Schlagwort: Cartoons

Allgemein

Kartenhauskarussell

Müde – das ist das Schlagwort dieser Tage.
Ich bin müde.
Nicht „wenig-Schlaf-gehabt“-müde.
Nicht „zu viel getan“-müde.
Nicht „schlechten-Tag-gehabt“-müde.
Sondern „Alles ein bisschen mehr als zu viel gewesen“-müde.

Und dieses „alles“ lässt sich auf ein paar Faktoren einschränken. Nämlich zu viel, zu lange andauernde Situationselastik, von außen und innen:

Wenn man am Beginn der Woche keine Ahnung hat, ob der Kalender sich täglich dreimal neu schreibt und man am Ende der Woche entweder gar nichts oder viel zu viel gebacken bekommen haben musste.

Wenn man zum Doc-Date ins Krankenhaus aufbricht und keine Ahnung hat, ob man trotz rechtzeitig wegfahren auch rechtzeitig da ist, weil die nach wie vor nicht eingespielten Corona-Kontrollen so chaotisch sind und man dann erst beim Betreten des Raumes sieht, ob man auch wirklich bei „seinem“ Doc gelandet ist … oder seiner nicht geliebten Vertretung (und damit das ganze Abenteuer, den Aufwand und die Hoffnungen in den Kübel kicken kann).

Wenn man Aussicht auf ein paar schöne Tage hat und Madame Migraine einem genau dann beehrt und man versucht dennoch durchzuhalten. Wissend, dass die Schönheit des Moments sich erst lange danach als Erinnerung ergeben wird … oder auch gar nicht.

Wenn dies und das und nochwas ... und all das nicht, wenig oder ganz anders kommt, geht, sich zeigt oder wasweißich.

Ich bin müde, frustriert, resigniert, erschöpft und – als Crohnie besonders perfide, also bitte einmal kräftig „Ha Ha“ – scheiß drauf.

Ich hatte Hoffnungen und Pläne für dieses Jahr. Und wie bei allen anderen Menschen auf dieser Welt hat auch bei mir das Leben gemeint, dass es mal eben ein neues Level freischaltet und spontan prüft, inwieweit ich mich an das statische Sein angepasst haben oder ob ich eh noch beweglich genug bin, die sich täglich dreimal ändernden Umstände, Emotionen, Termine und Vorgaben wie ein Lebensschleudertrauma flexibel ins Dasein zu integrieren.
Da kann einem schon mal die Luft ausgehen und dafür braucht es gar keine Maske (die das alles nicht schlimmer macht, sondern zumindest dafür sorgt, dass man sich Mengen an Make-Up spart, um zu versuchen cool und fesch auszusehen, und keiner sieht, dass einem darunter nicht nach Lächeln zumute ist).

Abgesehen vom bösen C wäre der Sommer ein schöner gewesen. Also wenn man auch davon absieht, dass (mir) die Hitze teilweise unerträglich war und sich in unmittelbarer Umgebung ein paar sehr zu Herzen gehenden Lebensdramen abgespielt haben, es teilweise noch immer tun und nein, da kann Frau sich nicht raushalten oder abschalten oder wegsehen.

Ich bin unendlich müde … und es hängt zur Abwechslung mal nicht (nur) am niedrigen Eisenspiegel und am blassen Blutbild.
Ich bin grundmüde … und die zunehmend mehr werdenden Migränetage machen das nicht besser.
Ich bin winterschlafmüde … und bedaure einmal mehr, nicht als Bär auf die Welt gekommen zu sein.
Ich bin frustriert-müde … und die Gründe dafür sind üppig.

Was ich hätte tun sollen-wollen:

Mich volle Kanne in das Projekt „MEIN ERSTES BUCH BEKANNT MACHEN UND PROMOTEN“ zu stürzen.
Sprich: Mit Verve netzwerken, Kontakte kontaktieren, Bonus-Content kreieren, Lesungen und Auftritte organisieren, Social Media befüllen und mich als Neo-Autorin positionieren.

Außerdem: Mir Gedanken über ein mögliches nächstes Buch machen, eine Übersetzung des ersten ins Englische zu ermöglichen suchen und meine ultimative Positionierung als Darm-Fluencerin zu inszenieren. Ich hätte pushen und dingsen, schreiben und reden, zeichnen und filmen, dies und das und noch was wollen-sollen. Und es ist nicht nur dem Big-C zu verdanken, dass so gut wie nichts davon geschehen ist.

Mein Buch wächst leise und zart in die Welt – im Sinne von: Wird bekannter. Nicht in dem Ausmaß und der Schnelligkeit, wie der Verlag und ich es uns erhofft haben, aber es wächst stetig. Und das Schönste: Die Reaktionen sind durch die Bank gut, motivierend und erfreulich. Aktuell (Stand September 2020) sind es 14 Sternebewertungen auf Amazon, mit 10 Rezensionen ebendort.

Die Rezensionen bzw. Buchbeschreibungen von anderen, in Blogs & Co., sind wie gehabt und ja, ein bisschen tut es weh, weil wir sehr viele Rezensions-Exemplare ausgeschickt haben (und vorweg gefragt haben, ob Interesse an einer Rezension besteht), aber bis heute nur sehr wenige Retourmeldungen dazu gekommen sind. Dafür sind die, die da sind, bekräftigend und erfreulich und machen sehr happy. Und ich bekomme immer wieder sehr berührende, schöne, ermutigende Mails von LeserInnen, die mich für Tage glücklich machen. Das tut unendlich gut, bestärkt und macht Mut.

Andererseits habe ich selbst auch einen Stoß Bücher hier liegen, die ich lesen und rezensieren sollte und einige liegen schon länger – mea culpa. Insofern alles gut und verständlich, so ein Buch liest sich nicht von selbst und das Schreiben darüber braucht auch nochmal Zeit und Motivation.

Die Idee und der Wunsch Lesungen zu machen, waren vor Big-C sprudelnd und ambitioniert. Das Ganze dann C-bedingt virtuell zu machen scheiterte an meiner mangelnden Kraft, mich dem Thema situationselastisch anzubiegen und der Tatsache, dass Zoom-Meetings und Videos not my yellow from the egg sind. Nicht von technischer Seite her, sondern betreffend Aufwand und Anstrengung (und Eitelkeit: Ich mag mich auf Videos nicht ansehen).

Immerhin: Eine virtuelle Lesung für ein Unternehmen gabs – ohne Bild, dass sich durch die kollabierende Internetverbindung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Dabei hab ich mich dafür extra hübsch gemacht und auch den Hintergrund beschönt. Ich hoffe, es kam auch verbal fesch rüber 😉

Fakt ist, dass ich das alles auch ohne Big-C nicht so geschafft hätte, wie ich es mir im Frühjahr erhofft-träumt habe. Nicht mit meinen unsichtbaren Sidekicks namens Crohn, Migräne, Fatigue und dem Rest der fiesen Gang. Es hat einen guten Grund, dass ich seit 2016 in Berufsunfähigkeitspension bin, also nicht arbeitsfähig. Und ein Buch in der Form zu promoten, wie ich es vor hatte und wie es vermutlich gut wäre, ist ein 24/7 Fulltime-Job.

In den letzten Jahren hat sich zudem meine Migräne zu einer wahren Pest herausgewachsen. Diesen August bin ich auf 14 Schmerztage gekommen, mit 11 Anfällen. Das ist ein neuer, persönlicher und sehr schmerzhafter Rekord, auf den ich keinen Wert gelegt habe.
Funfact: Es sind genausoviele Schmerztage, wie ich aktuell Sternebewertungen für „Shitstorm im Darm“ habe. Darüber kann man bei einem Hafer-Matscha-Ladde schon ein paar Sekündchen filausoflieren. Doch wer die Hälfte des Monats Schmerzen im Oberstübchen hat, der (die) hat keine Kraft über, um sie stylish im grünen Hafer-Gschloder zu versenken.

Und ich liebe Matcha-Latte.
Und philosophiere auch gerne.

Wenn ich ehrlich bin, dann ist es vermutlich diese Komponente, die den größten Anteil an meiner Frust-Erschöpfung-Sinn-Müdigkeit hat. Ich meine: Wadsefuck???

Ich habe 99% der Dinge probiert, die man bei Migräne probiert, in absolut jeder medizinischen-alternativen-komplementären Richtung. Der fiesen Hirn-Funsen ist es sch***egal. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt.
Akkupunktur, Homöopathie, Schmerzmediks quer durch die pharmazeutische Landschaft (NSAR, Non-NSAR, Triptane …), einmal durch alle Kräutergärten der traditionellen Medizinen, Stressvermeidungs- und Entspannungstechniken (alles, wirklich ALLES was es gibt – kann einen Workshop nur dazu machen). Außerdem Injektionen in vielerlei Form und (immer, IMMER!) dahin, wo es richtig-richtig weh tut und seit 2 Jahren ein Spezial-Elektrodengerät, dass mir zwei-dreimal täglich die Nerven im Köpfchen ordentlich durchbrutzelt, damit sie abgehärtet und disziplinierter werden.

Wer sich nun berufen fühlt, mir Tipps á la „… hast du schon XYZ probiert“ zu senden-sagen-schreiben: Bitte verzichte darauf und geh davon aus, dass ich es probiert habe, vermutlich sogar mehrfach.
Das gilt speziell für Diäten, Bioresonanz und andere Austestungen, Geistheilung, Handauflegung, Nahrungsergänzungsmittel, sämtliche klassischen und energetischen Massagerichtungen, Schüsslersalze, Wundersalben, Zauberpflaster, Himmelskonstellationsveränderungen, Seelenklempnereien und vieles anderes, ähnliches.

Ich mache täglich Yoga, seit Jahren.
Ich meditiere täglich, auch schon eine ziemliche Lebenszeit lang.
Ich bin viel in der Natur, gehe täglich (Danke Hundegirl) spazieren – meine Kondi ist nicht brüllend, aber gut.
Ich halte mich seit Jahren strikt an meine Diät und die sehr seltenen Ausrutscher dann und wann gehören zu dem, was man Leben nennt.
Ich weiß, was bei mir Anfälle auslösen kann: grelles Licht, Stress, falsches/zu spätes/zu üppiges Essen, zu wenig Essen, Lärm, zu wenig Trinken, bestimmte Nahrungsmittel, blöde Mitmenschen, Katastrophen, Wetteränderungen, Bauchbeschwerden, starke Gerüche, Überanstrengung in jeder Form, zu wenig Schlaf, zu viel Schlaf, die Mondphasen über der Sahelzone usw. usf.

Und ich versuche soviel davon zu meiden, wie nur möglich und sofern es sich vermeiden lässt. Was nicht immer geht, denn: This is life – it happens, obwohl du versuchst es zu vermeiden.
Doch selbst wenn ich alles, absolut alles, was ich meiden kann, meide, passiert es trotzdem immer wieder und der Kopf explodiert vor Schmerz. Der Tag ist im Eimer, die Kraft geht fürs Durchhalten drauf und der Magen muss einmal mehr mit den Schmerzmediks klarkommen, damit der Rest des Körpers zumindest ein erträgliches Sein hat. In 7 von 10 Fällen habe ich keine Ahnung, warum es so ist, was diesmal der Auslöser war, wer oder was Schuld hat.

Ich bin im Grund ein positiv denkender Mensch, mit Zielen und Ideen und Wünschen fürs Leben. Ich habe also das, was man SINN im Leben nennt und meine Ideen dafür reichen weit, weit in die Zukunft. Und dennoch bin ich momentan einfach nur unendlich müde von diesem Sein. Es ist immer wieder zu viel Erschöpfendes darin, als man mit gewaltigen 1,61cm Körpergröße und klatschnassen 60kg erträgt. Und dann fragt man sich, ob der Sinn noch einen solchen macht.

Was mir „das“ sagen soll, frag ich übrigens schon lange nicht mehr. Das hat keinen Sinn, da geht man nur in den Wirren des Denkens grübelnd unter, ohne auch nur den Anschein von Licht am Ende des Dunkels zu finden und bekommt zusätzlich Kopfschmerzen.

Seltsamerweise geht es dennoch immer irgendwie weiter.
Seltsamerweise stehe ich dennoch immer wieder auf, rolle mich auf meine Yogamatte, versuche mich soweit zu entwirren und entwickeln, dass ich es schaffe, körperlich in den Tag zu steigen.
Seltsamerweise geht mein Kopf dennoch über vor Ideen, Geschichten, kreativen Vorstellungen, die ich unbedingt umsetzen will.
Seltsamerweise findet sich dennoch immer wieder Kraft, damit ich das dann auch tun kann.
Seltsamerweise springt dennoch fast täglich ein Funke an, der mir soviel Wärme schenkt, dass ich mir einheizen kann, mich dem Tag stelle, virtuell in die Hände spucke und zumindest Teile meines Planes, meine Welt zu einem besseren Ort zu machen, in Angriff nehme.

All das kostet Kraft und noch mehr Zeit und wenn einem, dank Madame blödes-Mistvieh-Migraine die Hälfte des Monats gestohlen wird, dann ist am Ende des Monats eben auch nur entsprechend wenig passiert und im Außen sieht man kaum was davon.

Will sagen: Mich gibt es noch, ich lebe, ich zeichne und schreibe (wieder), ich bin aktiv, soweit ich aktiv sein kann, und freue mich, dass mein Buch auch ohne meine aktive Begleitung gehen gelernt hat, sich zaghaft umsieht und seinen Weg durch die Welt gehen wird. Halt eben in einer anderen, langsameren, aber ermutigend hoffnungsstureren Weise, als ich geplant hatte.

Der Rest ist ein Kartenhaus-Karussel: Immer knapp vorm Einstürzen, immer in Bewegung, ohne Plan, fallweise dreht man sich im Kreis, fallweise wird man gedreht und dann wieder gehts hoch hinaus, so dass man den Rand der Welt und darüber hinaus sehen kann. Und fallweise purzelt man ein paar Stockwerke tief hinunter, umgeben von fallenden Karten, die wie Herbstblätter in alle Richtungen davon stieben und im besten Fall den Fall bremsen.

Leben eben.
Auf meine eigene, sehr spezielle Art.

Danke fürs weiter hier Mitlesen, Zuhören und drauf Warten, dass was erscheint.
Ich liebe euch!

Allgemein, Cartoons

Bine ist im Regenbogenland

Liebe Bine,

heute mittag hast du die letzte Etappe deiner Reise ins Regenbogenland angetreten.
Begonnen hast du sie vor vielen Wochen, Monaten, vielleicht sogar schon Jahren. Dein wunderbarer Mann Alexej und die zauberhaften Bassetinen Wilma und Frieda geleiten dich, wie sie dich schon seit Wochen, Monaten, Jahren begleitet haben.
Aus nah und fern kommen jede Menge guter Wünsche, Tränen, Dörtschn-Grüße und Umarmungen für euch alle – auch von mir.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass es Dir jetzt gut geht, die Schmerzen vorbei sind und der nächste Abschnitt des Seins gut begonnen hat.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass Du den Übergang, das Finden des Durchschlupfes (deine Worte), unfassbar toll und gut gemeistert hast. Du hast, was den Umgang mit diesem Übergang (auch Sterben genannt) betrifft, ein Level vorgegeben, von dem ich meinerseits hoffe, zumindest in Sichtweite zu deinem zu kommen.

Mein Gefühl, meine Hoffnung sagen mir, dass alles soweit gut ist. Was auch die Trauer, die Tränen, den Schmerz und alles andere, was man so gemeinhin nicht als „gut“ bezeichnen würde, betrifft.

Es ist gut zu trauern, zu weinen, den Schmerz, den Verlust zu spüren – wärs anders, wärs noch schlimmer. Mein Gefühl und meine Hoffnung sagen mir all das und noch viel mehr.

Dennoch tropfen Tränen auf meine Tastatur, die mehr sind als Trauertränen, Verlusttränen, Schmerztränen. Ich bin wütend, fassungslos, enttäuscht und will ein teueres, 120-teiliges Porzellanservice zerdeppern. Ich muss verdammt nochmal was kaputt machen, es mit Wumms zerscherben (Fachbegriff aus der Archäologie, wenn man den Toten der Urzeit Keramik mitgab, indem man dafür sorgte, dass auch sie „starb“). Ich will laut und hysterisch schreien und das eine oder andere Teil mit extra viel Verve an die Wand knallen. Es soll krachen und die Bine-Leere in mir füllen, damit ich zumindest ein Bine-Echo höre.

Und bin zu müde dazu, zu traurig, zu … wasweißich.

Ich habe gedacht, dass ich mehr als genug „Erfahrung“ im Umgang mit Trauer hab, viel mehr als genug, gewonnen in den letzten vier Jahren und nochmal viel zu intensiv aufgefrischt im letzten Herbst. Diese Wunden schmerzen noch sehr, tun noch länger weh.

Und jetzt bist Du am Weg ins Regenbogenland, wo Du, wie ich sehr hoffe, den Wolken ein neues Design verpasst. Ich erwarte und erhoffe mir Nasenmännchen-Wolken, Basset-Wolken, kichernde Regenbögen (kann man die mal umdrehen? Also mit dem Bogen nach unten hängen lassen?), Dörtschn-Wolken – eben Design-by-Bine-Wolken.

#FuckCancer ist nur ein lahmer Abklatsch von dem, was ich eigentlich brüllen will. Und zu müde dafür bin. Zu traurig. Zu … wasweißich.

Ohne dich ist alles doof …

Ein alter Spruch und der war noch nie so wahr wie jetzt.

Social Media ist doof, wenn deine Bilder, deine Cartoons, deine Strandgut-Poesie, deine zart-wild-wunderbaren Postings und die damit verbundenen Gespräche fehlen.

Lieber Mark & Co, ihr könnt Insta, Twitter und FB jetzt schließen. Bine ist im Regenbogenland und dort gibts kein Wlan, das mit unserem Internet kompatibel wäre. Was besseres kommt nicht mehr.

Das real Life ist doof. Denn nun fehlt die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dir – wie vor einem Jahr in Stralsund: Du, Wilma, Frieda und ich, mit Kuchen und fancy Matcha-Soja-Latte, spontanem Second-Hand Boutiquebesuch, überall und andernorts kichernd Strandgutpoesie-Aufkleber verteilend, aufklebend … übers Leben und alles andere philosophierend, lachend, denkend, sinnierend … Bine eben.

SabineDinkelundMiaSchara 2019Stralsund - Bine ist im Regenbogenland
… zwei Nasenmännchen in Stralsund, am Weg zum nächsten Dörtschn.

Kirschen sind doof. Weil sie mich an #Kirschpeng erinnern und #Kirschpeng bist DU – deine Social-Media-Hashtags für deine gewünschte Freude-Leben-Unterstützung, die sich bei besonders tollem #Kirschpeng in #Glückspeng verwandelte.

Strand ist doof. Denn ohne Deine unfassbar riesig-gewaltige Phantasie beim Finden von Figuren und Geschichten aus Strandmüll ist alles, was man nun an einem Strand findet, leer und lau und einfach doof.

Doof ist doof. Weil es viel zu sehr verniedlicht und dem Gefühl, das damit verbunden ist, nicht gerecht wird.

Wir weinen, wir schicken Herzen, wir schicken virtuelle Umarmungen, essen Dir zu Ehren und mit den besten Gedanken an Dich üppige Dörtschn. Und manchmal kann man sanft kann hinter der gemeinsamen Trauer den Trost spüren, der darauf wartet, sich wie Balsam auf den Seelenschmerz zu legen.

Ich bin zu müde, mich zum Geschirrzerdeppern aufzuraffen. Bin zu müde um meine Wut über diese Ungerechtigkeit hinauszuschreien, dass es von allen wunderbaren Menschen ausgerechnet DICH hat treffen müssen, die wunderbarste weit und breit.
Bin sogar zu müde um zu weinen. Weil diese Müdigkeit ein ganz besonderer Schmerz ist, der da ist, seit du den Weg ins Regenbogenland gefunden hast. Eine sanfte, tiefe, schmerzstillende Müdigkeit, die auf eine sehr verdrehte Weise hilft und tröstet, wo man mit Worte und kaputtem Geschirr nichts trösten kann.

Ich hör dich auf der anderen Seite leise lächeln, einen Wolkenbasset kraulen und Kirschen mümmeln. Ich sehe dich am Wolkenstrand sitzen, im Ringelpulli, Strandgutpoesie der himmlischen Art kreieren und ganz besondere Wolkenmännchen entwerfen. Deine Hochsensibilität, deine Einfühlsamkeit, dein besonderes Bine-Sein nun in neue Gefilde tragen.

Und ich höre wie der Trost sich von diesen Bildern ermutigen lässt, der Wut in mir sanft die Tür zu weisen und sie zum Abschied in den Arm zu nehmen. Sie meint es ja nicht böse, sie kann halt auch nicht aus ihrer Haut heraus und will mir auf ihre Art nur helfen, die doofe Doofheit loszulassen. Sie ist deiner Hildegard, wie du deine besondere, hilfreiche Angst genannt hast, nicht unähnlich. Nur etwas ruppiger und wilder im Auftreten.

Ach Bine, du fehlst so unfassbar sehr und überall und ganz besonders … ich kann es nicht mal ansatzweise in Worte fassen.

Danke, dass du uns an deinem Weg hast teilnehmen lassen und sicher nicht nur mir gezeigt hast, wie man wirklich, voll und ganz und ernsthaft-heiter LEBT. Trotzdem einem das Schicksal ein paar fulminante Arschkarten ins Kartendeck geschummelt hat.

Danke für deine Herzlichkeit, dein Lachen, deinen Schabernack, deine Ideen und deine Unterstützung in jeder Hinsicht.

Danke, dass ich ein paar winzig kleine Momente deines Lebens mit dir teilen durfte und diese kostbaren Erinnerungssterne sind es, die meinen Trost füttern und mir sagen, dass da ein großer, tiefer Sinn dahinter stecken könnte. Der vielleicht aus heutiger Sicht nur unglaublich doof klingt, aber irgendwann einen sinnvollen Sinn ergeben mag. Oder auch nicht.

Jedenfalls liegt es an dir, dass ich nun noch lieber in den Himmel schaue und die Wolken einer kritischen Prüfung unterziehe – um nur ja keine von deinen zu verpassen.

Liebe, wunderbare Bine,

alles Gute am weiteren Weg und wenn es eine Möglichkeit gibt, uns wissen zu lassen, was wir deiner Meinung nach wissen sollen, dann lass es uns bitte wissen!

Bring die Regenbögen zum Kichern, du wunderbare, wortgewaltige, zauberhafte Zauberfrau und reservier mir bitte einen Platz in deiner Nähe, damit ich irgendwann, wenn es für mich soweit ist meinen Durchschlupf zu suchen, weiß, dass es da drüben eine gibt, die mich mit Kirschen und zwei Bassets erwartet, um mir den neuesten Wolkenschabernack zu zeigen und mit mir ein üppiges Dörtschn verschanbuliert.

Alles Liebe Bine-Sonnenschein,
ganz innig herzlich,
Michaela – MiA

About Sabine Dinkel

Sabine Dinkel ist … war Coachin und Autorin von 5 besonderen, sehr empfehlenswerten Büchern:

SabineDinkelBuecher - Bine ist im Regenbogenland

Ihr letztes Buch „Gute Tage trotz Krebs!“ ist dieser Tage im Humboldt-Verlag erschienen. Sie hat es in den letzten Monaten vor ihrem Durchschlupf zusammen mit ihrem wunderbaren Mann  Alexej Lachmann geschrieben. Vier der fünf Bücher sind nach ihrer Diagnose Eierstockkrebs entstanden.

„Nebenbei“ ist sie auch eine der Patinnen meines Buches „Shitstorm im Darm“. Ohne ihre Unterstützung und Motivation würde es mein Buch nicht geben.
Bei ihrem ersten Schnieptröte-Buch „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“ durfte ich eine der ProbeleserInnen sein und habe ein paar kleine Wortspenden beitragen dürfen. Das Buch ist der beste, hilfreichste und heiterste Ratgeber zum Thema Krebs & Co. Eine absolute Leseempfehlung für alle, die selbst oder am Rande von diesem FuckCancer betroffen sind.

Das Aufstellbuch „Strandgutpoesie“ ist nicht nur Buch, sondern auch Inspiration und Deko zugleich: Kichern zum Aufstellen und das Beste, was man aus rumliegenden Strandmüll machen kann.

Sabine Dinkel ist eine der wenigen Menschen, die man getrost als Lebens-Sonnenschein und Resilienz-Wegweiser für einen besseren Umgang mit besch**** Lebenssituationen bezeichnen darf. Ihr Vermächtnis sind, neben unzähligen Mutmach-Begegnungen und Dialogen, diese 5 besonderen Bücher, wo sie der Welt wertvolle Tipps, Tricks und Heiterkeiten für eben diese besch**** Lebenssituationen hinterlassen hat:

Alle Bücher sind auf ihrer Website zu finden und bitte auch über die dort beschriebenen Möglichkeiten zu kaufen. Damit kann man ihr Werk und ihren Mann und die beiden Hunde am besten unterstützen.

Sie starb am 20/21. Juli 2020 in einem Hamburger Hospiz, im Alter von 53 Jahren, im Beisein ihres Mannes und der beiden Bassets.

Shitstorm im Darm

„Game of Crohns“ – das Spiel zum Downloaden

Ich habe mir in den ersten Jahren nach meiner Diagnose oft schwer getan Außenstehenden zu erklären, wie das ist, wenn man mit dem (nicht)lieben Herrn Crohn zwangsverbandelt ist und mit einer chronischen Darmentzündung durchs Leben hatschen muss-darf.

Irgendwann fand ich dann passende, routinierte Worte – man lernt ja im Lauf des Lebens dazu. Auch die gute, alte Spoon-Theory von Christine Miserandino ist immer ein super Hilfsmittel, um die spezielle Situation chronisch Kranker zu versinnbildlichen.

Als ich mich ans Buchschreiben gemacht habe, war dann eines Tages die Idee zum „Game of Crohns“ da – der CED-Version von „Mensch ärgere dich nicht“.

Spielbrett GameofCrohns 225x300 - "Game of Crohns" - das Spiel zum DownloadenDie guten Leute von CED-trotzdem-ich.de haben nun diese Idee aus meinem Buch aufgegriffen und ein ECHTES Spiel daraus gemacht!
Ich freu mich sehr und lade alle ein, es auf deren Website unter diesem Link herunterzuladen: www.ced-trotzdem-ich.de/unterstuetzung-erhalten/materialien
Im Link findest du ein Spielbrett und die Spielanleitung, die so auch in meinem Buch zu finden ist.

Der Download kostet nix, bringt aber einen intensiven Einblick, wie das Leben durch Crohn & Co. verändert wird und ist schon allein deshalb nicht umsonst.

Allgemein

Ich hab noch keinen Sauerteig gehäkelt

Was für eine unglaublich tolle Zeit!
Was für eine Chance diese Krise doch ist!
Was für Möglichkeiten, ENDLICH alles – also wirklich ALLES!!! – zu tun, was wir schon IMMMMMER tun wollten!

Hach!
Hachhachhach ..

Ach.

Während gefühlt alle die Corotäne für ALL das nutzen, was sie schon IMMMMMER tun wollten, versuche ich krampfhaft meinen inneren Kalender upzudaten. Der ist irgendwann im März hängen geblieben und weigert sich den April zu installieren.
Was auch an der Pollenallergie liegen kann, die sich trotz Covid 19 nicht hat einbremsen lassen. Im Gegenteil: Sie hat die Isolation genutzt, um so richtig Fahrt aufzunehmen und ist, im Gegensatz zu mir, hochaktiv. Vielleicht ist das aber auch nur eine sehr subtile Abwehrreaktion meines sehr seltsamen Immunsystems. Mein Körperchen ist so mit der Allergie beschäftigt, dass vorbeikommende Covid 19 Viren möglicherweise denken, sie wären hier schon gewesen und weiterziehen.
Wenn dem so ist: Sehr perfide! Und sehr anstrengend.

Es gibt Tage, da bin ich stolz, wenn ich es aus dem Bett geschafft und frische Kleidung angezogen habe. Wenn dazwischen eine Dusche lag, dann gebe ich mir ein Fleißsternchen.
Es gibt Tage, da schaffe ich es den Berg Wäsche zu waschen, wegzuräumen und den Staubsauger hinter mir her zu ziehen und vor mich hin zu schieben. Je nachdem wo bei dem Ding das denkende Teil sitzt, das man als „vorne“ bezeichnen kann.
Wie bei einem Elefanten, wo der Rüssel ja auch nicht das Ding ist, das den Weg bestimmt.

Ich bin stolz auf mich, wenn ich es fast täglich schaffe, mir mittags etwas Warmes auf den Tisch zu stellen.
Und ich bin demütig mit mir, wenn das Beste, was dabei rauskommt, eine Schüssel mit Reis ist, die mit Sojasauce den Essensduft vom Lieblingsjapaner zu meiner schnupfgeplagten Nase hoch schickt.

Irgendwann drehe ich dann den PC auf oder aktiviere mein Hand, lese in meine Nachrichten hinein, klicke mich durch Instagram, Twitter und Facebook.
Und dann sind meine Demut und mein Stolz auf mich im A….rgen. Also da, wo die Sonne niemals scheint.

Himmelherrschaftzeitennochmal – is ja uuuunglaublich, was sich da bei den Leuten in der Quarantäne tut!!1!! Das Mindeste ist ja wohl, dass man nun endlich einen Sauerteig adoptiert oder ins Leben ruft, ihn täglich füttert, teilt, zu Brot und Brotähnlichem verarbeitet. Natürlich hat jeder Sauerteig auch seinen Namen, einige vermutlich sogar einen eigenen Insta-Account und Meldezettel. Die Namen sind denen von modernen Friseurläden eigen, also anlassoriginell, wie z.B. Gärtrud.

Ja.

Ansonsten hat man aktuell ein intensives Body-Workout zu absolvieren, dass mit „Zum Sonnenaufgang-Joggen“ und anschließendem Prä-Frühstücks-Power-Intensivyoga beginnt, sich nach dem Frühstück in einer 3 stündigen Zen-Meditation fortsetzt, nur unterbrochen vom Smoothiezubereiten (wahlweise mit selbstgepflückten, vorzugsweise auch selbst am Balkon, Terrasse, Garten angebauten Kräutern, Salaten, Sprossen, Sachenzeugs).
Alles glücklich lächelnd.
Nachmittag und Abend gehen mit Homecyclinglivelessons, Jazzworkouting und Pilatespowerdancing drauf.
Dazwischen wird gehomeofficed, was das Zeug hält. Außerdem lächelnd mit ZoomSkypeWebexWasauchimmer videokonferenzt und die Pausen verbringt man physically distanced aber socially connected auch gleich im Videochat. Mit FreundInnen und einem selbstgebrautem, veganen Matchaccinolatte. Während neben den Klassikern, zu denen man nun endlich lesend kommt, die selbstgemachten Quinoanudeln trocknen und alle gemeinsam good Vibrations chanten. Ohm auf Teufel komm raus.

Und dann gibt es mich.

Die es als gefühlt einzige noch nicht geschafft hat eine neue Fremdsprache zu lernen.
Die sich nicht dazu aufraffen kann ihre Klopapierrollen mit Ausdruckshäkeln zu verschönern.
Die froh ist, wenn das Shirt von gestern noch geht und die Hose leidlich passt. Nicht zum Shirt, sondern generell.
Die tapfer versucht der persönlichen Verwahrlosung entgegen zu steuern und versucht zumindest – ZUMINDEST! – den Alltag aus Prä-Coronazeiten aufrecht zu halten.
Wo Abstand halten nicht erzwungen war, sondern sich aus der eigenen Geschichte und dem Leben heraus ergeben haben. Ebenso wie vorausschauendes Einkaufen (nennt man nun Hamstern), ausreichend Klopapier (ich hab Crohn Leute!!! Ohne ausreichend Klopapier daheim hab ich schnappatmige Panikattacken!) und regelmäßiges Händewaschen (und eincremen! Weil man sonst sehr rasch die Gartenmöbel ohne Schleifpapier glatt hobeln kann.)

Und ich hab auch als vermutlich einzige noch keinen Sauerteig geboren, weswegen ich nach wie vor (nur) mit meiner süßen Hundemamsell Fanny einsam-zweisame Gassirunden drehe.

Was für ein Loserleben.

(Aus dem Denglischen, sprich: Lusalebn)

Es gibt Tage, da bin ich am Ende der Woche froh, wenn ich überlebt und die Mails der vorigen Woche beantwortet habe. Und mein Mailaufkommen ist minder, also sehr gering.
Es gibt Tage, da bin ich froh, wenn der Stofftaschentüchervorrat ausreicht, um einerseits meine Allergie geplagte und keine Papier-Tatüs vertragende Hatschinase trocken zu legen und die fallweise purzelnden Tränen aufzufangen.
Tränen, weil es auch immer wieder Tage gibt, wo die Wellen über mir zusammenschlagen – dieses elendige Geschwistertrio namens Traurigkeit, Depression und Weltschmerz, verbunden mit „eh schon alles wurscht„.
Dann ist alles dunkel und rauh, selbst wenn die Sonne brutal grell vom Himmel knallt und meine Migräne wachküsst.
Und ja, dass ist dann ein Tag, wo das Selbstmitleid an die Tür klopft und mir meine Quarantäneversäumnisse hämisch kichernd unter die Nase hält.
Den nicht geborenen Sauerteig, die nicht gehäkelte Klorollenabdeckung, die nicht gelernte Fremdsprache, die nicht aufpolierte Kondition in Kombination mit dem nicht geformten Luxusbody und den ganzen anderen Nichtsen und Nichtgetanigkeiten.

Fuck Corona.
Oder wer auch immer diesen ungeschriebenen Social-Quarantäne-Lifestyle ins Sein gehypet hat.

An guten Tagen, wenn die Sonne nur milde lächelt, die Migräne schläft, die Nase nur zartrose blüht und das Mittagessen gelungen ins animosige Bäuchlein wandert, lichten sich die Wolken und die nüchterne Erkenntnisse erklärt mir freundlich aber bestimmt, dass ich mir den ganzen Scheiß nur einbilde. Also nicht das mit der Pandemie, sondern dass alle – ALLE!!! – in akute hyperglücksheimelige Work-Life-Euphorie aufgebrochen sind und mich allein im normalen Leben zurück gelassen haben.
An diesen Tagen sieht man den übertriebenen Filter über den Insta-Bildern deutlich und merkt, dass die tolle Bücherwand, vor der hier gehomofisst und workgeouted wird, nur ein billiger Duschvorhang ist, den man für die Videokonfis vors Home-Chaos zieht. Die Ringe unter den vernetflixten Augen kaschiert besagter Filter und den schlechten Atem, vom vergessenen Zähneputzen, riecht man ja im Web nicht.

Da zudem alle nicht zum Friseur können und nun auch endlich klar ist, dass deren Können nicht via YouTube erlernbar istt, haben wir nun alle die Frisur, die wir von Natur aus hätten. Bei manchen sieht es dann auch so aus, als wärs die Strafe dafür, zu Vor-Coronazeiten zuwenig Trinkgeld hinterlassen zu haben. Aber das ist gemein, wie mir mein Spiegelbild erklärt, während der seltsame Haarschopf auf meinem Haupt ernst nickt. Ich habe ihn übrigens in Verdacht, dass er, im Gegensatz zum mir, sehr wohl eine neue Fremdsprache spricht. Denn nur so ist zu erklären, warum wir miteinander nicht zu einem Konsens kommen können, bei dem mein Spiegelbild nicht so aussieht, als wäre ich die Schwippschwägerin vom Yeti.

An diesen Tagen wirkt die Sauerteig-Community nur bizarr. Als wären sie aus einer Star-Treck Episode entwichen, wo man in einer weit entfernten Galaxie eine vor 5.000 Jahren vom Planeten Erde ausgewanderte Prä-Amish Kolonie entdeckt hat.
Ok. Das ist gemein.
In Wahrheit würd ich auch gerne einen Sauerteig großziehen. Einen originellen Namen für ihn finden (Gärhard? Siegär? … Gärfield?!!!), von ihm am Morgen leise blubbernd begrüßt werden, ihn liebevoll von Hand füttern und knuddeln. Mir einen duftigen, sauerteigigen Pizzateig oder was auch immer aus ihm kneten (8-10 Minuten mit der Hand gewalkt, mindestens!) etc.
Wobei ich das schon etwas monströs finde, ihn zuerst so innig aufzuziehen, um ihn dann, wie die Hexe aus Hänsel & Gretel, ins Rohr zu schieben. Aber hey, das ist sein Lebenszweck! Und er wird ja auch nicht zur Gänze in die Pfanne gehauen, sondern nur ein Teil von ihm. Der Rest wird weitergeknuddelt, gefüttert, gehätschelt. Bis ans Ende aller Tage. Oder wenn ihn der Schlag trifft. Oder was auch immer so einem Sauerteig an letalen Dingen passieren kann.

Ich hätte auch gern die Energie und Lebensmutivation, mich schon vor Sonnenaufgang mit dem Erlernen von Fremdsprachen, Smoothiemixturen oder tantrischen Zen-Mediationen auseinanderzusetzen.
Oder den Work-Out-Dance-Videos auf YouTube zu folgen, bei denen mir vom Zuschauen schon schwindlig wird und die Legasthenie mir einen Knopf in Kopf und Beine bindet.

Dann erklärt mir die nüchterne Erkenntnis von oben dann sehr klar und bestimmt, dass ich mir nicht einbilden muss, dass die Mitmenschheit im Anschluss an ein paar Monaten Corontäne braun gebrannt, schlank trainiert, gesund und erleuchtet aus den hohen Sphären des frisch renovierten Homofiss ins neue, durchgekärcherte, gänzlich überarbeitete und nun vieeel bessere New-Life aufbrechen wird. Begleitet von einer Herde allerliebster, knuffig blubbernder Sauerteigansätze mit seltsamen Namen.

Besagte Erkenntnis meint recht kühl und realistisch, dass die Mehrheit, wie ich, versucht einfach nur den Tag, die Woche, die Zeit zu überleben – in jeder Hinsicht und mit dem, was gerade möglich ist.
Besagte Erkenntnis erklärt auch, dass der Mensch per se nicht zu den leicht belehrbaren und sich hurtig neu orientierenden Spezien gehört, sondern seine Evolutionsstufen nur mithilfe eines gehörigen Arschtritts und sehr maulend bewältigt.
Besagte Erkenntnis verweist dann als Beweis auf die Geschichte der letzten x-tausend Jahre, beginnend mit der Zeit, als die altsteinzeitlichen, nomadisierenden Stämme von der sich brutal verändernden Natur gezwungen waren, eine neue Überlebensbasis zu kreieren.

An diesen gute, realistischen Tagen, wenn Nase und Kopf endlich mal die Klappe halten, bin ich dann liebevoll stolz auf mich und das, was ich erfolgreich geschafft habe an diesem Tag: Einatmen, ausatmen, weiteratmen.
Und dazwischen habe ich sanft überlebt, den Tag geschafft. Wie die große, große Mehrheit.
Ohne neue Fremdsprache und ohne selbstgehäkeltem Sauerteig.

Und mit einem etwas abgewandelten Zitat aus dem Film „I am Legend“ an alle, die sich davon betroffen fühlen (wollen), schließe ich diesen Sermon:

„Mein Name ist Michaela. Ich bin eine CED-Covid19-Corontäne-Überlebende ohne Sauerteig. Ich bin meist jeden Tag irgendwann mal im Internet unterwegs.

Wenn ihr da draußen seid, wenn irgendjemand da draußen ist, der auch ohne Sauerteig lebt … ich versuch jeden Tag aufzustehen, mich anzuziehen, was Warmes zu essen, den Mut nicht zu verlieren, einzuatmen, auszuatmen, weiterzuatmen … ich kann keine Hefe oder Klopapier anbieten, keine Work-Out-Zoombie-Lessons, keine mehrfach multilinguale Konversation. Nur die Versicherung, dass man auch ohne dem ganzen Zeugs durch die Quarantäne kommt.

Wenn es dir auch so geht:

Du bist nicht allein!

 

Allgemein

Alles Gute!

Ich wünsche allen, die hier mitlesen, und auch denen, die es nicht tun, ein frohes, harmonisches Weihnachtsfest und eine sanfte Landung in einem xunden, fröhlichen 2020!

Ich danke allen, die hier mitlesen, für eben dieses – und wünsche mir, dass ich allen anderen (die hier noch nicht mitlesen 😉 ) nächstes Jahr fürs Mitlesen danken kann. 

Ich hoffe, dass wir uns auch im neuen Jahr wiederlesen, in alter Frische, mit neuem Schwung und vielen schönen Ideen!

Und ich freue mich auf ein spannendes Jahr, das zumindest lesetechnisch schon mal toll beginnt, denn ab 8.1.2020 ist mein Buch im Handel erhältlich!

Alles Liebe, kommt gut durch die Feiertage, setzt den Herrn Crohn und seine fiesen GenossInnen vor die Tür und habt immer genug Klopapier vorrätig. Dann kann schon fast gar nix mehr schiefgehen.

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G’schichten: Zusammenfassung

Im November 2019 habe ich wieder bei der Zeichen-Challenge #30SkizzenimNovember von Angelika Bungert-Stüttgen, der Freiraumfrau, teilgenommen. Angelika will uns damit inspirieren beim Zeichnen dranzubleiben und täglich etwas zu tun – was ein Supertraining ist. In virtueller Gesellschaft mit anderen, so dass man sich nicht allein „durchkauen“ und motivieren muss, bringt das jedesmal einen schönen Kreativschub und am Ende des Monats merke ich, dass ich wieder ein gutes Stück weiter bin.

Heuer wollte ich vor allem schneller werden. Da ich mich oft in Details verliere, die mich endlos Zeit kosten, war mir das schon lange ein Anliegen. Zugleich aber wollte ich auch beim Schreiben ein Stück schneller und konkreter werden. Außerdem lagen da noch ein paar Ideen für Kurzgeschichten rum – Erlebnisse, die ich im crohnischen Leben hatte und die im Grunde wenig mit Morbus Crohn, aber viel mit dem Leben im Spital und dem Dasein an sich zu tun haben. Leben eben, wie ich es gerne nenne. Kleine Begebenheiten, die einem das Leben als Kirsche auf dem Sahnehaufen seiner Seltsamkeiten kredenzt. Vielleicht, damit man den trockenen Kuchen darunter leichter runterschlucken kann. Es sind auch Geschichten, die es nicht in mein Buch „Shitstorm im Darm“ geschafft haben und so eine Veröffentlichung bekommen sollen.

Angelika hat für die 2019er-Challenge eine Liste mit Themen rausgegeben, an der man sich orientieren konnte. Ich habe mich dann aber entschlossen, meine beiden Challenge-Wünsche zu kombinieren und die Herausforderung für mich dementsprechend anzupassen: an drei Tagen sollte jeweils eine Kurzgeschichte entstehen – an zwei Tagen jeweils eine Zeichnung, am dritten die Geschichte (geschrieben) dazu. Denn man kann ja auch mit Worten Bilder entstehen lassen.

Die wahre Herausforderung war dann das Tempo beizubehalten, als sich das Leben mal wieder in die Kurven legte. Ein lieber Freund, den ich gemeinsam mit anderen begleitet habe, starb in dieser Zeit. Meine Schwiegermutter war genau einen Monat davor verstorben. Zwei weitere Todesfälle kamen im nahen Umfeld dazu …
Meine Zeichenlaune war enden wollend, ich war zutiefst erschöpft, unfassbar traurig und zugleich war so viel zu tun in Zusammenhang mit Begräbnissen, Verabschiedungen und diesbezüglichen, organisatorischen Dingen.

Drei Tage setzte ich aus … und mich dann wieder an den Tisch, mit zusammengebissenen Zähnen – denn ich merkte, dass die Reise in die Geschichten in erster Linie mir gut tat. Das Zeichnen der Themen, das Formulieren der Erzählungen und der Zusammenbau, bis hin zur fertigen Kurzgeschichte entführte mich in eine heitere Welt, ließ mich beim Schreiben und Zeichnen lächeln und half mir, die tiefe Traurigkeit rundum ein wenig leichter für mich zu machen.
Ich gestehe, dass ich vermutlich am meisten über meine Geschichte gelacht habe – es war ein Riesenspaß sie zu verfassen, trotz der düsteren Zeit.

Trotz der Pause habe ich es dann geschafft meine 10 geplanten Geschichten in 30 Tagen fertig zu stellen. Und da war ich dann doch sehr stolz und froh. Das Schwierigste daran war allerdings zu entscheiden, welches Erlebnis „hinaus“ durfte.
Es sind alles durch die Bank echte Erlebnisse, nichts wurde erfunden. Ich habe lediglich die Worte zur Verfügung gestellt, um sie zu erzählen. Mag sein, dass ich da hin und wieder die Formulierung dahin gehend so gewählt habe, um die Dramaturgie ein wenig zu straffen 😉 Aber es wurden keine Geschichten erfunden, die Figuren gab und gibt es.

Herausgekommen ist ein heiter-bittersüßer Streifzug durch das ganz normale Leben im Krankenhaus, wo es genauso menschelt, wie anderswo. Und ich habe festgestellt, dass mir das Schreiben solcher Geschichten irr viel Spaß macht, Freude bringt und der Funke öfters auch übergesprungen ist – denn die Rückmeldungen waren sehr positiv. Auch andere konnten über die Erzählungen einen Ausflug in Richtung Lachen machen. Noch kann ich gar nix sagen, aber vielleicht wurde mit diesen 10 Geschichten der Grundstock für etwas Neues gelegt 😉

Hier aber nun die Übersicht meiner Stories, als Zusammenfassung und mit allen Bildern.

Alle aktuellen schrägen G´schichten sind hier zu finden:
… ABER DAS IST EINE ANDERE GESCHICHTE

  1. Das ungeklärte Mysterium der orangen Ananas-Socken
  2. Frau Doktor der dunklen Strümpfe
  3. Das mürbe Kipferl der Auferstehung
  4. Der herrliche Einhornschwamm
  5. Der traurige Haken
  6. Der rostige Heiligenschein
  7. Schatzimausi und der Schweinehund
  8. Hunger auf Geschmack
  9. Spaziergang der Kuscheltiere
  10. Ungeklärte Fragen

Ich wünsch beim Reinlesen viel Spaß und hoffe dich mit einem kleinen Grinsen anstecken zu können – auch wenn manche Geschichte dann doch ein wenig bittersüß und zartherb endet. Leben eben, wie gesagt.

Shitstorm im Darm

Mein Buch „Shitstorm im Darm“ – gut leben trotz Morbus Crohn

Im November 2018 erhielt ich eine Anfrage vom Humboldt-Verlag, ob ich nicht Lust hätte, einen Ratgeber rund um das Leben mit Morbus Crohn zu schreiben … und mit meinen Zeichnungen zu versehen. Meine Freude war immens – und wie ich Lust hatte!

Mit Jänner 2019 begann ich am Manuskript zu arbeiten, Ende Juli gab ich das fertige Konvolut ab. Im zweiten Halbjahr begannen die Verlagsarbeiten, es wurde lektoriert und gekürzt, wir haben es überarbeitet, feingeschliffen, poliert und schlussendlich dann zu einem fertigen Buch gebacken.

Und nun ist es soweit:
Anfang Jänner 2020 erscheint mein Buch „Shitstorm im Darm – gut leben trotz Morbus Crohn!

Es ist ein Mutmachbuch, für Crohn-Newbies und Lang-Crohnies gleichermaßen, und es ist ein Buch für Angehörige und Freunde von Crohn-Betroffenen. Mit vielen Infos und Tipps, rund um das Leben mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, sowohl was den medizinischen Bereich betrifft, aber auch für den Alltag und die vielen großen und kleinen Hindernisse, die der liebe Herr Crohn einem in den Weg legen kann.

Es ist das Buch, das ich mir damals gewünscht habe, als ich die Diagnose erhielt und nicht wußte, was auf mich zukam, weder medizinisch, noch lebenstechnisch.

Man kann es jetzt schon vorbestellen und es wird überall, wo man Bücher kaufen kann, erhältlich sein (wirklich ÜBERALL 🙂 ).
Hier findet ihr alle Infos:

Shitstorm im Darm – Gut leben trotz Morbus Crohn

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Ungeklärte Fragen

HALLELUJA! Die 10. Geschichte ist pünktlich fertig, ich habe meine Verspätung aufgeholt und damit habe ich mein persönliches November-Goal erreicht: 10 Geschichten, mit jeweils 2 Zeichnungen – macht 30 Skizzen (weil man ja auch mit Worten Bilder entstehen lassen kann) und das war das Ziel der #30SkizzenimNovember, der Zeichen-Challenge der Freiraumfrau.

Ich freu mich und bin nun doch ein bisschen sehr stolz auf mich. Auch wenn diese Geschichte eigentlich eine traurige ist. Vor allem weil eine wichtige Frage nicht geklärt werden konnte.

Alle Skizzen, von anderen und von mir, findet ihr auch auf Instagram, Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #30SkizzenimNovember, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 10:

Ungeklärte Fragen

Also das hat mich noch niemand gefragt …
Meine Ärztin starrt mich irritiert an. Wenn es eine Steigerung für fassungslose Verwunderung gibt: Sie sitzt mir gegenüber. Und sie ist sprachlos. Zumindest kurzfristig.
Ich gestehe, ich habe keine Ahnung …“ setzt sie fort und beginnt sichtlich zu grübeln.

Ich gebe zu, meine Frage war ungewöhnlich. Aber doch auch verständlich. Die liebe Frau Doktor hat mir ein paar Wochen zuvor einen Teil meines Dickdarms entfernt, aus wichtigen, crohnischen Gründen (eine andere Geschichte). Die OP war erfolgreich, mir ging es schlagartig besser, die Wundheilung schritt heiter voran und heute war Kontrolltermin. Zu dem ich meine, mir wichtige Frage mitgebrachte habe: Wo denn der herausgeschnippelte Teil gelandet ist?

Wir sitzen uns gegenüber und ich merke, dass ich mit meiner Frage chirurgisches Neuland betreten habe. Die Antwort ist noch nicht gefunden, es war noch kein Thema für irgendwen – frei nach dem Motto: aus dem Bauch, aus dem Sinn.

Der Hintergrund für mein Wissen-Wollen ist intim-spiritueller Natur. Was, wenn die Sache mit dem jüngsten Tag irgendwann doch akut wird und man dann mit seinen kompletten Körperteilen antreten muss, um das zu tun, was an diesem Tag auf der Tagesordnung steht?
Ich halte mich nicht für besonders religiös (weil ich noch keine Religion gefunden habe, bei der meine Vorstellungen passend wären), aber doch ein wenig oder mehr spirituell und irgendwie ist da auch ein Ordnungstrieb in mir: Ich würde gerne wissen, wo meine Körperteile landen. Auch wenn der jüngste Tag nur ein nischenreligiöser Marketinggag sein sollte.

Es hat etwas von Selbstfürsorge. Immerhin sind mein Darmteilchen und ich lange Jahrzehnte durch dick und dünn gegangen (Schlechter Wortwitz, ich weiß. Und Achtung, es geht so weiter:). Wir haben gute und schlechte Zeiten gehabt und am crohnischen Schlachtfeld ist mein Darmteilchen irgendwann zu einem Kollateralschaden mutiert, was eine Trennung notwendig gemacht hat – die Differenzen zwischen ihm und mir waren unüberwindbar. Im wahrsten Sinn des Wortes: Es hatte sich eine Stenose, eine Engstelle gebildet. Der Tunnel war immer enger geworden und damit ich nicht vorzeitig ins Licht am Ende einer anderen Röhre gehe, wurde schnippisch gekontert.

Doch ich hätte mich im Anschluss gerne irgendwie von ihm verabschiedet und vielleicht dann und wann einen Besuch gemacht, ein paar Blümchen an die Stelle gelegt, wo er-es nun liegt und über die guten Zeiten und den damit verbundenen Nachtisch geredet.
Nur wo?

Meine Chirurgin meinte, dass er nach der Op in die Pathologie gebracht wurde und danach … entzieht sich der weitere Verlauf ihrer Kenntnis.
Aber ich werde mich erkundigen und nun werfen wir vielleicht einen Blick auf die Narbe, denn wegen dem sind Sie ja schlussendlich hier.
In meinem Inneren bin ich ja schüchtern und erkenne schnell, wenn jemand einen finalen Themenwechsel vorschlagt und keine Umkehr zum ursprünglichen Gegenstand der Diskussion wünscht. Das Thema ist in mehrfacher Hinsicht vom Tisch.

Allein daheim grüble ich weiter. Denn dieses Problem der verlorenen, in der Welt verstreuten Körperteile betrifft ja auch andere, vor und nach mir. Zum Beispiel die Vielzahl der Heiligen, deren Knochen für diverse Reliquien verwendet wurden. Manche kommen in Summe gesehen zwar auf drei Hände und 24 Finger, andere vermissen dafür nur ein Zungenbein und so gut wie alle müssten ihre Knöchelchen erst aus irgendwelchen Samtverzierungen und Schreinen lösen, eventuelle Goldlegierungen abschaben, ehe sie ans finale Zusammenpuzzeln gehen könnten.
Das sind wahrlich keine schönen Aussichten und nicht nur deswegen vermute ich, dass es wahrscheinlich egal sein wird, ob man komplett auf den Tag des jüngsten Gerichts wartet oder mit deutlich weniger als 100% seiner physischen Körperteile auf die andere Seite wechselt. Aber ich wäre mir gern sicher.

Und was ist mit Zehennägeln? Die wirfst du ja auch einfach in den Müll und denkst nicht darüber nach. Und die Haare, die man verliert im Lauf der Zeit oder beim Friseur lässt?„, fragt eine Freundin rebellisch. „Die sind auch für immer weg, keiner weint ihnen nach und es ist egal, wo sie sind. Mach dir nicht soviele Gedanken. Abgesehen davon hat er ohnehin nur Probleme gemacht, die letzten Jahre. Nix als Qual und Bauchweh, kein Verlass auf den Mistkerl, ganz typisch auch irgendwie. Hatte nur eine einzige Aufgabe und die hat er vermasselt. Lag da nur rum und meckerte, wenn das Essen nicht mürbe genug für ihn war. Dann war er ewig und drei Tage beleidigt, bis man zu Kreuze kroch, weil man diesen Zustand nimmer aushielt ...“
Die Rede ginge noch weiter. Aber ich habe den Verdacht, dass sie mitten im Satz das Thema gewechselt hat – sie wurde vor kurzem geschieden. Als ich schüchtern frage, ob sie nun von meinem Darm oder ihrem Ex spricht, grummelt sie und meint finster „... dein Darm oder mein Ex – vollkommen egal, Arsch ist Arsch.
Was wiederum ein Wortspiel mit besonderer Finesse ist.

Ich habe allerdings bessere Gefühle für mein Dickdarmteilchen, als sie oder irgendjemand anderer für ihre schlechtere Hälfte und protestiere. Immerhin war der Grund meiner Trennung krankheitsbedingt. Aber ich merke, dass ich auch hier keine spirituelle Hilfe bekomme und in stillschweigendem Einvernehmen begraben wir beides bei einer Tasse Tee – ich meine Gedanken rund um meinen Bauchteil. Sie ihren Hass auf den, dessen Namen nicht mehr genannt werden darf. Zumindest vorübergehend.

Denn die Frage lässt mir keine Ruh. Mein Bauch ist gut geheilt, ich habe wieder Appetit, kann alles essen, ohne Krämpfe und vor allem ohne Angst. Und das verdanke ich der operativen Trennung. Wofür ich meinem Bauchbewohner danken möchte. Und ich hätte auch gern, dass ein ehemaliger Körperteil meinereiner nicht in einem kalten Tank auf einer Pathologie darben muss.

Also ich vermute mal, dass man das dann verbrennt.„, meint meine Gastroenterologin, die ich ein paar Tage darauf mit dieser Frage belästige. „Aber sicher bin ich mir nicht. Belastet es Sie sehr, nicht zu wissen, wo er ist?
Ja und Nein.
Ich weiß es nicht.

Es ist eine Phantomemotion. Das ist wie der Phantomschmerz, nur emotional und mehr in der Herzgegend. Der Ordnungstrieb in mir, der auf kontrollfreakige Weise gerne immer wissen will, wo alles ist, besteht aus organisatorischer Sicht auf einer Antwort.
Mein emotionales Ich widerum hätte gern eine kleine, intime Zeremonie abgehalten, mit einem kleinen Sarg, einer netten Rede und ja, auch ein paar Tränchen. Denn so ein Dickdarm wächst weder nach, noch auf Bäumen und er ist einzigartig. Also war.
Und mein Kopf-Ich fragt mich die ganze Zeit, ob ich noch alle Tassen in der Schublade habe, weil es einfach nur dämlich ist, wichtige Hirnkapazität mit einer so blöden Frage zu belasten.
Weg ist weg, meint es, und schwingt damit auf einer Linie mit meiner frisch-be-Ex-ten Freundin und dem stillschweigenden Rest derer, die ich mit meiner Frage gequält habe.

Worüber das Revolutions-Ich erwacht und meint, dass es ihm zwar auch da vorbei geht, wo man normalerweise drauf sitzt, aber soooo geht das nun dann doch nicht, dass sich keiner betroffen fühlt und niemand etwas weiß und mich vor allem keiner ernst nimmt.

Fragen 1 - Schräge G´schichten: Ungeklärte Fragen

Während mein inneres Team eine Mischung aus Klausurtagung und Soko bildet, versuch ich im Außen Nonchalance zu üben und verkneife mir die unheimliche Bauchfrage, die bei allen nur Befremden auslöst. Meine Erfahrung meint, dass es sich wie mit allen Dingen auch hier so verhalten wird, dass der interne Arbeitskreis meinereiner irgendwann seine Sitzungen einstellt, die Frage ungeklärt und ewig unbeantwortet bleiben wird, die Welt sich dennoch weiter dreht und die Phantomemotionen verblassen werden.

Dennoch, dann und wann, frage ich mich noch immer, ob es da einen kleinen Friedhof der Körperteile gibt. Wo sie ihren Frieden finden und ihren ehemaligen Trägern für die Trennung verziehen haben. Wenn ich merke, dass es mich traurig macht, dass der Verbleib meines Dickdarmteilchens so ganz und gar ungeklärt ist und niemanden interessiert, dann tröstet mich diese Vorstellung.

Und zugleich frage ich mich, ob mir nicht im Anschluss an die Narkose, im halbwachen Zustand, heftig den Kopf gestoßen habe, weil ich solche Gedanken habe und über solche Dinge ewig grüble. Was die logischste Erklärung für viele Dinge ist, über die ich mir dann und wann den Kopf zerbreche.

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Spaziergang der Kuscheltiere

Geschichte Nr. 9 im Rahmen der Zeichen-Challenge #30SkizzenimNovember und somit die aktuell vorletzte meiner schrägen Geschichten, ist eine Hommage an wichtige Begleiter im Krankenhausalltag – es geht um Kuscheltiere.

Alle schrägen Geschichten sind hier zu finden: … ABER DAS IST EINE ANDERE GESCHICHTE
Es ist mein Betrag zur Zeichen-Challenge der Freiraumfrau. Mein selbstgewähltes Thema ist diesmal jeweils 2 Zeichnungen und eine Geschichte zu „malen“ – weil man ja auch mit Worten Bilder entstehen lassen kann. In Summe sind das dann (hoffentlich) 10 Geschichten bis Ende November.
Alle Skizzen, von anderen und von mir, findet ihr auch auf Instagram, Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #30SkizzenimNovember, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 9:

Spaziergang der Kuscheltiere

„So ein liebes Mietzekatzi!“
Ich stehe am Gang, nahe meinem Zimmer, und habe eben versucht das Atmen mit meinem, ein wenig außer Kontrolle geratenen, Herzschlag zu koordinieren. Und habe ich das Gefühl im falschen Film zu sein.

Hier ist weit und breit kein Mietzekatzi.
Leider.

Ich wollt schon heut in der Früh was sagen, aber da habens gar ned gut ausgschaut. Jetzt hab ich Sie ansprechen müssen. Sooooo ein liebes Mietzekatzi da auf Ihrem T-Shirt! Wie putzig das dreinschaut!

Der Groschen (0,0714 Cent, ca. 10 Pfennig) fällt scheppernd in den Blechnapf, mein Hirn erinnert sich an seine vom Schicksal vorgesehene Funktion (Denken und Erinnern) und liefert mir das fehlende Puzzleteil: Ich habe heut morgen mein Katzenshirt angezogen.
Es war Notwehr, der Tag hat ziemlich herangegraut und für solche Fälle braucht es Gegenmaßnahmen. Der riesige Katzenkopf nimmt fast das ganze Shirt ein. Überlebensgroß, so nennt man das, und ich denke, es ist gut, dass es diese Katze nicht in echt gibt. Sie hätte die Weltherrschaft inne.

Es ist ein selbstgenähtes Shirt und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe den Stoff gesehen, einen tiefen Blick in die Augen der Mietze geworfen und gewusst: Wir sind für einander bestimmt.
Dieser Blick – unbeschreiblich! Eine leicht kranke Mischung aus sophisticated und komplett durchgeknallt. Leicht nach schräg oben gerichtet und man sieht ihr an, was sie denkt: Soll ich schnurren oder ausrasten? Hat sie mich gerade „putzig“ genannt?
Ideale Kleidung für graue Tage im kranken Haus.

Sichtlich hat meine Mietze einen weiteren Fan gefunden. Vor mir steht eine kleine, ältere Frau. Wobei ich nur vermute, dass sie älter ist (als ich). Wer länger hier ist, bei dem Verschwimmen die Jahresringe und man weiß nicht mehr, ist es das Alter oder die Umgebung. Sie ist schon fast 4 Wochen hier und bleibt noch ein paar. Ein ausgebleichte, ursprünglich buntere Hose, ein beige-braunes Shirt mit irgendwelchen Ethnoaufdrucken. Graue, gekräuselte Haare, eine lustige Brille und eine Bauchtasche mit zwei Kuscheltieren.
Bis auf die Bauchtasche eine ganz normale Erscheinung. Wobei die Bauchtasche das Outfit perfekt ergänzt und auch die Kuscheltiere, ein Bärchen und ein Häschen, zum Rest passen.

Alles im Rahmen, schließlich sind wir hier im Krankenhaus und wo kann man seine Spleens besser ausleben, wenn nicht hier? Wobei die Intensität des Auslebens mitunter von diversen bunten Pillen gesteuert wird, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Zu intensiv sollte man den inneren Hippie also auch hier nicht raushängen lassen. Es könnte sonst zu einem Flug übers Kuckucksnest führen.

Die Bauchtaschen-Lady ist noch im Rahmen, hat sich gut im Griff und schwärmt mir noch immer von der Begegnung mit meiner T-Shirt-Katze vor. Es dürfte das spirituelle Erlebnis des heutigen Tages für sie sein.

Ich merke, dass meine T-Shirt-Mietze zwischen Schnurren und Fauchen hin- und herüberlegt und bevor sie eine Entscheidung für mich trifft, deute ich auf die beiden Plüschis in der Bauchtasche und sage, leicht verkrampft lächelnd: „Die sind aber auch lieb, die zwei.
Ja, das sind meine Kinder, die trag ich gern mit mir herum.“
Ich nicke verständnisvoll.
Der Spleen, die Tabletten, die Umgebug.
Alles gut.

Also eigentlich sind es ja die alten Kuscheltiere meiner Buben. Die sind schon groß, Enkel hab ich auch schon. Aber ich seh sie alle so selten. Die leben weit weg, der eine sogar im Ausland. Also hab ich den Bärli vom Franz und das Haserl vom Georg, damit ich wenigstens so ein bisschen Kontakt zu ihnen halte. Und mir isses wurscht, wenn man mich für durchgeknallt hält, ich steh dazu.

Ich nicke wieder, nun auch innerlich und betroffen.
(Und in einem fernen Winkel meines Inneren schäme ich mich ein bisschen über das, was ich davor zu denken begonnen habe).

Ich trag sie halt gern mit mir herum, die zwei. Damit sie auch mal rauskommen aus dem Zimmer. Ich weiß, klingt schräg und jeder schaut mich an, als ob ich mir zuviel von den Pillen eingeworfen habe. Aber mir hilfts, mir geht es besser, wenn ich meine Babys bei mir habe. Dann erinner ich mich wieder an die schönen Zeiten, als die Kinder noch klein waren, als alles gut war. Das gibt mir Ruhe, damit ertrag ich den Rest von diesem Wahnsinn einfach besser.

Ich blicke auf die beiden Babys, Kopf gesenkt, damit man meine Tränen in den Augen nicht sieht. Aktuell bin ich etwas nah am Wasser gebaut und ja, die Lady hat mich an meinem schwachen Punkt erwischt. Ich bin gerührt, betroffen und habe einen sentimentalen Schub.
Leider habe ich auch Herzrhythmusstöruungen und Schwindel und meine Knie meinen, dass es mal wieder Zeit wäre, sich auszuklinken. Bevor ich wieder Richtung Boden abbiege (das hat man hier nicht ganz so gern, da wird die Pflegemannschaft immer ganz hektisch), murmel ich was von „isjaurlieb, gudeidee, sorry, mussinsbett, schwindlig“ und wanke wieder in mein Zimmer. Meine Katzenfrau am Shirt hält den Kopf für mich hoch, die Bauchtaschen-Lady winkt mir lustig nach und wandert weiter.

In meinem Zimmer lasse ich mich auf mein Bett fallen. Gerade noch rechtzeitig, die Knie machen Pause. Die Katzenlady ist wieder im Ruhezustand, ihr Auftrag ist erfüllt.

Kuscheltiere 2 - Schräge G´schichten: Spaziergang der Kuscheltiere

Am Galgen baumelt Berndi-Bär und winkt mir lustig zu. Da wird er immer hingehängt, wenn ich meinen Platz im Krankenzimmer einnehme. Er war schon in vielen Spitälern, genauso wie meine Maus Hartmann. Die aber nun schon so mürbe ist, dass ich ihr die Reisen nicht mehr zumuten will. Berndi-Bär ist der amtierende Talismann und mein Galgenschmuck, er kennt meine guten und meine schlechten Zeiten. Vor allem letztere erlebt er meist aus der Vogelperspektive, denn diese spielen sich eher im Krankenhaus ab.
Ich habe ihn beim Liegen immer im Blick und das hilft, den Fokus weg von der nicht unbedingt heimeligen Umgebung zu zentrieren. Mit Berndi-Bär vor der Pupille sieht auch ein Krankenzimmer nett und lustig aus. Berndi-Bär am Morgen vertreibt zwar keine Sorgen, aber er hilft dabei, sie auf später zu verschieben. Und Berndi-Bär am Abend sorgt dafür, dass der Sandmann seine Alpträume woanders abliefert (zumindest hoffe ich, dass der kleine Teddy dann seine Höhlenbär-Gene auspackt und fiese Sandmann-Attacken urgeschichtlich erledigt)

Doch wenn ich am Gang herumgehe, hängt er weiter da, allein am Galgen, im Wartemodus. Irgendwie ist das ungerecht, wird mir nun klar. Die Bauchtaschen-Lady hat recht: man muss auch seinen Kuscheltieren und Talismännern dann und wann einen Gesichtsfeldwechsel zugestehen. Ich denke, die kommende Tage werde ich mir den Bären umbinden. Mit einer Schnur, um den Hals. Da kann er dann mal woanders abhängen und in Anbetracht der Lage ist es auch schon egal, was der Rest der Leute hier von mir denkt.

Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich habe das Gefühl, er freut sich darauf die Umgebung zu verunsichern und mal rauszukommen.

Cartoons, Kranke Geschichten - Strange Stories

Schräge G´schichten: Hunger auf Geschmack

Meine achte schräge G´schicht in der Kategorie … aber das ist eine andere Geschichte für die Zeichen-Challenge #30SkizzenimNovember macht Appetit und hat eine Botschaft: Es ist nicht immer alles so, wie man es sich denkt. Vor allem, wenn man hungrig denkt. Was eigentlich gar nicht geht. Aber lest selbst.

Alle Skizzen, von anderen und von mir, findet ihr auch auf Instagram, Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #30SkizzenimNovember, meiner ist zusätzlich #schrägeGschichten.

30 Skizzen = 10 schräge Geschichten – Nr. 8:

Hunger auf Geschmack

Ich habe Hunger.
Richtig, großen Hunger.
Nicht auf Essen.
Essen hatte ich schon und es hätte mich vermutlich ernährt, wenn ich es gegessen hätte. Es war glutenfrei, laktosefrei, ballaststoffrei und geschmacksneutral. Mein Essen war so von allem befreit, dass es ein Wunder war, dass ich es überhaupt gesehen habe. Es hatte vermutlich auch Kalorien. Aber soweit sind wir nicht gekommen. Wäre es ein Bild auf Tinder gewesen, hätte ich es wenigstens wegwischen können – kein Interesse.
So habe ich es einfach stehen gelassen. Es hat dann noch trauriger ausgesehen und ich hatte sogar den Hauch eines schlechten Gewissen. Aber mein Magen hat sich geweigert dem traurigen Kalorienkonvolut Unterschlupf zu gewähren und in solchen Dingen bin ich meinem Bauchgefühl hörig.

Still und schweigend habe ich es wieder zurück getragen, in den Wagen, mit dem es und seine Kollegen auf der Station gelandet ist. Einzig das Schild mit meinem Namen habe ich entfernt. Mein Mitgefühl mit dem nun noch traurigerem traurigem Essen war ein wenig kleiner, als ich es zu seinen anderen, gleichfalls verweigerten Kollegen in den Wagen geschoben habe. Es war wenigstens nicht allein. Der Nahrungsmitteltinderpapierkorb dürfte heute wieder voll werden.

Das Kaloriendesaster ist vom Tisch, aber mein Magen hat dennoch Bedarf. Und dann hab ich ja auch noch Hunger. Auf Essen, dass wie Essen aussieht. Das einen Geruch hat, wie gutes Essen riechen sollte. Das mit einem Hauch Liebe angerichtet wurde oder zumindest nach optischen Kriterien, die auf visuellen Geschmack schließen lassen. Ich will erkennen, was das für eine Gemüse ist, will etwas haben, worauf ich beißen kann, es darf Salz drin sein und gerne eine Reihe klassischer und exotischer Gewürze. Ich will Vitamine, Kohlehydrate und Spurenelemente – in Form von Nahrung, die auch der Seele gut tun und den Mund dazu bringt, es mit einem Lächeln zu kauen, damit die Speiseröhre sich freut, es zu schlucken und der Magen ein Stündchen später noch glücklich gluckert.
Das ist die Sorte Hunger, die ich gerade habe. Aber das trifft leider genau nicht auf die Sorte Essen zu, die ich hier im Krankenhaus erwarten darf. Selbst mit allen Tricks der Diätassistentin ist das leider nicht möglich.

Was ein Problem darstellt, denn ich habe eben gerade diesen Hunger und wenn ich diese Art Hunger habe, dann werde ich sehr unleidlich, wenn der nicht zu meiner Zufriedenheit gestillt wird. Was sich dann auf die weitere Umgebung auswirken kann und gesundheitliche Probleme verurschen könnte, nicht nur bei mir. Die Diva-Werbung eines bestimmte Schokoriegels deutet in etwa an, wohin sowas führen kann. Das wäre in meinem Fall aber die sanfte Version. Ich will nicht, dass das ausartet, weil ich weiß, wie es dann ausarten kann und das will ich weder den anderen, noch mir zumuten.

Es wirkt wie eine Pattsituation, aus der es keinen Ausweg gibt. Denn ich bin ja im Spital, stationär aufgenommen, als Patientin. Ich kann nicht eben mal beim Wirtshaus gegenüber einkehren und mir das 1er-Menü bestellen. Abgesehen davon, dass das, was ich will, was mir schmeckt und was ich vertrage, gegenüber nicht zu bekommen ist.

Ich kann nicht raus, das Essen muss zu mir. Und zwar rasch, denn mit jeder Minute wird die Stimmungslage labiler und die Monsterdiva scharrt in den Startlöchern.
Es ist somit ein klassischer Fall von selbstverteidigender Fürsorge, dass ich mich an die Instanz wende, die in solchen Fällen einzig und allein helfen kann: den Lieferdienst.
Zwei Apps sind auf meinem Smartphone für solche Fälle installiert und ich danke an dieser Stelle meinen wunderbaren Kindern, dass sie mir diese Art der Nahrungsjagd als Nothelfer empfohlen haben.
Nun ist es soweit, ich muss das Notfallprogramm starten. Die Auswahl ist immens, aber ich brauche etwas, das in der Nähe ist (weil schneller da), was ich vertrage und im Idealfall von einem Lokal, das ich kenne, denn dann weiß ich, ob es gut ist.
Mein Glück, dass ich in einem Krankenhaus in Wien bin, relativ zentral gelegen, wo die Auswahl der gelisteten Lokale somit auch ein paar Asiaten auflistet, bei denen ich schon das Vergnügen hatte gut gegessen zu haben. Insofern ist es nur noch eine kleine Qual der Wahl, welchen und was ich auswähle.

Während ich die Bestellung abschicke, richte ich ein stilles Dankgebet an den Erfinder des Internet, die Entwickler dieser App und meine lukullischen Schutzengeln. Und hoffe, dass der Koch Dampf macht und der Bote Vollgas gibt.

Das Schöne und zugleich Fiese an dieser App: Ich kann den Weg mitverfolgen. Quasi mit sabbernden Lefzen über dem Bildschirm hängen, alle paar Minuten auf Aktualisieren klicken und mit knurrendem Magen die Minuten bis zum Eintreffen des Boten zählen. 30 Minuten, in meinem Fall. Das ist schnell und langsam zugleich.
Und es lässt mir genug Zeit, mich auf den Weg zum Treffpunkt zu begeben. Denn aus Gründen des Datenschutzes (ich will nicht, dass die halbe Station und die gesamte medizinische Belegschaft mitbekommt, dass ich mir was Nahrhaftes aufs Zimmer liefern lasse) (oder es an die Diätassistentin verpetzen) (oder mir wegessen … was aktuell meine größte Angst ist) … jedenfalls: aus Gründen des Datenschutzes habe ich mir die Lieferung zur Rezeption unten hinbestellt und hoffe, das zu dieser späteren Stunden Flaute beim Eingang herrscht.

20 Minuten vor Eintreffen meiner Futterschüssel halte ich es im Zimmer nicht mehr aus. Ich flüster der diensthabenden Schwester zu, dass ich „ein bisserl im Haus spazierengehe“ und stapfe Richtung Rezeption. Vielleicht irrt die App ja und der Bote kommt früher. Oder war schon da! Also schnell runter und die Lage im Auge behalten.

Der Bereich rund um die Rezeption ist weniger leer, als ich vermutet und erhofft habe. Es steht zwar niemand für eine Aufnahme an, aber es lungern genug Leute herum, damit man nicht von unbelebt reden kann.

Allerdings wirken die alle so, als würden sie ohnehin nichts von ihrer Umgebung mitbekommen: Jeder hängt über seinem Handy. Wunderbare neue Welt, ich bin von Smombies umgeben  – Smartphone-Zombies.
Ich suche mir einen Platz mit gutem Blick auf den Eingang, zücke mein Handy und prüfe, wie weit mein Futter im Abendverkehr schon gekommen ist. 15 Minuten bis zum Einschlag.

Ein paar Meter rechts von mir sitzt ein junger Mann, sichtlich Patient, die Füße überschlagen und zappelig. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand dauernd mit dem Fuß wippt, das macht mich nervös. Er zappelt mit dem Fuß und streicht immer wieder fahrig über sein Handy. Dann und wann hebt er den Kopf und blickt sehnsuchtsvoll zum Eingang. Dann seufzt er und glotzt wieder auf seinen Kommuniktationsknochen. Wartet vermutlich auf einen späten Besuch, denke ich mir, und so hoffnungsvoll, wie er zum EIngang blickt, wird es vielleicht seine Liebste oder sein Liebster sein. Ein Romeo, der auf Julia oder Julius wartet. Romantik im Spital ist was Schönes, ihm sei das Fußgezappel verziehen. Liebe und Ungeduld gehören nunmal zusammen.

Schnell ein Blick auf meine App – das Paket nähert sich, 10 Minuten. Seit wann dauert denn das so lange? Vor kurzem waren 5 Minuten viel schneller um, momentan zieht es sich echt. Ich aktualisiere noch zweimal, aber es ändert sich kaum was.

Seufzend hebe ich meinen Blick und lasse ihn schweifen. Links von mir sitzt eine Grüne. Entweder aus der Chirurgie oder einem anderen operativen Bereich. Ob Ärztin, ob Schwester, ob Studentin – keine Ahnung. Grüne knielange Hose, grünes Wams, grünes OP-Käppi … und ein zappelnder Fuß, der ähnlich wie beim jungen Mann rechts von mir, permanent am Wippen ist. Doch gänzlich anders als beim junge Mann ist dieser Fuß mitsammt der Wade bestrumpft. Mit grünen Kniestrümpfen, auf denen sich viele weiße und ein paar schwarze Schafe tummeln. Was in Kombination mit dem wippenden Fuß zum Eindruck führt, die Schafe würden sich bewegen und es herrscht viel Getummel auf der Weide.
Vielleicht habe ich aber auch schon Halluzinationen vor lauter Hunger.
Die Wahl der Socken lässt mich vermuten, dass die Grüne in der Anästhesie arbeitet. Vielleicht ist das ja ein Insidertrick, um die Einschlafzeit der Patienten vor der OP durch Sockenschäfchenzählen zu verkürzen.

Hunger 2 - Schräge G´schichten: Hunger auf Geschmack

Die grüne Schafsockenträgerin hat ihr Handy gleichfalls fest im Griff. Am Tisch neben ihr steht eine Cola, der Blick vom Handy hebt sich regelmäßig, einmal zur Cola, dann zum Eingang. Ich vermute mal, dass sie auf die Ablösung wartet.

Zeit um mal wieder den Lieferstatus zu prüfen – 5 Minuten. Es wird Zeit. Ich hebe den Blick und lasse ihn über das Grüppchen der anderen Anwesenden schweifen. Ein buntes Sammelsurium wartender Menschen, die in ihrer Zusammensetzung klassisch für ein Krankenhaus sind. Patienten, medizinisches Personal, in Summe um die 15 Personen. Alle sitzend, alle mit dem Handy in der Hand. Von Zeit zu Zeit hebt wer den Blick, sieht zum Eingang, senkt ihn wieder und wischt über das Handy. Bei den meisten zappelt ein Fuß und ich merke auf einmal, dass auch mein Fuß wippt. Kunststück, der hat sich anstecken lassen. Ich stoppe das Wippen und stehe auf. Stehende Füße können nicht wippen. Dafür werden sie aber zappelig und ich beginne herumzugehen. In konzentrischen Kreisen nähere ich mich der Rezeption. Mein Bote müsste jeden Moment hier eintreffen. Himmel, ich hoffe, er hatte keinen Unfall! Nicht auszudenken …

In diesem Moment kommen zwei junge Männer herein, beide tragen unübersehbar Essenslieferdiensttaschen. „Die Pizza ist da!„, ruft der eine.

Pizza? Wieso Pizza?? Ich hab doch keine Pizza bestellt!
Habe ich mich vertippt?
Ich zücke hektisch mein Handy, während ich gleichzeitig auf den Boten zu gehe. Aber da überholt mich ein Schatten von rechts – der junge Mann mit dem zappelnden Fuß, der auf seine Liebe wartet. „Endlich, danke! Das ging schnell, ich hab schon so einen Hunger!
Ein Geldschein wechselt seinen Besitzer, die Pizzaschachtel wechselt zum jungen Mann, der sie liebevoll, mit glücklichem Gesicht an seine Brust drückt und Richtung Aufzug stapft.

Ich stehe verdattert da und schaue zum anderen Lieferdienstmann, der eben seine Box in die wartenden Hände der Schäfchensocken-Lady entleert.

Äh …

Ich schaue mich um – alle, die hier gewartet haben, blicken zu den beiden Boten. Ein paar haben sich halb erhoben, ihr Handy in der Hand, zwei stehen und waren sichtlich am Weg zu den beiden.
Der Ausdruck in ihrem Gesicht muss meinem ähneln und fällt unter die Kategorie: Blöd aus der Wäsche gucken.

Während ich langsam beginne die Zusammenhänge in meinem Kopf neu zu ordnen, betritt ein dritter Bote den Raum. „Butter Chicken, Mangocreme, Karottensaft und Muffins?“ fragt er in die Runde. Ich trete wie in Trance auf ihn zu, nicke, reiche ihm das Geld und nehme mein Päckchen Glück entgegen. Der schönste Moment des Tages. Ich halte meine wohlverdiente Beute in Armen, warm und köstlich duftend. Ich weiß nun, wie der Himmel duftet und das es sich lohnt auf dieses Gefühl zu warten.

Die anderen wartenden Hungerleider sind vergessen, ich wandere wie auf Wolken zum Aufzug, versuche nicht zu sehr zu sabbern und meinen Schatz gut festzuhalten.

Oben angekommen packe ich aus und haue rein. Bei der Nachspeise beginne ich im Kopf zu kalkulieren, wieviel Umsatz die Lieferdienste allein heute abend hier gemacht haben und ob es nicht eine ideal Geschäftsidee wäre, eine Sammelapp für hungrige Krankenhäusler zu machen, womit man die Anreise öokologischer und ökonomischer gestalten kann – denn dann müsste nur ein Lieferwagen kommen und nicht 15 verschiedene Boten. Andererseits würde das dann vermutlich länger dauern. Die Idee ist noch nicht ganz ausgereift.

Beim Wegräumen der Überreste grüble ich, ob ich morgen einen Abstecher zu den Anästhesisten mache und versuche die Schafsockenträgerin zu finden. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, hatte sie ein Curry. Wenn es gut war, bestell ich mir eins für morgen Abend.

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