Allgemein

In dieser Kategorie findest du die Mehrzahl der Beiträge im Blog: Worum es im Blog geht, Linktipps und Buchempfehlungen, generelle Infos rund um Morbus Crohn und andere CED, Ernährung und Diät, Videos, Frust und Freude, neue Mediks und Geschichten aus dem Leben mit einer CED – eine bunte Mischung aus allem!

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Kartenhauskarussell

Müde – das ist das Schlagwort dieser Tage.
Ich bin müde.
Nicht „wenig-Schlaf-gehabt“-müde.
Nicht „zu viel getan“-müde.
Nicht „schlechten-Tag-gehabt“-müde.
Sondern „Alles ein bisschen mehr als zu viel gewesen“-müde.

Und dieses „alles“ lässt sich auf ein paar Faktoren einschränken. Nämlich zu viel, zu lange andauernde Situationselastik, von außen und innen:

Wenn man am Beginn der Woche keine Ahnung hat, ob der Kalender sich täglich dreimal neu schreibt und man am Ende der Woche entweder gar nichts oder viel zu viel gebacken bekommen haben musste.

Wenn man zum Doc-Date ins Krankenhaus aufbricht und keine Ahnung hat, ob man trotz rechtzeitig wegfahren auch rechtzeitig da ist, weil die nach wie vor nicht eingespielten Corona-Kontrollen so chaotisch sind und man dann erst beim Betreten des Raumes sieht, ob man auch wirklich bei „seinem“ Doc gelandet ist … oder seiner nicht geliebten Vertretung (und damit das ganze Abenteuer, den Aufwand und die Hoffnungen in den Kübel kicken kann).

Wenn man Aussicht auf ein paar schöne Tage hat und Madame Migraine einem genau dann beehrt und man versucht dennoch durchzuhalten. Wissend, dass die Schönheit des Moments sich erst lange danach als Erinnerung ergeben wird … oder auch gar nicht.

Wenn dies und das und nochwas ... und all das nicht, wenig oder ganz anders kommt, geht, sich zeigt oder wasweißich.

Ich bin müde, frustriert, resigniert, erschöpft und – als Crohnie besonders perfide, also bitte einmal kräftig „Ha Ha“ – scheiß drauf.

Ich hatte Hoffnungen und Pläne für dieses Jahr. Und wie bei allen anderen Menschen auf dieser Welt hat auch bei mir das Leben gemeint, dass es mal eben ein neues Level freischaltet und spontan prüft, inwieweit ich mich an das statische Sein angepasst haben oder ob ich eh noch beweglich genug bin, die sich täglich dreimal ändernden Umstände, Emotionen, Termine und Vorgaben wie ein Lebensschleudertrauma flexibel ins Dasein zu integrieren.
Da kann einem schon mal die Luft ausgehen und dafür braucht es gar keine Maske (die das alles nicht schlimmer macht, sondern zumindest dafür sorgt, dass man sich Mengen an Make-Up spart, um zu versuchen cool und fesch auszusehen, und keiner sieht, dass einem darunter nicht nach Lächeln zumute ist).

Abgesehen vom bösen C wäre der Sommer ein schöner gewesen. Also wenn man auch davon absieht, dass (mir) die Hitze teilweise unerträglich war und sich in unmittelbarer Umgebung ein paar sehr zu Herzen gehenden Lebensdramen abgespielt haben, es teilweise noch immer tun und nein, da kann Frau sich nicht raushalten oder abschalten oder wegsehen.

Ich bin unendlich müde … und es hängt zur Abwechslung mal nicht (nur) am niedrigen Eisenspiegel und am blassen Blutbild.
Ich bin grundmüde … und die zunehmend mehr werdenden Migränetage machen das nicht besser.
Ich bin winterschlafmüde … und bedaure einmal mehr, nicht als Bär auf die Welt gekommen zu sein.
Ich bin frustriert-müde … und die Gründe dafür sind üppig.

Was ich hätte tun sollen-wollen:

Mich volle Kanne in das Projekt „MEIN ERSTES BUCH BEKANNT MACHEN UND PROMOTEN“ zu stürzen.
Sprich: Mit Verve netzwerken, Kontakte kontaktieren, Bonus-Content kreieren, Lesungen und Auftritte organisieren, Social Media befüllen und mich als Neo-Autorin positionieren.

Außerdem: Mir Gedanken über ein mögliches nächstes Buch machen, eine Übersetzung des ersten ins Englische zu ermöglichen suchen und meine ultimative Positionierung als Darm-Fluencerin zu inszenieren. Ich hätte pushen und dingsen, schreiben und reden, zeichnen und filmen, dies und das und noch was wollen-sollen. Und es ist nicht nur dem Big-C zu verdanken, dass so gut wie nichts davon geschehen ist.

Mein Buch wächst leise und zart in die Welt – im Sinne von: Wird bekannter. Nicht in dem Ausmaß und der Schnelligkeit, wie der Verlag und ich es uns erhofft haben, aber es wächst stetig. Und das Schönste: Die Reaktionen sind durch die Bank gut, motivierend und erfreulich. Aktuell (Stand September 2020) sind es 14 Sternebewertungen auf Amazon, mit 10 Rezensionen ebendort.

Die Rezensionen bzw. Buchbeschreibungen von anderen, in Blogs & Co., sind wie gehabt und ja, ein bisschen tut es weh, weil wir sehr viele Rezensions-Exemplare ausgeschickt haben (und vorweg gefragt haben, ob Interesse an einer Rezension besteht), aber bis heute nur sehr wenige Retourmeldungen dazu gekommen sind. Dafür sind die, die da sind, bekräftigend und erfreulich und machen sehr happy. Und ich bekomme immer wieder sehr berührende, schöne, ermutigende Mails von LeserInnen, die mich für Tage glücklich machen. Das tut unendlich gut, bestärkt und macht Mut.

Andererseits habe ich selbst auch einen Stoß Bücher hier liegen, die ich lesen und rezensieren sollte und einige liegen schon länger – mea culpa. Insofern alles gut und verständlich, so ein Buch liest sich nicht von selbst und das Schreiben darüber braucht auch nochmal Zeit und Motivation.

Die Idee und der Wunsch Lesungen zu machen, waren vor Big-C sprudelnd und ambitioniert. Das Ganze dann C-bedingt virtuell zu machen scheiterte an meiner mangelnden Kraft, mich dem Thema situationselastisch anzubiegen und der Tatsache, dass Zoom-Meetings und Videos not my yellow from the egg sind. Nicht von technischer Seite her, sondern betreffend Aufwand und Anstrengung (und Eitelkeit: Ich mag mich auf Videos nicht ansehen).

Immerhin: Eine virtuelle Lesung für ein Unternehmen gabs – ohne Bild, dass sich durch die kollabierende Internetverbindung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Dabei hab ich mich dafür extra hübsch gemacht und auch den Hintergrund beschönt. Ich hoffe, es kam auch verbal fesch rüber 😉

Fakt ist, dass ich das alles auch ohne Big-C nicht so geschafft hätte, wie ich es mir im Frühjahr erhofft-träumt habe. Nicht mit meinen unsichtbaren Sidekicks namens Crohn, Migräne, Fatigue und dem Rest der fiesen Gang. Es hat einen guten Grund, dass ich seit 2016 in Berufsunfähigkeitspension bin, also nicht arbeitsfähig. Und ein Buch in der Form zu promoten, wie ich es vor hatte und wie es vermutlich gut wäre, ist ein 24/7 Fulltime-Job.

In den letzten Jahren hat sich zudem meine Migräne zu einer wahren Pest herausgewachsen. Diesen August bin ich auf 14 Schmerztage gekommen, mit 11 Anfällen. Das ist ein neuer, persönlicher und sehr schmerzhafter Rekord, auf den ich keinen Wert gelegt habe.
Funfact: Es sind genausoviele Schmerztage, wie ich aktuell Sternebewertungen für „Shitstorm im Darm“ habe. Darüber kann man bei einem Hafer-Matscha-Ladde schon ein paar Sekündchen filausoflieren. Doch wer die Hälfte des Monats Schmerzen im Oberstübchen hat, der (die) hat keine Kraft über, um sie stylish im grünen Hafer-Gschloder zu versenken.

Und ich liebe Matcha-Latte.
Und philosophiere auch gerne.

Wenn ich ehrlich bin, dann ist es vermutlich diese Komponente, die den größten Anteil an meiner Frust-Erschöpfung-Sinn-Müdigkeit hat. Ich meine: Wadsefuck???

Ich habe 99% der Dinge probiert, die man bei Migräne probiert, in absolut jeder medizinischen-alternativen-komplementären Richtung. Der fiesen Hirn-Funsen ist es sch***egal. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt.
Akkupunktur, Homöopathie, Schmerzmediks quer durch die pharmazeutische Landschaft (NSAR, Non-NSAR, Triptane …), einmal durch alle Kräutergärten der traditionellen Medizinen, Stressvermeidungs- und Entspannungstechniken (alles, wirklich ALLES was es gibt – kann einen Workshop nur dazu machen). Außerdem Injektionen in vielerlei Form und (immer, IMMER!) dahin, wo es richtig-richtig weh tut und seit 2 Jahren ein Spezial-Elektrodengerät, dass mir zwei-dreimal täglich die Nerven im Köpfchen ordentlich durchbrutzelt, damit sie abgehärtet und disziplinierter werden.

Wer sich nun berufen fühlt, mir Tipps á la „… hast du schon XYZ probiert“ zu senden-sagen-schreiben: Bitte verzichte darauf und geh davon aus, dass ich es probiert habe, vermutlich sogar mehrfach.
Das gilt speziell für Diäten, Bioresonanz und andere Austestungen, Geistheilung, Handauflegung, Nahrungsergänzungsmittel, sämtliche klassischen und energetischen Massagerichtungen, Schüsslersalze, Wundersalben, Zauberpflaster, Himmelskonstellationsveränderungen, Seelenklempnereien und vieles anderes, ähnliches.

Ich mache täglich Yoga, seit Jahren.
Ich meditiere täglich, auch schon eine ziemliche Lebenszeit lang.
Ich bin viel in der Natur, gehe täglich (Danke Hundegirl) spazieren – meine Kondi ist nicht brüllend, aber gut.
Ich halte mich seit Jahren strikt an meine Diät und die sehr seltenen Ausrutscher dann und wann gehören zu dem, was man Leben nennt.
Ich weiß, was bei mir Anfälle auslösen kann: grelles Licht, Stress, falsches/zu spätes/zu üppiges Essen, zu wenig Essen, Lärm, zu wenig Trinken, bestimmte Nahrungsmittel, blöde Mitmenschen, Katastrophen, Wetteränderungen, Bauchbeschwerden, starke Gerüche, Überanstrengung in jeder Form, zu wenig Schlaf, zu viel Schlaf, die Mondphasen über der Sahelzone usw. usf.

Und ich versuche soviel davon zu meiden, wie nur möglich und sofern es sich vermeiden lässt. Was nicht immer geht, denn: This is life – it happens, obwohl du versuchst es zu vermeiden.
Doch selbst wenn ich alles, absolut alles, was ich meiden kann, meide, passiert es trotzdem immer wieder und der Kopf explodiert vor Schmerz. Der Tag ist im Eimer, die Kraft geht fürs Durchhalten drauf und der Magen muss einmal mehr mit den Schmerzmediks klarkommen, damit der Rest des Körpers zumindest ein erträgliches Sein hat. In 7 von 10 Fällen habe ich keine Ahnung, warum es so ist, was diesmal der Auslöser war, wer oder was Schuld hat.

Ich bin im Grund ein positiv denkender Mensch, mit Zielen und Ideen und Wünschen fürs Leben. Ich habe also das, was man SINN im Leben nennt und meine Ideen dafür reichen weit, weit in die Zukunft. Und dennoch bin ich momentan einfach nur unendlich müde von diesem Sein. Es ist immer wieder zu viel Erschöpfendes darin, als man mit gewaltigen 1,61cm Körpergröße und klatschnassen 60kg erträgt. Und dann fragt man sich, ob der Sinn noch einen solchen macht.

Was mir „das“ sagen soll, frag ich übrigens schon lange nicht mehr. Das hat keinen Sinn, da geht man nur in den Wirren des Denkens grübelnd unter, ohne auch nur den Anschein von Licht am Ende des Dunkels zu finden und bekommt zusätzlich Kopfschmerzen.

Seltsamerweise geht es dennoch immer irgendwie weiter.
Seltsamerweise stehe ich dennoch immer wieder auf, rolle mich auf meine Yogamatte, versuche mich soweit zu entwirren und entwickeln, dass ich es schaffe, körperlich in den Tag zu steigen.
Seltsamerweise geht mein Kopf dennoch über vor Ideen, Geschichten, kreativen Vorstellungen, die ich unbedingt umsetzen will.
Seltsamerweise findet sich dennoch immer wieder Kraft, damit ich das dann auch tun kann.
Seltsamerweise springt dennoch fast täglich ein Funke an, der mir soviel Wärme schenkt, dass ich mir einheizen kann, mich dem Tag stelle, virtuell in die Hände spucke und zumindest Teile meines Planes, meine Welt zu einem besseren Ort zu machen, in Angriff nehme.

All das kostet Kraft und noch mehr Zeit und wenn einem, dank Madame blödes-Mistvieh-Migraine die Hälfte des Monats gestohlen wird, dann ist am Ende des Monats eben auch nur entsprechend wenig passiert und im Außen sieht man kaum was davon.

Will sagen: Mich gibt es noch, ich lebe, ich zeichne und schreibe (wieder), ich bin aktiv, soweit ich aktiv sein kann, und freue mich, dass mein Buch auch ohne meine aktive Begleitung gehen gelernt hat, sich zaghaft umsieht und seinen Weg durch die Welt gehen wird. Halt eben in einer anderen, langsameren, aber ermutigend hoffnungsstureren Weise, als ich geplant hatte.

Der Rest ist ein Kartenhaus-Karussel: Immer knapp vorm Einstürzen, immer in Bewegung, ohne Plan, fallweise dreht man sich im Kreis, fallweise wird man gedreht und dann wieder gehts hoch hinaus, so dass man den Rand der Welt und darüber hinaus sehen kann. Und fallweise purzelt man ein paar Stockwerke tief hinunter, umgeben von fallenden Karten, die wie Herbstblätter in alle Richtungen davon stieben und im besten Fall den Fall bremsen.

Leben eben.
Auf meine eigene, sehr spezielle Art.

Danke fürs weiter hier Mitlesen, Zuhören und drauf Warten, dass was erscheint.
Ich liebe euch!

Allgemein, Cartoons

Bine ist im Regenbogenland

Liebe Bine,

heute mittag hast du die letzte Etappe deiner Reise ins Regenbogenland angetreten.
Begonnen hast du sie vor vielen Wochen, Monaten, vielleicht sogar schon Jahren. Dein wunderbarer Mann Alexej und die zauberhaften Bassetinen Wilma und Frieda geleiten dich, wie sie dich schon seit Wochen, Monaten, Jahren begleitet haben.
Aus nah und fern kommen jede Menge guter Wünsche, Tränen, Dörtschn-Grüße und Umarmungen für euch alle – auch von mir.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass es Dir jetzt gut geht, die Schmerzen vorbei sind und der nächste Abschnitt des Seins gut begonnen hat.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass Du den Übergang, das Finden des Durchschlupfes (deine Worte), unfassbar toll und gut gemeistert hast. Du hast, was den Umgang mit diesem Übergang (auch Sterben genannt) betrifft, ein Level vorgegeben, von dem ich meinerseits hoffe, zumindest in Sichtweite zu deinem zu kommen.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass alles soweit gut ist. Was auch die Trauer, die Tränen, den Schmerz und alles andere, was man so gemeinhin nicht als „gut“ bezeichnen würde, betrifft.

Es ist gut zu trauern, zu weinen, den Schmerz, den Verlust zu spüren – wärs anders, wärs noch schlimmer. Mein Gefühl und meine Hoffnung sagen mir all das und noch viel mehr.

Dennoch tropfen Tränen auf meine Tastatur, die mehr sind als Trauertränen, Verlusttränen, Schmerztränen. Ich bin wütend, fassungslos, enttäuscht und will ein teueres, 120-teiliges Porzellanservice zerdeppern. Ich muss verdammt nochmal was kaputt machen, es mit Wumms zerscherben (Fachbegriff aus der Archäologie, wenn man den Toten der Urzeit Keramik mitgab, indem man dafür sorgte, dass auch sie „starb“). Ich will laut und hysterisch schreien und das eine oder andere Teil mit extra viel Verve an die Wand knallen. Es soll krachen und die Bine-Leere in mir füllen, damit ich zumindest ein Bine-Echo höre.

Und bin zu müde dazu, zu traurig, zu … wasweißich.

Ich habe gedacht, dass ich mehr als genug „Erfahrung“ im Umgang mit Trauer hab, viel mehr als genug, gewonnen in den letzten vier Jahren und nochmal viel zu intensiv aufgefrischt im letzten Herbst. Diese Wunden schmerzen noch sehr, tun noch länger weh.

Und jetzt bist Du am Weg ins Regenbogenland, wo Du, wie ich sehr hoffe, den Wolken ein neues Design verpasst. Ich erwarte und erhoffe mir Nasenmännchen-Wolken, Basset-Wolken, kichernde Regenbögen (kann man die mal umdrehen? Also mit dem Bogen nach unten hängen lassen?), Dörtschn-Wolken – eben Design-by-Bine-Wolken.

#FuckCancer ist nur ein lahmer Abklatsch von dem, was ich eigentlich brüllen will. Und zu müde dafür bin. Zu traurig. Zu … wasweißich.

Ohne dich ist alles doof …

Ein alter Spruch und der war noch nie so wahr wie jetzt.

Social Media ist doof, wenn deine Bilder, deine Cartoons, deine Strandgut-Poesie, deine zart-wild-wunderbaren Postings und die damit verbundenen Gespräche fehlen.

Lieber Mark & Co, ihr könnt Insta, Twitter und FB jetzt schließen. Bine ist im Regenbogenland und dort gibts kein Wlan, das mit unserem Internet kompatibel wäre. Was besseres kommt nicht mehr.

Das real Life ist doof. Denn nun fehlt die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dir – wie vor einem Jahr in Stralsund: Du, Wilma, Frieda und ich, mit Kuchen und fancy Matcha-Soja-Latte, spontanem Second-Hand Boutiquebesuch, überall und andernorts kichernd Strandgutpoesie-Aufkleber verteilend, aufklebend … übers Leben und alles andere philosophierend, lachend, denkend, sinnierend … Bine eben.

SabineDinkelundMiaSchara 2019Stralsund - Bine ist im Regenbogenland
… zwei Nasenmännchen in Stralsund, am Weg zum nächsten Dörtschn.

Kirschen sind doof. Weil sie mich an #Kirschpeng erinnern und #Kirschpeng bist DU – deine Social-Media-Hashtags für deine gewünschte Freude-Leben-Unterstützung, die sich bei besonders tollem #Kirschpeng in #Glückspeng verwandelte.

Strand ist doof. Denn ohne Deine unfassbar riesig-gewaltige Phantasie beim Finden von Figuren und Geschichten aus Strandmüll ist alles, was man nun an einem Strand findet, leer und lau und einfach doof.

Doof ist doof. Weil es viel zu sehr verniedlicht und dem Gefühl, das damit verbunden ist, nicht gerecht wird.

Wir weinen, wir schicken Herzen, wir schicken virtuelle Umarmungen, essen Dir zu Ehren und mit den besten Gedanken an Dich üppige Dörtschn. Und manchmal kann man sanft kann hinter der gemeinsamen Trauer den Trost spüren, der darauf wartet, sich wie Balsam auf den Seelenschmerz zu legen.

Ich bin zu müde, mich zum Geschirrzerdeppern aufzuraffen. Bin zu müde um meine Wut über diese Ungerechtigkeit hinauszuschreien, dass es von allen wunderbaren Menschen ausgerechnet DICH hat treffen müssen, die wunderbarste weit und breit.
Bin sogar zu müde um zu weinen. Weil diese Müdigkeit ein ganz besonderer Schmerz ist, der da ist, seit du den Weg ins Regenbogenland gefunden hast. Eine sanfte, tiefe, schmerzstillende Müdigkeit, die auf eine sehr verdrehte Weise hilft und tröstet, wo man mit Worte und kaputtem Geschirr nichts trösten kann.

Ich hör dich auf der anderen Seite leise lächeln, einen Wolkenbasset kraulen und Kirschen mümmeln. Ich sehe dich am Wolkenstrand sitzen, im Ringelpulli, Strandgutpoesie der himmlischen Art kreieren und ganz besondere Wolkenmännchen entwerfen. Deine Hochsensibilität, deine Einfühlsamkeit, dein besonderes Bine-Sein nun in neue Gefilde tragen.

Und ich höre wie der Trost sich von diesen Bildern ermutigen lässt, der Wut in mir sanft die Tür zu weisen und sie zum Abschied in den Arm zu nehmen. Sie meint es ja nicht böse, sie kann halt auch nicht aus ihrer Haut heraus und will mir auf ihre Art nur helfen, die doofe Doofheit loszulassen. Sie ist deiner Hildegard, wie du deine besondere, hilfreiche Angst genannt hast, nicht unähnlich. Nur etwas ruppiger und wilder im Auftreten.

Ach Bine, du fehlst so unfassbar sehr und überall und ganz besonders … ich kann es nicht mal ansatzweise in Worte fassen.

Danke, dass du uns an deinem Weg hast teilnehmen lassen und sicher nicht nur mir gezeigt hast, wie man wirklich, voll und ganz und ernsthaft-heiter LEBT. Trotzdem einem das Schicksal ein paar fulminante Arschkarten ins Kartendeck geschummelt hat.

Danke für deine Herzlichkeit, dein Lachen, deinen Schabernack, deine Ideen und deine Unterstützung in jeder Hinsicht.

Danke, dass ich ein paar winzig kleine Momente deines Lebens mit dir teilen durfte und diese kostbaren Erinnerungssterne sind es, die meinen Trost füttern und mir sagen, dass da ein großer, tiefer Sinn dahinter stecken könnte. Der vielleicht aus heutiger Sicht nur unglaublich doof klingt, aber irgendwann einen sinnvollen Sinn ergeben mag. Oder auch nicht.

Jedenfalls liegt es an dir, dass ich nun noch lieber in den Himmel schaue und die Wolken einer kritischen Prüfung unterziehe – um nur ja keine von deinen zu verpassen.

Liebe, wunderbare Bine,

alles Gute am weiteren Weg und wenn es eine Möglichkeit gibt, uns wissen zu lassen, was wir deiner Meinung nach wissen sollen, dann lass es uns bitte wissen!

Bring die Regenbögen zum Kichern, du wunderbare, wortgewaltige, zauberhafte Zauberfrau und reservier mir bitte einen Platz in deiner Nähe, damit ich irgendwann, wenn es für mich soweit ist meinen Durchschlupf zu suchen, weiß, dass es da drüben eine gibt, die mich mit Kirschen und zwei Bassets erwartet, um mir den neuesten Wolkenschabernack zu zeigen und mit mir ein üppiges Dörtschn verschanbuliert.

Alles Liebe Bine-Sonnenschein,
ganz innig herzlich,
Michaela – MiA

About Sabine Dinkel

Sabine Dinkel ist … war Coachin und Autorin von 5 besonderen, sehr empfehlenswerten Büchern:

SabineDinkelBuecher - Bine ist im Regenbogenland

Ihr letztes Buch „Gute Tage trotz Krebs!“ ist dieser Tage im Humboldt-Verlag erschienen. Sie hat es in den letzten Monaten vor ihrem Durchschlupf zusammen mit ihrem wunderbaren Mann  Alexej Lachmann geschrieben. Vier der fünf Bücher sind nach ihrer Diagnose Eierstockkrebs entstanden.

„Nebenbei“ ist sie auch eine der Patinnen meines Buches „Shitstorm im Darm“. Ohne ihre Unterstützung und Motivation würde es mein Buch nicht geben.
Bei ihrem ersten Schnieptröte-Buch „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“ durfte ich eine der ProbeleserInnen sein und habe ein paar kleine Wortspenden beitragen dürfen. Das Buch ist der beste, hilfreichste und heiterste Ratgeber zum Thema Krebs & Co. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die selbst oder am Rande von diesem FuckCancer betroffen sind.

Das Aufstellbuch „Strandgutpoesie“ ist nicht nur Buch, sondern auch Inspiration und Deko zugleich: Kichern zum Aufstellen und das Beste, was man aus rumliegenden Strandmüll machen kann.

Sabine Dinkel ist eine der wenigen Menschen, die man getrost als Lebens-Sonnenschein und Resilienz-Wegweiser für einen besseren Umgang mit besch**** Lebenssituationen bezeichnen darf. Ihr Vermächtnis sind, neben unzähligen Mutmach-Begegnungen und Dialogen, diese 5 besonderen Bücher, wo sie der Welt wertvolle Tipps, Tricks und Heiterkeiten für eben diese besch**** Lebenssituationen hinterlassen hat:

Alle Bücher sind auf ihrer Website zu finden und bitte auch über die dort beschriebenen Möglichkeiten zu kaufen. Damit kann man ihr Werk und ihren Mann und die beiden Hunde am besten unterstützen.

Sie starb am 20/21. Juli 2020 in einem Hamburger Hospiz, im Alter von 53 Jahren, im Beisein ihres Mannes und der beiden Bassets.

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Ich hab noch keinen Sauerteig gehäkelt

Was für eine unglaublich tolle Zeit!
Was für eine Chance diese Krise doch ist!
Was für Möglichkeiten, ENDLICH alles – also wirklich ALLES!!! – zu tun, was wir schon IMMMMMER tun wollten!

Hach!
Hachhachhach ..

Ach.

Während gefühlt alle die Corotäne für ALL das nutzen, was sie schon IMMMMMER tun wollten, versuche ich krampfhaft meinen inneren Kalender upzudaten. Der ist irgendwann im März hängen geblieben und weigert sich den April zu installieren.
Was auch an der Pollenallergie liegen kann, die sich trotz Covid 19 nicht hat einbremsen lassen. Im Gegenteil: Sie hat die Isolation genutzt, um so richtig Fahrt aufzunehmen und ist, im Gegensatz zu mir, hochaktiv. Vielleicht ist das aber auch nur eine sehr subtile Abwehrreaktion meines sehr seltsamen Immunsystems. Mein Körperchen ist so mit der Allergie beschäftigt, dass vorbeikommende Covid 19 Viren möglicherweise denken, sie wären hier schon gewesen und weiterziehen.
Wenn dem so ist: Sehr perfide! Und sehr anstrengend.

Es gibt Tage, da bin ich stolz, wenn ich es aus dem Bett geschafft und frische Kleidung angezogen habe. Wenn dazwischen eine Dusche lag, dann gebe ich mir ein Fleißsternchen.
Es gibt Tage, da schaffe ich es den Berg Wäsche zu waschen, wegzuräumen und den Staubsauger hinter mir her zu ziehen und vor mich hin zu schieben. Je nachdem wo bei dem Ding das denkende Teil sitzt, das man als „vorne“ bezeichnen kann.
Wie bei einem Elefanten, wo der Rüssel ja auch nicht das Ding ist, das den Weg bestimmt.

Ich bin stolz auf mich, wenn ich es fast täglich schaffe, mir mittags etwas Warmes auf den Tisch zu stellen.
Und ich bin demütig mit mir, wenn das Beste, was dabei rauskommt, eine Schüssel mit Reis ist, die mit Sojasauce den Essensduft vom Lieblingsjapaner zu meiner schnupfgeplagten Nase hoch schickt.

Irgendwann drehe ich dann den PC auf oder aktiviere mein Hand, lese in meine Nachrichten hinein, klicke mich durch Instagram, Twitter und Facebook.
Und dann sind meine Demut und mein Stolz auf mich im A….rgen. Also da, wo die Sonne niemals scheint.

Himmelherrschaftzeitennochmal – is ja uuuunglaublich, was sich da bei den Leuten in der Quarantäne tut!!1!! Das Mindeste ist ja wohl, dass man nun endlich einen Sauerteig adoptiert oder ins Leben ruft, ihn täglich füttert, teilt, zu Brot und Brotähnlichem verarbeitet. Natürlich hat jeder Sauerteig auch seinen Namen, einige vermutlich sogar einen eigenen Insta-Account und Meldezettel. Die Namen sind denen von modernen Friseurläden eigen, also anlassoriginell, wie z.B. Gärtrud.

Ja.

Ansonsten hat man aktuell ein intensives Body-Workout zu absolvieren, dass mit „Zum Sonnenaufgang-Joggen“ und anschließendem Prä-Frühstücks-Power-Intensivyoga beginnt, sich nach dem Frühstück in einer 3 stündigen Zen-Meditation fortsetzt, nur unterbrochen vom Smoothiezubereiten (wahlweise mit selbstgepflückten, vorzugsweise auch selbst am Balkon, Terrasse, Garten angebauten Kräutern, Salaten, Sprossen, Sachenzeugs).
Alles glücklich lächelnd.
Nachmittag und Abend gehen mit Homecyclinglivelessons, Jazzworkouting und Pilatespowerdancing drauf.
Dazwischen wird gehomeofficed, was das Zeug hält. Außerdem lächelnd mit ZoomSkypeWebexWasauchimmer videokonferenzt und die Pausen verbringt man physically distanced aber socially connected auch gleich im Videochat. Mit FreundInnen und einem selbstgebrautem, veganen Matchaccinolatte. Während neben den Klassikern, zu denen man nun endlich lesend kommt, die selbstgemachten Quinoanudeln trocknen und alle gemeinsam good Vibrations chanten. Ohm auf Teufel komm raus.

Und dann gibt es mich.

Die es als gefühlt einzige noch nicht geschafft hat eine neue Fremdsprache zu lernen.
Die sich nicht dazu aufraffen kann ihre Klopapierrollen mit Ausdruckshäkeln zu verschönern.
Die froh ist, wenn das Shirt von gestern noch geht und die Hose leidlich passt. Nicht zum Shirt, sondern generell.
Die tapfer versucht der persönlichen Verwahrlosung entgegen zu steuern und versucht zumindest – ZUMINDEST! – den Alltag aus Prä-Coronazeiten aufrecht zu halten.
Wo Abstand halten nicht erzwungen war, sondern sich aus der eigenen Geschichte und dem Leben heraus ergeben haben. Ebenso wie vorausschauendes Einkaufen (nennt man nun Hamstern), ausreichend Klopapier (ich hab Crohn Leute!!! Ohne ausreichend Klopapier daheim hab ich schnappatmige Panikattacken!) und regelmäßiges Händewaschen (und eincremen! Weil man sonst sehr rasch die Gartenmöbel ohne Schleifpapier glatt hobeln kann.)

Und ich hab auch als vermutlich einzige noch keinen Sauerteig geboren, weswegen ich nach wie vor (nur) mit meiner süßen Hundemamsell Fanny einsam-zweisame Gassirunden drehe.

Was für ein Loserleben.

(Aus dem Denglischen, sprich: Lusalebn)

Es gibt Tage, da bin ich am Ende der Woche froh, wenn ich überlebt und die Mails der vorigen Woche beantwortet habe. Und mein Mailaufkommen ist minder, also sehr gering.
Es gibt Tage, da bin ich froh, wenn der Stofftaschentüchervorrat ausreicht, um einerseits meine Allergie geplagte und keine Papier-Tatüs vertragende Hatschinase trocken zu legen und die fallweise purzelnden Tränen aufzufangen.
Tränen, weil es auch immer wieder Tage gibt, wo die Wellen über mir zusammenschlagen – dieses elendige Geschwistertrio namens Traurigkeit, Depression und Weltschmerz, verbunden mit „eh schon alles wurscht„.
Dann ist alles dunkel und rauh, selbst wenn die Sonne brutal grell vom Himmel knallt und meine Migräne wachküsst.
Und ja, dass ist dann ein Tag, wo das Selbstmitleid an die Tür klopft und mir meine Quarantäneversäumnisse hämisch kichernd unter die Nase hält.
Den nicht geborenen Sauerteig, die nicht gehäkelte Klorollenabdeckung, die nicht gelernte Fremdsprache, die nicht aufpolierte Kondition in Kombination mit dem nicht geformten Luxusbody und den ganzen anderen Nichtsen und Nichtgetanigkeiten.

Fuck Corona.
Oder wer auch immer diesen ungeschriebenen Social-Quarantäne-Lifestyle ins Sein gehypet hat.

An guten Tagen, wenn die Sonne nur milde lächelt, die Migräne schläft, die Nase nur zartrose blüht und das Mittagessen gelungen ins animosige Bäuchlein wandert, lichten sich die Wolken und die nüchterne Erkenntnisse erklärt mir freundlich aber bestimmt, dass ich mir den ganzen Scheiß nur einbilde. Also nicht das mit der Pandemie, sondern dass alle – ALLE!!! – in akute hyperglücksheimelige Work-Life-Euphorie aufgebrochen sind und mich allein im normalen Leben zurück gelassen haben.
An diesen Tagen sieht man den übertriebenen Filter über den Insta-Bildern deutlich und merkt, dass die tolle Bücherwand, vor der hier gehomofisst und workgeouted wird, nur ein billiger Duschvorhang ist, den man für die Videokonfis vors Home-Chaos zieht. Die Ringe unter den vernetflixten Augen kaschiert besagter Filter und den schlechten Atem, vom vergessenen Zähneputzen, riecht man ja im Web nicht.

Da zudem alle nicht zum Friseur können und nun auch endlich klar ist, dass deren Können nicht via YouTube erlernbar istt, haben wir nun alle die Frisur, die wir von Natur aus hätten. Bei manchen sieht es dann auch so aus, als wärs die Strafe dafür, zu Vor-Coronazeiten zuwenig Trinkgeld hinterlassen zu haben. Aber das ist gemein, wie mir mein Spiegelbild erklärt, während der seltsame Haarschopf auf meinem Haupt ernst nickt. Ich habe ihn übrigens in Verdacht, dass er, im Gegensatz zum mir, sehr wohl eine neue Fremdsprache spricht. Denn nur so ist zu erklären, warum wir miteinander nicht zu einem Konsens kommen können, bei dem mein Spiegelbild nicht so aussieht, als wäre ich die Schwippschwägerin vom Yeti.

An diesen Tagen wirkt die Sauerteig-Community nur bizarr. Als wären sie aus einer Star-Treck Episode entwichen, wo man in einer weit entfernten Galaxie eine vor 5.000 Jahren vom Planeten Erde ausgewanderte Prä-Amish Kolonie entdeckt hat.
Ok. Das ist gemein.
In Wahrheit würd ich auch gerne einen Sauerteig großziehen. Einen originellen Namen für ihn finden (Gärhard? Siegär? … Gärfield?!!!), von ihm am Morgen leise blubbernd begrüßt werden, ihn liebevoll von Hand füttern und knuddeln. Mir einen duftigen, sauerteigigen Pizzateig oder was auch immer aus ihm kneten (8-10 Minuten mit der Hand gewalkt, mindestens!) etc.
Wobei ich das schon etwas monströs finde, ihn zuerst so innig aufzuziehen, um ihn dann, wie die Hexe aus Hänsel & Gretel, ins Rohr zu schieben. Aber hey, das ist sein Lebenszweck! Und er wird ja auch nicht zur Gänze in die Pfanne gehauen, sondern nur ein Teil von ihm. Der Rest wird weitergeknuddelt, gefüttert, gehätschelt. Bis ans Ende aller Tage. Oder wenn ihn der Schlag trifft. Oder was auch immer so einem Sauerteig an letalen Dingen passieren kann.

Ich hätte auch gern die Energie und Lebensmutivation, mich schon vor Sonnenaufgang mit dem Erlernen von Fremdsprachen, Smoothiemixturen oder tantrischen Zen-Mediationen auseinanderzusetzen.
Oder den Work-Out-Dance-Videos auf YouTube zu folgen, bei denen mir vom Zuschauen schon schwindlig wird und die Legasthenie mir einen Knopf in Kopf und Beine bindet.

Dann erklärt mir die nüchterne Erkenntnis von oben dann sehr klar und bestimmt, dass ich mir nicht einbilden muss, dass die Mitmenschheit im Anschluss an ein paar Monaten Corontäne braun gebrannt, schlank trainiert, gesund und erleuchtet aus den hohen Sphären des frisch renovierten Homofiss ins neue, durchgekärcherte, gänzlich überarbeitete und nun vieeel bessere New-Life aufbrechen wird. Begleitet von einer Herde allerliebster, knuffig blubbernder Sauerteigansätze mit seltsamen Namen.

Besagte Erkenntnis meint recht kühl und realistisch, dass die Mehrheit, wie ich, versucht einfach nur den Tag, die Woche, die Zeit zu überleben – in jeder Hinsicht und mit dem, was gerade möglich ist.
Besagte Erkenntnis erklärt auch, dass der Mensch per se nicht zu den leicht belehrbaren und sich hurtig neu orientierenden Spezien gehört, sondern seine Evolutionsstufen nur mithilfe eines gehörigen Arschtritts und sehr maulend bewältigt.
Besagte Erkenntnis verweist dann als Beweis auf die Geschichte der letzten x-tausend Jahre, beginnend mit der Zeit, als die altsteinzeitlichen, nomadisierenden Stämme von der sich brutal verändernden Natur gezwungen waren, eine neue Überlebensbasis zu kreieren.

An diesen gute, realistischen Tagen, wenn Nase und Kopf endlich mal die Klappe halten, bin ich dann liebevoll stolz auf mich und das, was ich erfolgreich geschafft habe an diesem Tag: Einatmen, ausatmen, weiteratmen.
Und dazwischen habe ich sanft überlebt, den Tag geschafft. Wie die große, große Mehrheit.
Ohne neue Fremdsprache und ohne selbstgehäkeltem Sauerteig.

Und mit einem etwas abgewandelten Zitat aus dem Film „I am Legend“ an alle, die sich davon betroffen fühlen (wollen), schließe ich diesen Sermon:

„Mein Name ist Michaela. Ich bin eine CED-Covid19-Corontäne-Überlebende ohne Sauerteig. Ich bin meist jeden Tag irgendwann mal im Internet unterwegs.

Wenn ihr da draußen seid, wenn irgendjemand da draußen ist, der auch ohne Sauerteig lebt … ich versuch jeden Tag aufzustehen, mich anzuziehen, was Warmes zu essen, den Mut nicht zu verlieren, einzuatmen, auszuatmen, weiterzuatmen … ich kann keine Hefe oder Klopapier anbieten, keine Work-Out-Zoombie-Lessons, keine mehrfach multilinguale Konversation. Nur die Versicherung, dass man auch ohne dem ganzen Zeugs durch die Quarantäne kommt.

Wenn es dir auch so geht:

Du bist nicht allein!

 

Allgemein

Mein Buch „Shitstorm im Darm“: die Erscheinung!

HURRA! Es. ist. da!!!!

Mein Buch ist seit heute (08.01.20) überall erhältlich wo es Bücher gibt – und zusätzlich direkt bei mir 🙂 Ich habe mein Exemplar schon vor Weihnachten bekommen und das war das absolut tollste Weihnachtsgeschenk ever, noch dazu selbst gemacht 😉

Wer mir auf Facebook folgt, findet hier einen (ungeschminkten) Einblick in den „Unboxing“-Prozess. Auf meinem Instagram-Account gibt es in meinem Highlights sogar ein Video davon (nix für schwache Nerven oder Leute mit cineastisch-gutem Geschmack – aber lustig 😉 )

Shitstorm im Darm Leben mit Morbus Crohn 004 225x300 - Mein Buch "Shitstorm im Darm": die Erscheinung!Der Rest der Menschheit musste auf die Buch-Erscheinung noch ein bisschen warten. Aber nun ist es soweit und ihr könnt es bestellen, lesen, weiterempfehlen und wenn ihr mir eine besondere Freude machen wollt, dann schreibt eine Rezension auf Amazon oder in eurem Blog, auf Facebook, Instagram, Twitter … wo auch immer!

Hier findet ihr alle Möglichkeiten, wie ihr das Buch erwerben und die Autorin (=mich) am besten unterstützen könnt: Buch bestellen.

Ich gestehe, dass ich nun seeeeehr aufgeregt-nervös-hibbelig bin, wie die ersten öffentlichen Rückmeldungen lauten werden. Wie nicht anders zu erwarten schwanke ich selbst gerade zwischen alles-voll-toll und komplett-voll-gack 😉 Autorenleben eben. Die Fingernägel sind jedenfalls kurz, damit sie nicht beknabbert werden können.

Eine Buchpräsentation ist gerade im Stadium der planenden Überlegung und möglicherweise kann ich in ein paar Tagen schon mehr dazu sagen. Stay tuned!

Bei Interesse an einer Lesung oder Diskussion

Ich freue mich sehr über diesbezügliche Einladungen, komme gern, lese ein paar Bonmots aus dem Buch (und weitere, die erwähnenswert sind, es aber nicht ins Buch geschafft haben – Bonusmaterial sozusagen ;), erzähle aus dem crohnischen Leben, kritzel auf Wunsch Widmungen ins Buch oder signiere Klopapier-Rollen, falls ihr eure Bücher nicht bekritzelt haben wollt.

Alle Infos rund um mein Buch „Shitstorm im Darm“

… gibt es auf diesen Unterseiten und seit heute ist auch ganz frisch eine Leseprobe im PDF – Format hinzugekommen:

Allgemein

Alles Gute!

Ich wünsche allen, die hier mitlesen, und auch denen, die es nicht tun, ein frohes, harmonisches Weihnachtsfest und eine sanfte Landung in einem xunden, fröhlichen 2020!

Ich danke allen, die hier mitlesen, für eben dieses – und wünsche mir, dass ich allen anderen (die hier noch nicht mitlesen 😉 ) nächstes Jahr fürs Mitlesen danken kann. 

Ich hoffe, dass wir uns auch im neuen Jahr wiederlesen, in alter Frische, mit neuem Schwung und vielen schönen Ideen!

Und ich freue mich auf ein spannendes Jahr, das zumindest lesetechnisch schon mal toll beginnt, denn ab 8.1.2020 ist mein Buch im Handel erhältlich!

Alles Liebe, kommt gut durch die Feiertage, setzt den Herrn Crohn und seine fiesen GenossInnen vor die Tür und habt immer genug Klopapier vorrätig. Dann kann schon fast gar nix mehr schiefgehen.

Allgemein

Buchtipp: Meine Arschbombe

Dieses Buch liegt schon länger auf meinem Schreibtisch. Nicht, weil ich es nicht lesen wollte, es schlecht ist oder langweilig. Sondern weil ich es schon kannte bevor es gedruckt wurde, ich es phänomenal finde, aber dennoch schon länger keine Schreibzeit da war, um es hier im Blog würdig vorzustellen.

Meine Arschbombe in die Untiefen des Lebens

Worum gehts:

Sabine Dinkel hat im Zuge ihrer Krebserkrankung begonnen die Diagnose und Lebensveränderung mittels Comics zu verarbeiten und festzuhalten und hat diese Zeichnungen dann auch als Mitteilungsversion gewählt, um ihr Umfeld am Laufenden zu halten.

Die Comics sind ein berührendes, dennoch heiteres Tagebuch, wo sich gute und weniger lustige Episoden abwechseln, jedoch immer ein gutes Gefühl bleibt. Die Zeichnungen machen Mut, verführen selbst GriesgrämerInnen zum Schmunzeln (ausprobiert!) und bieten einen wunderbaren, tiefen Einblick in den Alltag chronisch Kranker.

Sabines erstes Buch war ein Ratgeber rund um das Thema Hochsensibilität (hier gehts zu meiner Buchbesprechung). Ihr zweites Buch, basierend auf ihren Erfahrungen rund um das Thema Eierstockkrebs, ist ein Ratgeber über das Leben mit dieser Schnieptröte – wie sie ihre Krankheit nennt. Auch dieses Buch habe ich schon vor längerer Zeit vorgestellt, meine Rezension ist hier zu finden und es ist, ebenso wie „Meine Arschbombe“ auch für Menschen mit anderen Erkrankungen ein toller Hinweisgeber.

Ihre „Arschbomben“-Comics waren ursprünglich nur für eine begrenzte Leserschaft gedacht. Der nächste Schritt war dann das Öffnen dieser Begrenzung, so dass auch Außenstehende mitlesen konnten. In weiterer Folge entstand der Herzenswunsch, diese Comics als Buch herauszugeben. In einem Posting auf Twitter und Facebook hat sie diesen Wunsch ins WWW geschickt und fand Gehör. Heinz W. Warnemann vom Hawewe-Verlag fand sich als kongenialer Partner für dieses schöne Projekt und bewies mit der Wahl des Themas und Formates viel Mut. Denn sowohl Titel, als auch Inhalt und Form – kein Ratgeber, kein Tagebuch, keine Belletristik, aber doch irgendwie etwas von allem – ist einmalig.

Es ist ein ein astreines Mutmachbuch und ungemein lebensbejahend. Auch wenn einem die Sch*** bis zum Hals steht, findet Sabine noch etwas, worüber man schmunzeln kann. Zugleich berührt der Einblick in diesen Alltag und zeigt, dass das Verarbeiten der Erlebnisse im Zuge der Erkrankung nichts ist, was man mal eben so nebenbei erledigt. Es prägt, verändert, formt den Lebensfaden um und das kann auch in eine gute Richtung gehen – Leben eben.

Auch die Auswirkungen auf das Umfeld werden festgehalten und es zeigt sich wieder mal, dass eine solche Diagnose nicht nur die Erkrankten allein betrifft, sondern einen umfassenden Einfluss auf dem gesamten umgebenden Lebensbereich hat.

Für wen:

  • Für alle, die wissen wollen, wie das ist, wenn man von jetzt auf gleich mit Verve eine Arschbombe in des Lebens unbekannte Regionen machen muss, was alles damit verbunden ist und wie man es schafft sich das Grinsen nicht stehlen zu lassen.
  • Für alle, die Angst haben, dass das Leben ihnen Arschbomben vor die Füße wirft. Sabine zeigt auf bildliche Weise, dass es ein Leben nach der Diagnose gibt und das Dasein auch mit Schnieptröte (oder anderen Sidekicks) viel Raum für kraftvolles Leben bietet.
  • Für alle, die eine Arschbombe zu verkraften haben und wissen wollen, wie es andere geschafft haben, damit umzugehen (Stichwort: Resilienz).

Fazit:

Es macht Mut, verführt zum Lachen und zum Nachdenken, ist ideal als Mitbringsel für Besuche bei Arschbombern, zum sich Selber schenken (es gibt immer eine Gelegenheit dafür, jeden Tag) und als liebevolles Herz- und Hirnfutter für die ewigen Stunden der Warterei in Arztpraxen, Ambulanzen, Krankenhausbetten oder darauf, dass ein mieser Tag sein Bestes tut und endlich endet.

Es ist ein wunderschönes Herzensprojekt und eine absolute Empfehlung!

Infos rund um dieses Buch:

5705289 8001077 300x300 - Buchtipp: Meine ArschbombeMeine Arschbombe in die Untiefen des Lebens
Comic-Tagebuch einer Krebserkrankung
Von Sabine Dinkel

Verlag: HAWEWE media

ISBN 978-3-947815-77-7
Paperback, Klappenbroschur, 196 Seiten, 14,5 x 21,5 cm
1. Aufl. 2018
24,95 Euro

Leseprobe als PDF
Gibts auch als E-Book!

Wo zu kaufen:

Grundsätzlich überall. Aber wenn man der Autorin Freude machen will, dann am besten über diesen Link (Affiliate Link zum Verlag, zu Gunsten von Sabine Dinkel).

Alternativ in der Buchhandlung ums Eck (dann freut sich der Einzelhandel) oder eben auf Amazon: Meine Arschbombe in die Untiefen des Lebens: Comic-Tagebuch einer Krebserkrankungir?t=midesign 21&l=am2&o=3&a=3947815778 - Buchtipp: Meine Arschbombe (Affiliate Link, zu meinen Gunsten)

5705294 705x705 300x300 - Buchtipp: Meine ArschbombeAls Ergänzung zum Buch gibt es bezaubernde Postkarten mit Motiven von Sabine, die man beim Verlag bestellen kann. Im Bild rechts: Hula the Hoop.

Disclaimer: Das Buch wurde mir auf meinem Wunsch vom Verlag zur Verfügung gestellt, ohne Vorgaben. Ich hätte es aber auch selbst erworben von ganzen Herzen empfohlen und gratuliere sowohl Sabine als auch dem Hawewe-Verlag zur Realisierung dieses einzigartigen Projektes!

Allgemein

Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

Jedes Jahr am 19.05. wird der Welt CED Tag gefeiert. Einer der Gedenktage, die man nur kennt, wenn man aktiv oder passiv davon betroffen ist. In diesem Fall von CED – Chronisch entzündlicher Darmerkrankung, wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa. Das sind auf der aktiven Seite in Österreich mindestens 80.000 Menschen. Passiv, also in Form von Angehörigen, Zugehörigen, Freunde und Kollegen sind es viel, viel mehr. Denn chronische Erkrankungen betreffen immer auch das Umfeld der Erkrankten.

Also wird gefeiert. Damit auch die, die dieses „CED“ nicht kennen, etwas darüber wissen und mehr erfahren.
Was die wenigsten wollen.
Weil den meisten Menschen Erkankungen, die sie nicht betreffen, naturgemäß (…PARDON…) am Arsch vorbei gehen. Was in Bezug auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen auch wieder etwas philosophisch Heiteres hat.

InfografikCED MyTherapyBRD 300x193 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus CrohnDie lieben Leute von MyTherapieApp.com haben mir übrigens die nette Grafik oben und links zur Verfügung gestellt.
Darum ein Disclaimerchen: Es könnte sich um Werbung handeln, wenn man es so sehen will. Ist jedenfalls unbeauftragt und auch unbezahlt. Inhaltlich aber dennoch wichtig.
Nochmal, in Worten:

ACHTZIG.TAUSEND ÖSTERREICHERINNEN leben mit dem lieben Herrn Crohn oder seiner hässlichen Schwester Colitis Ulcerosa.
Ungewollt, unbeauftragt, unbestellt und bis an ihr Lebensende.

In Deutschland sind es um die 440.000.
In Worten:
VIER.HUNDERT.VIERZIG.TAUSEND Menschen.

Damit bekommt ein Gedenktag für dieses Darmgedöns ein ziemliches Gewicht.
Und es ist irre wichtig darüber zu reden.
Es ist wichtig, Bescheid zu wissen, dass es DAS gibt.
Es ist wichtig, weil es Leben retten kann – denn die Diagnose braucht oft noch immer länger, als für die Betroffenen gut ist.
Es ist auch wichtig, um Verständnis aufzubauen – beim Umfeld, bei den Dienstgebern, in der Gesellschaft und nicht zuletzt bei den Behörden und Medizinern. Denn die Wartezeiten für wichtige Untersuchungen sind noch immer viel zu lang (außer man leistet sich das privat), die Zugänge zu Therapien, Reha und Kur brauchen noch immer viel zu viel Papierkram, Zeit, Kraft und nicht zuletzt Geld. Alles Dinge, die man als chronisch Kranker nicht in dem Ausmaß zur Verfügung hat, wie es nötig wäre.

Es reicht, wenn die Krankheit selbst Kraft kostet und man mit dem Wissen leben muss, dass man sie bis an sein Lebensende nimmer los wird, sie immer wieder aufflammen kann. Das ist eine Belastung, die man erst als solche vollends realisiert, wenn man ein paar Schübe und Jährchen mit dem Bauchschmerzdings verbracht hat.

Weil es noch immer soooo viel Unwissen und Mythen über CED gibt, gibt es anlässlich des Welt-CED-Tages nachstehend ein paar Fakten speziell über den lieben Herrn Crohn, die einen kleinen, wichtigen Einblick geben sollen – für alle, die es nicht zu einer Infoveranstaltung schaffen.
Die Aufzählung ist naturgemäß unvollständig und subjektiv. Denn um alle Fakten aufzuzählen, braucht man ein oder mehrere Bücher. Wovon eines, nämlich meines ;-), by the way, im Jänner 2020 erscheinen soll. Siehe: Der liebe Herr Buch.

40 Fakten über Morbus Crohn

  1. Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED), die den gesamten Verdauungstrakt betreffen kann.
  2. Der Verdauungstrakt beginnt im Mund und endet da, wo der Südpol seinen Ausgang hat. Der Darm, Dünn- und Dickdarm, ist ein wichtiger Teil des Verdauungstraktes und als am häufigsten vom Crohn betroffen.
  3. Der Darm ist der Motor unseres Körpers und unter anderem zuständig für die Verdauung der Nahrung. Auch damit wir mit den Vitaminen und Nährstoffen, die wir zu uns nehmen, gut versorgt werden. Speziell der Dünndarm ist immens wichtig. Ohne Dickdarm kann man leben, zum Beispiel mit einem Stoma. Aber ohne Dünndarm geht gar nix. Leider ist bei Crohn besonders der Dünndarm häufiger betroffen.
  4. Morbus Crohn verläuft in Schüben. Die Dauer und Schwere dieser Schübe ist bei jedem anders. Der Grund, wann und warum sie auftreten, variiert bzw. ist er meistens komplett unbekannt.
    Manche haben einen Schub und den Rest ihres Lebens Ruhe. Andere crohnen immer wieder, mal mehr, mal weniger.
    Und dann gibt es die, die im wahrsten Sinne die Arschkarte gezogen und einen Dauerschub haben.
  5. Die Zeit zwischen den Schüben nennt man Remission. Das bedeutet, dass der Crohn „schläft“, keine Probleme macht und kaum bis gar nicht im Blut oder histologisch nachweisbar ist. Von vielen New-Crohnies und noch öfter von „Ich-hab-von-wem-gehört“-Tippgebern wird dieser Zustand dann als „geheilt“ bezeichnet.
    Sorry Leute, das zu glauben ist der größte Fehler, denn man machen und das Dümmste, was man verbreiten kann (speziell mit null Ahnung vom Thema). Der „Geheilte“ hat eine stabile Remission und das bedeutet: der Crohn gibt Ruhe, ist aber nicht weg – und ich wünsche allen und am meisten mir selbst, dass diese stabile Remission bis ans Ende aller Tage anhält.
    In diesem Sinne: Viva la Remission!
    VivaLaRemission 997x1024 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

    Das T-Shirt ist übrigens vom Verein Chronisch glücklich e.V und man bekommt es aktuell gegen eine Spende. Ich war schockverliebt in das Teil und will es nimmer ausziehen. Auch damit der liebe Herr Crohn sich davon beeindrucken lässt.
    Ach ja, Disclaimerchen mal wieder, weil möglicherweise Werbung und so. Ist aber selbst gespendet/bezahlt und unbeauftragt.

  6. Morbus Crohn ist mit heutigen Mitteln nicht heilbar. Die Therapie geht dahin, dass man versucht die Symptome in den Griff zu bekommen.
  7. Morbus Crohn ist eine Autoimmunerkrankung. Das bedeutet, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet und falsch bzw. überreagiert.
  8. Die Ursachen und Auslöser von Morbus Crohn sind, bis auf eine, nach wie vor unbekannt.
  9. Diese eine, bekannte Crohn-Ursache liegt in den Genen und geht vermutlich auf den Neandertaler zurück (kein Scherz). Homo Sapiens und Homo neanderthaliensis hatten erwiesenermaßen mehr als nur beiläufigen Kontakt. Sehr selten kam es zu Nachwuchs aus den beiden Menschen-Arten Diese paar haben dafür aber einen sehr nachhaltigen Gen-Print hinterlassen, der gute und schlechte Seiten hat. Eine der weniger guten wird mit der Entstehung von Morbus Crohn in Zusammenhang gebracht. Eine andere begünstigt Diabetes. Auch nicht lustig.
    Die guten Dinge betreffen unter anderem Sachen wie helle Haut (damit man die wenige Sonne im Norden der Halbkugel besser aufnehmen kann, Stichwort Vitamin D), robustere Knochen und mehr Haarwuchs – was in kälteren Klimazonen durchaus von Vorteil ist.
  10. Die Symptome von Morbus Crohn sind sehr unterschiedlich, jeder hat quasi seinen eigenen, spezifischen Crohn. Auch was die Diagnose und Behandlung betrifft. Klassisch gilt anhaltender Durchfall, mit 10 bis 30 und mehr Stuhlgängen pro Tag, als eines der häufigsten und bekanntesten Symptome.
    Es gibt aber auch Crohnies, die kaum bis keinen Durchfall haben und dennoch einen akuten Schub. Andere Symptome sind Bauchkrämpfe bzw. -koliken, Unwohlsein, ungewollte Gewichtsabnahme, chronische Müdigkeit bis hin zu heftiger Fatigue, Appetitmangel, Entzündungen im Mund, Rachenraum, Magen oder Speiseröhre, Eisenmangelanämie und Vitaminmangel, heftige und schmerzhafte Blähungen, Übelkeit bis hin zum Erbrechen …
  11. Laut Statistik haben 70-75% aller Morbus Crohn Erkrankten mindestens eine crohnbedingte OP zu erwarten. Ich habe mittlerweile sechs hinter mir (und vielleicht einigen anderen, noch nicht Operierten, ihre statistische Bürde abgenommen. You are welcome 😉 Jede einzelne war immens wichtig bzw. lebensrettend, besonders die Hemikolektomie, und ich bin froh, sie gemacht zu haben. Auch wenn ich bis kurz davor gehofft hatte, zu den 25-30% zu gehören.
  12. Der Grund für Crohn-OPs sind Komplikationen, die sich durch Entzündungen und durch den Crohn ausgelöste, akute Situationen ergeben. Das sind zum Beispiel Abszesse, Fistel („falsche“ Gänge zwischen Organen, zum Beispiel Darm und Hautoberfläche, oder zwischen zwei Darmschlingen oder zwischen Darm und Vagina oder Blase), Stenosen (Engstellen im Darm, können heftige Schmerzen bis hin zum akuten Darmverschluss auslösen), heftige, großflächige Entzündungen, die sich nicht so schnell medikamentös behandeln lassen, um ihre Ausbreitung und Wirkung zu verhindern … und andere Unschönheiten, die weh tun und rasch entfernt werden müssen.
  13. Man operiert heute so wenig wie möglich, so schonend als möglich und so, dass man nur das entfernt, was unbedingt entfernt werden muss.
  14. Auch die beste Operation kann den Crohn nicht heilen, nur die Symptome einschränken und mit Glück für eine stabiles Remission sorgen.
  15. Der Darm wächst nicht nach und man kann ihn auch (noch) nicht transplantieren. Dieses immens wichtige System des Körpers ist so komplex und sensibel und in vielen Teilen noch viel zu wenig erforscht.
  16. Es gibt eine direkte Verbindung vom Darm ins Gehirn: der Vagus-Nerv und die Verbindung von unten nach oben ist intensiver, als die von oben nach unten. Der Darm hat zudem mehr Nervenzellen als das gesamte periphere Nervensystem zusammen und die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm (die hilfreichen Bakterien) ist laut neuester Forschung auch zum größten Teil für unsere Emotionen verantwortlich. Mit anderen Worten: Das Hirn denkt, der Darm lenkt.
  17. Mit CED im Bauch hat man weniger Darmbakterien als gesunde Menschen. Was das für Ursachen und Auswirkungen hat und wie man das für Therapien nutzen kann, ist nach wie vor Forschungsgegenstand.
  18. Neben den klassichen Crohnsymptomen hat man auch eine unschöne Tendenz zu crohnbedingten Nebenerkrankungen, wie
    • Gelenkschmerzen (rheumatoide Beschwerden)
    • Augenentzündungen (Entzündung der Lederhaut, Regenbogenhautentzünding, …)
    • Hautproblemen (Fissuren im Rektum, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, trockene/athopische Haut …)
    • Leber-, Nieren- und Gallenprobleme
    • erhöhtes Risiko für Osteoporose
    • Entwicklung von Inkontinenz …
      Diese Zusatzfeatures können im Schub und während einer Remission auftreten. Beachte bitte den Konjunktiv: es ist möglich, aber muss nicht passieren.
  19. Die Diagnose von Morbus Crohn erfordert einen Spezialisten. Meist einen Gastroenterologen – das ist ein Internist, der sich auf den Bauchbereich spezialisiert hat – oder einen Chirurgen, der auf den gastrointestinalen Bereich spezialisiert ist und sich auch mit CED auskennt.
  20. Als Crohn-Diagnosemittel werden Blutabnahmen, Stuhlproben, das Abtasten des Bauches, die Aufnahme aller aktuellen Symptome, Ultraschall, MRTs und CTs gemacht. Aber am wichtigsten ist nach wie vor die Koloskopie, die Darmspiegelung, und das Enteroklysma, ein spezielles MRT oder CT des Dünndarms.
  21. Die Koloskopie ist eine Untersuchung, auf die man als Crohnie Zeit seines Lebens ein Dauerabo abgeschlossen hat, weil sie außer zur Diagnose auch zur Bewertung des Therapieverlaufs gemacht wird und eine wichtige Kontrolluntersuchung während einer Remission ist.
  22. Mit einer Koloskopie kann nur der Dickdarm untersucht werden. Mit viel Glück gelangt man bis an sein Ende (die Bauhin´sche Klappe oder Ileozäkalklappe) und kann noch einen Blick in den unteren Dünndarm werfen, das sog. terminale Illeum –  laut Statistik der bevorzugte Rückzugsort von Morbus Crohn.
  23. Eine Koloskopie ist keine Therapie – man wirft nur einen Blick in den Darm, den Ort des crohnischen Geschehens, damit man weiß, ob es Crohn oder Colitis Ulcerosa ist. Außerdem werden Gewebeproben entnommen, die dann histologisch ausgewertet werden und die fachliche Diagnose des koloskopierenden Arztes ergänzen bzw. bestätigen. Dieser Arzt muss ein CED-Fachmann sein, was nicht jeder Arzt ist, der Koloskopien anbietet. Weswegen es immens wichtig ist, dass man sich für diese Untersuchung in die richtigen Hände begibt.
  24. Die Schlafspritze, die man zu Beginn der Koloskopie bekommt, ist meiner Meinung nach das Schönste an dieser nicht zu vermeidenden Untersuchung.
  25. Die zwingend notwendige Darmreinigung gehört zu den Dingen, für die ich mir persönlich eine Spritze wünsche – damit ich sie nicht miterleben muss. Das geht aber nicht, denn man muss fit und wach bleiben, damit man rechtzeitig aufs Klo sausen kann.
  26. Darmreinigung und Schlafmittel vertragen sich nicht. Nicht aus medizinischen Gründen, sondern weil man eventuell so tief schläft, dass man den Ruf des Darmes überhört und dann … ihrwisstschonwas.
  27. Bei einem Enteroklysma wird der Dünndarm untersucht. Dazu muss man Kontrastmittel in den Dünndarm bringen – entweder mittels Schlauch via Nase, Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm, Dünndarm.
    Oder indem man das Zeug trinkt.
    Beides bietet wenig Aussicht auf Frohsinn, aber darum geht es bei dieser Untersuchung auch nicht.
  28. Man bekommt beim Enteroklysma keine Schlafspritze. Braucht aber dafür auch keine Darmreinigung. Die man meist im Anschluss an die Untersuchung dennoch gratis dazu bekommt, denn das Kontrastmittel wirkt leicht abführend. Womit sich Inkontinenzhöschen zu einem unverzichtbaren Utensil während und nach der Untersuchung sehr bewährt haben.
  29. Die Therapie von Morbus Crohn setzt bei den Symptomen an und versucht zusätzlich das Überschießen des Immunsystems in den Griff zu bekommen.
  30. Klassisches „Einstiegsmittel“ ist nach wie vor Cortison, dicht gefolgt von Immunsuppressiva – Medikamente, die das Immunssystem schwächen, was im Crohn/Colitisfall falsch und überreagiert.
  31. Die nächste Therapiestufe, fallweise auch in Kombination mit anderen Medikamten, sind sog. Biologika, die ursprünglich für andere, häufigere Erkrankungen entwickelt wurden, sich aber bei der CED-Therapie bewährt haben.
  32. Es gibt mittlerweile auch darmspezifische Biologika, die gezielt für CED entwickelt wurden.
  33. Biologika haben nichts mit Bio oder Öko zu tun. Es sind biotechnologisch hergestellte Medikamente. Man bekommt sie als Infusion oder Spritze und muss sie regelmäßig, alle paar Wochen, über einen langen Zeitraum nehmen.
  34. Eine kontroverse Therapieform sind Stuhl-Infusionen: Man leitet also den Darminhalt von gesunden Menschen in den von darmkranken Menschen ein. Diese Therapie zeigt sehr interessante Effekte, ist aber noch in der Studienphase und naturgemäß auch umstritten. Bei denen, die sich der Prozedur unterzogen haben, hat man zum Teil spontane Verbesserungen gesehen – aber auch leichte Veränderungen in der Persönlichkeit und im Stoffwechsel.
  35. Bei der Crohn/Colitis-Therapie unterscheidet man zwischen Akut- und Kurzzeittherapie und Langzeittherapie. Cortison ist ein Akut/Kurzzeitmedikament, wirkt sehr schnell, wenn es wirkt, wie es wirken soll, und sollte nicht zu lange genommen werden.
    Immunsuppressiva und Biologika sind hingegen Langzeittherapien und erfordern Geduld, denn sie wirken erst nach ein paar Wochen bzw. Monaten.
  36. Morbus Crohn sieht man als Laie nicht von außen – was zu Meldungen wie „… aber man sieht es dir nicht an!“ führt.
    Bedenkt bitte: Man sieht einem anderen auch nicht an, ob er dumm ist. Darum bitte nicht vorschnell urteilen. Man kann auch krank und behindert sein, ohne das man auf Krücken geht, Verbände hat oder im Rollstuhl sitzt.
    LookFeel 1000 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn
  37. Mit Morbus Crohn hat man Anspruch auf den Schlüssel zur Behindertentoilette. Und das ist ein Ding, was man neben Reserveunterwäsche, weichen Taschentüchern und anderen Toiletteartikeln immer bei sich haben sollte.
    Man kann auch einen Behindertenpass beantragen, was ein paar finanzielle Vergünstigungen bringt. Aber keinen Anspruch auf einen Behindertenparkplatz.
  38. Das Tragen von Inkontinezhöschen sollte weniger stigmatisiert sein. Ebenso wäre es gut, wenn man offener über Bauchprobleme, wie Blähungen, imperativer Stuhldrang und anderes Down-Under-Gedöns reden könnte. Ist nicht sexy, aber verhindert Missverständnisse und Peinlichkeiten.
    Als Crohnie verliert man diesbezüglich ohnehin schnell alle falsche Scham und lernt flott, fachlich kompetenten Scheiß über seinen Scheiß zu erzählen. Denn genau das ist ein Teil, der bei Diagnose, Therapie und Verlauf immer wieder besprochen werden muss.
  39. Neben dem körperlichen Bereich hat Morbus Crohn, wie jede chronische Erkrankung, massive Auswirkungen auf das Umfeld, in dem man lebt.
    Abgesehen von den psychische Belastungen, wie zum Beispiel Trauer, Depression, Burn out, Erschöpfungszustände, Brainfog … dringt der Crohn auch in die Beziehung ein und fordert Familie und Freunde auf, sich mit ihm auseinanderzusetzen, weil die Person, die man liebt, es alleine nur schwer schafft.
    Hinzu kommen Einschränkungen der Arbeits- und Leistungsfähigkeit, finanzielle Engpässe, bürokratische Irrwege  (die schon für Gesunde kaum zu durchblicken sind), ein leicht zu weckendes schlechtes Gewissen (was nichts bringt, aber sag das dem Biest mal) und endlose, unerwünschte Tipps und Ratschläge von Menschen, die keine Ahnung von CED haben, aber immer wissen, was man gerade falsch gemacht hat und wie man „das“ heilt. Womit aus diesen „Ratschlägen“ schmerzhafte Hiebe werden, die man auch noch mit einem Lächeln entgegenzunehmen hat. Auch wenn man am liebsten den Zaunpfahl oder volle Höschen als Antwort schleudern möchte.
  40. Für diese Probleme gibt es keine Medikamente – man muss auf Verständnis hoffen, es fallweise klar einfordern, Grenzen setzen, andere nimmermüd aufklären, Mut haben und ihn auch in dunklen Zeiten immer wieder finden. Lächeln hilft, fällt aber oft schwer.
    Außerdem muss man lernen, sich durchzusetzen, die Kraftreserven gut einzuteilen, Schwächen einzugestehen und Stress zu vermeiden, konstruktive Hilfe zu erbitten und sie annehmen lernen.
    Womit aus einer chronischen Darmerkrankung eine Lebensaufgabe wird.

Darum braucht es den Welt-CED-Tag.

Kommt. Alle. Bitte.
Zum Beispiel zu einer von diesen Veranstaltungen anlässlich des Wolrd IBD Day / Welt-CED-Tag 2019.

WorldIBDDay 1000 - Welt-CED-Tag & 40 Fakten über Morbus Crohn

#maketheinvisiblevisible #butyoudontlooksick #weltCEDtag2019

Allgemein, Briefe aus dem Leben mit CED

Liebes Leben, wir müssen reden.

Liebes Leben,

die letzten Wochen hatten wir so etwas wie eine on-off-Beziehung: Du bist mir unterm Arsch davon galoppiert und ich dir mühsam hinterher gehechelt. Habe ich dich eingeholt oder hast du an einer Ecke, ungeduldig zappelnd, auf mich gewartet, sind wir uns kurz begegnet, auf ein paar Minütchen, selten Stunden. Ich hechelnd, atemlos und froh, mal wieder einen Zipfel von dir zu erhaschen. Du schon wieder am Sprung wohin, wo ich dir nur in Gedanken folgen konnte.

Gerne wäre ich mitgelaufen, in dieses „wohin“. Hätte Neues entdecken, Altes belebt, dies und das mitgemacht. Aber du warst mir einfach zu schnell. Mir geht grad flotter die Puste aus, als ich „Halt, warte auf mich!“ rufen kann. Wobei das Rufen Kraft erfordern würde und die ist zur Zeit auf Urlaub. Also würde es eher ein Flüstern werden.

So habe ich versucht, dir aus der Ferne zuzusehen. Aus meinen vier Wänden heraus, fallweise vom Garten, über den Zaun spickend. Selten, sehr selten im Geschehen außerhalb dieser geschützten Werkstätte, wie ich meine heimelige Komfortzone auch betiteln könnte.
Ein wenig habe ich dann und wann auch via Internet bei dir vorbei geschaut. Ok, war fallweise mehr als nur ein wenig und eher öfter täglich, als dann und wann. Zumindest an den Tagen, wo mein Kopf kein migränegrantiges Veto eingelegt hat und meine Kraft nicht schon vorher für anderes drauf gegangen ist. So oft, wie mir die in den letzten Wochen flöten ging, hätte ich eigentlich schon ein mehrstimmiges Konzert mit vollem Orchester geben können.

Zum Spuren hinterlassen oder selber mitzwitschern, instagrummeln oder fazebucken hat es nicht gereicht. Im Gegenteil: Allein der Gedanke, was zu posten oder zu kommentieren, war absurd weit weg – K. e. i. n. e. Kraft dafür.
Nur das riesengroße Bedürfnisse, mir eine dunkle Höhle zu suchen, um drei Jahre Winterschlaf auf einmal nachzuholen. Leider gibts kaum noch Bären, also auch keine entsprechenden Höhlen, die nun, im Frühling, für so eine Aktion frei geworden wären. Abgesehen davon sind wir Menschen keine Winterschlafianer. Leider. Würde viele Probleme gar nicht erst entstehen lassen.

Madame Fatigue war das alles herzlich wurscht. Die hat sich ohne Höhle, ohne Einladung und ohne Scham bei mir ausgebreitet und es gar nicht gern gesehen, wenn ich mit dir geliebäugelt habe.
Eifersüchtige Trutschn.
Habe ich mich einmal unter ihrer Fuchtel wegstehlen können, hat sie mir die Folgetage gemeinsam mit Mrs. Migraine zur Hölle gemacht. Das war keine Szene mehr, dass war ein 72 Stunden-Blockbuster, mit Zugaben.
Diese migränige Bissgurn hat ja nicht alle Tassen im Schrank, mit Verlaub. So hysterisch, besitzergreifend und mit derart lang anhaltendem Kopfgezetter, wie diese Funsen sich die letzten Monate ausgetobt hat ! Einfach unpackbar, kein Benehmen, nicht mal Ansätze von Contenance und nur mit massiven Hämmern in den Griff zu bekommen. Uff.

Aber ich komme schon wieder ins Sudern*. Dabei will ich dir doch nur sagen, dass ich es schön fände, wenn wir wieder mal was gemeinsam machen würden. Eisessen, Kino gehen, Kulturelles beäugen, Nasenbohren oder eine Runde wandern. Nicht alles auf einmal, nicht unbedingt allein (außer dem Nasenbohren), mit ausreichend Erholzeit davor, dazwischen und danach.

Aber irgendwie bist du einfach zu schnell für mich. Kaum habe ich den Gedanken einer Idee, was ich mit dir gerne zusammen machen würde, bist du schon wieder drei Tage weiter oder hast mir zwischen Tür und Angel eine Rede im Schnellsprech dagelassen, die ich mir erst noch fertig anhören muss, ehe ich mich daran machen kann, ihren Inhalt zu verstehen. Bis ich eine Antwort darauf gefunden habe, ist die Sache verjährt. Sofern ich es zwischendurch nicht wieder vergesse.

Das liegt nicht an mir, sondern am Dings, dem … du weißt schon was … liegt mir auf der Zunge … warte, gleich hab ichs … ja, so zappel doch nicht rum! Und Augen verdrehen hilft auch nix, da fällt mir das Dings ja nie ein! Ah, jetzt hab ichs, schnell raus damit: Wortfindungsstörung. So nennt man das. Ist aber auch ein schweres Dings. Also Wort.

Ausgelöst vom berüchtigten Brainfog: Nebel im Oberstübchen, durch Fatigue, chronische Erschöpfung, Überlastung, Crohn, Sjögren, Eisenmangel, Migräne, Medikamente, was-auch-immer-Dings hervor gelockt.
Der Nebelzwerg hockt zwischen den Ganglien und zieht hämisch kichernd die Synapsenstecker, wodurch es mir mitten im Satz den Strom abdreht und ich nur noch „Dings“ stottern kann oder PunktPunktPunkt. Immerhin gut, dass es das Dingswort gibt. Müsste man sonst erfinden. Stress und zappelnde Gegenüber machen das Dings größer und wer dann noch versucht,  mir mit Worten auszuhelfen, der drückt damit auf die „delete anything“-Taste.

Ja, so schauts aus.
Aber was wollt ich dir eigentlich sagen?
Also schreiben? …?

Ah, ja, genau: Ich sitz an der Ecke, wo du vor drei Tagen vorbeigekommen bist, als du auf dem Weg zum Tanz in den Mai warst, und ich nur mal kurz noch aufs Klo wollte-musste, aber du schon weg warst, als ich Stunden später wieder rauskam. Ich hab dann auch nicht gleich nachkommen können. Musste erst noch zu einem Kopfdoktor nach Wien, was auch Sidney oder der Mann im Mond hätte sein können, weil: Weltreise.

Dem hab ich dann das Dings, also die Migräne, auf die Couch gelegt, damit er mit ihr ein ernstes Wort spricht. Hat er dann aber mehr mit mir getan, weil die olle Trulla nicht zuhören wollte und stattdessen Stepptanz in meiner Stirnhöhle trainiert hat.
Jedenfalls haben der Herr Doktor und ich mal gründlich alle Fakten auf den Tisch gelegt und diskutiert, was es – außer Rübe ab – für Möglichkeiten gibt, mir die Oberhoheit über Hirn, Kopf und Synapsen wieder zurück zu erobern.
Der langen Rede kurzer Dings: nicht viele. Eigentlich nur zwei.
Und die eine davon hab ich mir nun auf die Stirn geklebt. Ein elektronisches Dings, dass die Oberstübchennerven mittels Strom daran erinnert, dass es noch andere Schönheiten gibt, abseits der migränischen Funsen, auf die sie hören könnten.

Klingt ein bisserl nach elektrischem Stuhl und Folter, nur am oberen Ende des Körpers. Tut aber gar nicht mal sehr weh, nur ein bisschen und das eher von der guten Sorte. Schaut dafür sehr spacig aus und ich hoffe, ich vergesse nicht es regelmäßig nach der Behandlung abzunehmen. Denn wenn ich damit auf die Straße gehe oder dem Postboten so die Tür öffne, könnte eine kleine Massenpanik im Sinne von „SIE sind unter uns! Die Aliens! Die Androiden! Die Körperfresser! Die Steuereintreiber!“ ausbrechen.
Oder jemand versucht das Dings zu hacken und übernimmt meinen Kopf mittels Fernsteuerung. Was in manchen Momenten vielleicht gar nicht so schlecht wäre.

Egal.

Jedenfalls: ich britzel mir also nun meine Trigeminusnerven auf Vorderfrau und versuche so die Migränische aus dem Kopf zu vertreiben. Weil das immer noch besser ist als die zweite Methode, die der Hirn & Nervenprofessor in Wien vorgeschlagen hat.

HerreSjoegren 219x300 - Liebes Leben, wir müssen reden.Und darum schreib ich dir, damit du weißt, dass ich noch immer daran interessiert bin, mit dir zusammen zu sein. Zwar werde ich auch ohne Kopfgewitter nicht mehr die Flotteste werden und auf Dauer nur schwer bis selten mit dir Schritt halten können. Zuviel Gedöns, Trubel, Hektik und mehr Menschen, als Finger an meinen Händen, sind nicht mehr so mein Dings. Da hüpft schnell die Panik ins Nervenkostüm und bettelt schnappatmig darum abgeholt zu werden.
Dazu hab ich einfach zu viel anderes im Rucksack, wie den lieben Herrn Crohn und den alten Schweden Herre Sjögren. Aber wenn du ein bisserl langsamer rennst und ich an manchen Tagen ein bisserl schneller unterwegs bin, dann könnten wir uns ja mal treffen und gemeinsam was machen. Was meinst du, liebes Leben, wäre das eine Idee?

Ich warte dann mal weiter an der Ecke von vor drei Tagen und wandere langsam hinter dir her. Zwischen den Britzeltherapien, mit meinen ungeliebten BegleitgenossInnen und dem schweren Rucksack. Vielleicht sehen wir uns bald mal wieder und bis dahin: habs gut und vergiss mich nicht!

Alles Liebe liebes Leben,
MiA

P. S.: Falls du vor hast umzukehren und mich an der Ecke abholen willst, gib bitte Bescheid. Denn falls ich am Weg eine leere Bärenhöhle finde, probiere ich die Idee von oben aus und versuch den Winterschlaf ins Menschendasein hinein zu evolutionieren.

*Sudern: Klassisches Ostösterreichisch für raunzen, jammern, mieselgranteln. Nur mit mehr Geknautsche.

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Adieu Rotschopf – Willkommen Punk-Locken!

Irgendwann hat man genug. Dann ist man rausgewachsen aus einer Phase, das Leben hat einen verändert und das soll sich auch im Außen zeigen dürfen.
Irgendwann dreht sich das Rad der Zeit optisch in eine andere Richtung und das ist gut so.
Irgendwann hat man sich dann an auch sich selbst satt gesehen und strebt nach etwas anderem. Back to the roots zum Beispiel.
Knappt 20 Jahre lang hatte ich rote Haare. Davor eine Farbe, die meine eigene war und die ich liebe-hassvoll als „Straßenköterblond“ bezeichnete.
Als Kind war ich weiß- bis goldblond und hatte sogar Engelslocken (zum Täuschen und Tarnen, wie meine älteren Anverwandten unisono immer anmerkten. Keine Ahung, was sie mir damit sagen wollten;). Dieser Engelslook war mit Beginn des Volksschulalters Geschichte und meine nun dünkleres Kopfbüschel verwandelten sich in fade, undressierbare Schnittlauchhaare. Dann kam die Ära der Dauerwelle. Das war kein Zuckerschlecken, optisch und vom Machen her. Aber da mussten wir damals wohl alle durch.

Zwei Kinderleins später und am Wieder-Mal-Leben-Umordnen verpasste mir ein mutiger Friseur den ersten roten Schopf. Wow. Meine Umgebung und ich waren ebenso verdattert wie beeindruckt. Ich weiß bis heute nicht, was davon mehr. Aber der rote Schopf gefiel mir, ich kehrte immer wieder zu ihm zurück und schlussendlich blieb er. Zuerst und zwischendurch arbeitete ich mich und meinen Kopf durch diverse bunte Phasen: Strähnchen in orange, rot, gelb, dann komplett schwarz (a la Schneewittchen auf Drogenentzug), dazwischen dann braun und schlussendlich dann so gut wie alle roten Schattierungen. Eine bunte Zeit war das, die sich auf meinem Kopf austobte. In meinem Behindertenpass ist noch ein Foto von damals (2009): kreischrote Bürste am Kopf – Pumuckl reloaded.

Zwischendurch war einmal fast Total-Kahlschlag dran. Durch den Crohn, die damit verbundenen Mangelerscheinungen und die Medikamenten, sind mir die Haare fast komplett abhanden gekommen.
Ein Hautarzt meine damals lakonisch-brutal: „Die kommen nimmer. Schauen Sie sich schon mal nach einer hübschen Perücke um, die werden Sie bald brauchen.
Das war ebenso falsch wie unsensibel.

Ein halbes Jahr später, als die Therapie endlich griff, kamen auch die Haare zurück. Dunkel und lockig – ich hab geheult vor Freude! Ein Jahr lang hatte ich die schönsten Haare meines Lebens. Aus mir bis heute unerfindlichen Gründen hörte der schöne Spaß dann von selbst wieder auf, die fadbeigen Schnittlauch-Antilocken kamen wieder und ich griff erneut zum roten Farbtopf.

Vor mehr als 10 Jahren begann ich dann, mir das Oberstübchen mit mehr Natur zu bebunten – Henna kam ins Programm und löste die grausigen, mir heute den Magen umdrehenden, „Chemie“-Farben ab. Wobei Henna ja auch Chemie ist, wie fast alles im Leben, und auch nicht unbedingt das Gesündeste, was man sich auf den Kopf packen kann.

Diese natürlichere Farbe war zwar deutlich besser als die chemische Keule. Aber das Prozedere ist ein mühsames. Alle vier bis sechs Wochen kam der duftende Gatsch aufs Haupt. Ich sah aus, als hätte ich mir eine Kuhflade aufgesetzt und das Ganze roch auch immer leicht nach anverdautem Gras. Nicht unangenehm, aber dennoch etwas strange.
Die Farbe tropfte zudem bei jedem Waschen und Nass werden aus den Haaren raus. Auf Reisen hatte ich immer ein eigenes rotes Handtuch mit, damit ich in Hotels nicht die dortigen, meist blütenweißen, bebuntete. Kaum war das Ausbluten am Kopf beendet, war ein neuer Färbedurchgang dran, weil Nachwuchs und so.

Letzen August dann war es mir spontan genug. Die ganze Haarprozedur ging mir so auf den Keks, dass ich beschloss, mir das Leben in dieser Beziehung gründlich zu erleichtern – Minimalismus beginnt im Kopf, sagt man. Bei mir begann er am Kopf.
Nicht nur das Färben nervte, auch das Haare waschen alle zwei Tage und das anschließende Föhnen, Stylen, „zurecht machen“ … pffffff. Mir war die Zeit einfach leid dafür und auch mit Öko-Mitteln war es noch immer zuviel Brimborium.
Der erste Umstieg war ein Verzicht auf Shampoo und Co. Anfangs habe ich mir die Haare mit Roggenmehl gewaschen. Was gut geht, wenn auch sehr gewöhnungsbedürftig. Unterwegs ist das aber weniger empfehlenswert, speziell wenn man mit dem Flugzeug reist. Weißes Pulver im Gepäck sorgt unter Umständen für seltsame Fragen, die längere Erklärungen nach sich ziehen. „No-Poo“ war die Lösung – was schmutzig klingt, sich aber von „kein ShamPoo“ ableitet 😉

No-Poo – Haare ohne Shampoo waschen
Die Haare werden nur mit warmen Wasser gewaschen und täglich zweimal mit einer Naturhaarbürste gründlichst gebürstet. Das klingt für die meisten schräg – die Haare müssen doch stinken, wenn man sie nicht mit Seife schrubbt?!
Fakt ist: Die Haare stinken überhaupt nicht.
Sofern man sie richtig pflegt und das bedeutet: viel warmes Wasser, gründlich und sanft knetend waschen, bei hartem Wasser anschließen mit verdünntem Apfelessig spülen und den nach 2-3 Minuten wieder ausspülen. Dann mit einem groben Kamm strählen, an der Luft trocken lassen, abends und morgens mit einer guten Naturhaarbürste gründlich und ausgiebig bürsten – that´s it. Hier ein (englischer) Beitrag, der mich unter anderem zu dem Versuch inspiriert hat: A year of no shampoo

Allerdings braucht es einige Zeit, bis sich die Haare umgestellt haben und anfangs wäscht man im alten, vor Non-Poo Rhythmus. Die meisten Anleitungen berichten, dass das Umstellen 2-3 Monate dauert. Bei mir war es ein dreiviertel Jahr. Mittlerweile muss ich nur noch alle 5-6 Tage waschen und die Prozedur ist um einiges angenehmer und deutlich kürzer als das, was vorher zu tun war.

Ein Grund, warum es bei mir so lange gedauert hat, bis sich die Haare an die neue Zeremonie gewöhnt haben, waren die ewig und drei Tag´ gefärbten roten Haare. Das, was ab August nachgewachsen ist und mit der neuen Methode gepflegt wurde, hat ein komplett andere Struktur, ein anderes Aussehen und – HURRA – auch die Locken kamen zurück. Nebenbei wuchsen die Haare, die bis dahin Jahr für Jahr immer dünner und auch schmerzlich schütterer geworden waren, deutlich dichter nach. HACH!

Die Zeitersparnis, die mir diese minimalistische Haarpflegemethode einbringt, stecke ich in das Ausleben von Glücksgefühle und andere wichtige Handlungen. Auch wenn das nun übertrieben klingt: Ich hatte das Gefühl, dass ich eine Sklavin meiner Haare geworden war. Nun geht das Prozedere in einem Aufwasch mit dem Duschen und das zweimal tägliche gründliche Bürsten ist eine willkommene Kopfmassage.

Allerdings müsste ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass das Oberstübchen ab dem Zeitpunkt, wo ich umgestellt habe, immer hübsch und adrett aussah. Wer schon mal versucht hat, sich gefärbte Haare rauswachsen zu lassen, weiß wovon ich rede: es dauert eeeeeewig, bis man die Farbsünden wieder los ist.
Hinzu kam der teils doch sehr krasse optische Unterschied zwischen den alten und den neuen Haaren. Seit Weihnachten war ich nun nur noch am Warten, dass die Länge der „Neuen“ endlich soweit war, dass ich mich in Frieden von den alten trennen konnte.

AdieuRotschopf 005 225x300 - Adieu Rotschopf - Willkommen Punk-Locken!Und nun wars soweit:  die letzten roten Haare durften gehen.
Als Anti-Depri-Therapie nach meiner letzten Koloskopie war ich bei der besten Friseurin der Welt und habe mir von ihr wieder zu guter Laune im und am Hirn verhelfen lassen.
Das Schöpfchen am Köpfchen ist nun kurz und in einem Farbton, den man mit Goodwill als goldiges Aschblond bezeichnen kann 😉

Im neuen Haarkleid finden sich nun auch weiße, sich gänzlich anders gebärdenden Kraushaare. Wobei „kraus“ so nicht stimmt, es sind eher Zacken, die sich gen Himmel recken und ich liebe diese wilden, sich nix pfeifenden, weißen Haare sehr. Es sind für mich die Punklocken des Alters.

Falls ich mal nicht weiß, wie ich auf etwas reagieren soll, hilft mir hoffentlich ein Blick in den Spiegel und sie erinnern mich: Man darf herausstechen, seinen eigenen, wilden Weg gehen, mit Ecken und Kanten, abseits der konformen restlichen Lockenpracht 😉

AdieuRotschopf 104 - Adieu Rotschopf - Willkommen Punk-Locken!Apropos Locken: Hab ich schon gesagt, dass die wieder da sind? 🙂 Und ich hoffe sehr, dass sie gekommen sind, um zu bleiben. Was mich betrifft, werde ich sie soweit als möglich dabei unterstützen und das bedeutet, dass ich sie so pflege, wie sie seit ihrem neuen Erscheinen behandelt wurden: ohne Shampoo, nur mit Wasser, fallweise etwas verdünntem Apfelessig, mit einer kräftigen Bürstenmassage zweimal täglich und allen zehn Fingern, die ihnen helfen, sich in die Form zu begeben, die sie spontan einnehmen wollen.

Adieu Rotschopf, willkommen Punklocken des Alters – ich freu mich aufs gemeinsame Headbangen!

AdieuRotschopf 113 - Adieu Rotschopf - Willkommen Punk-Locken!

MichaelaScharaAvatar 150x150 - Adieu Rotschopf - Willkommen Punk-Locken!Das einzige, was nun gar nicht mehr stimmt, ist mein Avatar, den ich auf allen Kanälen habe, mit meinem alten Rotschopf als Markenzeichen.
Aber ich denke, das bekomme ich auch noch gebacken 😉

Allgemein

Post-Kolo-Depri

Hält mein Crohn die Klappe, ist also in Remission, gehe ich alle zwei Jahre zur Koloskopie, plus Becken-MR, um Dickdarm und Umgebung kontrollieren zu lassen. Im Jahr dazwischen geht es zum MR Enteroklysma, wo der Dünndarm beäugt wird.

Die Kolo mache ich stationär im Krankenhaus. Aus diversen Gründen, aber hauptsächlich weil mein Kreislauf sich früher als ich hinlegt und ich beim „Spülmittel“ schlucken regelmäßig mit Übelkeit kämpfe. Nebenbei werden dann auch gleich ein paar andere Untersuchungen mit erledigt. Ein Full-Service sozusagen.

Das Highlight der Aktion:
Die erlösende Spritze vor der Untersuchung, damit ich von der restlichen Angelegenheit nichts mitbekomme. Das ist der Punkt, auf den ich mich ehrlich freue, denn damit ist das Drama davor erledigt und nun werde ich mit einem sanften Schlummer belohnt.

Was mir allerdings fehlt:
Eine Spritze für den Tag nach der Untersuchung. Wo es einem ja eigentlich gut gehen sollte, weil: alles erledigt. Man ist meist wieder daheim, hat gutes Futter im Bäuchlein und wieder Ruhe für zwei Jahre, im besten Fall. Gesetz dem Fall, dass die Befunde wonnig und heiter sind.

Irgendetwas mache ich da falsch, denn bis kurz nach der Untersuchung bin ich positiv motiviert, schmeiße Witzchen durch die Gegend, schäkere mit dem Pflegepersonal und muntere meine Zimmerkolleginnen auf, soweit möglich.

Kaum daheim, Koffer ausgepackt, am Sofa lümmelnd und die Füße am Couchtisch, kommt der mentale Hammerschlag: Kabumm – und die wonnigsonnige Laune verliert sich in einem Wasserfall aus Tränen. Da kann auch ein guter Befund nichts dran ändern. Wobei ein nur leidlich guter das Anschlussdrama selbstredend deutlich verschlimmert. Denn dann kommt noch die immer miese Frage nach dem „Wozu tue ich mir das überhaupt noch an?!“ hinzu.

Es ist nicht sehr motivierend, wenn der Crohn trotz Diätdisziplin, Medikamenten-Compliance, unterstützenden Therapien und allen anderen positiven, mich gesund erhaltenden Dingen beschließt, meine Darmschleimhaut mit seiner hässlichen Tapete zu versehen. Da sinkt die Moral auf einen Tiefpunkt, der dem im akuten Schub nahe kommt.
Auch wenn mein Hirn weiß, dass das nur eine kurze Momentaufnahme ist, es jedes Frühjahr so ist, weil ich da aus meinem Wintertief herauskomme und noch nicht so in die Frühlingsgänge gekommen bin usw. usf.

Befund hin oder her, im Anschluss an den All-inclusive-mit-Animation-aber-ohne-Essen-Aufenthalt spielt sich jedesmal das gleiche Drama ab: Die Seele leidet und will sich mit den guten Emotionen aus dem Staub machen – ich segle mit Vollgas in ein Nach-Koloskopie-Tief. Eine besondere, sehr individuelle Depressionsform, die ich noch in keinem Lehrbuch gefunden habe.

Am ehesten kann man es vermutlich mit „Entspannungstrauer“ übersetzten. Der Stress ist weg, die Anspannung vor der Untersuchung , die Hektik der Vorbereitung lassen einem keine Zeit für mentale Befindlichkeiten. Währenddessen ist Schlummerpause. Aber ist das Prozedere ist erledigt und wieder daheim, geht die Kellerschublade auf. Da werden vorweg und während der intensiven Stunden alle Bedenken, Ängste und Vorbehalte verstaut. Weil das Köfferchen fürs Spital schon voll war und man keinen zusätzlichen Reisekoffer für diesen Emotions-Krempel packen wollte.

Daheim, in trauter Ruhe, nach dem Spitalstrubel, geht besagte Lade auf und man erkennt, dass es gar keine kleine Schublade, sondern mehr eine Falltüre in ein tiefes Kellerabteil ist. Denn das, was da nun rausgekommen ist, passt in keine kleine Lade. Oder sind ist das in der Abgeschiedenheit so gewachsen?

Daheim, allein am Sofa, in der vertrauten, stillen Umgebung, kriechen sie monstergroß aus dem Kellerloch, setzen sich miefig und grummelig, mit verheulten Augen, zu mir auf die Couch und innerhalb von Minuten ist da kein Platz mehr für mein sonniges Ich, meine heiteren Gedanken, meine „Juhu, ich habs wieder geschafft„- Motivation. Die Luft wird knapp und der Rest davon so schwer, dass ich Mühe habe zu atmen. Am liebsten würde ich alles rauskotzen. Vor allem das grausige Abführmittel, dass ich zwar physisch schon lange losgelassen habe, aber irgendwie hängt es vom Gefühl her noch im Blut und ziept an den Nerven, die nun ohne Schlafspritze alles nachholen wollen, was ich im Krankenhaus so hübsch verdrängt habe.

Warum weinst du denn? Ist ja alles gut gegangen, der Befund ist ok, war schon mal besser, aber viel öfter schlechter. Sei doch froh, die Sonne scheint, du hast wieder Ruhe für zwei Jahre!

Ja, eh.
Aber so einfach geht das leider nicht.

Vom Gefühl her wird es mit jedem Mal schwieriger. Nicht die Untersuchung, nicht das Drumrum, nicht das Krankenhaus. Sondern die Motivation, sich das alles regelmäßig „anzutun“: Vorsorgeuntersuchungen, Kontrollen, Arzttermine, Infusionen, Medikamente … für den Rest des crohnischen Lebens?
Man kann es auch als Jammern auf hohem Niveau bezeichnen. Schlussendlich ist mein Crohn offiziell in Remission. Zwar nur dank der täglichen Tabletten, der sechswöchigen Infusionen und der ganzen Disziplin, was Essen, Leben, Dasein betrifft. Aber er gibt immerhin weitgehend Ruhe.

Man sagt Erfolg bedeutet, einmal mehr aufzustehen, als man hinfällt.
Im Crohnfall kommt noch hinzu, dass man aufsteht, obwohl man weiß, dass man wieder hinfallen wird. Dass man immer wieder zu Untersuchungen antreten muss. Dass man mit Schüben rechnen muss. Meist dann, wenn man am wenigsten damit rechnet. Dass man sich immer wieder, oft täglich daran erinnern muss, dass man seine Mediks nimmt und seine Termine rund um die Untersuchungen und Infusionen plant. Dass man mit dem verdammten Mistkerl bis ans Ende seiner Tage zusammen ist, ohne Aussicht auf Scheidung.

Zusammengefasst: Dass man sich immer wieder, fallweise mehrmals täglich, wie Münchhausen selbst an den Haaren aus einem individuellen Crohn-Sumpf herausziehen muss, damit man nicht in der Trauer ertrinkt und an den sinnlosen Fragen nach dem „Warum?“ erstickt.

Man sollte glaube, dass ich nach ungezählten, gefühlt 100 Koloskopien mittlerweile ein stimmiges Prozedere gefunden habe, das mich vor dieser Post-Kolo-Depri bewahrt.
Die Wahrheit ist: Das einzige, was mir hilft, ist es zuzulassen. Wenn die traurigen Gestalten aus der Kellerlade an die Türe klopfen, mache ich ihnen weit auf und schick sie gleich weiter auf die Couch. Da sitzen wir dann, heulen mitsammen, rotzen eine Packung Taschentücher voll und ackern das Feld, namens Selbstmitleid, gründlich um.

Wer es noch nicht weiß: Wer weint, der produziert ein Hormon, dass dem Morphium ähnlich ist. Vollkommen natürlich und sehr hilfreich, denn mit den Tränen legt sich ein sanfter Beruhigungsschleier um die wunden Seelenlöcher, die innere Spannung wird abgebaut, man kotzt sich quasi das Leid aus den Augen und damit von der Seele. Was auch dem Bauch gut tut.
Meine Patentante meinte auch, wer heult, muss weniger oft pinkeln. Keine Ahnung ob das wirklich so ist.

Ist der erste Tränenfluss versiegt, melden sich die höheren Emotionen: Wut klopft an.
Was immer besser ist als Trauer und Ohnmacht. Wut schmeisst den Rest der traurigen Gestalten bei der Tür hinaus, lüftet das Wohnzimmer und klopft die Polster auf der Couch energisch durch.
Wut beginnt grummelnd und meckernd die Krankenhaustasche auszuräumen, verstaut das Zeug, motzt kräftig rum und verbreitet zwar keine guten, aber doch bessere Vibrations als die anderen Kellergäste.
Irgendwann verraucht sie dann. Die Bude ist aufgeräumt und nun wird es Zeit, den Mut und die Zuversicht hervorzulocken. Die sind sehr sensibel und haben einen empfindlichen Magen. Das haben sie mit mir gemein, darum weiß ich auch, was und wie ich sie locken kann, damit sie zur Unterstützung antreten.
Das ist bei jedem anders und das muss auch jeder selbst für sich herausfinden. Mir hilft ein Besuch bei meiner Friseurin, ein paar Stündchen an der Nähmaschine, um irgendwas Verrücktes zu basteln, eine Packung Maischips oder Popcorn und ein Abend im Kino, mit einem schrägen Science-Fiction oder Fantasy-Film. Entweder alleine oder in heiterer Gesellschaft der Marke „Lass uns über was anderes reden oder zumindest blöd lästern, lachen, doof sein„. Alternativ wird ein Film am PC gestreamt, auf besagter Couch, die damit zu einem Kreuzfahrtschiff durch alle Lebensemotionsozeane wird.

Danach ist die Kellerlade wieder geschlossen und dicht, die dunklen Gestalten haben sich auf Ameisengröße zurückgezogen und werden im Garten ausgesetzt. Das Drama namens „Ich hatte eine Koloskopie und dabei den Sinn verloren“ ist beendet. Der Vorhang fällt, alles ist wieder da, wo es hingehört und ich habe im besten Fall meine Mitte wieder gefunden.

Bis zum nächsten Mal.

Das Gute und zugleich Schlechte daran: Ich weiß, was dann wieder auf mich zukommt. Und wenn ich besonders schlau wäre, würde ich mir schon im vorhinein einen Danach-Termin bei meiner Physiotherapie-Friseurin vereinbare, mir Maischips und weiche Taschentücher auf Lager legen und grübeln, welchen Film ich diesmal nehme. Aber da das alles ja erst wieder in zwei Jahren Thema sein sollte, versickert die Erkenntnis im Lauf der Zeit und taucht pünktlich wieder auf, sobald die Schlafspritze nachlässt und ich daheim bin.

Dann beginnt alles von vorne.
Keine Pointe.

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