auch für weitere Aufenthalte gesperrt.

Das Ziel: es soll gut tun und dir helfen

Für Neulinge klingt das nach einem sehr strikten Reglement und die Einladungsschreiben der Kur/Reha-Anstalten haben auch einen dementsprechenden Ton intus. Da könnte man grundsätzlich auch mal ein Update machen. Der Ton klingt sehr nach einer Einberufung in eine Vollzugsanstalt. In echt und vor Ort ist es deutlich und ehrlich netter. Man wird als Mensch und nicht als Nummer behandelt und das Personal vor Ort war, zumindest in meinem Fall, immer sehr hilfsbereit und zuvor kommend.
Doch wie man in den Wald hineinruf, so schallt es zurück: Wer sich schon im Vorhinein präpotent gebärdet und dann in jeder Suppe ein Haar finden will, dem wird entsprechend konter gegeben. Die Drohung mit schlechter Kritik auf den Buchungsplattformen oder Social Media zieht hier absolut nicht.

Bedenke immer: Es ist eine freiwillige Leistung der Sozialversicherungsträger und dazu da, dass es dir durch die dort angebotenen Maßnahmen besser geht, damit du den Alltag, dein Leben und deine Arbeit wieder besser bewältigen kannst. Die Leute vor Ort unterstützen dich dabei. Sie machen ihren Job im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten und sind daran interessiert, dass es dir gut geht.

Bedenke auch: Das Budget, dass für diese Maßnahmen zur Verfügung steht, ist nicht sehr hoch und das Meiste geht für Therapien und die medizinische Betreuung auf. Der Posten, der fürs Essen bleibt, ist in der Regel der kleinste. Ich bewundere jedesmal, dass die Küche vor Ort mit diesem Budget auskommt und dennoch meist eine sehr gute Qualität und hohe Vielfalt anbietet. In den Kurhotels mag die Budgetverteilung anders sein. In den SKAs würde man mit dem, was hier an Geld pro Person und Monat für Lebensmittel zur Verfügung steht, im privaten Haushalt niemals auskommen.

Damit ist auch klar, dass Sonderwünsche mühsam zu erfüllen sind. Dennoch versucht man das Beste daraus zu machen. Wenn du mit irgendwas oder irgendjemand ein Problem hast, hat es sich aus meiner Sicht heraus sehr bewährt, dass höflich und direkt vor Ort anzusprechen. Es bringt nichts, wenn du leidest, weil das Bett zu hart, das Essen nicht deins oder die Therapien mehr weh, als gut tun. Selbst wenn du merkst, dass es dir hier gar nicht gut geht und du weg willst: Sprich es an, bei deiner medizinischen Betreuung, in der Verwaltung, beim Pflegepersonal oder der Ernährungsberatung. Man findet immer eine Lösung und auch der vorzeitige Abbruch der Maßnahme ist in bestimmten Fällen ohne finanzielle oder bürokratische Folgen möglich. Ich bin selbst schon mal schwer krank geworden (akuter Crohn-Schub), musste ins Spital und der Erholungsaufenthalt musste abgebrochen werden. Ein paar Monate später hatte ich die nächste Chance und da hat es dann gut getan und geholfen.

Generell sagt man, dass man zweimal in fünf Jahren so eine Maßnahme in Anspruch nehmen kann bzw. den Antrag stellen kann. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Die Info, dass man mit der Diagnose CED jährlich auf Reha fahren kann, habe ich schon sehr oft gehört. Selbst aber auch schon anders erfahren. Zugleich bin ich mal drei Jahre hintereinander auf CED-Reha geschickt worden – weil der Crohn sehr aktiv war, ich komplett ko und auch OPs in diesem Zeitraum hatte, die eine Nachbetreuung brauchten.

Bis auf einmal bin ich immer fitter, motivierter und erholter retour gekommen, als ich hingefahren bin. Auch hat der Erfolg dann immer gut gehalten – bis eben die nächsten Katastrophe in meinen Lebenskalender eingetragen wurde. Meist hat es mir rundum gut gefallen und was nicht gepasst hat – siehe oben – habe ich direkt vor Ort klären können.

Fazit

MiABadAussee 2021 - Das Kur & Reha  1x1

Reha, Kur und Erholungsaufenthalt sind sehr gute Möglichkeiten, sich voll und ganz auf sich selbst, die eigene Gesundheit und die Erholung von den Widrigkeiten des Lebens zu konzentrieren. Das sollte man genau in diesem Sinne auch nutzen. Die liegengebliebene Korrespondenz oder diverse Akten zum Aufarbeiten mit zunehmen, bringt nichts. Glaubs mir, ich habs probiert. Das ist sinnlos und konterproduktiv.

Nimm dieses Angebot bewusst nicht als Urlaub an, sondern als Chance etwas in deinem Leben mit Hilfe von anderen zu verbessern. Das kostet naturgemäß Kraft und Zeit und ja, das ist mitunter auch sehr anstrengend, aufwühlend und geht möglicherweise tief. Aber du hast vor Ort Unterstützung dafür und drei Wochen sind eine tolle Möglichkeit, etwas zu bewirken, mit dem man dann auch zu Hause weiter machen kann.

Wenn du zu denen gehörst, die Kur-Reha-Erholung bisher als „Urlaub auf Kosten der Allgemeinheit“ gesehen haben, dann hoffe ich sehr, dass ich ein paar Dinge klarstellen konnte. Mag sein, dass manche Menschen hier eine Chance sehen, „das System“ auszunutzen und das innere A—loch von der Leine zu lassen. Diese Typen gibt es überall und für sie sind auch diese Regeln und der „Kasernenton“ in den amtlichen Schreiben.
Die Mehrheit der Reha-Kur-PatientInnen ist daran interessiert, die eigene Gesundheit zu verbessern und den Aufenthalt für eine rundum gute und anhaltende Gesundheitsoptimierung zu nutzen. Damit wird eine Reha, eine Kur oder ein Erholungsaufenthalt zu einer wichtigen „Arbeit“, die man ernst nimmt und von der man sich etwas erhofft, dass man im besten Fall, mit der Unterstützung vor Ort, auch erreichen kann.

Ich wünsch dir jedenfalls alles Gute, wenn du diese Möglichkeit der gesundheitlichen Vorsorge und Unterstützung für dich erstmals oder wiederholt nutzen möchtest!

Hast du andere Erfahrungen oder Ergänzungen zu meinen Infos? Dann schreib es in die Kommentare, damit auch andere davon erfahren.

Links und weitere Infos

Allgemein, Cartoons

Crohnisches Altern

Ich mache täglich mein Bett. Klopfe Matraze, Decken und Pölster aus, lege alles hübsch zusammen, Tagesdecke drüber. Fertig.
Das gibt mir das spießige Gefühl, zumindest einen Teil des Tages geschafft, etwas mit Sinn gemacht zu haben und man sieht auch gleich, dass sich was getan hat. Schaffe ich an diesem Tag nicht mehr als mein Bett, ist mir das zumindest am Abend ein schöner Anblick und eine leichte Beruhigung. Meist mache ich das Bett am frühen Vormittag. Später meist nur dann, wenn der Tag nicht so gut begonnen hat und die Steigerung eher in die Tiefe, als nach oben geht.

Außerdem sortiere ich die Bestecklade nach Größe und Form und habe mir dafür den Spitznamen Gabel-Monk eingehandelt. Egal, wenn ich in die Lade schaue, was mehrmals täglich passiert, habe ich das Gefühl, dass die Ordnung auf mich überschwappt und das beruhigt mich irgendwie. Auf diesen paar Quadratzentimetern ist das Leben geregelt, alles hat seinen Platz, alles ist im Rahmen. Ein zarter Anker in einer chaotischen Welt.

Das Bett und die Bestecklade halten den Tag für mich zusammen und sorgen dafür, dass ich mich nicht verliere. Was an den Tagen, wo ich das Bett spät oder gar nicht mache und die Lade ungeordnet ist, leicht passiert. Was weder am Bett oder an der Lade liegt, sondern am Tag und an mir.

Zwei Spleens, die mir Halt geben in einer Welt, in der ich mich immer weiter von vielem entferne. Corona, die Lockdowns und das neue Weltbild haben viel verändert und manches verschärft. Zum Beispiel mein Gefühl immer weiter wegzudriften vom Alltag meiner Mitmenschen, vom Teilnehmen am menschlichen Dasein rund um mich. Wobei Corona da eigentlich nicht viel dazu getan hat, was nicht schon vorher diesen Weg eingeschlagen hat. Aber es liefert zumindest eine gute Ausrede.

Ich werde Ende des Jahres  54 und bin seit 5 Jahren in Berufsunfähigkeitspension. Arbeitsunfähig war ich vorher schon. Der liebe Herr Crohn wurde damals zum Fulltime-Job und sorgte für mehr Überstunden, als ich jemals abbauen kann.

„Sei doch froh! Du kannst dir den Tag einteilen, kannst es dir gut gehen lassen, hast keinen Stress mehr und sowas wie Dauerurlaub, ha ha!“
Ja. Genau. So ist es (nicht).

Ich bin dankbar, weil es diese Möglichkeit in Österreich gibt. Aber froh bin ich nicht. Denn der Grund für das nicht Arbeiten können ist der gleiche, der meinen Alltag mühsam macht. Und es ist nicht immer nur der liebe Herr Crohn, der etwas dazu beiträgt.

Vor 7-8 Jahren hat mein altes Leben zu bröckeln begonnen. Es wurde dürr, leerer und  vor 5-6 Jahren ist es ganz verschwunden. Mir war dabei nicht langweilig, ich habe mehrmals um meine Überleben gekämpft. Dabei blieb mein Berufsleben auf der Strecke. Ich wusste bis dahin nicht, dass man sein Leben verlieren kann ohne zu sterben. Und dass es eine Trauer über diesen seltsamen Verlust gibt, die man als einzige Hinterbliebene spürt und die einem von da an begleitet.

Ich bin dankbar, dass ich in Berufsunfähigkeitspension gehen konnte, weil es mir ein physisches Überleben ermöglicht hat und nach wie vor tut. Aber auch nach 5 Jahren ist da noch immer diese seltsame (egoistische?) Trauer. Sie veränderte sich zwar, weil andere Trauer dazu gekommen ist – „echte“ Trauer, die mit dem Verlust von innig geliebten Menschen zu tun hat, die mir lieb, wert und sehr nahe waren. Meine Lebens-Ego-Trauer hat sich davon in den Hintergrund schieben lassen und manchmal wirkt es so, als wäre sie nicht da. Aber sie schickt mir immer wieder Grüße und Erinnerungen. Einsamkeit ist eine davon.

Ich hatte ein intensives Berufsleben, dass mir – ich gestehe es heute offen- auch immer wieder zu viel wurde. Ich hatte unzählige Bekannte und viele FreundInnen, war gut vernetzt, aktiv und immer am Tun. Von diesem Dasein ist mir so gut wie nichts und – hard to write, harder to say – kaum jemand geblieben. Das kränkte zuerst, tat dann auf perverse Art „gut weh“ und dann rang sich das Verständnis durch, um den Boden für einen Abschluss dieser Lebensphase vorzubereiten. Es war und ist niemandes schuld, es ist eben Leben. Müßig darüber zu grübeln, müßig „was wäre wenn“ zu spielen oder sich die Gram zu Herzen zu nehmen. Es bringt nichts.

Klar gehören immer mindestens zwei dazu, wenn sich die Lebensumstände bei einer Seite ändern und man sich aus den Augen verliert. Es lag auch an mir, dass ich es nicht mehr geschafft habe, die Fäden zu halten. Ich war zu Beginn die meiste Zeit zu KO für alles. Der liebe Herr Crohn kann sehr imperativ sein, wenn es um die Einteilung von Zeit und Kraft geht. Als er sich dann beruhigt hatte, war der Abstand zu groß geworden und meine Angst vor bodenlosen Abgründen (Bathophobie) hat sicher auch etwas dazu beigetragen, dass mir der Mut fehlte, diesen Abstand zu überwinden.

Life is what happens while you are busy making other plans – nicht wahr?
A Crohns life happens und das mit dem „busy making“ bezieht sich meist auf was ganz anderes, als Gedanken über das Machen von Plänen.

Irgendwann wird leises Bedauern aus dem Hadern mit dem, was man nicht ändern kann, und das ist ein Zustand, der sich auf viele Bereiche des Lebens ausdehnen lässt. Leises Bedauern bedeutet, dass man nicht so viel Energie in Tränen investieren muss, denn die wären ja laut und das ist mehr als Bedauern. Leises Bedauern bedeutet auch, dass der Schmerz nur am Rande wahrnehmbar wird, wie eine sanfte Delle. Leises Bedauern bedeutet zudem, dass man sich rascher daran gewöhnt und mit jeder neuen Delle stellt sich einem eine alte Bekannte an die Seite – man kennt sich und weiß, dass man sich immer wieder begegnen wird. Leises Bedauern ist erträglich und darauf kommt es an, wenn vieles im Leben hart an der Grenze zum Unerträglichen laviert.

„Aber du dürftest dir ja was dazu verdienen, oder? Kleines bisschen, aber immerhin. Und du könntest dir Ehrenarbeit suchen, oder so…“
Yep, könnte ich beides.

Nur: Ich bin tatsächlich NICHT arbeitsfähig und weiß am Vortag nicht, was mir der Morgen zum Tagesbeginn an Kraft serviert und inwieweit sich die im Lauf des Tages verringert oder erhöht. Es ist immer spannend und unberechenbar, wie einem die Geschichte mit den Löffeln lehrt (findest du in meinem Buch auf deutsch oder hier auf englisch).

Ich bin froh, wenn ich meinen Haushalt (mit Hilfe) schaffe, mit dem Hundegirl täglich eine Runde drehen kann und das Bett täglich mache. Wenn sich mehr als das ergibt (Bestecklade & Co.), ist es ein üppiger, kraftvoller Tag und das bedeutet noch immer nicht, dass ich an diesem Tag das tun könnte, was man gemeinhin als „Arbeit“ bezeichnet. Geschweige denn, dass es ausreicht, um dafür Geld zu bekommen. Es geht einfach nicht und auch wenn ich mich wiederhole: Ich bin dankbar, dass ich nicht arbeiten muss und diesen Schutz habe. Aber es macht nicht glücklich und das wollte ich auch mal sagen … schreiben.

Ich bin zu jung

Alle anderen in meiner Generation sind intensiv im Arbeitsalltag eingebettet. Auch wenn sie nicht immer glücklich damit sind, mehr oder weniger darüber meckern und einige sich verändern wollen. Sie haben ihren Arbeitsalltag und das wird noch lange so bleiben.
Die Menschen rund um meinereiner, die in Pension sind, sind unisono in Alterspension.
Ich bin dazwischen, zu jung um zu den rüstigen PensionistInnen zu gehören (die zum Großteil viel, viel fitter und rüstiger als ich sind), zu arbeitsunfähig um mit den Leuten meines Alters mitzuhalten. Zu gesund, um intensiv krank zu sein. Zu krank um fit und gesund zu sein.

Ich bin zu alt

Zumindest zu alt um als Crohn-Fluencerin eine neue Lebensschiene aufzubauen und ich habe einfach nicht mehr die Kraft, mich mit dem heutigen Seiltanz zwischen social Shitstorms, Influencermarketing, Posting on the limit und den zahlreichen Kommunikations-Stolperfallen  auseinander zu setzen. Ich muss immer öfter googlen um zu verstehen, was mit Schlagwörtern a la Cancel Culture und Co. gemeint ist.

Als ich meinen Crohn-Blog gestartet habe, gab es kaum Infoseiten im Netz, die sich mit CED & Co. beschäftigten. Mittlerweile gibt es unzählige DarmfluencerInnen, Bauch-Podcasts, CED-Blogs und Video-Channels – unglaublich viele und das ist richtig, richtig gut. Denn es braucht all diese und noch viele mehr, damit man die Erkrankung und ihr Umfeld bekannter macht und die Stigmata, die damit verbunden sind, abschafft. Also: Go guys, run the net und sorgt für ordentlichen Rumor!

Was mich aber zunehmend irritiert, ist die Abwesenheit von Menschen über 40, die auch in der CED-Bubble kaum präsent sind. Crohn gilt als „junge“ Erkrankung, weil der fiese Scheiß meist sehr früh im Leben zuschlägt. Allerdings bleibt der Crohn einem dann treu, bis ans Ende aller Tage und die können spät werden.

„Mit Crohn kann man 100 werden!“

… hat mir eine meiner Gastroenterologinnen mal gesagt, um mir Mut zu machen.
Ja eh, aber will man das auch?
Und in welchem Zustand?
Und wie schafft man es, die Zeit zu füllen?
Und wo sind diejenigen, die es geschafft haben oder am Weg dahin sind?
Wie geht es ihnen, wie gestalten sie den Alltag in Kombi mit dem lieben Herrn Crohn und all den Maladitäten, die einem durch Mediks, Crohn, OPs, soziale Uffs und Ächz und lebensbedingte Verschleißerscheinungen im Laufe der Jahre so zuwachsen?

Ein Crohn-Schub und Regelschmerzen in Kombi sind schlicht furchtbar. Aber wo verdammt noch mal sind z.B. die Infos, welche Auswirkungen sich im Zuge der Menopause auf crohnischer Seite ergeben? Oder wie man diese dreimal verfluchten, komplett sinnlosen, verf***** Schweißausbrüche, das Herzrasen, die elendigen Stimmungsschwankungen in den Griff bekommt, während man mit schweißnasser Hand Crohn-Mediks sortiert und überlegt, welche Nebenwirkungen die Supplements haben, die man zuhauf in sich reinwürgt, in der Hoffnung, das irgendwas davon Besserung bringt?

Oder Infos, wie man sich gegen die zunehmende Schlaflosigkeit wehrt, weil der Lebenssinn mal wieder einen auf Dauer-Ciao macht und sich die Nächte weigern geschlafen zu werden, trotz immenser Müdigkeit?

„Kannst dich ja eh tagsüber hinlegen und ausrasten. Schlaf halt am Nachmittag eine Stunde …“

Tagsüber schlafen macht es nicht besser, im Gegenteil. Selbst wenn ich es könnte, würde es die Nächte noch leerer machen und mir noch mehr von der Zeit einschränken, die mir einen Hauch von Normalität gibt.

Es kann doch nicht sein, dass ich die einzige bin, der es so geht? Die zu früh aus dem Alltag und zu tief in der crohnischen Sche…marrn-Partie gelandet ist? Wo sind die Midlife-Crohnies, die Berge erklimmen, Kreuzfahrten planen, die Welt retten, sie neu erfinden und tougher als tough beweisen, dass man auch mit diesem Scheiß dem Dasein einen großen Haxn ausreißen kann?

Ich hoffe sehr, dass sie nicht wie ich mit Bett und Lade kämpfen, um dem Alltag eine spießige Struktur zu geben. Aber ich vermute, dass wir einen gemeinsamen Endgegner haben: Diese immer präsente, zehrende Dauermüdigkeit, auch als Madame Fatigue bekannt, die sich auf Körper, Geist und Seele legt, mit viel Übergewicht und Steinen im Gepäck.
Das Fiese an dieser Trutschn: Sie unterscheidet nicht zwischen Alt und Jung, sie sucht alle gleichermaßen heim. Nur hat man mit zunehmenden Crohnjahren im Darm immer weniger Kraft, um der lästigen Lady einen Tritt ins Auweh zu verpassen.

Ich hatte die Befürchtung, dass meine Resilienz irgendwann mal in einem intensiven Crohn-Fight ein technisches KO einstecken und vor mir abtreten würde. Weil ein Krug auch nur eine begrenzte Zeit mit einem Sprung in der Schüssel zum Brunnen pilgern kann.
Stattdessen sehe ich ihr täglich beim schwächer Werden zu. Ich sollte ihr die Hand halten, sie aufmuntern und was von „Krone richten, weiterstolpern“ brummeln. Denn man gibt ja bekanntlich nur Briefe auf. Nur schreibt die kaum noch wer, weil alle Mails, WhatsApps und PNs, Sprachnachrichten oder Gifs senden und in ein paar Jahren wird niemand mehr wissen, was mit dieser abgedroschenen Brief-Metapher gemeint ist.
Ich bin aber zu müde, mir was Neues auszudenken und im Grunde genommen ist es egal. Meine Resilienz lebt zur Zeit von kleinen Alltagsroutinen (das Bett, die Lade, die Hunderunde … sagte ich schon, oder?) und hängt an matschigen Tagen abends mit mir auf der Couch ab, um Netflix leer zu schauen, damit die trotteligen Grübelgedanken nicht überhand nehmen. An den besseren tauchen wir gemeinsam in Büchern ab, von anderen Zeiten, anderen Welten träumend.

Ich geh mir selber auf die Nerven.

Ich mecker und sollte diese Energie lieber in was Sinnvolles stecken. Das Bett ist heute noch nicht gemacht, die Bestecklade braucht Struktur, das Hundemädel muss geflauscht werden und es gibt ja eh immer was zu tun. Yippiejaja yippie yippie yeah und so.

Ich sollte mich weiter im Dankbar sein üben, das Gefühl der Einsamkeit irgendwo in der Natur vergraben und glücklich sein, dass es mir besser geht als vielen anderen. Dass mein Crohn
eine Auszeit nimmt, dass ich bei Madame Migraine am Delogieren bin, dass meine Mediks gerade gut wirken, dass ich genug zum Essen habe, ein Dach über dem Kopf, die erste Covid-Impfung im Arm und was weiß ich noch.

Und das versuche ich auch. Aber dennoch geht mir fallweise einfach alles ganz gewaltig dahin, worauf man fällt, wenn einem das Leben Stolperfallen in den Weg schmeißt und man endlich weiß, warum der Körper ausgerechnet am Südpol gerne üppig Fett ansetzt: Damit das Steißbein gut geschützt ist.

Und überhaupt: Zu intensives Lachen belastet den Beckenboden extrem und was dann passieren kann … also darüber möchte ich nun nicht auch noch zusätzlich Buchstaben verlieren.

Ok, ich hör auf mit meinem Lamento und überhaupt: Das Bett, die Lade, you got it – ich muss meinen Tag in den Griff bekommen.

Hab es hübsch.

Allgemein, Cartoons

Deppensprüche: 2 Aussagen, die kein Schwein braucht.

Deppenspruch Nr. 1:
„Sie sollten Stress vermeiden“

Ich. hasse. diesen. Spruch.

Und ich hasse ihn sooo unfassbar sehr, dass ich mich jedesmal sehr, sehr heftig beherrschen muss, um nicht ein sehr, sehr lautes „F***DICHDUBL*DERAR**H!1!“ rauszuschreien, wenn dieser Trottelspruch fällt.
Ja, das klingt deftig und übertrieben und mehr als nur ein bisschen passiv-aggressiv.
WEIL ES ABER AUCH VERDAMMT NOCHMAL EIN VETROTTELT BLÖDER SPRUCH IST! Und in Summe mehr, viel mehr Stress macht, als er seiner Aussagen nach eigentlich tun sollte.

Mal ehrlich:
Gab es schon einen Fall, EINEN EINZIGEN FALL, wo dieser Spruch dafür gesorgt hat, dass man subito in einen Entspannungszustand fällt und sich überschwänglich bedankt, ENDLICH den richtigen Fingerzeig, den ultimativen Tipp bekommen zu haben?

Hat dieser Spruch jemals dafür gesorgt, dass beim Empfänger ein helles, sanftes Goldlicht aufgeht und er-sie beglückt haucht: „Hach! Ja! Natürlich, DAS ist DIE Lösung – jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren! Innigen Dank, nun weiß ich endlich, wie ich meinen Shit gebacken kriege und alle, ALLEALLEALLE Probleme des Seins vermeide, gesund bleibe, fit werde und für den Rest meiner Tage täglich Schritt für Schritt der ultimativen Seligkeit zuschreite!!! “ Oder so ähnlich.

Hat dieser Spruch jemals in der Geschichte der Menschheit dafür gesorgt, dass der Stress aufgehört hat? Das man sein Leben umkrempelt? Sich mit Hilfe der Worte am Riemen reißt und fürderhin jedem Stressor ein „Vade Satanem! Hinfort mit dir, du elender Wicht! In meinem Leben hast du keinen Auftritt mehr“ entgegen geschmettert hat? Und damit das erwünschte Ergebnis erzielen konnte?

Die Sache mit dem Stress, dem Vermeiden und dem ganzen Rest

STRESS ist etwas, was zum Leben dazu gehört. Und wie bei allem gibt es auch bei Stress ein Zuviel und Zuwenig davon. Auf Ersteres zielt der Spruch ab: Zuviel ist ungesund.
Das gilt übrigens genauso für Zucker, Alkohol, Fülle, Leere, Fett, Social Media, Menschen, Nähe, Distanz, Kohlenhydrate, Schokolade, Stress, Weihnachten, Ostern, Luft, Erde, Feuer, Wasser und dem Rest dessen, was im Universum existiert.

Zuwenig Stress bewirkt, dass man zu wenig Lebensstimulans hat. Der Antrieb fehlt, der Sinn hat keinen Motor oder bekommt einen faden Geschmack.

Denn es gibt guten und bösen Stress – Eustress und Distress. Das eine ist geil, das andere nicht. Die Grenze dazwischen ist fließend, mäandert von Ufer zu Ufer und existiert fallweise nicht, den manche Dinge bzw. Situationen lösen beides aus.

Stress ist in vielen Fällen hausgemacht – aber NICHT in allen. Wenn dann argumentiert wird, dass hausgemachter Stress unter die Kategorie „Selbst verursacht, lass es halt sein“ fällt, tappt man in die Eigenschuldfalle und fühlt sich mies.

Der zweite Deppenspruch in der Kategorie „Aussagen, die kein Schwein braucht“ ist übrigens:

Deppenspruch Nr. 2:
„Reg dich nicht auf …“

Ja Himmel-Ar**h-und-Wolkenbruch! Das regt einem sowas von jetzt und sofort auf!!! Als ob sich jemals ein Wesen unter der Sonne bei diesen Worten beruhigt hätte, seinen inneren Frieden fand und seinem Gegenüber für diesen Rat gedankt hätte.
Im Gegenteil: Man bekommt einen noch dickeren Hals, weil man sich in seinen Emotionen weder wahrgenommen noch wertgeschätzt fühlt.

Es ist nun mal so, dass sich Menschen über unterschiedlichen Themen aufregen, begeistern, echauffieren, in Rage geraten oder in Verzückung. Was mir buchstäblich am Südpol vorbeigeht, lässt meinen Mann explodieren. Wo mir der Kragen platzt oder der Angstschweiß Wellen schlägt, chillen meine Kinder eine Extrarunde und sind completely relaxed. Wo die Familie sich verwundert zurücklehnt und distanziert aus der Loge zusieht, toben die andere, schwenken Transparente oder werfen mit Pflastersteinen.

Isso und war schon immer so.
Die Themen, die den Wutknopf drücken sind bei jedem anders. Und genauso ist es mit Stress.

Meditation, Entspannungstraining, Psychotherapie, Aufstellungsarbeit, Innere-Kind-Glaubenssatz-Heilreisen usw. usf. können möglicherweise den Deckel vom Topf nehmen, so dass der Kessel darunter nicht gleich Wumms explodiert. Fallweise können sie den Vorhang lüften und einem erklären, warum man so und nicht anders reagiert. Fallweise kann man dann da ansetzen und üben, um es in Zukunft besser in den Griff zu bekommen und diesen Wutknopf außer Dienst setzen.

Aber das wars.

Medikamente, die beruhigen sollen, helfen lediglich der Umgebung – wer sie nimmt wirkt ruhiger, weil die Kraft zum Aufregen fehlt. Stattdessen geht die Aufregung ins Innere. Denn irgendwohin muss sie ja. Und was sie dann dort mit einem macht, ist nicht schön. Gar nicht schön.

Man kann lernen, aus Wut-Stress-Kreisläufen auszusteigen (sofern man rechtzeitig erkennt, dass man zu kreislaufen beginnt). Man wird älter und weiser und erkennt selbst, dass frühere Emotionsgewitter heute nur noch ein Schulterzucken verursachen. Man wächst aus manchen Dingen raus und anderes bekommt mehr Gewicht.

Aber niemals, NIEMALS, war der im besten Fall lieb gemeinte Spruch „Sie sollten Stress vermeiden“ oder „Reg dich nicht auf“ JEMALS der hilfreiche Punkt für den Wandel, den sich der/die SenderIn erhofft hat. Sofern dabei überhaupt vorweg nachgedacht wurde. Völlig egal ob der Spruch von ÄrztInnen, TherapeutInnen, BeraterInnen, FreundInnen, Fremden, Bekannten oder sonstwem kam.

Das einzige, was er bewirkt, ist das Gegenteil von dem, was er aussagt: Man hat Stress. Man regt sich auf. Man möchte sein Gegenüber dahin treten, wo es weh tut. Man würgt dieses Bedürfnis runter und hat damit noch mehr Stress, noch mehr Aufregung und noch mehr Magenschmerzen. Und das Gegenüber ist in Gedanken schon lange woanders, während man noch Tage danach daran würgt.

Lasst es. Bitte, bitte, bitte LASST ES.

Liebe Ärztinnen und Ärzte,
Liebe Therapeutinnen und Therapeuten,
Liebe Freunde, Bekannte, Fremde,

Sagt. Es. Nicht.

Bitte.

Das ist das ultimativ Dümmste, was man sagen, meinen, empfehlen kann.

Die Betroffenen wissen in 98,99% der Fälle ohnehin selbst, dass es gut wäre sich nicht aufzuregen und diesen Stresskelch an sich vorüber gehen zu lassen. Und man würde es auch tun, wenn es möglich wäre. Und man tut es auch, sofern man dazu in der Lage ist. Die meisten bemühen sich wirklich auszusteigen aus diesem Rad. Vor allem, wenn man schon länger am Rotieren ist.

Bitte streicht diese beiden Sprüche aus eurem Wortschatz. Stattdessen könnt ihr fragen:

  • „Hast du gerade viel Stress? Kann ich dir helfen?“
  • Oder „Was regt dich auf? Erklär es mir bitte, damit ich dich und deinen Standpunkt auch verstehe und nachvollziehen kann.“
  • Oder „Was würde dir jetzt helfen? Willst du darüber reden oder sollen wir gemeinsam irgendwas kaputt schlagen?“

Oder ähnliches.

Ihr müsst keine Lösung anbieten, es nicht zu eurem eigenen Stress oder Aufreger machen, es nicht mal verstehen. Es reicht, wenn ihr die Gründe/euer Gegenüber ernst nehmt, zuhört und nicht wertet.

Glaubt mir, das hilft viel, viel mehr, als Deppenspruch 1 und 2 und nimmt gaaaanz viel Stress, viel Aufregung, viel Druck. Es hat sogar die Macht, heilsam auf die, durch zu viel Stress und Aufregung entstandenen Wunden einzuwirken. Das kann mitunter den Weg zur Heilung weisen und damit das zu bewirken, was die lapidaren Deppensprüche vermutlich ursprünglich hätten bewirken sollten.

Danke, verbindlichst.
Fürs Lesen und Beherzigen, um die Welt für uns alle zu einem besseren Ort zu machen. Ohne viel Stress 😉

Ich vermeide nun meinerseits weiteren Stress in dieser Sache, habe mich ausgiebig entemotionalisiert und gehe mich mit dem beschäftigen, was MIR persönlich hilft, wenn ich am Explodieren, Rumstressen und Aufregen bin.
Aber das ist eine andere Geschichte 😉

Herzlichst,

MiA

Allgemein, Cartoons

An diesen Tagen …

Diese Tage, wo du am Morgen bleischwer wach wirst und hoffst, dass es schon Abend ist und du einfach liegen bleiben kannst. Doch an diesen Tagen musst du aufstehen, ein Termin wartet. Einer wo du nicht nur wach, sondern munter, orientiert und vor allem aus dem Bett raus musst.

An diesen Tagen drückt das Wetter auf Gemüt und Kreislauf gleichermaßen. Das Geschirr zerscherbt am Boden, der Tee landet neben der Tasse, die Strumpfhose hat eine Laufmasche und die Schuhe drücken.

An diesen Tagen ist alles dreifach mühsam und viermal kompliziert.

An diesen Tagen ist alles und jeder, ist die ganze Welt anstrengend, nervend und zum Schreien. Weswegen der Kopf zu wimmern beginnt und die Muskeln im Nacken sich zum Verkrampfen treffen.

An diesen Tagen willst du einfach nur flüchten, willst nichts mehr als deine Ruhe, samtene Stille, Frieden und abends, beim Heimkommen nur noch schnell noch eine Runde mit dem Hund gehen. Zum Kopf lüften, Chaos ablegen, den sicheren Boden unter den Füßen spüren und du freust dich auf eine schöne Tasse Tee beim Heimkommen.

An diesen Tagen wälzt sich der Hund in Scheiße.

Immer.

Allgemein, Briefe aus dem Leben mit CED, Cartoons

Cheerio Thyrio: Madame Butterfly muss gehen

My dear Lady Butterfly,

wir hatten einen Deal. Ausgehandelt damals, vor mehr als 30 Jahren, als du beschlossen hast, dich spontan aufzuplustern, wichtig zu machen und wir anschließend ein paar Jährchen gebraucht haben, um uns wieder zusammen zu raufen, damit wir uns den Platz in meinem Hals aufs Neue, ohne würgen, teilen können.
Damals, vor vielen, vielen Jahren haben wir einen guten Kompromiss vereinbart: So lange du friedlich bist, so bleibst, wie du bist, bin ich´s auch und wir teilen uns den Kragen.

Das hat fast 30 Jahre lang gehalten und zwischendurch hab ich lange Zeit überhaupt vergessen, dass es dich gibt und da mal „etwas“ war: Das Würgen im Hals, das einen die Augen leicht rausdrückt. Das Gefühl, als wär da ein enger Kragen, ohne das ein Kragen da ist. Die wackeligen Laborwerte und das Gemurmel der ÄrztInnen a la „relative Op Indikation“, „heiße Knoten“, „vergrößert“, „zystisch“ … etc.
Ich gestehe: da waren in weiterer Folge ein paar andere Haudegen, die meine geistige und körperliche Präsenz vereinahmt haben, sehr rüppelig und komplett kompromissslos. Und wir beide hatten ja diesen Deal: Du hältst den Status Quo und ich lass dich bleiben. Hat geklappt.

Und nun?

Was war´s? Hm? Der Wunsch nach Veränderung in Zeiten, die sich so rasch ändern, dass das Update von Mitternacht um kurz nach 0 Uhr schon wieder uuuuralt ist?
Mieses Timing, kann ich nur sagen.
Andererseits gibt es für manche Dinge kein perfektes Timing. Manch ein Zeitpunkt ist immer schlecht gewählt und insofern ist dieser vielleicht besser als ein anderer. Also schreiten wir beide zum Trennungsamt, aka Krankenhaus/Abteilung Chirurgie, und beenden eine mehr als 53jährige Gemeinschaft, die mir in unemotionaler Hinsicht den Hals hat schwellen lassen.

Letztes Jahr im Herbst hast du spontan beschlossen, dich mal wieder zu melden. Mit wackeligen Blutwerten und einer neuen, minimalen Raumforderung. Nix Gefährliches, alles cool bzw. heiß bzw. leer und harmlos in diesem Fall und daher: Nur eine zarte Veränderung in einer Sache, die seit 30 Jahren eisern stabil war. Nix Tragisches, nicht mal medikamentös behandlungswürdig, einfach nur ein „Schlenkerer“ im stabilen Sein und aus.
Aber der Wink mit diesem Zaunpfahl war eindeutig: Der Waffenstillstand ist beendet, du hast möglicherweise andere Zukunftspläne und der Zeitpunkt ist gekommen, sich mit dieser Sache auseinanderzusetzen. Müsste ich vielleicht nicht, will ich aber.

Zu warten, bis du massiver wirst, in deinem Drängen nach Wahrnehmung, ist nicht meins. Es zu erledigen, solange die Werte und mein Zustand stabil sind, vermeidet möglicherweise einen Akut-Zustand, der für alle Beteiligten unhübsch werden könnte und wo das Timing deutlich mieser ist. Besser wird es nicht mehr, aber möglicherweise schnell mühsam und „mühsam“ ist etwas, was ich momentan wirklich sehr vermeiden will.

Also lass uns Abschied nehmen.

Zumindest teilweise.

Vielleicht war dieses Würgen im Hals damals ja der Beginn deiner Verpuppung, am Weg von der Raupe Nimmersatt zum Schmetterling Tausendschön?

Vielleicht gehörst du ja zu den Noblen, die mit Zurückhaltung warten, bis Zeit und Ort besser für ihren Auftritt passen, damit die Aufmerksamkeit ganz dir gehört und die Bühne frei von Störungen ist?

Vielleicht ist es nun an der Zeit loszulassen, nicht nur dich, sondern auch noch ein paar andere Handicaps, die mit deinem wackeligen Zustand möglicherweise, unter Umständen, vermuteterweise verbunden sein könnten?

Drei Vielleichts, viele Vermutungen und einige Ängste. Aber alles ganz normal und im Rahmen. Jedenfalls: Der Termin steht fest und wenn dieser Online-Brief ins Netz flattert, bist du bereits frei gesetzt und ich lerne gerade, mich auf mein Leben mit ohne dir bzw. mit dem Rest von dir einzustellen.

Liebe Schilddrüse, werte Madame Butterfly,

ich wünsche dir das Allerbeste auf deinem weiteren Weg! Keine Ahnung wohin dich der führen wird. Aber solltest du dort den Teil meines Dickdarms sehen, der vor 5 Jahren ausgewandert wurde, dann lass ihn herzlich grüßen. Mir geht es seither viel, viel besser und das Gleiche wünsch ich ihm.

Möglicherweise findest du ja auch meine Mandeln da drüben, die sich schon als Kind von mir verabschiedet haben,. Dann könnt ihr eine Dicker-Hals-Revival-Party feiern und so richtig die Sau rauslassen. Es wird mir nimmer weh tun, wenn ihr grölt und krächzt bis in die Puppen.

Mag sein, dass wir uns irgendwann, früher oder später, wiedersehen und ich dann den Prozess durchmache, den jede durchmachen muss, um im Jenseits wieder mit all den Dingen vereint zu werden, die ihm und ihr im Lauf des Lebens chirurgisch oder so abhanden gekommen sind. Eine Vorstellung, bei der ich immer Unmengen christlicher Heilige durch die Welt hirschen sehe, auf der Suche nach ihren Fingerknöchelchen, Gebeinen, Schädeldecken und sonstigen Reliquien. Was mich jedesmal sehr erheitert, ich gebs zu.

Möglicherweise oder vielleicht sogar ziemlich sicher irre ich mich und es ist vollkommen wurscht, wie komplett man sich auf die andere Seite beamt. Schlussendlich geht es ja final darum, das Stoffliche hinter sich zu lassen und frei für Neues zu sein.

Nun denn, um den makabren Teil abzuschließen: Ich wünsche dir, wie gesagt, das Allerbeste. Und ich hoffe, du findest den Himmel frei zum Fliegen und hast auch mit nur einem Flügel ordentlich Spaß dabei, der Sonne die Nase zu kitzeln.

Ich werde mich mit dem Rest von dir arrangieren und versuchen meine irdischen Höhenflüge in Zukunft einflügelig zu meistern. Da ich ohnehin lieber mit zwei Beinen am Boden stehe, wird das schon gut klappen und wenn mich die Sonne an der Nase kitzelt und zum Niesen bringt, weiß ich, dass du mir einen zarten Gruß geschickt hast. Hatschi, same same!

In Zukunft weiß ich dann auch, dass ein Würgen im Hals kein Zaunpfahlwink von dir ist, sondern mir der Hals aus anderen, möglicherweise wut-zentrierte Gründen schwillt. Und wie man gegen diese Probleme ankämpft, weiß ich gut: Mit Löwengebrüll und irrem Blick.
Rein theoretisch natürlich.

Mit den leicht abgewandelten Worten von Georg Christoph Lichtenberg beschließe ich meinen Abschiedsbrief an dich, liebe Madame Butterfly:

Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn du weg bist.
Aber es muss anders werden, damit es nicht schlechter wird und vielleicht besser werden kann.

Cheerio Thyrio und guten Flug,

herzlichst

MiA

Ergänzung & Nachtrag

  • Die Schilddrüse (SD)hat die Form eines Schmetterlings, daher meine Assoziation mit „Madame Butterfly“
  • Thyroid ist die lateinische Bezeichnung für Schilddrüse
  • SD-Erkrankungen sind relativ häufig, vor allem in den Alpenländern.
  • Die Schilddrüse kann in vielerlei Hinsicht erkranken. So kennt man Über- und Unterfunktion der Schilddrüse, eine Autoimmunerkrankung namens Hashimoto, eine andere Namens Morbus Basedow, Schilddrüsenentzündung und (selten aber doch) Schilddrüsenkrebs.
  • Fallweise entstehen in der SD Knoten, die man in heiß/warm und kalt unterscheidet.
  • Heiße Knoten in der SD sind sog. „Akkordarbeiter“, die intensiv SD Hormone produzieren
  • Kalte Knoten in der SD produzieren hingegen keine Hormone und gelten als gefährlicher als heiße Knoten
  • Die Schilddrüsenhormone spielen bei einer große Anzahl an Vorgängen im Körper eine extrem wichtige Rolle. Sie sind quasi die Herrinnen und Masterminds über das endokrine System. Womit Probleme in diesem Bereich zu einer Vielzahl an Problemen im ganzen Körper führen können, die man oft nicht mal ansatzweise mit der kleinen, zarten Schilddrüse in Verbindung bringen würde.

Weitere Infos dazu gibt es zum Beispiel hier:

Allgemein, Cartoons

#Makeitvisible: Ich und mein Wolkenbauch

Im dritten Teil meiner 3-teiligen Glücksliste komme ich zu dem Bereich, der mich – ich gestehe es offen – die meiste Überwindung gekostet hat. Aus dem sich aber eine sehr intensive, sehr glückliche Erinnerung ergeben hat. Es geht um die CED-Kompass Kampagne #makeitvisible.

Ich und mein Bauch: Beziehungsstatus kompliziert

Dieser Satz trifft es voll und ganz und in dieser Beziehung steckt noch einiges an Arbeit, auch wenn mein Wölkchen und ich schon viel mitsammen geschafft habe. Neben der teilweise sehr fragwürdigen inneren Werte, bei denen primär der liebe Herr Crohn die Rolle des ungeladenen Querulanten spielt, sind auch Optik und Konsistenz meiner Mitte so, dass ich sehr hart daran arbeite, mich gängigen Schönheitsidealen tapfer zu widersetzen und die Baustelle so wertschätze, wie sie nun mal ist. Immerhin ein gewichtiges Argument wenn es darum geht, diese sog. Schönheitsideal zu hinterfragen.

Andererseits: Zwei Schwangerschaften, gut 16 Jahre intensive Kolateralschadens-Beziehung mit Herrn Crohn, unzählige Auf- und Ab-Kilos, insgesamt 7 crohnbedingte OPs, davon eine mit umfassendem Innenumbau, etc. … Ja, Wölkchen und ich haben viel erlebt, sind durch dünn, mager, cortison-rund, extrem mager, drollig-mollig und mehr gegangen. Momentan steht die Lage stabil und weil es immer gut ist, wenn man funktionierende Systeme belässt, wie sie sind, habe ich mich mit dem Status Quo arrangiert.

Die zusätzlichen, kleinen Hüftgoldstücke sind als „sicher ist sicher, für crohnische und andere Notfälle“ eingestuft. Die Dellen rundum fallen unter „heiter bis wolkig“ und das herausragende Profil passt immerhin gut zu meiner „prominenten“ Nase. Zudem verlagert es den Schwerpunkt Richtung Erde und sorgt auf diese Weise für Stabilität in den Wirren des Daseins.

Es ist kein schöner Bauch. Im Sinne aktueller Frauenmagazinweisheiten und sog. „Schönheitsideale“.
Aber es ist ein toller Bauch, der viel er- und überlebt hat und dem man das getrost ansehen darf. Wäre es anders, wär´s nicht echt, wär´s nicht meiner.

Für die gemeinsame erlebte Biographie ist er super in Schuss, macht genau das, was er soll und das ist viel mehr als ich während der Crohn-Schubzeiten erwarten durfte. Die aktuelle Download-Rate ist stabil, gefestigt und im einstelligen Bereich, sogar oft unter 5 und hey: Das ist echt, echt toll! Die regelmäßigen Biologika-Spritzen, die ich mir seit einiger Zeit mittels Pen selbst verabreiche, übernimmt er anstandslos (da können sich die Herren und Damen Venen in den Armen bitte mal ein Beispiel nehmen!), verarbeitet Einstich und Wirkstoff umgehend. Kurz: Er ist zur Zeit einer der toughsten, stabilsten und unaufgeregtesten MitarbeiterInnen in meinem körperlichen Gesamtkonstrukt.

Wenn mein Wölkchen also beschließt, sich mit einem haptischen Weichzeichner zu umgeben: Ich gönn es ihm und mir. Darunter gibt es Muskeln, die brav regelmäßig trainiert werden und wir wissen ja, dass die „schönen“ Muskeln außer schön sein nix können. Im Gegensatz zu den tieferen Schichten, die wirklich einen Job zu erledigen haben und das auch tun. Soweit, so fit.

Und darum war meine Bereitschaft zur Teilnahme an der MakeItVisible-Kampagne des CED Kompass schnell da. Was soll schon sein, Bäuchlein raus und erledigt. Ja, aber dann wars soweit und die Muffen begannen hurtig zu sausen.

Unbegründet, denn die Leute rundum waren einfach toll. Angefangen bei der Organisatorin Claudia Fuchs, über die bestestesten-Lady, die uns am oberen Ende dezent behübschte und das sehr, sehr toll machte, bis hin zur wunderbaren, erdigen und lustigen Fotografin Barbara Wirl. Das Umfeld war hell und heiter, das Timing toll und die Sache in nullkommanix erledigt. Inklusive viel Lachen. Am längsten dauerte die Auswahl der Bilder und da kamen dann wieder die alten, sozial erlernten, eingeprägten Bedenken hoch. Aber da nimmt man dann einfach seine geistige Keule und wummert den ungeladenen „Kann man das so rausgeben?„, „Ist das nicht peinlich?“ und „Was sollen sich die Leut von mir denken?„- Gedanken mit Schmackes eines vor den Latz. Sie haben mit Sicherheit noch heute Hohlraumsausen.

Jedenfalls ;-):

Das Ziel des Ganzen war und ist, dass man einer unsichtbaren Krankheit ein Gesicht gibt und das haben wir gemeinsam getan. Eine bunte, couragierte Gruppe CEDler, die sich vor die Kamera gewagt haben und im Einzelnen jede und jeder mit seinem/ihrem Bauch gemeinsam ein kraftvolles Statement abgaben. Mit und ohne Stoma, mit und ohne Narben, mit und ohne Wolken, Dellen, Flecken – eine riesige Menge wunderschönster Bauchkunstwerke, die mit ihren Menschen stolz durchs Leben gestapft sind, durch Höhen und Tiefen. Meine Wolken-Mitte und ich mitten drin.

Angenehmer Nebeneffekt: einmal mehr kam die Bestätigung, dass Bäuche so unterschiedlich wie Menschen sind und das, was man in Zeitschriften als „Bauch“-Sujet serviert bekommt, ein komplett unrealistisches, photogeshoptes, verdreht vermittelt, doof-falsches Bild ist. Werbebäuche haben keine chronisch entzündliche Darmerkrankung, Schwangerschaften, Therapie-Hochschaubahnen, Operationen und Lebenskrisen überlebt. Sie sind nur leere, künstliche, unechte, plastische Hochglanzhüllen und würden im grausamen Alltag nicht mal das Mittagessen überleben, geschweige denn eine ernsthafte Lebenskrise oder Erkrankung. Im echten Leben braucht es richtige, lebensgeprüfte Baucherl und Wampen und solche Heldenbäuche kann man im Zuge dieser Kampagne bewundern.

Herzliche Credits und inniger Dank gehen an:

Weitere Links und Infos zur Make it Visible Kampagne gibt es hier.


Allgemein

CED-Ernährungsbroschüre, Fistel-Info und Leitfaden Arztgespräch

Im zweiten Teil meiner Liste der Dinge, die sich erfreulicherweise eingefunden haben, geht es um drei Dinge, wo ich in der einen oder anderen Weise etwas zum Entstehen beitragen konnte.

Ernährungsbroschüre CED

Ernaehrungsbooklet PfizerCEDKompass 300x300 - CED-Ernährungsbroschüre, Fistel-Info und Leitfaden Arztgespräch

Im April 2020 kam eine Anfrage, ob ich mir vorstellen könnte, einige meiner crohnischen Cartoons für eine Ernährungsbroschüre zur Verfügung zu stellen. Die Frage kam zum richtigen Zeitpunkt – mitten in meiner Corona-Depression 😉

Die Broschüre selbst ist sowas von sensationell toll und informativ geworden! Großes Kompliment an die VerfasserInnen und die GestalterInnen!

Und das Beste: Man kann sie hier kostenfrei downloaden. Ich habe ein paar Exemplare in gedruckter Form bei mir, die ich, solange der Vorrat reicht, unentgeltlich meinen Shitstorm-im Darm-Buchbestellungen beilege.

Fistel Broschüre

FistelnDistelnBroschuere Takeda 300x259 - CED-Ernährungsbroschüre, Fistel-Info und Leitfaden ArztgesprächEs gibt im Verlauf einer chronischen Darmentzündung viele Dinge, die einem so richtig auf den Ar…llerwertesten gehen. Fisteln gehören mit zu den absolute miesesten Dingen, die man in keinster Weise braucht. Abgesehen davon, dass sie gefährlich sind und werden können, tun sie einfach nur weh. Speziell die, die sich am Südpol ansiedeln: Perianale Fisteln.

Ist es für CED-AnfängerInnen schon schwierig mit den ÄrztInnen über die Dinge im Bauch zu sprechen, wird es bei Fisteln noch einiges unangenehmer: Wie soll man seinem medizinischen Gegenüber diese Unaussprechlichkeiten schildern? Und wer hilft einem überhaupt dabei, Klarheit und Therapie zu finden? Wie behandelt man diese Grausamkeit richtig und was hilft, wenn man das Gefühl hat, auf Disteln zu sitzen?

Das sind Fragen, die sich vermutlich jeder stellt, der erstmals mit diesem crohnischen Problem herausgefordert wird. Damit man es leichter hat Antworten zu finden und auch, um ein schwerwiegendes medizinisches Problem aus der Tabu-Zone zu holen, entstand aus einem 2019 gehaltenen Workshop eine ExpertInnen-Intitiative, deren Ergebnis nun in gedruckter Form und als Download erhältlich ist: Eine Broschüre über perianale Fisteln. 

Ich war als betroffene Patientin beim Entstehungsprozess mit dabei und freue mich sehr, dass dieses Thema nun endlich den Fokus bekommt, den es haben muss, damit all jene, die unter dieser Qual leiden, sinnvolle Hilfe bekommen um das Thema richtig ansprechen zu können.

… und eine Umfrage zu perianalen Fistel bei Morbus Crohn

Aber damit noch nicht genug, es braucht weitere Aufklärung und Bewusstmachung darüber. Die Selbsthilfegruppe ÖMCCV sucht aktuell (Februar 2021) TeilnehmerInnen für eine Umfrage zu diesem Thema. Wer betroffen ist und (anonym) ein paar Fragen beantworten will: Hier der Link zu dieser wichtigen Umfrage.

Leitfaden Arztgespräch

Tagtraeume small 300x225 - CED-Ernährungsbroschüre, Fistel-Info und Leitfaden ArztgesprächAus einer vagen Idee, die Ende 2018 geäußert wurde, aus der Anfang 2019 dann eine erste Grundidee entstand, ist im Lauf von 2020 schlussendlich ein sehr tolles Teil gewachsen: Ein Leitfaden für das Arztgespräch. Weil es einfach immer Dinge gibt, die man nicht am Schirm hat, aber dennoch fragen sollte, und weil die Zeit des Doc-Dates effizient genutzt werden muss.

Der Leitfaden hilft beim Fokussieren, bietet Tipps und Ratschläge und auch eine Checkliste ist dabei. Ich habe eine meiner Crohn-Cartoons zur Verfügung gestellt und ein paar Infos bei der Entstehung der Liste beigesteuert.
Es ist ein kompaktes, dennoch gehaltvolles Infowerk, dass Crohnies & Co eine große Hilfe sein kann.  Hier gehts zur Online-Version auf der Website des CED-Kompass.


Allgemein

Ein Interview! Ein Interview!

In meinem letzten Beitrag habe ich es ja schon geschrieben: Es war nicht alles Popsch und Bäh in der letzten Zeit. Um es mit den Worten meiner ehemaligen Chorleiterin zu sagen: „Da war schon sehr viel Schönes dabei …“ Sie meinte das zwar nicht direkt als Kompliment, denn der Satzes ging so weiter: „… man muss es nur noch finden.“ Aber das ist eine andere Geschichte.

JEDENFALLS! :-): Ich musste mich nicht mal auf die Findung machen, die Erfreulichkeiten purzelten mir zu, aus sehr unterschiedlichen Themenbereichen. Um sie entsprechend zu würdigen, habe ich das Glück auf drei Beitragsteile geteilt und beginne mit dem jüngsten davon, das dieser Tage ins Haus geschneit ist.

Frei heraus: 10 Fragen – Interview

Angelika Bungert-Stüttgen und ich kennen uns schon einige Jahre. Zuerst rein virtuell und keine Ahnung mehr, wann sich unsere Wege das erste Mal im  Netz gekreuzt haben. In Innsbruck haben wir uns dann, wie sie so schön schreibt, „life und in Farbe  getrofffen“ und die gegenseitige Sympathie vertieft.

Ich schätze an Angelika ihre erdige, zugleich sehr sensible, gefühlvoll-ehrliche Sichtweise der Dinge. Sie blickt tiefer als die meisten und kann das auch in annehmbare Worte fassen. Eine seltene Begabung. Vor 10 Jahren hat sie sich ihren Traum vom Lebensumbau erfüllt und reist nun als „Freiraumfrau“ durch die Welt und das Leben, on- und offline. Auch ein sehr feines, wirklich besonderes Buch ist dazu schon entstanden: Ihre Comicbiographie „Mein Haus am See hat Räder“.
Anlässlich ihres Markenjubiläums hat sie einige WegbegleiterInnen interviewt und ich war ganz aus dem Häusschen, als ich auch eine solche Einladung bekam. Ein Ritterschlag ist nix dagegen!

Hier geht es zu den 10 frei:heraus Fragen an mich und vielleicht ist bei den Antworten noch etwas dabei, das dich überrascht oder du nicht so gedacht hast. Auch die anderen Interviews sind sehr inspirierend und lesenswert! Also unbedingt weiterlesen.


Allgemein, Cartoons

(M)eine kleine Geschichte des Scheiterns

Neues Jahr, alte Zores – so könnte man es subsummarisch zusammenfassen.
Wenn es so einfach wäre.
Aber vielleicht ist es das ja und ich mache es mir nur selbst so kompliziert?

Egal.

Ich bin erschöpft, müde und matsch. Aber ich wollte endlich wieder einen Blogbeitrag hier veröffentlichen, weil ich das Gefühl habe, es schuldig zu sein. Mir in erster Linie. Aber auch auch all denen, die hier dann und wann mitlesen. Und die vermutlich mehr Nachsicht mit mir und meiner Matschigkeit haben, als ich mit mir und meinereiner 😉

Neues Jahr, neuer Kalender. Und wie sich alle rundum gefreut haben, dass das alte, das miese, das besch….eidene, garstige, traurige und böse 2020 endlich abgedankt hat! Und nun haben wir ein nigelnagelneues, funkelndes, unbelastetes und wasweißichnoch-alles schönes neues 2021. Und der erste Monat davon ist auch schon geschafft.

Nur leider haben sich die Probleme mit dem kalendarischen Impeachment des alten Jahres nicht aufgelöst. Dummerweise rotzt da immer noch dieses kac…tastrophale C-Virus durch die Welt. Mieserweise dauert es noch immer, bis die Menschenherde immun gegen das mutierende Big-C, Katastrophen, Blödheit und Verschwörungstheorien ist.
Wobei eine Impfung ja nur die Nr. 1 am Newsmarkt (=Big C) regelmentieren würde. Um den Rest müssen wir uns auch in 2021 und danach selbst kümmern.

Und dann wären da noch die alten Zores, die nicht loslassbaren Probleme und das, was jeder einzelne mit sich schleppt. Auch das ist gut mit ins neue Jahr gerutscht, hat sich schon gemütlich eingerichtet, neben den demnächst zu entsorgenden Neujahrsvorsätzen, die auch in 2021 wenig Chance auf Umsetzung haben werden.

Habe ich nun jeder und jedem ein wenig oder mehr schlechtes Gewissen verabreicht?
Ausreichend bad Vibes versprüht und für Unbehagen gesorgt?

Sorry, aber ich versuch nur von meiner eigenen Trauertütigkeit abzulenken, die sich von Jahreswechseln und dergleichen noch nie hat beeindrucken lassen.

New Year, old story: Ich bin erschöpft, innerlich und äußerlich.
U.n.f.a.s.s.b.a.r. müde hoch x, mit ganz vielen Nullen dahinter und einem Komma, das nicht mehr zu sehen ist. Weswegen es das Alltagskoma so leicht hat, sich bei mir einzunisten.

Dabei habe ich noch soooo viele tolle Pläne und Ideen und Gedankenblitze vom letzten Jahr übrig! Die meisten nigelnagelneu und weitgehend ungebraucht. Blöderweise aber zu sehr personalisiert, als dass ich sie auf Will(deinen-Schrott)Haben gewinnbringend verscherbeln könnte.

Ich wollte doch soooo gern …

… eine Video-Serie starten – und habe sogar ein 2,5 Folgen geschafft: MimiMiA

Nur war das Ansinnen, einmal die Woche konstruktiv vor der Kamera zu sudern, leider nicht mit meinem internen Kraft- und Energiehaushalt kompatibel. Wobei ich da vielleicht noch was hätte mobilisieren können, wenn … ja, wenn nicht Madame Migraine beschlossen hätte, dass es nun an der Zeit wäre, die Herrschaft über meine Tage zu übernehmen.

Mit 10-15 Migräneattacken im Monat ist es nimmer lustig Videos zu basteln. Da kommt man auch ohne bewegte Bildererstellung sehr an seine Grenzen und fordert zugleich die gesamte Kompetenz seiner NeurologInnen und der anderen, die einen medizinisch unterstützen sollen, bis zur Neige aus. „Chronische Migräne“ ist etwas, das man nicht mal seinem schlimmsten Feind oder gar dem Ex-Washingtoner Semmelkopf wünscht.

Nachdem sich eine Lösung dieses Problems mangels vorhandener, noch verbleibender Optionen nicht mal ansatzweise am Horizont zeigt und die Möglichkeiten, die ich schon probiert habe, auf schul- und paraschulmedizinischer Seite, nichts gebracht haben, tue ich mir gerade sehr schwer, meinen altbewährten Münchhausentrick anzuwenden, um mich aus dem Sumpf der Trostlosigkeit zu ziehen.

Resilienz ist wunderbar und toll und super und ich bin, glaube ich, recht fit in diesem Programm. Aber zur Zeit dominiert das Gefühl in einer Einbahn-Sackgasse zu stecken, ohne Umkehrplatz in Aussicht. Dafür kommt die Wand, an der diese Straße endet, immer näher und ich sag mal so: Schön ist die nicht.

Und ich wollte doch soooo gerne …

mein Buchbaby promoten, überall bekannt machen, Lesungen halten und einfach allen und jedem davon erzählen, die es auch nur ansatzweise interessieren könnte!

Ein Jahr ist es nun her, dass mein erstes Buch „Shitstorm im Darm“ im Handel erhältlich ist. Ein Jahr, das für die gesamte Menschheit prägend, gesellschaftlich verändern, schmerzhaft und sehr herausfordernd war. Das ist kein Klima, in dem ein kleines Buchbaby gut aufwachsen, groß und stark werden kann.
Um es im Crohn-Jargon zu sagen: Das Thema CED-Awareness und damit verbundene Publikationen geht den meisten grad da vorbei, wo die Sonne nie scheint und man dank Home-schooling-office-staying die meiste Zeit draufsitzt. Außer denen, die auch in dieser Zeit den bequemen Bürostuhl allzu oft mit dem weißen Porzellanthron tauschen müssen.
Denn Funfact: der Rest der kranken Dinge macht auch in Corona-Zeiten KEINE Pause. Ja! Wirklich! Die chronisch Kranken sind noch IMMER krank. Wer vor Big-C gesundheitliche Probleme hatte, wurde NICHT durch die Pandemie davon erlöst.

Das einzige was sich geändert hat: es ist noch mühsamer. In vielen, viel zu vielen Belangen. Angefangen von Arztterminen, Kontrolluntersuchungen, Behandlungen, Reha und Kuraufenthalten … bis hin zu Rücksichtnahme, Akzeptanz, Bewusstmachung.

Ein lieber Freund, der letztes Jahr den Weg über die Regenbogenbrücke gehen musste (#fuckcancer), hatte diesbezüglich sehr spezielle Aha-Erlebnisse. Zum Beispiel als er im Zuge seiner Chemo mit anhören durfte, wie ein Arzt zur DGKS der Station gesagt hat, dass sie nun schauen müssten, dass die Betten leer werden. Damit man endlich Platz für die „richtigen Kranken“ habe.

Toll. (nicht)

Da verrottet einem das Motivationskonfetti in der Tasche und man möchte nur noch eines: Jemanden finden der dem Doofkopp ordentlich eins hinter die akademischen Löffeln knallt, damit der Dachschaden schnellst möglich behoben ist.
Leider. Keiner da und damit darf so ein Medizinerchen weiter durchs kranke Haus gurken.

Und dann wollte ich noch sooooo gerne …

… ganz viel mehr. Vor allem solche Sachen, die Freude machen.
Und was Neues lernen.
Und was Neues anfangen. Schreibend, zeichnend, lustig lebend …

Und dann war ich am Ende des Jahres vor allem eines:

Dankbar.

Weil trotz alledem, was da so passiert ist, trotz dem vielen Müll, der einem vor die Füße gefallen ist, trotz den vielen so unendlich traurigen Dingen, die da passiert sind … trotz alledem und alledem auch soooo viel Schönes da war:

  • Das alle in der Familie soweit fit und gesund sind und waren und bitte bleiben.
  • Das mein Buch trotzdem seinen Weg in die Welt derer gefunden hat, für die ich es geschrieben habe, und es tapfer und ohne viel Unterstützung von mir weiter in die große Weite Welt wandert und seine Kreise zieht.
  • Das mein Crohn trotz Mistmigräne seine Klappe gehalten und in Remission geblieben ist.
  • Das sich neue Projekte, bei denen ich teilnehmen bzw. etwas beitragen konnte, spontan ergeben haben und ihren Weg in die Realisierung geschafft habe. Unter anderem eine tolle Ernährungsbroschüre für CED PatientInnen und eine super informative Fistel-Broschüre und eine sensationell gei…tolle Fotosession namens #makeitvisible, wo ich und andere ihr Bäuchlein in die Kamera gehalten haben … usw. usf.

ALL DAS und noch einiges mehr war auch möglich, trotz alledem und alledem, was da rundum passiert ist oder nicht geschehen konnte. Und das ist schön, das macht Mut, das gibt Kraft und das füttert meine Resilienz. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Weil es mir Hoffnung macht und damit die Tage, an denen ich migräne-frei habe, mit Zuversicht anreichert. Die dringend notwendig ist, damit die anderen Tage überstanden werden können.

Wenn sich nun noch wie in einem schönen Hollywoodfilm-Ende das oben beschriebene Sackgassenende in einen Vorhang verwandelt, hinter dem die sehnsüchtig erhoffte, endlich wirklich wirksame Therapie gegen das anhaltende neurologische Kopfgewitter auf mich wartet, dann beginne ich auch wieder brav an Wunder zu glauben und lasse sie gerne geschehen.

Bis dahin teste ich meine, schon dringend nach der besten Friseurin der Welt schreiende, Haarpracht, ob sie noch stabil genug ist, damit ich mich an den straßenköterblonden Strähnen aus dem Trauersumpf ziehen kann, wie weiland mein liebstes Resilienz-Vorbild Baron Münchhausen.
Weil das am besten mit kleinen Schritten geht, sehe ich den ersten Blogbeitrag heuer mal als Erfolg an und versuche in Bälde weitere nachzuschieben. Schließlich verlangen die schönen Dinge des letzten Jahres (wie oben ansatzweise aufgezählt) nach Anerkennung und Publikation. Vielleicht lassen sich dann die zaghaften Ideen dessen, was da noch so in meinem kreativen Hinterstübchen schlummert, an der migränischen Dauertrutsche vorbei, ans Licht lotsen.

Ohne Stress, ohne Druck, einfach so, aus Spaß an der Freude.
Das wäre schön.

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