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In dieser Kategorie findest du die Mehrzahl der Beiträge im Blog: Worum es im Blog geht, Linktipps und Buchempfehlungen, generelle Infos rund um Morbus Crohn und andere CED, Ernährung und Diät, Videos, Frust und Freude, neue Mediks und Geschichten aus dem Leben mit einer CED – eine bunte Mischung aus allem!

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Links der letzten Zeit, Teil 2: neues aus der Studienwelt

Nr. 1 bringt News aus dem Bereich Impfen, was ja mitunter für viele CED Patient*innen mit künstlicher Immunsuppression ein Thema ist.
Empfehlung: Anders impfen bei Immunschwäche

Nr. 2 versucht der Frage auf den Grund zu gehen, ob eine glutenfreie Ernährung grundsätzlich besser ist.
Glutenfrei für alle?

Nr. 3 ist dem Mysterium des löchrigen Darms auf der Spur:
Leaky Gut Syndrom: Mythos löchriger Darm

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Links der letzten Zeit, Teil 1: schräg & informativ

Nr. 1 kommt aus der Wissenschaft und ich wage zu behaupten, dass das für alle, die immer wieder mit Durchfall zu tun haben, ein Segen sein könnte. Zumindest würde sich damit eine neue Einnahmequelle eröffnen:
Exkremente sollen Autos antreiben

Nr. 2 geht in eine ähnliche Richtung, vom Thema her. Hier gehts darum, das mögliche Konsumgut von oberhalb fachgerecht zu klassifizieren.
Wie gut kennst du deinen Stuhl? – Infokarte
Scherz ohne: Das macht durchaus Sinn. Schon alleine, damit man bei entsprechenden Untersuchungen auch eine fachlich hilfreiche Antwort abliefern kann.

Nr. 3 bleibt dann auch gleich beim Eingangs begonnenen Thema. In diesem Video lernt man, wie man richtig sitzt, bei der nächsten Sitzung. Weils eben nicht sch***egal ist:
Richtig sitzen auf der Toilette

 

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Zitat: Ärztliche Kunst und was weiß ein Chirurg

„Die ärztliche Kunst besteht darin, so viel NICHTS zu tun, wie nur möglich. Das gilt für Psychiater wie für Chirurgen. Ein Chirurg braucht 2 Jahre, um zu wissen, wie eine Operation zu machen ist. Und 20 Jahre, um zu wissen, wann die Operation NICHT zu machen ist.“

Aus dem Buch: „Irre – Wir behandeln die Falschen„, von Manfred Lütz. Das Zitat selbst ist von Dr. Eckart von Hirschhausen, im Vorwort zum Buch.

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Soll man sich outen? – Liebe Gitte Härter, …

Liebe Gitte,

du hast dir in einem Blogbeitrag ein paar Gedanken dazu gemacht, ob man sich im Falle einer ernsthaften Erkrankung outen soll, wörtlich: Ernsthaft krank geworden und darüber bloggen? 5 Fragen, die ich mir stellen würde

Erstmal vielen Dank dafür! Denn damit berührst du eines der großen Tabuthemen in unserer vielzitierten Leistungsgesellschaft, wo man dauerhaft jung-gesund-glücklich-erfolgreich-happy durch eine perfekte Welt lustwandeln soll. Alt-krank-traurig-erfolglos-unglücklich ist hochgradig uncool, lästig und im höchsten Maße suspekt. Vielleicht isses ja sogar ansteckend? Sowas kehrt man lieber aus dem Weg und das am besten hinterm Rücken, dem eigenen.

Blöd wirds, wenn es einen dann selbst trifft und man auf einmal auf der anderen Seite seiner Vorurteile landet. Soll man das nun an die große, internette Glocke hängen oder lieber, in gehabter Weise, zudecken und still-schweigen?

Die wunderbare Sabine Dinkel hat sich deinen Fragen gestellt und ein paar Monate früher schon diesen Weg begangen: Sich im Internet outen – ja oder nein?

Und nun sitze ich hier, lese diese beiden tollen Blogbeiträge und grübel darüber nach. Ich habe mir so ähnliche Fragen gestellt und die Folgen sind unter anderem in diesem Blog nachzulesen. Im Vergleich zu Sabine war meine „Arschbombe in die Untiefen des Lebens“ ein eher langsamer Rutsch, der gemählich begann und dann ziemlich rasant wurde. Ich würds mit einer Achterbahnfahrt vergleichen, weil auch immer wieder Höhen dabei waren – die fast mehr weh tun, als die Tiefen, denn sie verbreiten (meist falsche) Hoffnung. Gehts danach wieder im Sturzflug nach unten, tut das dann doppelt weh.

Ist ein Outing hilfreich?

Das kann man weder pauschal beantworten noch jemandem raten. Das ist von Fall zu Fall, von Mensch zu Mensch unterschiedlich und kommt immer auch auf die jeweilige Situation an. Und öfter als man glaubt ist es nicht freiwillig, sondern von den Umständen her notwendig.

Ich mach es mir nun einfach und werde versuchen, das aus meiner Sicht anhand deiner 5 Fragen zu beantworten (und weil die Sabine das auch so gemacht hat und das eine gute Idee ist 😉 *

Die Antworten sind rein aus meinen eigenen, persönlichen Überlegungen und Erlebnissen heraus und sollen lediglich dazu auffordern, sich ein paar Gedanken zu machen, falls man mal in die Lage geschubbst wird, wo sowas notwendig ist … oder wenn man wissen will, warum da einer-eine sich hinstellt und laut sagt, was man so vielleicht gar nicht hören wollte.

1. Wen möchte ich in dieses sehr persönliche Thema einweihen?

Bei mir verlief das so, wie es bei den meisten Outings abläuft: Von innen nach außen. Zuerst kam die Familie dran, naturgemäß, die mussten das als erstes erfahren und haben es auch als erstes miterlebt. Danach kamen enge Freunde, sehr viel später dann der weitere Freundeskreis, fast gleichzeitig mit Kunden und Netzwerkpartnern. Aber das war dann schon so, dass es auch nimmer zu verheimlichen war, dass mit mir „was nicht in Ordnung ist„.

Jeder Crohn-Schub ist anderes, es gibt kleine, die man fast nebenbei erledigt. Es gibt massive, die gar nicht aufhören wollen und dann ganz viele dazwischen. Was da an die Klotür klopft und wie lange das nun dauern wird, kann man immer erst nachher sagen.

Das ich Morbus Crohn habe, haben meine Familie und enge Freunde genauso lange gewusst, wie ich selbst die Diagnose kenne. Aber da gab es eben auch immer wieder gute Phasen und in denen vergisst man schnell, dass da „was“ ist. Ein Beiwagen, dass man unsichtbar mit sich mitschleppt und bis ans Ende aller Tage nicht los wird. Und fallweise kommt einem das dann in die Quere und übernimmt die Steuerung.

Als mein crohnischer Beiwagen die Lenkung übernahm, dachte ich noch, dass ich das mit ein bisschen Auszeit und den üblichen Therapien in den Griff bekommen. Wie schon die paar Male davor. Doch diesmal wars anders und um vieles schlimmer. Was mit einer massiven Verschlechterung während einer Kur 2012 begann, wuchs sich im Verlauf von mittlerweile knapp vier Jahren zu einer kompletten Lebensänderung aus, körperlich, psychisch und natürlich auch vom sozialen Umfeld her.

Vor vier Jahren hatte ich meine kleine Werbeagentur, war als Marketing-Beraterin und Coach hochaktiv, leitete in meiner Freizeit Kult- und Kraftplatzwanderungen, organisierte zusammen mit einer lieben Kollegin einen monatlichen Unternehmerinnen-Treffpunkt und war auch sonst very busy – Kurz: mit einem A*** auf mehreren Kirtagen unterwegs, so sagt man hier bei uns, und das triffts ganz gut. Den lieben Herrn Crohn dachte ich gut im Griff zu haben. Aber das war eine Täuschung.

Nun, vier Jahre später, bin ich um ein paar schmerzhafte Teile meines Darms ärmer und meine Werbeagentur ist ebenso wie meine gesamte berufliche Tätigkeit Geschichte. Das Leben, das ich hatte, ist verschwunden, auch mein soziales Umfeld hat sich komplett verändert. Viele Freunde und Bekannte sind mit dem Ende meiner aktiven, gesunden Zeit zurückgeblieben, haben sich zwar nicht direkt verabschiedet, aber dennoch Abschied genommen.

Das dafür nun andere Freunde in mein Leben getreten sind, ich neue Interesse und Lebensschwerpunkte entdeckt habe und mein Leben neue Qualitäten aufweist, ist die zweite Seite dieser crohnischen Reise – der schöne Teil.

Um auf deine Frage, liebe Gitte, zurückzukommen, wen ich in dieses persönliche Thema einweihen möchte: da gibts gar nicht so viel „möchte“, als man meinen könnte. Es ist vielmehr ein „muss“ und ein „ist passiert“. Sobald absehbar ist, dass man längere Zeit ausfällt, nicht verfügbar ist und es beim Fertigstellen von Aufträgen zu Schwierigkeiten kommen kann, hat man irgendwie eine Verpflichtung das zu kommunzieren. Klar kann man da den wahren Grund verschleiern, aber macht das Sinn? Für Selbständige ist es naturgemäß hochgradig geschäftsschädigend, wenn man auf unbestimmte Zeit ausfällt und da meine ich nicht nur die traurige, finanzielle Seite. Man muss seine Kunden in andere Hände abgeben, Aufträge ablehnen und kann – wie in meinem Fall – oft nicht sagen, wie lange es dauern wird. Das tut weh und es macht auch Angst. Aber gibt es eine Alternative?
Als Angestellte hat man es auch nicht leichter. Da gibt es zwar Krankengeld, was schon mal ein Riesenvorteil ist (was man den Selbständigen bei uns darunter vorgaukelt, ist nur eine Farce) . Aber ein längerer Krankenstand ist für das Unternehmen ein finanzieller Verlust und auf Dauer trägt das nicht. Man kann übrigens auch im Krankenstand gekündigt werden, das ist gar nicht mal so schwer und kommt sehr häufig vor, ist bei lang anhaltender Krankheit meist sogar die Regel.

Ein Geheimnis draus zu machen, macht das Ganze nicht leichter. Arbeiten kann man nicht, wann man wieder arbeitsfähig ist, weiß man nicht und irgendwie erwarten alle Antworten. Es ist ein Zeichen von Fairness, dass man die dann auch liefert, damit sich die Umwelt auf die Situation einstellen kann, mit allen Konsequenzen. Auch wenns schwer fällt.

Familie, Arbeitsumfeld und enge Freunde zu informieren – das ist die erste Phase eines Outings. Und erfahrungsgemäß die schwerste.
Es dann in voller Bandbreite publik zu machen, ev. in Form eines Blogbeitrages, könnte ein nächster Schritt sein. Bei mir waren es eine Reihe von Erlebnisse und der daraus folgenden Entschluss, dass ich das nun öffentlich mache und einen Blog ins Netz stelle. Nicht alles natürlich, aber doch so viel, dass ich weiteren (teils sehr dämliche) Fantasiemeldungen und Gerüchten einen Riegel vorschieben kann. Abgesehen davon hat es mich genervt immer und immer wieder erklären zu müssen, was ich eigentlich habe und nein, das kann man nicht mit etwas Qi Gong und einer größeren Menge Heidelbeeren kurieren.

2. Ist es gut für mich, wenn ich das, was mich gerade bewegt/beeinträchtigt/umtreibt, öffentlich mache?

Mein Lebensumfeld, mein ganzes Leben haben sich zuerst durch meine Erkrankung geändert – nicht durch mein Outing. Meine Briefe aber haben mir geholfen, dass zu akzeptieren was da ist, und mit dem, was mich belastet, besser umgehen zu können. Nebenbei habe ich Antworten auf Fragen geliefert, die man nicht so leicht stellt. Insofern: Ja, es war und ist gut für mich, dass ich das, was mich bewegt hat, öffentlich gestellt habe.

3. Warum möchte ich mich „outen“?

Meine Briefe an den lieben Herrn Crohn und andere waren und sind auch Teil einer Selbsttherapie. Mir hat es gut getan diese Gedanken loszuschreiben und als ich mich dazu entschlossen habe, sie in Form eines Blogs und in weiterer Folge irgendwann mal in Form eines Buches zu veröffentlichen, hatte ich zwar schon ein bisschen Bauchweh (zur Abwechslung mal aus anderen Gründen ;), aber es hat mir auch Mut gemacht und ich hatte plötzlich wieder eine Aufgabe, die mich im täglichen Krankheits-Trott positiv motiviert hat.

Wenn ich damit nun anderen Mut machen kann, sich ebenfalls damit auseinanderzusetzen, oder dazu beitragen kann, dass ein paar mehr wissen, was Morbus Crohn ist, dann habe ich damit einen wunderbaren Effekt erzielt – wie der Chaos-Theorie-Schmetterling, der in China mit den Flügeln schlägt und in Amerika einen Wirbelsturm auslöst. Mein Flügelschlag sind meine Briefe, meine Blogbeiträge – mein Outing, wenn man so will. Der  daraus entstandene Wirbelwind hatte für mich bisher nur gute Auswirkungen. Ein paar verstaubte Ansichten sind gelüftet worden, Gedanken wurden angestoßen, dustere Wolken weggepustet und einiges ist in Bewegung gekommen.

Ein Beweggrund zu Beginn war auch, dass ich nicht mehr um Worte ringen muss, wenn mir mal wieder eine*r seine*ihre ultimative Therapie für mein Leiden andrehen will, ohne Rücksicht und meist ohne Wissen, was ich eigentlich hab. Ich brauche nun nicht mehr höflich zu sein, ich kann dem*derjenigen diabolisch grinsend einfach den Link zu meinem Blog geben 😉

4. Bin ich bereit für die Reaktionen, die kommen?

Ehrlich: dafür ist man nie wirklich bereit – denn die sind so vielfältig und oft aus Richtungen, wo man sich gar keine erwartet hat. Umgekehrt aber kommen dafür dann auch oft null Reaktionen von denen, wo man vielleicht in Gedanken bewusst hingeschrieben hat. Da macht man sich die Mühe, seine Ideen, Wünsche und Flappsigkeiten in Worte zu tippen, und der*diejenige, die man damit eigentlich informieren will, checkt das nicht mal, bekommt es gar nicht mit.
Dafür sind dann viele andere da, die man erst durch diese Worte kennenlernt und die lesen das sehr aufmerksam, fragen nach und reagieren.

Und das ist richtig toll.
Ganz besonders schön ist, dass die Reaktionen, die ich bisher bekam, durch die Bank alle positiv waren. Da gab es keine blöden Meldungen, keine dummdreisten HeilHilfsSegens-Angebote und auch keine Gehässigkeiten. Im Gegenteil, es war mehr wie der berühmte „Heisse Stuhl„, man sitzt und liest und dann hat man plötzlich Pippi im Auge, weil die Rührung und die Freude sich die Hände schütteln und einen umarmen.
Das. Tut. Gut.
Wenn man mit dem lieben Herrn Crohn oder andere blöden Maladitäten tagein tagaus zu tun hat, dann sind Dinge, die einem gut tun, sehr willkommen. Bereit ist man nicht dafür, aber positiv überrascht alle mal.

5. Habe ich die Kraft, Lust und Zeit, auf Nachrichten zu antworten?

Das ist etwas, was man sich durchaus gut überlegen muss – vorher! Ich kann und will nicht dauerverfügbar sein. Meine Mailbox nimmt zwar willig alle Nachrichten an, aber ich schaffe es aus unterschiedlichen Gründen nicht (mehr), alles rasch und flott zu beantworten.

Und das ist ok so. Ich muss nicht 24/7*365 reagieren, ich hab ein Leben zu leben und das spielt sich eben nicht (mehr) nur am PC und im Internet ab.
Klar, das muss man kommunizieren und man muss auch damit rechnen, dass das der*die andere nicht gleich versteht bzw. mitbekommt. Wir sind leider schon so konditioniert, dass wir sofortige Antworten erwarten. Aber die gibts bei mir nun mal nicht mehr – das geht einfach nicht.
Das war allerdings auch ein Lernprozess und der dauert nach wie vor an. Es ist wunderschön, wenn man Reaktionen auf seine Blogbeiträge und Postings bekommt. Doch die Gefahr, dass man sich dann damit unter Druck setzt, ist recht hoch und das tut einem einfach nicht gut. Auch hier muss sich jeder seinen eigenen Weg finden und zwar vorher.

Fazit

Es kommt immer auf den Fall selbst an und auch, ob es sich um etwas Vorübergehendes handelt oder eine dauerhafte, chronische Beeinträchtigung da ist. Abgesehen davon kommt man ab einem gewissen Zeitraum nicht mehr ohne Erklärungen für sein Umfeld aus – das hat sich die Umgebung verdient und man hilft auch sich selbst damit.

Inwieweit man das dann ausdehnt, ob man dazu bloggt oder in Social Media aktiv wird … das liegt an der Persönlichkeit und der inneren Einstellung. Ich habe mich für die Form des Bloggens entschieden, wo ich bestimmte Infos publiziere, mir aber dennoch genug privaten Rückzugsraum lasse, der mir heilig ist und den ich nicht öffentlich stellen will. Auch via Social Media bin ich im Gegensatz zu früher nur noch sehr sporadisch unterwegs, poste wenig und behalte mehr für mich, als ich preiszugeben hätte. Mein Blog reicht mir, hilft mir und auch anderen und tut mir in diesem Rahmen gut.

Liebe Gitte,

Vielen herzlichen Dank für deine mutigen Fragen, die mich dazu motiviert haben, mir (im Nachhinein) ein paar analytische Gedanken rund um mein Tun zu machen. Ich wünsche mir und uns allen, dass dein Beitrag viel und oft gelesen wird, damit mehr sich mit diesem Thema auseinander setzen. Denn es ist wichtig und wird immer wichtiger – man muss akzeptieren, dass das Leben Tiefen hat, die man nicht wegklicken kann. Für manche kommen sie in Form von Krankheiten und das Reden-Schreiben darüber kann helfen. Wie so oft ist aber auch hier die Dosis entscheidend und ich habe für mich dieses Zitat hier immer in Blickweite:

„Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen.“
Teresa von Avila

Alles Gute, liebe Gitte, und ich wünsche dir eines sehr: Dass du dich nie diesen Fragen stellen musst!

Michaela

* Es kann natürlich nun sein, liebe Gitte, dass du damit ein Blogstöckchen geschaffen hast, mit diesem Beitrag. Und wenn das so ist, dann ist das sehr toll 🙂

 

CrohnSchublade 1000 150x150 - Soll man sich outen? - Liebe Gitte Härter, ...Die Zeichnung entstand 2015: „Crohn passt in keine Schublade„. Bissl kompliziert, der Titel, ich weiß, man muss darüber nachdenken. Aber so ist der Crohn nun mal.

 

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„Wie ist es dir ergangen?“

Das Telefon läutet, ich hebe reflexartig ab und eine Stimme fragt: „Du bist schon wieder daheim? Wie ist es dir ergangen, wie war die Kur? Bist du froh wieder da zu sein? …

Ich schaue auf den Wäscheberg, den ich gerade versuche zu sortieren und überlege, ob mein Anrufer eine ehrliche Antwort erwartet. Aber der hat zum Glück keine Zeit für sowas und redet ohne Abwarten weiter. Ich gestehe, ich habe keine Ahnung wovon und nach ein paar Minuten murmel ich was von „Sorry, da kommt ein Anruf rein, auf den ich gewartet habe …“ – „Alles klar, man sieht sich, hört sich – bis später dann!Klack – und Ruhe kehrt wieder ein.

Mein schlechtes Gewissen über die Notlüge hält sich in Grenzen. Mehr noch: es sitzt in der Ecke und winkt nur müde ab, hat keine Lust aktiv zu werden.

„Wo bist du denn zur Zeit?“…

…fragt eine Freundin via Whats App und ich hab gute Lust zu antworten: „Keine Ahnung.
Rein geografisch bin ich zuhause, nach einer vierwöchigen Reha, nach insgesamt acht Sommerwochen, von denen ich sechs nicht daheim und in den beiden restlichen auch nicht richtig „anwesend“ war.
Daheim gelandet, nach insgesamt drei Monaten, die mir sehr viel abverlangt haben und in denen sich mein Leben – einmal mehr – von Grund auf geändert hat. Nur weiß ich noch nicht so ganz in welche Richtung.

Daheim, nach gut vier Jahren dauerkranksein mit kurzen, weniger kranken Unterbrechungen.

Daheim und am Überlegen, ob das nun der Beginn eines neuen Lebensabschnittes ist oder gleich ein neues Dasein wird.

Ich habe keine Ahnung.
Und das ist ganz ok so, jetzt im Moment.

Der Wäscheberg erinnert mich an die Gegenwart und auch, dass ich ursprünglich vorhatte, mein dreckiges Zeug noch in der Reha-Klinik zu waschen, damit ich dann eben nicht mit einem Wäscheberg starte.

Aber vor die Wahl gestellt, mein Zeug in der professionellen Waschküche einer Reinigung zuzuführen, oder eine Runde in den herrlich kühlen Wäldern, vor der traumhaften Bergkulisse, zu drehen, war mein alter Entschluss grau. Bei einem abschließenden Besuch in der Konditorei meines Vertrauens hab ich den hehren „Ich fahr mit sauberer Wäsche heim“-Gedanken dann unter einem Berg Eis und Schlagobers (Sahne) begraben. Der Wäsche ist es egal wo sie gewaschen wird, also kann es auch mir gleich sein.

Heute schaut dasGanze ein wenig anderes aus, aber von Reue keine Spur.

Septemberbeginn

…das bedeutet Herbstbeginn im Kalender, rundum färbt sich auch das Laub schon ein wenig, und die Schule hat begonnen. Nicht für mich, nicht für meine Kinder. Immerhin bleibt mir dieser Stress erspart.

Neumond war auch, genau einen Tag nach meiner Rückkehr und angeblich hat irgendwo auf der Welt auch die Sonne gefinstert, an diesem Tag – nicht bei uns, hier schien und scheint sie golden und gemütlich. Nicht zu heiß, nicht zu wenig, gerade richtig.

Eine gute Zeit für einen Neubeginn“, schreiben die AstrologInnen reihum, und erklären gleich lang und mit wohlgesetzten Worten, warum-wieso-weshalb JETZT der beste Zeitpunkt ist, sein Leben zu ändern.

Meines hat es von selber getan, da hab ich nur daneben stehen und zuschauen können.

Ich finde es immer toll, wenn man von solchen astrologisch begünstigten Lebensmaßnahmen liest und warum man sein Leben jetzt am besten verändern soll. Es erinnert mich an den alten, sehr weisen Spruch:

„Wer die Götter zum Lachen bringen will, der erzählt ihnen von seinen Plänen.“

John Lennon hat es mit mehr Style und ein wenig hippiesker gesagt:

„Life is what happens while your making plans.“

Der Jahreskreis steht auf Erntedank

…eine gute Zeit für einen Kassasturz, wie ich immer sage, schreibe, erkläre … pardon: wie ich immer gesagt, geschrieben und erklärt habe.

Nun stehe ich vor der völlig unwichtigen Frage, ob man im Herbst auch was Neues beginnen kann, während man gleichzeitig das alte bedankt und verabschiedet.

Unwichtig deshalb, weil es nur rein rhetorisch ist – das Neue beginnt und wie der Wäsche ist es ihm (oder ihr?) gleich, was ich für eine Meinung dazu habe.

„Du hast sicher schon einen Plan, wie immer.“, hat mir eine Bekannte aus früheren Zeiten geschrieben. Leider, nein, den hab ich nicht. Die letzten Pläne die ich hatte, waren die Tagestherapiepläne in der Reha und die hab ich nicht selbst erstellt, sondern täglich in die Hand gedrückt bekommen. Am Abend jeweils für den nächsten Tag.

Ja, aber da kann man doch gar nicht planen! Da weißt du ja heute nicht, ob du übermorgen Zeit hast für keine-Ahnung-was!
Ja und? In Wahrheit weiß man das auch mit einem Quartalsplan nicht. Siehe oben, der Götter-Spruch.

Heute zu wissen, was morgen – möglicherweise! – am Tagesplan steht hat mir vier Wochen lang genügt und ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass es sich immer so fügt, wie es gut ist und für mich passt.

Das kurzfristige Planen hat mich Vertrauen gelehrt. Vorsichtig und mit nach wie vor vorhandener Skepsis, aber dennoch ist da ein sanftes, zartes Vertrauen gewachsen.

Was hat sich für Sie verändert in den letzten Wochen?“ hat mich die Psychologin in der letzten Stunde gefragt. Viel und auch nichts und ich kann es kaum in Worte fassen und das ist schon mal was gänzlich Neues. Denn Worte fassen, Bilder entstehen lassen, Geschichten finden ist ja das, was ich gut kann.
Kann ich es noch? Und vor allem: Kann ich es auf diesen, meinen neuen Status bezogen?

Von den vier Wochen Reha habe ich gefühlt drei gebraucht, um meine Füße wieder auf den Boden zu bekommen, den es mir in den Wochen zuvor weggezogen hat. Fünf Wochen nach meiner großen Bauchoperation ist meine Mutter völlig überraschend innerhalb von nicht mal 10 Tagen an einer Hirnblutung verstorben. Eben noch mitten im Leben und auf einmal – Aus.
Und falls wer fragt: Ja, es tut noch immer verdammt hässlich weh.
Dem Bauch aber geht es gut nach der OP.

Das Gefühl, dass ein Leben endet, während für mich ein anderes beginnt, war teilweise so grausam schmerzhaft, dass es mir die Luft beim Atmen abgeschnürt hat.
Warum?“ ist eine idiotische Frage. Immer, denn eine hilfreiche Antwort bekommt man so gut wie nie.

Darum.“ ist der Standardspruch, den man als Mutter seinen Kindern serviert, wenn einem die ewige Fragerei nervt.
Mein „Darum“ hat mir das Leben selbst hingeworfen, wie einen Knochen, und ich mag nicht mehr darauf herumkauen, das bringt nichts.

Eines der Dinge, die ich in den letzten Jahren, im Kampf mit und gegen Herrn Crohn gelernt habe, ist die, dass To-Do-Listen nichts bringen. Ich habe gelernt, meine Tätigkeiten und Wünsche in Prioritätenlisten einzuteilen (siehe hier: Aus dem Bauch, vom Hirn aufs Blatt). Die Methode der Reha-Klinik, den Therapieplan immer nur einen Tag im voraus zu erstellen, ist da ähnlich und vielleicht übernehme ich das in meinen Alltag.

Damit bleibt mir genug Spielraum, in dem sich die unzähligen Hindernisse, Zufälle, Gegebenheiten und Chancen einen Platz finden können.

Nichts tun, einfach dasitzen und atmen, abwarten und dazu Tee trinken – oder ein Eis mit viel Schlagobers genießen. Das ist ein Punkt auf dieser Liste, vorerst. Die anderen werden sich finden, sobald mir im Nichts-Tun etwas begegnet, was sich lohnt eine Priorität zu bekommen.

Fixtermine sind vereinbart, aber wie immer mit einem „kann sich kurzfristig ändern“ Stempel versehen und ich habe mich daran gewöhnt, kein schlechtes Gewissen deswegen zu haben.

„Schreib auf, was du für heute vorhast und dann streich davon die Hälfte!“

Ich habe keine Ahnung, woher dieser Ratschlag auf einmal gekommen ist, er war plötzlich da, eines Morgens, beim Aufstehen. Ich befolge ihn und die Methode tut mir gut.

Alles andere, dieser „große Lebensplan“, die Sache mit den Zielen die man sich setzen soll, wird sich finden, wenn es soweit ist. Momentan suche ich den Boden, am liebsten barfüßig, den da spürt man ihn besser, intensiver, näher. Das gibt Sicherheit und tut gleichzeitig den Reflexzonen gut, was sich wieder auf den Rest des Körpers auswirkt.

Was ich hingegen schon habe, sind Wünsche. Vor allem weil ich gelernt habe, dass die beim Universum besser ankommen, als wenn man hehre Ziele proklamiert. Das Wünschen muss man zwar lernen und es ist wesentlich schwieriger, als man gemeinhin glaubt. Aber dafür ist ein gut formulierter Wunsch schon mal die halbe Erfüllung, den Rest besorgt die Vorsehung, oder was auch immer dafür zuständig ist.

Was für Wünsche das sind?
Sorry, aber die wachsen im Stillen und sind noch nicht bereit laut genannt zu werden. Man sagt ja auch, dass man den Wunsch, nachdem man ihn geäußert hat, vergessen soll, ihm ja nicht nachblicken oder gar immer wieder bekräftigen darf. Wünsche sind sensibel, die brauchen eine besondere Pflege, die haben einen ganz eigenen Spleen. Und vielleicht fühl ich mich ihnen gerade deshalb so verbunden, weil es mir ähnlich geht.

Ich bin wieder da.

Und langsam wachsen meine Wurzeln wieder in den heimatlichen Boden, finden Halt und geben mir die Kraft die ich brauche, damit ich mich in diesem neuen Dasein zurecht finde.

Mein Crohn-Blog ist aus dem sommerlichen Dornröschenschlaf erwacht (und auch mein Kraftplatz-Blog ist wieder aktiv). Das Buchmanuskript rund um die Briefe aus dem Leben mit Herrn Crohn & Co. liegt auf meinem Schreibtisch und bekommt den letzten Schliff und – HURRA! – ein Ende, ein gutes Ende! Darauf habe ich gewartet, ohne dass ich gewusst habe, was mir im Konzept noch fehlt.
Ich bin ein Hollywood-Film-Fan, ich brauche immer ein Happy End, wenn ich mir einen Film ansehen. Im echten Leben sind die Happy Endings ja nicht immer gegeben. Für mein Crohn-Buch aber habe ich mir ein solches Happy End gewünscht und eines gefunden, das dem am nächsten kommt.

Und damit hat sich schon mal einer meiner Wünsche (siehe oben) erfüllt 😉

Stay tuned – es geht weiter. Weil irgendwie gehts immer weiter.

FuckingGreatJob 1024x768 - „Wie ist es dir ergangen?“

 

FuckingGreatJob Acryl 150x150 - „Wie ist es dir ergangen?“You are doing a fucking great job!“ – die Zeichnung ist schon letztes Jahr entstanden. Einmal digital, am Zeichenbrett, und einmal Acryl auf Leinwand. Die Inspiration dazu kam von dieser Seite: Emily McDowell

Das Bild oben ist ein Aquarell, dass ich auf Reha gemalt habe: Licht am Ende des Tunnels.

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Ein Interview!

Die wunderbare Gitte Härter, deren Blogs seit langem zu meinem All-Time-High-Favourites zählen und die ich jedem, der sich auch nur ansatzweise mit Schreiben, Bloggen, Wörtern beschäftigt, empfehle, also diese wunderbare Gitte hat mich interviewt! Und ich bin nach wie vor sehr von den Socken ob der Freud´und Ehr 🙂

Die Fragen hat sie mir schon vor einiger Zeit geschickt, aber der Herr Crohn und das Leben waren leider nicht so kooperativ, dass sie mir Raum zum Antworten gegeben hätten. Nun aber hat es gepasst und seit heute ist das Interview in voller Pracht, inklusive Bildern im Netz. Es geht darum, wie-woher-warum ich über den Crohn und das damit verbundene Dasein blogge, wie alles begann, was daraus werden soll, usw. usf.

Hier zu finden:

Schreibnudel.de:
Interview 
mit Michaela Schara zu ihrem ganz besonderen Blog

Und wenn ihr schon mal dort vorbeischaut, dann auch gleich bei den anderen tollen Beiträgen reinlesen und auch auf der Himbeerwerft vorbeisurfen – die ist auch ein feines Gitte-Werk. Da gibts Schmarrn und Mantschgerl und Infos und und und … reinschauen! Hopp!

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Linktipp: Du bist nicht allein. Zumindest im Bauch.

Den Spruch „Wer bin ich und wenn ja, wieviele“ ist meiner Meinung nach immer die intellektuelle Version von „Du bist aber auch nicht ganz allein“ gewesen. Bei letzterem bezieht sich das aber weniger auf unser inneres Team, sondern dass man nicht ganz dicht ist, also einen Sprung in der Schüssel hat.

Nun hat sich aber im Lauf der letzten Jahre einiges getan, am Wissensstand über unser physisches Innenleben, speziell was die Besiedlung unseres Darms betrifft. Insofern kann man die Frage, nach dem „Wieviele?“ mit einem „hoffentlich ausreichend“ beantworten. Die Rolle unserer Darm-Mitlebenwesen ist größer als ursprünglich angenommen:

Störungen der Darmflora, die sich nach Ansicht mancher Forscher schon in scheinbar kleinen Veränderungen der intestinalen Biodiversität zeigen können, werden mit einer Vielzahl von Erkrankungen in Verbindung gebracht, von entzündlichen Darmerkrankungen und Übergewicht über Krebs und Diabetes bis hin zu fragwürdigeren Zusammenhängen mit Autismus und unbewusster Partnerwahl. „Wir sind unsere Bakterien“, titelte die New York Times vor zwei Jahren. Auch Forscher sprechen gern von einem Metaorganismus aus Mensch und Mikrobe.

Mehr dazu gibts in diesem Artikel auf Faz.net:  Du bist nicht allein

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Hochsensibel? Vielleicht. Sicher aber ein Buchtipp.

Bin ich hochsensibel?

Ich gestehe: Ich habe ein Problem mit psychologischen Neuheiten. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurden Kinder, die aufgeweckter als andere waren, viele Warum-Fragen stellten und sich nicht mit einem einfachen „Darum“ zufrieden stellen ließen, als ADHSler abgestempelt. Mit allen Konsequenzen. Noch früher hieß das Zappelphilipp oder man sprach davon, dass da ein Kind eben Hummeln im Hintern und Flausen im Kopf hatte.

Durch das, was man so gemeinhin „gesellschaftliche Entwicklung“ nennt, bekamen manche Kids dann noch andere Symptome aufgedrängt und eine Vermischung von dem, was behandelnswert wäre, und dem, was schlicht eine normale Entwicklung war, sorgte dafür, dass man eine bequeme Diagnose hatte, mit der man Kinder schubladisieren und Eltern, Lehrer, Aufsichtspersonen beruhigen bzw. abkanzeln konnte.

Die Grenzen waren schwammig und auch wenn Ritalin in Europa nicht so exzessiv verteilt wurde, hatten noch genug Familien mit dem Stigma bzw. der Auszeichnung zu kämpfen. Für manche war und ist es ein unstimmiges Urteil, für andere eine gute Ausrede und für weniger als vermutet eine richtige Diagnose.

Ein paar Jahre darauf gewann das Schlagwort „Asperger Autismus“ in der Diagnosenreihung an Ansehen und wenn man nicht plötzlich mindestens 5 Kinder im Umfeld hatte, die das als Ursache ihrer „gesellschaftlichen Auffälligkeiten“ im Lebenslauf stehen hatten, dann lebte man vermutlich auf einer abgeschiedenen Alm, als Eremit.

Ich möchte damit bitte ganz sicher nicht behaupten, dass es die beiden psychologischen Phänomene nicht gibt – im Gegenteil: ich bin sicher, dass die beiden Krankheitsbilder (darf man das so sagen?) tatsächlich existieren.
Aber es ist auch ein Fakt, dass man die beiden Begriffe gießkannenartig über all diejenigen geschüttet hat, die sich nicht in die üblichen Schubladen des Erziehungssystems pressen ließen (und lassen). Und die „üblichen Schubladen“ wurden in den letzten Jahren leider immer mehr auf ein stumpfes, bewegungsreduziertes, nicht-nachfragen-nur-akzeptieren-Niveau gedrückt.
Das ist meine sehr persönliche Meinung als Mutter, Tante und Mensch, die mit solchen Aussagen die eigene Schulzeit und die ihrer Kinder hindurch immer wieder zu Grundsatzdiskussionen aufgefordert wurde.

Ich habe aber auch noch die Aussage einer Betreuungslehrerin im Ohr, die man nach einigen nicht so prickelnden Vorfällen zwecks Supervision in die Volksschule holte: „Das ist ein ganz normales, liebes Kind und wenn`s wütend wird, ist das absolut nachvollziehbar. Das Problem liegt hier ganz woanders.

Und nun gibt es ein neues Schlagwort: Hochsensibel.

Du bist sicher auch hochsensibel, das erklärt alles – deine Erkrankung, deinen Umgang mit anderen, deine Lärm- und Nahrungsmittelempfindlichkeit, das du eben so bist, wie du bist …“

Geständnis Nr. 2: Bevor ich noch wirklich wusste, was das war, diese Hochsensibilität, war ich schon dagegen und fand das ganze unsympathisch.
Die nächste Schublade im Kästchendenken der Mitmenschen, ein weiterer Stempel, den man sich aufs Aug drücken lassen muss … oder will, je nachdem wie man dazu steht.

Ich habe eine recht lange Liste an Diagnosen, Morbus Crohn ist nur eine davon. Dazu kommen noch sog. Differential-Diagnosen. Das sind die, wo noch nicht ganz raus ist, ob sie auf mich zutreffen oder nicht, aber der begründete Verdacht besteht.

Hinzu kommt eine lange Liste an Allergien und Unverträglichkeiten, hauptsächlich was Medikamente betrifft. Meine Birken-Allergie hat sich in den letzten Jahren dafür immer mehr zurückgezogen. Ich vermute, die Dränglerei, wer nun grad dran ist mit Unannehmlichkeiten machen, war ihr zu viel.

Dann gibt es natürlich noch die psychologischen Hinweise, die sich mit dem Faktor Traurigkeit versus Depression beschäftigen und regelmäßig zu interessanten Diskussionen mit Psychologen und Psychotherapeuten führen. Ich bin ja der (überholten?) Meinung, dass man ein gewisses Recht auf Traurigkeit und Trauer hat, wenn einem das Leben unterm Arsch wegbröckelt. Und das man eben so seine Zeit braucht, damit man damit fertig wird. Sein Leben zu verlieren, während man noch lebt, ist ja schon eine der eher mühsamen Erfahrungen um Dasein. Sich dann ein neues aufzubauen, mit auf den Rücken gebundenen Händen (um das mal poetisch zu umschreiben), im Wissen das es jederzeit wieder den Bach runter gehen kann … also das sorgt in Summe dann doch für fallweise unfreudige Tage.

Meine Meinung, dass einem da Glückspillen weniger helfen, als eine 100er Packung Taschentücher und ein Freund, eine Freundin, die zum Hand halten und mitheulen bereit sind, wird leider nicht von allen psychologisch-therapeutisch-medizinisch Tätigen geteilt. Von der sich immer schneller drehenden Gesellschaft als ganzes fallweise noch weniger.

In Amerika soll sich die zugestandene Trauerzeit nach einem Todesfall im nahen, persönlichen Umfeld, auf ca. drei Wochen beschränken. Alles was darüber hinaus geht, wird als behandelnswerte Depression gesehen und mit ein paar Pillen wegtherapiert.

Ich bin ein Dinosaurier, was solche gesellschaftlichen Direktiven betrifft, und finde das schlichtweg vertrottelt. Ein Jahr war die Trauerzeit in früheren Tagen, nicht mehr und nicht weniger. Unter dem tu ichs bittschön auch nicht.

Das mag Hobby- und Berufspsychologen nun genussvoll schmatzen lassen, aber – Obacht liebe Leut! – zieht euch warm an, denn es kommt noch intensiver:

  • Ich war als Kind sehr schüchtern und auch wenn mir das keiner (mehr) glaubt: ich bin es noch. Ich verstecke es nur sehr gut und kaschiere es mit dem, was allgemein unter Selbstbewusstsein und „scheiß drauf“ bezeichnet wird.
  • Außerdem bin ich olfaktorisch leicht aus der Fassung zu bringen – starke Gerüche hauen mich sprichwörtlich um.
  • Ich hasse Lärm und das kann auch schon zu laute oder die „falsche“ Musik sein.
  • Ich hasse kratzende Pullis und scheuernde Etiketten am Hals – aber wer liebt die schon?
  • Menschenansammlungen sind mir ein Gräuel, speziell wenn es dann noch laut ist und die Luft zum Schneiden.
  • Einkaufstempel und Supermärkte sind für mich eine moderne Form der Folter, aber Genuss-Shoppen in kleinen Geschäften liebe ich.
  • Ich habe ein Faible für Ordnung, aber leider nicht die umfassende Begabung dafür. Will heißen: Ich habs schon gern hübsch, aufgeräumt, klar und sauber. Aber mein innerer Chaot ist meist mit dem Aufrechterhalten des Zustands überfordert, speziell wenn mehrere Menschen im Spiel sind, die so ihre eigene Form von Chaos mitbringen.
  • Ich bin tageweise extrem empfindlich, spüre die Emotionen anderer als wären es meine eigenen, reagiere manchmal aufbrausend, wenn mir alles zuviel wird, oder ziehe mich in ein dornrösiges Schneckenhaus zurück.
  • Social Media sind für mich Fluch und Segen zugleich. Gut, weil ich so auch aus horizontaler Krankenlage mit anderen in Kontakt treten kann und einen (wenn auch verzerrten) Blick in die Welt behalte. Schlecht, weil die Infoflut mein Hirn überschwemmt und mir bei den Bildern und Nachrichten, die da unreflektiert gepostet werden, in 70% der Fälle die Grausbirnen aufsteigen (ostösterr. Ausdruck für „das Grauen bekommen“).
  • Ich arbeite gern in einer ruhigen Umgebung, speziell wenn ich schreibe oder zeichne und wenn man mich dann öfter stört oder sich Störfaktoren einschleichen, reagiere ich mitunter sehr gnatschig und werde leicht unrund.

Bin ich also doch hochsensibel? 

Oder nur ein normaler Mensch, der mit der Welt und dem Dasein fallweise seine Zugangsprobleme hat?
Wenn es nach den Meinungen mancher Mitmenschen geht, die mit Schubladen schnell zur Hand sind, dann gehöre ich zu den sog. HSPs – Highly Sensitive Persons, also zu den Hochsensiblen Persönlichkeiten.

Meine Aversion wuchs jedenfalls in dem Ausmaß, als ich den unsensiblen Stempel als ultimative Erklärung für alles präsentiert bekam.

Dann kam Sabine.

Und ihre supertollen Bassets Wilma und Frieda (die sind ja sooo süß!!!)

Sabine Dinkel ist Coach und lebt in Deutschland, im hohen Norden. Kennengelernt hab ich sie via Twitter und später dann haben wir uns auch auf Facebook ausgetauscht. Wir kennen uns nur virtuell, aber sie ist einer der wenigen Menschen, bei denen das funktioniert und wo ich mir sagen traue, dass eine echte Freundschaft entstanden ist.

Sabine bekennt sich dazu hochsensibel zu sein und hilft anderen, denen es ähnlich geht. Aus ihrem Arbeitsdasein als Coach und Beraterin heraus hat sie nun in Zusammenarbeit mit dem Informations- und Forschungsverbund Hochsensibilität e. V. (hochsensibel.org) ein Buch herausgebracht: Hochsensibel durch den Tag.

Mach doch mal einen Test, sprich das doch mal bei deinen Ärzten an, les dich doch mal ein …“ usw. usf. bekam ich von Gutmeinenden immer wieder, immer häufiger gesagt und geschrieben. Insofern kam Sabines Buch gerade zum richtigen Zeitpunkt.
Ich habs heute mit den Geständnissen, darum gleich noch eines: Ich war sehr skeptisch. Lebensratgeber-geschüttelt und -gebeutelt stand mir der Sinn absolut nicht nach einem weiteren „So sollst du leben und nicht anders“-Buch. Darum habe ich via Leseprobe und auf ihrer Website erst ausgiebig ins Buch hineingeschaut, bevor ich es mir bestellt habe.

Angesprochen hat mich – neben dem sehr klaren und angenehmen Layout – der Satz: Raus aus der Reiz-Überflutung.
Holla die Waldfee – das klingt ja gleich ganz anders als „du bist hochsensibel und musst dich eben an diese oder jene Regel halten“.

Mein Fazit von „Hochsensibel durch den Tag“

Es ist egal ob man es ist oder nicht: das Buch hat viele hilfreiche Tipps für alle, die mit der einen oder anderen Alltagssituation fallweise überfordert sind.

Sehr angenehm ist der vorgeschlagene Ansatz, die Tipps und Infos als Buffet zu sehen, von dem man sich das nimmt, was einem aktuell hilfreich erscheint.
Damit das gut geht, sind die Tipps nach Situationen geordnet. Vom ganz normalen Alltag, über das Arbeiten im Home-Office oder am Arbeitsplatz. Partnerschaft und Netzwerken werden ebenso angesprochen wie – superfein! – der Besuch beim Arzt und die damit verbundenen Aufregungen.

Die Texte sind gut gegliedert, mit persönlichen Geschichten oder Erlebnissen vermenschlicht und es gibt immer eine Tippsammlung für Notfälle.

Der Test.

Und es gibt natürlich auch einen Test, wo man auf die Schnelle reinschnuppern kann, ob man sich nun zu den sog. HSPlern zählen soll-darf-muss-kann oder eher nicht.

Gekoppelt mit dem Hinweis, dass das kein Diagnose-Sheet ist, sondern nur eine erste Hilfestellung.

Wer nun darauf wartet, dass ich hier mein Testergebnis rausposaune: Sorry, es gibt Intimitäten die gehen nur me, myself and I an. Allenfalls vielleicht noch den Herrn Crohn, aber dem ist das herzlich wurscht (egal).

Mein Lieblingskapitel …

… ist übrigens „Schöne Dinge tun und Energie tanken“. Da hab ich einiges gefunden, was ich mal ausprobieren will und werde.

Fein fand ich auch die Hinweise auf andere Bücher, Websites und Infos im Netz, da kann man sich dann zielgerichtet weitere Tipps und Erklärungen holen. Unter anderem habe ich so herausgefunden, dass ich chronotypologisch ein „Leichter Frühtyp“ bin – das bedeutet, dass ich eigentlich zu den Lerchen zähle (Hah! In your face ihr quietschfidelen Early-Bird-Menschen!), auch wenn ich daseinstechnisch am frühen Morgen nicht zu denen gehöre, die frohgemut und munter auf der Suche nach dem frühen Wurm herumhoppsen. Sondern alle frohgemuten Hoppser mit Blicken und wenns sein muss auch verbal erstummen lasse. Aufstehen ist ok. Aber Gespräche bitte erst nach 10 Uhr. Der Morgen ist heilig, schreckhaft und sehr sensibel. Ich kann ihn verstehn, mir gehts genauso.

Buchtipp & Kaufempfehlung

Ich mag das Buch und hab es bei denen stehen, die ich immer wieder zwischendurch in die Hand nehme, was soviel bedeutet wie: es gehört nun zu meiner Liste an Nachschlagwerken, die ich auch gerne anderen in die Hand drücke, wenn mir Erklärungen rund um meine Spleens und Special Effects zu mühsam sind.

Ich denke, es ist ein gutes Buch für alle, egal ob man sich als hochsensibel empfindet oder nicht. Es kann einem helfen Klarheit darüber zu finden, aber mehr hilft es einem, einen mitunter anstrengenden Alltag in kleine, bekömmliche Happen zu teilen, damit einem der Tag am Abend nicht auf den Magen schlägt.

Speziell wenn man ohnehin schon eine diagnostische Liste an Besonderheiten angesammelt hat und ein klein wenig mehr Unterstützung im Dasein sucht, finden sich in den Tipps zahlreiche Hilfen, mit denen man sich die Umwelt besser gestalten kann.

Bin ich nun hochsensibel?

Möglicherweise.
Aber vielleicht ist nur das Leben und die Umwelt ein wenig zu unsensibel und ich eben ein verschrobener Dinosaurier der alten Zeit, mit einer Vielzahl an Spleens und Empfindlichkeiten, die sich sowohl in Zickereien und Grant äußern können, als auch im kompletten Verstummen und Rückzug.

Hochsensibel ist dann die Kurzbezeichnung, für mich und andere.

Hochsensibel durch den Tag

Sabine Dinkel
Verlag Humbold
ISBN 978-3-86910-514-7
19,99 € (D)

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Weitere Infos: Klick aufs Bild (Affiliate Link zu Amazon*)

Leseprobe und Verlag: Hochsensibel durch den Tag – Humboldt
Website & Blog von Sabine Dinkel: www.sabinedinkel.de
(da gibts übrigens einen wirklich sehr toll-feinen Newsletter, die Weekly Wilma – sehr empfehlenswert!)

Affiliate Link via Amazon:
Der Amazon-Link ist als Info gedacht bzw. wenn wer über diesen Link bestellt, erhalte ich eine kleine Provision. Wenn ihr die Bücher im Buchhandel kauft, dann freut sich der über eure Unterstützung und das ist auch sehr fein. Die Kosten sind die gleichen und man unterstützt den lokalen Handel. Viele der Bücher sind auch direkt beim jeweiligen Verlag erhältlich und manche nur noch antiquarisch.

Allgemein

Totenhemd-Blogaktion – Mein Beitrag: Die Sache mit der Amöbe

Im wunderbaren Totenhemd-Blog gibt es eine neue Blogaktion (Auferstehung? Was kommt nach dem Tod?), bei der ich wieder mitmache. Beim letzten Mal war ich mit meinem KultKraftPlatz-Blog dabei und das war mein Thema: Wie kann ich mein Schwert (und anderes) ins Jenseits mitnehmen?

Diesmal geht es um die Auferstehung bzw. das Leben nach dem Tod. Also ob es das gibt und wie man sich das vorstellt und überhaupt. Kaum habe ich von der Aktion erfahren, musste ich an eine alte Vision von mir denken: Die Sache mit der Amöbe.

Meine Geschichte „Warum die Sache mit der Amöbe fallweise doch überlegenswert wäre“ könnt ihr direkt im Totenhemd-Blog, lesen. Da findet ihr auch die anderen Beiträge zu diesem Thema.

Wer sich nun fragt, was das mit diesem Blog und Morbus Crohn zu tun hat: Eigentlich nichts und dann doch wieder eine Menge. Denn man hat fallweise ein bisschen viel Zeit zum Nachdenken und Grübeln, wenn der Herr Crohn einen mal wieder zu Stubenarrest verdonnert. Da kommen dann eben auch seltsame Gedanken und wer eine chronische, nicht heilbare Erkrankung als „Herausfoderung*“ im Leben zugeteilt bekommen  hat, der grübelt eben auch irgendwann mal über das nach, was einem im Leben danach so erwarten könnte.
Was vielleicht morbid ist, aber meiner Meinung nach durchaus normal und menschlich. Der Tod gehört zum Leben dazu und ist das einzige, was mit (tödlicher) Sicherheit jedem passieren wird. Irgendwann.

Gedanken rund ums Sterben macht man sich meist dann, wenn es einem sehr schlecht geht, man miese Zeiten hinter sich hat und die Stimmung am Tiefpunkt ist – aus vielerlei Gründen. Chronisch Kranke haben vielleicht öfter solche Phasen, was logisch ist, denn Schmerzen und Schwäche zermürben auf Dauer. Die Kunst besteht dann meiner Meinung nach darin, dass man diese Gedanken zwar zulässt, aber ihnen nicht die Führung überlässt. Denn die gehen dann vielleicht auf Wege, wo man nicht mehr so schnell umkehren kann.
Mir hilft es, wenn ich ihnen mittels Schreiben oder Zeichnen Raum verschaffe. Dann sind sie nicht mehr in mir drin, ich kann sie logisch und empathisch betrachten und sie haben eine Bühne auf der sie sich in einem klar begrenzten Rahmen bewegen können. Win-Win nennt man das.

Darum nehme ich diesmal mit meinem Crohn-Blog bei der Totenhemd-Blogaktion teil. Weil man sich auch in besseren Zeiten durchaus mal mit solchen Gedanken auseinandersetzen kann, wie zum Beispiel mit dieser Auferstehungssache und wie das nacher dann so sein könnte. Und weil die Gedanken, die dann da kommen, mitunter recht vergnüglich sind. Auf eine zugegeben sehr schräge Art und Weise 😉 … aber lest selbst.

 

* Wir haben ja keine Probleme, wie wir gelernt haben. Sind alles Herausforderungen, die uns helfen sollen. Bei den meisten findet man allerdings nie raus, wobei einem die helfen sollten. Aber das ist eine andere Geschichte.

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