Müde – das ist das Schlagwort dieser Tage.
Ich bin müde.
Nicht „wenig-Schlaf-gehabt“-müde.
Nicht „zu viel getan“-müde.
Nicht „schlechten-Tag-gehabt“-müde.
Sondern „Alles ein bisschen mehr als zu viel gewesen“-müde.
Und dieses „alles“ lässt sich auf ein paar Faktoren einschränken. Nämlich zu viel, zu lange andauernde Situationselastik, von außen und innen:
Wenn man am Beginn der Woche keine Ahnung hat, ob der Kalender sich täglich dreimal neu schreibt und man am Ende der Woche entweder gar nichts oder viel zu viel gebacken bekommen haben musste.
Wenn man zum Doc-Date ins Krankenhaus aufbricht und keine Ahnung hat, ob man trotz rechtzeitig wegfahren auch rechtzeitig da ist, weil die nach wie vor nicht eingespielten Corona-Kontrollen so chaotisch sind und man dann erst beim Betreten des Raumes sieht, ob man auch wirklich bei „seinem“ Doc gelandet ist … oder seiner nicht geliebten Vertretung (und damit das ganze Abenteuer, den Aufwand und die Hoffnungen in den Kübel kicken kann).
Wenn man Aussicht auf ein paar schöne Tage hat und Madame Migraine einem genau dann beehrt und man versucht dennoch durchzuhalten. Wissend, dass die Schönheit des Moments sich erst lange danach als Erinnerung ergeben wird … oder auch gar nicht.
Wenn dies und das und nochwas ... und all das nicht, wenig oder ganz anders kommt, geht, sich zeigt oder wasweißich.
Ich bin müde, frustriert, resigniert, erschöpft und – als Crohnie besonders perfide, also bitte einmal kräftig „Ha Ha“ – scheiß drauf.
Ich hatte Hoffnungen und Pläne für dieses Jahr. Und wie bei allen anderen Menschen auf dieser Welt hat auch bei mir das Leben gemeint, dass es mal eben ein neues Level freischaltet und spontan prüft, inwieweit ich mich an das statische Sein angepasst haben oder ob ich eh noch beweglich genug bin, die sich täglich dreimal ändernden Umstände, Emotionen, Termine und Vorgaben wie ein Lebensschleudertrauma flexibel ins Dasein zu integrieren.
Da kann einem schon mal die Luft ausgehen und dafür braucht es gar keine Maske (die das alles nicht schlimmer macht, sondern zumindest dafür sorgt, dass man sich Mengen an Make-Up spart, um zu versuchen cool und fesch auszusehen, und keiner sieht, dass einem darunter nicht nach Lächeln zumute ist).
Abgesehen vom bösen C wäre der Sommer ein schöner gewesen. Also wenn man auch davon absieht, dass (mir) die Hitze teilweise unerträglich war und sich in unmittelbarer Umgebung ein paar sehr zu Herzen gehenden Lebensdramen abgespielt haben, es teilweise noch immer tun und nein, da kann Frau sich nicht raushalten oder abschalten oder wegsehen.
Ich bin unendlich müde … und es hängt zur Abwechslung mal nicht (nur) am niedrigen Eisenspiegel und am blassen Blutbild.
Ich bin grundmüde … und die zunehmend mehr werdenden Migränetage machen das nicht besser.
Ich bin winterschlafmüde … und bedaure einmal mehr, nicht als Bär auf die Welt gekommen zu sein.
Ich bin frustriert-müde … und die Gründe dafür sind üppig.
Was ich hätte tun sollen-wollen:
Mich volle Kanne in das Projekt „MEIN ERSTES BUCH BEKANNT MACHEN UND PROMOTEN“ zu stürzen.
Sprich: Mit Verve netzwerken, Kontakte kontaktieren, Bonus-Content kreieren, Lesungen und Auftritte organisieren, Social Media befüllen und mich als Neo-Autorin positionieren.
Außerdem: Mir Gedanken über ein mögliches nächstes Buch machen, eine Übersetzung des ersten ins Englische zu ermöglichen suchen und meine ultimative Positionierung als Darm-Fluencerin zu inszenieren. Ich hätte pushen und dingsen, schreiben und reden, zeichnen und filmen, dies und das und noch was wollen-sollen. Und es ist nicht nur dem Big-C zu verdanken, dass so gut wie nichts davon geschehen ist.
Mein Buch wächst leise und zart in die Welt – im Sinne von: Wird bekannter. Nicht in dem Ausmaß und der Schnelligkeit, wie der Verlag und ich es uns erhofft haben, aber es wächst stetig. Und das Schönste: Die Reaktionen sind durch die Bank gut, motivierend und erfreulich. Aktuell (Stand September 2020) sind es 14 Sternebewertungen auf Amazon, mit 10 Rezensionen ebendort.
Die Rezensionen bzw. Buchbeschreibungen von anderen, in Blogs & Co., sind wie gehabt und ja, ein bisschen tut es weh, weil wir sehr viele Rezensions-Exemplare ausgeschickt haben (und vorweg gefragt haben, ob Interesse an einer Rezension besteht), aber bis heute nur sehr wenige Retourmeldungen dazu gekommen sind. Dafür sind die, die da sind, bekräftigend und erfreulich und machen sehr happy. Und ich bekomme immer wieder sehr berührende, schöne, ermutigende Mails von LeserInnen, die mich für Tage glücklich machen. Das tut unendlich gut, bestärkt und macht Mut.
Andererseits habe ich selbst auch einen Stoß Bücher hier liegen, die ich lesen und rezensieren sollte und einige liegen schon länger – mea culpa. Insofern alles gut und verständlich, so ein Buch liest sich nicht von selbst und das Schreiben darüber braucht auch nochmal Zeit und Motivation.
Die Idee und der Wunsch Lesungen zu machen, waren vor Big-C sprudelnd und ambitioniert. Das Ganze dann C-bedingt virtuell zu machen scheiterte an meiner mangelnden Kraft, mich dem Thema situationselastisch anzubiegen und der Tatsache, dass Zoom-Meetings und Videos not my yellow from the egg sind. Nicht von technischer Seite her, sondern betreffend Aufwand und Anstrengung (und Eitelkeit: Ich mag mich auf Videos nicht ansehen).
Immerhin: Eine virtuelle Lesung für ein Unternehmen gabs – ohne Bild, dass sich durch die kollabierende Internetverbindung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Dabei hab ich mich dafür extra hübsch gemacht und auch den Hintergrund beschönt. Ich hoffe, es kam auch verbal fesch rüber 😉
Fakt ist, dass ich das alles auch ohne Big-C nicht so geschafft hätte, wie ich es mir im Frühjahr erhofft-träumt habe. Nicht mit meinen unsichtbaren Sidekicks namens Crohn, Migräne, Fatigue und dem Rest der fiesen Gang. Es hat einen guten Grund, dass ich seit 2016 in Berufsunfähigkeitspension bin, also nicht arbeitsfähig. Und ein Buch in der Form zu promoten, wie ich es vor hatte und wie es vermutlich gut wäre, ist ein 24/7 Fulltime-Job.
In den letzten Jahren hat sich zudem meine Migräne zu einer wahren Pest herausgewachsen. Diesen August bin ich auf 14 Schmerztage gekommen, mit 11 Anfällen. Das ist ein neuer, persönlicher und sehr schmerzhafter Rekord, auf den ich keinen Wert gelegt habe.
Funfact: Es sind genausoviele Schmerztage, wie ich aktuell Sternebewertungen für „Shitstorm im Darm“ habe. Darüber kann man bei einem Hafer-Matscha-Ladde schon ein paar Sekündchen filausoflieren. Doch wer die Hälfte des Monats Schmerzen im Oberstübchen hat, der (die) hat keine Kraft über, um sie stylish im grünen Hafer-Gschloder zu versenken.
Und ich liebe Matcha-Latte.
Und philosophiere auch gerne.
Wenn ich ehrlich bin, dann ist es vermutlich diese Komponente, die den größten Anteil an meiner Frust-Erschöpfung-Sinn-Müdigkeit hat. Ich meine: Wadsefuck???
Ich habe 99% der Dinge probiert, die man bei Migräne probiert, in absolut jeder medizinischen-alternativen-komplementären Richtung. Der fiesen Hirn-Funsen ist es sch***egal. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt.
Akkupunktur, Homöopathie, Schmerzmediks quer durch die pharmazeutische Landschaft (NSAR, Non-NSAR, Triptane …), einmal durch alle Kräutergärten der traditionellen Medizinen, Stressvermeidungs- und Entspannungstechniken (alles, wirklich ALLES was es gibt – kann einen Workshop nur dazu machen). Außerdem Injektionen in vielerlei Form und (immer, IMMER!) dahin, wo es richtig-richtig weh tut und seit 2 Jahren ein Spezial-Elektrodengerät, dass mir zwei-dreimal täglich die Nerven im Köpfchen ordentlich durchbrutzelt, damit sie abgehärtet und disziplinierter werden.
Wer sich nun berufen fühlt, mir Tipps á la „… hast du schon XYZ probiert“ zu senden-sagen-schreiben: Bitte verzichte darauf und geh davon aus, dass ich es probiert habe, vermutlich sogar mehrfach.
Das gilt speziell für Diäten, Bioresonanz und andere Austestungen, Geistheilung, Handauflegung, Nahrungsergänzungsmittel, sämtliche klassischen und energetischen Massagerichtungen, Schüsslersalze, Wundersalben, Zauberpflaster, Himmelskonstellationsveränderungen, Seelenklempnereien und vieles anderes, ähnliches.
Ich mache täglich Yoga, seit Jahren.
Ich meditiere täglich, auch schon eine ziemliche Lebenszeit lang.
Ich bin viel in der Natur, gehe täglich (Danke Hundegirl) spazieren – meine Kondi ist nicht brüllend, aber gut.
Ich halte mich seit Jahren strikt an meine Diät und die sehr seltenen Ausrutscher dann und wann gehören zu dem, was man Leben nennt.
Ich weiß, was bei mir Anfälle auslösen kann: grelles Licht, Stress, falsches/zu spätes/zu üppiges Essen, zu wenig Essen, Lärm, zu wenig Trinken, bestimmte Nahrungsmittel, blöde Mitmenschen, Katastrophen, Wetteränderungen, Bauchbeschwerden, starke Gerüche, Überanstrengung in jeder Form, zu wenig Schlaf, zu viel Schlaf, die Mondphasen über der Sahelzone usw. usf.
Und ich versuche soviel davon zu meiden, wie nur möglich und sofern es sich vermeiden lässt. Was nicht immer geht, denn: This is life – it happens, obwohl du versuchst es zu vermeiden.
Doch selbst wenn ich alles, absolut alles, was ich meiden kann, meide, passiert es trotzdem immer wieder und der Kopf explodiert vor Schmerz. Der Tag ist im Eimer, die Kraft geht fürs Durchhalten drauf und der Magen muss einmal mehr mit den Schmerzmediks klarkommen, damit der Rest des Körpers zumindest ein erträgliches Sein hat. In 7 von 10 Fällen habe ich keine Ahnung, warum es so ist, was diesmal der Auslöser war, wer oder was Schuld hat.
Ich bin im Grund ein positiv denkender Mensch, mit Zielen und Ideen und Wünschen fürs Leben. Ich habe also das, was man SINN im Leben nennt und meine Ideen dafür reichen weit, weit in die Zukunft. Und dennoch bin ich momentan einfach nur unendlich müde von diesem Sein. Es ist immer wieder zu viel Erschöpfendes darin, als man mit gewaltigen 1,61cm Körpergröße und klatschnassen 60kg erträgt. Und dann fragt man sich, ob der Sinn noch einen solchen macht.
Was mir „das“ sagen soll, frag ich übrigens schon lange nicht mehr. Das hat keinen Sinn, da geht man nur in den Wirren des Denkens grübelnd unter, ohne auch nur den Anschein von Licht am Ende des Dunkels zu finden und bekommt zusätzlich Kopfschmerzen.
Seltsamerweise geht es dennoch immer irgendwie weiter.
Seltsamerweise stehe ich dennoch immer wieder auf, rolle mich auf meine Yogamatte, versuche mich soweit zu entwirren und entwickeln, dass ich es schaffe, körperlich in den Tag zu steigen.
Seltsamerweise geht mein Kopf dennoch über vor Ideen, Geschichten, kreativen Vorstellungen, die ich unbedingt umsetzen will.
Seltsamerweise findet sich dennoch immer wieder Kraft, damit ich das dann auch tun kann.
Seltsamerweise springt dennoch fast täglich ein Funke an, der mir soviel Wärme schenkt, dass ich mir einheizen kann, mich dem Tag stelle, virtuell in die Hände spucke und zumindest Teile meines Planes, meine Welt zu einem besseren Ort zu machen, in Angriff nehme.
All das kostet Kraft und noch mehr Zeit und wenn einem, dank Madame blödes-Mistvieh-Migraine die Hälfte des Monats gestohlen wird, dann ist am Ende des Monats eben auch nur entsprechend wenig passiert und im Außen sieht man kaum was davon.
Will sagen: Mich gibt es noch, ich lebe, ich zeichne und schreibe (wieder), ich bin aktiv, soweit ich aktiv sein kann, und freue mich, dass mein Buch auch ohne meine aktive Begleitung gehen gelernt hat, sich zaghaft umsieht und seinen Weg durch die Welt gehen wird. Halt eben in einer anderen, langsameren, aber ermutigend hoffnungsstureren Weise, als ich geplant hatte.
Der Rest ist ein Kartenhaus-Karussel: Immer knapp vorm Einstürzen, immer in Bewegung, ohne Plan, fallweise dreht man sich im Kreis, fallweise wird man gedreht und dann wieder gehts hoch hinaus, so dass man den Rand der Welt und darüber hinaus sehen kann. Und fallweise purzelt man ein paar Stockwerke tief hinunter, umgeben von fallenden Karten, die wie Herbstblätter in alle Richtungen davon stieben und im besten Fall den Fall bremsen.
Leben eben.
Auf meine eigene, sehr spezielle Art.
Danke fürs weiter hier Mitlesen, Zuhören und drauf Warten, dass was erscheint.
Ich liebe euch!